Verbraucherzentrale NRW e.V., Bereich Ernährung und Umwelt

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Kommentierung zum Nachhaltigkeitsziel: Halbierung der Lebensmittelabfälle

Die VERBRAUCHERZENTRALE NRW teilt die Einschätzung in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, dem Problem der Lebensmittelabfälle breiten Raum einzuräumen und sieht es auch als ein Schlüssel der Entwicklung hin zu einem nachhaltigeren Ernährungssystem und einer klimafreundlicheren Ernährung in Deutschland. Dankbar sind wir für die deutliche Einschätzung, dass Entwicklungsländer bei der Reduzierung von Lebensmittelabfällen und -verlusten internationaler Unterstützung bedürfen, um auch dort eine nachhaltige Agrar- und Ernährungswirtschaft aufzubauen.
Es ist weder ökonomisch und ökologisch zukunftsfähig noch gesellschaftlich akzeptabel, verzehrfähige Lebensmittel wegen optischer Mängel oder zu geringer Erlöse zu vernichten. Die Kosten für die Lebensmittelabfälle sind bereits in den Preisen einkalkuliert und werden über die gesamte Wertschöpfungskette weitergereicht und letztlich von den Verbrauchern bezahlt. Ein an Nachhaltigkeit orientiertes Ernährungssystem verursacht deutlich geringere Lebensmittelabfälle. Bei einer Halbierung der Lebensmittelabfälle könnten entlang der Wertschöpfungskette (ohne private Haushalte) bis zum Jahr 2030 rund 2 Mio. t Lebensmittelabfälle jährlich und dauerhaft eingespart werden.

Die VERBRAUCHERZENTRALE NRW begrüßt die umfassenden Aktivitäten der Bundesregierung seit dem Beschluss der Strategie gegen Lebensmittelverschwendung im Februar 2019, die auch in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie dargelegt sind. Hierzu gehören die Erarbeitung von Indikatoren, Baseline, Monitoring zur EU-Berichterstattung etc. und eine systematische Vorgehensweise mit Dialogforen, Studien zu Maßnahmen zur Abfallvermeidung in allen Bereichen der Wertschöpfungskette und des Konsums.

Dennoch sehen wir allein mit Freiwilligkeit, Appellen und Unverbindlichkeit das Ziel der Halbierung der Lebensmittelabfälle bis zum Jahr 2030 in Deutschland akut gefährdet und auch die damit verbundenen Klimaschutzziele. Es bedarf dringend klarer und rechtlich verbindlicher Vorgaben, um eine spürbare Reduzierung der Lebensmittelabfälle zu erreichen. Eine Aufnahme von Sondererhebungen zur Hochrechnung frühestens bis 2024 ist angesichts des Zielhorizonts bis zum Jahr 2030 zu spät. Wir schlagen daher vor, die Branchen zu verpflichten, diese Daten mit exemplarischen, praxisnahen Erhebungen unter Begleitung unabhängiger Wissenschaftsorganisationen bereit zu stellen.

Die VERBRAUCHERZENTRALE NRW würde es begrüßen, wenn die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie das Problem der Verluste vor der Ernte von pflanzlichen Erzeugnissen und vor der Schlachtung von Nutztieren aufnehmen und dafür Ziele definieren würde. Ein Großteil der Verluste in der Landwirtschaft wird nicht erfasst, da sie nicht unter die Definition von Lebensmitteln (EU-Verordnung 178/2002) fallen. D. h. Verluste von pflanzlichen Erzeugnissen werden erst nach der Ernte berücksichtigt und erfasst. Wenn beispielsweise erntereifer, verzehrfähiger Salat wegen zu niedriger Erzeugerpreise untergepflügt wird, wird dies nicht als Lebensmittelverlust gewertet und erhoben. Im Bereich der Tierhaltung werden Verluste erst nach der Schlachtung erfasst. Doch Ressourcenverschwendung findet auch vor der Ernte und Schlachtung statt, aus der erhebliche Umwelt- und Klimaauswirkungen resultieren. Es sollte daher eine systematische Erfassung der Verluste, eine Analyse der Ursachen sowie Maßnahmen festgelegt werden und mit verbindlichen Vermeidungszielen versehen werden.

