Zentralverband des Deutschen Handwerks

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Der Zentralverband des Deutschen Handwerks e. V. (ZDH), in dem die 53 Handwerkskammern und 50 Zentralfachverbände des Handwerks sowie wirtschaftliche und wissenschaftliche Einrichtungen des Handwerks in Deutschland zusammengeschlossen sind, vertritt die Interessen von rund 1 Million Handwerksbetrieben in Deutschland mit ca. 5,58 Millionen Beschäftigten, mehr als 360.000 Auszubildenden und einem Jahresumsatz von rund 640 Mrd. Euro.

Mit den nachfolgenden Anmerkungen nimmt der ZDH Stellung zu der übermittelten Dialogfassung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) 2021. Konkrete Anmerkungen zu den Maßnahmen zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele sind als Anlage beigefügt. Die Reihenfolge der Hinweise orientiert sich an der Struktur des Strategiepapiers, nicht nach etwaigen Priorisierungen aus Sicht des ZDH.

Der Nachhaltigkeitsbegriff der DNS zielt darauf ab, „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, [..] Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und soziale Verantwortung so zusammenzuführen, dass Entwicklungen dauerhaft tragfähig sind.“
Handwerksbetriebe sind traditionell durch das Denken in Generationen geprägt. Nachhaltiges Handeln ist für das Handwerk ein über Jahrhunderte gewachsener und bestimmender Bestandteil seiner Identität und Werte. Für das Handwerk sind die drei oben genannten Handlungsfelder damit von erheblicher Relevanz.

Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit: Das Handwerk macht mit seinen rund einer Million Betrieben einen großen Teil der deutschen Wirtschaft aus. Es trägt entscheidend zu Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit in unserem Land bei und bietet Lösungen für Herausforderungen, vor denen die Gesellschaft steht – gerade beim Thema Nachhaltigkeit. Ohne Handwerk kein Smart Home, keine Energiewende, kein Klimaschutz und keine modernen Mobilitätstechniken. Nachhaltige Transformationsprozesse sind für das Handwerk schon jetzt eine große wirtschaftliche Chance. Gleichzeitig sind aber vor allem die Klein- und Kleinstbetriebe überproportional von Regulierung in diesem Bereich betroffen.

Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen: Das deutsche Handwerk leistet einen wichtigen Beitrag, die natürlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Grundlagen zu bewahren. Handwerkerinnen und Handwerker reparieren eine Vielzahl von Produkten und nehmen so eine Schlüsselrolle bei der Ressourcenschonung und in der Kreislaufwirtschaft ein. Durch eine ressourcenschonende Produktion exakt nach den Anforderungen der Kunden können in der handwerklichen Herstellung Abfälle oftmals nahezu vollständig vermieden werden.

Soziale Verantwortung: Als besonders standorttreuer Wirtschaftsbereich ist das Handwerk in hohem Maße seinem Umfeld verbunden. Handwerksbetriebe halten auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine große Zahl an Ausbildungsplätzen bereit, helfen jungen Menschen bei der beruflichen Orientierung, investieren in die Fort- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und bieten Migrantinnen und Migranten durch Ausbildung und Beschäftigung beste Perspektiven für eine nachhaltige Integration. Zudem stärkt das Handwerk gesellschaftlichen Zusammenhalt durch ehrenamtliches Engagement.

Vor dem Hintergrund dieser grundsätzlichen und umfassenden Betroffenheit steht das Handwerk hinter dem Anliegen der Bundesregierung, die global vereinbarten Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals/SDGs) der Agenda 2030 innerhalb einer ganzheitlichen Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie umzusetzen.

Das Handwerk hat sich bereits sehr frühzeitig damit auseinandergesetzt, wie Nachhaltigkeit gesichert und gestärkt werden kann. In diesem Zusammenhang wird – über die in dieser Stellungnahme getätigten Anmerkungen hinaus – auf die umfassende und zuletzt im Juli 2020 aktualisierte Positionierung „Werte erschaffen. Werte bewahren. Zukunft gestalten“ hingewiesen, welche die vielfältigen Verbindungen des Handwerks mit dem Thema Nachhaltigkeit aufzeigt.Allgemeine Anmerkungen
Aus Sicht des ZDH können die 17 Nachhaltigkeitsziele nur mit einer in sich schlüssigen und stringenten Strategie erreicht werden. Auch deren Überarbeitung und damit verbundene Weiterentwicklung, die alle 4 Jahre stattfindet, ist aus unserer Sicht notwendig, um Veränderungen zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund begrüßt der ZDH die generelle Existenz und den derzeitigen Prozess der Überarbeitung der Strategie ausdrücklich. Die Strategie weist jedoch einige Schwachstellen genereller Natur auf, auf die wir im Folgenden eingehen und mit Beispielen untermauern.

Wesentlichkeit der Strategie herausstellen

Das Strategiepapier ist mit seinen 314 Seiten im Vergleich zum Papier aus dem Jahr 2016 zwar verständlich geschrieben, aber auffällig lang. Damit verbunden sind Dopplungen und ausufernde Ausführungen sowie teilweise sehr allgemein gehaltene Darstellungen. Die Strategie sollte sich auf folgende wesentliche Fragestellungen fokussieren:

  • Was sind die Ziele?
  • Wie ist der aktuelle Stand zur Erreichung der Ziele? Warum wurden Ziele in der Vergangenheit nicht erreicht?
  • Welche Maßnahmen werden getroffen, um die Ziele zukünftig zu erreichen?