Darüber hinaus ist es erforderlich, die schulische und außerschulische Ernährungs- und Verbraucherbildung zu verstärken. Wertschätzung von Lebensmittel sollte bereits in Kitas und Grundschulen vermittelt werden. Eine am Alltag der Menschen orientierte Ernährungsbildung in allen Bildungseinrichtungen kann einen bewussten Umgang mit Lebensmitteln und nachhaltige Konsumkompetenzen nahebringen. Genuss, Wertschätzung und Ernährungskultur sollten stärker in das Bewusstsein und den Alltag der Verbraucher/-innen rücken. Denn erst mehr Wertschätzung von Lebensmitteln ermöglicht einen Einstieg in einen nachhaltigeren Konsum und ein nachhaltiges Ernährungssystem. Für einen nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln sind Kenntnisse über den Weg eines Lebensmittels vom Acker auf den Teller und der Erwerb von Kompetenzen hinsichtlich Einkaufsplanung, Lebensmittelkennzeichnung, Qualität von Lebensmitteln, der Zubereitung von Speisen sowie der Ursachen von Lebensmittelabfällen und Ressourcenverschwendung erforderlich.


Kommentierung zum Nachhaltigkeitsziel: Ausbau der Ökofläche auf 20 % der gesamten landwirtschaftlichen Fläche bis zum Jahr 2030

Es wird ausdrücklich begrüßt, dass der Ökologische Landbau in der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ausführlich behandelt wird. Damit macht die Bundesregierung deutlich, dass sie „den ökologischen Landbau als einen wesentlichen Beitrag für das Erreichen des agrarpolitischen Leitbilds“  ansieht. Als Ziel wird formuliert, den Anteil der ökologischen Anbaufläche bis zum Jahr 2030 auf 20 % der gesamten landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland auszuweiten. Dieses Ziel wurde bereits von der Bundesregierung im Jahr 2002 benannt, damals für das Jahr 2010. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Bundesregierung hinter dem Ziel der Farm-to-Fork Strategie der EU-Kommission mit mindestens 25 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in 2030 zurückbleibt.

Die Bundesregierung stellt bereits in ihrem Strategiepapier selber fest, dass eine Ökofläche von 20 % im Jahr 2030 nicht erreicht werden kann: „Basierend auf den Zahlen des Statistischen Bundesamtes würde bei gleichbleibender Entwicklung das Ziel, dass bis 2030 20 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche ökologisch bewirtschaftet wird, nicht erreicht werden.“  Derzeit werden in Deutschland 10,1 % der landwirtschaftlichen Flächen ökologisch bewirtschaftet (2019).

In der Zukunftsstrategie Ökologischer Landbau (ZöL) des BMEL 2017 sind Maßnahmen vorgesehen, wie bis 2030 das Ziel 20 Prozent Ökofläche in Deutschland erreicht werden kann. Im Dezember 2019 wurde eine erste Zwischenbilanz der ZöL gezogen, um zu überprüfen, welche Anpassungen bzw. Neuausrichtungen notwendig sind, um das 20 %-Ziel zu erreichen   Dr. Jürn Sanders vom Thünen-Institut forderte bei dieser Tagung „eine enorme Anstrengung“, um die Ökofläche zu verdoppeln.  

Ein Schwerpunkt der Maßnahmen der ZöL ist die Verwendung von Bioprodukten in Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung in Bund, Ländern und Kommunen zu fördern. Der Einsatz von Bioprodukten soll auf 20 % erhöht werden. Dies wird begrüßt, da der Bio-Anteil in der Gemeinschaftsverpflegung bundesweit derzeit lediglich bei knapp 1 % liegt.  „Aktuell sind jedoch nur vier von 148 behördeneigenen Kantinen des Bundes für eine nachhaltige Verpflegung nach Vorgaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ausgezeichnet.“ Wie viele Bio-Produkte in den Küchen eingesetzt werden, ist dem Bund nicht bekannt .
Dieses  Ziel kann allerdings nicht allein durch „zielgruppengerechte Informationsmaterialien oder Informationsveranstaltungen“  erreicht werden. Vielmehr bedarf es Beratungs- und Unterstützungsangebote bei Beschaffung und Zubereitung von Bioprodukten.