Darüber hinaus erscheint die vorliegende Strategie insbesondere als eine faktische Darstellung des regierungsamtlichen Handelns überwiegend in Form entsprechender Tätigkeits- und Erfolgsnachweise. Die jeweiligen Tätigkeitsberichte sind dabei den einzelnen Zielen (SDGs) zugeordnet und mit möglicherweise passfähigen Indikatoren unterfüttert worden. Dies sollte aus unserer Sicht aber auf umgekehrtem Weg erfolgen: Die Strategie sollte eine Richtung vorgeben, an der sich die Umsetzenden (hier die Ministerien) orientieren. Eine entsprechende Fehlerkultur sowie situationsbedingte Anpassungen und damit eine entsprechende Flexibilität sind dabei nicht außen vor zu lassen.


Ordnungsrecht reduzieren und Mechanismen der sozialen Marktwirtschaft nutzen

Die Strategie an sich (Kapitel B) bildet ein komplexes Gerüst aus miteinander agierenden Institutionen und Mechanismen ab. Die Vielzahl an Zielen mit ihren Unterzielen und den damit verbundenen Tätigkeitsbereichen auf verschiedensten Ebenen der Politik führen zu Wechselwirkungen und Zielkonflikten. Eine derartig komplexe Strategie ist zwar grundsätzlich nicht zu vermeiden.
Allerdings wird auch deutlich, dass dort, wo Politikfelder engmaschiger werden und vermeintliche Regelungslücken geschlossen werden, auch Schnittstellen zwischen unterschiedlichen Rechtsbereichen mit jeweils spezifischem Normungsgefüge entstehen. Dies kann in der Praxis zu Rechtsunsicherheiten führen. Das Risiko der Doppelregulierung und Bürokratisierung wächst. Statt wie bisher vornehmlich dem regulatorischen Ordnungsrecht in den relevanten Politikbereichen den Vorzug zu geben, sollte den Marktmechanismen mehr Vertrauen geschenkt und auf ordnungspolitische, wettbewerbsfördernde Instrumente mit deren Anreizwirkung gesetzt werden. Eine Überregulierung sowie unverhältnismäßige regulatorische Markteingriffe verzerren den Wettbewerb und führen zu einem Akzeptanzverlust, der sich negativ auf das effiziente Erreichen der Nachhaltigkeitsziele auswirkt.


Nachhaltigkeit als Gesamtkonzept verstehen

Nachhaltigkeit wird im Rahmen der Strategie als Gesamtkonzept aller drei bekannten Dimensionen (ökologisch, ökonomisch und sozial) definiert und größtenteils verstanden. Der ZDH begrüßt diese Herangehensweise. Es ist jedoch auffällig, dass diese Trias nicht konsequent durchgehalten wird und vielfach die ökologische Dimension dominiert.


Gesamte Wirtschaft berücksichtigen – Handwerk mit einbeziehen

In der Strategie an sich sowie in den Maßnahmen zur Erreichung der einzelnen SDGs wird deutlich, dass nicht die gesamte Wirtschaft gleichermaßen berücksichtigt wird. Mit Bezug auf die einzelnen Wirtschaftsbranchen wird sehr dominierend auf die Industrie rekurriert. Das Handwerk findet nur sechs Mal Erwähnung in dem Papier. Damit werden die Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) augenscheinlich weniger berücksichtigt.
Da das Strategiepapier wie oben erwähnt eher ein Tätigkeitsbericht über bereits existierende Gesetzgebungen, Förderprogramme etc. ist, erscheint dieses Problem nicht überraschend. Der ZDH hat mehrfach davor gewarnt, dass die Besonderheiten von KMU zu wenig Berücksichtigung finden. Die Anstrengungen der Handwerksbetriebe für ein ganzheitliches nachhaltiges Wirtschaften werden somit insgesamt ausgebremst und das enorme Potenzial, das sich auch aus den Werten des Handwerks ergibt, wird verschenkt.


Bürokratiebelastung verringern

Verschärfend kommt hinzu, dass die Maßnahmen der Bundesregierung zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele eine Vielzahl an zusätzlichen Berichts- und Dokumentationspflichten mit sich bringen. Gerade kleine und mittlere Betriebe werden durch solche Vorgaben überproportional belastet. Auch hier wird deutlich, dass KMU zu wenig Berücksichtigung finden. Dabei hat bereits heute die bürokratische Belastung im Handwerk und im gesamten wirtschaftlichen Mittelstand ein kritisches Niveau erreicht. Vor diesem Hintergrund ist es offenkundig, dass ein durchschnittlicher Handwerksbetrieb mit fünf bis zehn Beschäftigten die vorgesehenen Maßnahmen, auf die nachfolgend weiter einzugehen sein wird, absehbar nicht bewältigen kann. Die Einführung umfassender Berichts- und Dokumentationspflichten ist für die Zielsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie nicht erforderlich und führt diese zudem ein Stück weit ad absurdum. So sind wirtschafts- und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen für den Bestand und die Entwicklung langlebiger, generationenübergreifender und damit nachhaltiger Betriebsstrukturen, wie sie im Handwerk noch üblich sind, unerlässlich. Die Strategie muss die Leistungsfähigkeit des gesamten Wirtschafts-spektrums stärker in den Blick nehmen und in diesem Zusammenhang insbesondere von belastenden und damit die Zielsetzung der Strategie konterkarierenden Maßnahmen Abstand nehmen.