Der Bioausbau sollte nicht überwiegend an der Nachfrage ansetzen. Denn der deutsche Biomarkt 2019 ist um 9,7% Prozent auf 11,97 Milliarden Euro gewachsen, dieser kann aber nur teilweise mit deutschen Ökoprodukten bedient werden. So kamen 2018/19 schätzungsweise 17 Prozent des Biogetreides, 30 Prozent der Biotrinkmilch und 24 Prozent des Bioschweinefleisches aus dem Ausland. Hier liegen Marktpotentiale insbesondere für kleinere und mittlere landwirtschaftliche Betriebe.  Die Nachfrage ist vorhanden, aber es gibt nicht ausreichend viele Landwirte in Deutschland, die auf ökologische Landwirtschaft umstellen. Ein wesentlicher Beitrag muss daher in der Ausweitung der finanziellen Förderung des ökologischen Landbaus liegen.

Die Zukunftsstrategie Ökologischer Landbau sieht vor, dass im Jahr 2022 ein Fortschrittsbericht vorgelegt wird. Es ist zu befürchten, dass es dann zu spät ist, Maßnahmen zu korrigieren. Als wesentliche Maßnahmen für die Umstellungsentscheidung von Landwirten sind insbesondere höhere Umstellungsprämien zu nennen.

Um beispielsweise das 25 % Ziel der EU-Kommission (Farm-to-Fork) zu erreichen, müssten Fördermittel ab sofort bis zum Jahr 2030 verdreifacht werden.  Der Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW ) fordert, „dass mindestens 70 % der EU-Agrarsubventionen an freiwillige Öko-Leistungen gebunden werden“, um 20 % Ökofläche zu erreichen. .


Kommentierung zum Nachhaltigkeitsziel: Tierwohl/Tierschutz und Fleischkonsum

Die VERBRAUCHERZENTRALE NRW vermisst in der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie eine angemessene Berücksichtigung der Tierhaltung und des Fleischkonsums, da diese sowohl national wie international Schlüsselbereiche für den Umwelt- und Klimaschutz sind. Methan und Lachgas sind mit 10,5 % an den nationalen Treibhausgasemissionen beteiligt und fallen hauptsächlich in der landwirtschaftlichen Tierhaltung an. Eine tierwohlorientierte Ernährung mit weniger Fleisch in besserer Qualität, kann eine De-Intensivierung der Tierhaltung fördern und damit Treibhausgasemissionen reduzieren. Darüber hinaus ist eine Ernährung der Bevölkerung mit viel frischem Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten und geringerem Konsum tierischer Produkte gesundheitsförderlich und bewahrt unsere Gesellschaft vor hohen Folgekosten des Gesundheitssystems. Die Rückführung der Nutztierbestände trägt auch zu einer insgesamt nachhaltigeren Landwirtschaft mit mehr Umwelt- und Klimaschutz bei.
Die Transparenz im Fleischmarkt hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht verbessert. Im Gegenteil: Durch eine Vielzahl an Labels sowie Lockangebote und Rabattaktionen im Lebensmitteleinzelhandel haben Verbraucher kaum die Möglichkeit, Fleisch mit höherer Produkt- und Prozessqualität zu erkennen. Gleichzeitig besteht bei Verbrauchern hohes Interesse an Lebensmittel mit höheren Standards, dass zeigen die wachsenden Absatzzahlen bei Bio-, Fair Trade- und regionalen Lebensmitteln.

Am 1. April 2019 hat der Lebensmitteleinzelhandel eine einheitliche Kennzeichnung der „Haltungsform“ eingeführt. Diese soll Verbrauchern eine Orientierung beim Einkauf von verpacktem Fleisch bieten. Die VERBRAUCHERZENTRALEN haben jedoch in einem Marktcheck  im September 202020 festgestellt, dass weiterhin nur ein sehr geringes Angebot (ca. 13 %) an Fleisch der Haltungsstufen 3 und 4 in den Discountern und Supermärkten vorhanden ist. Eine Kennzeichnung der Haltungsformen ist jedoch für Verbraucher nur zielführend, wenn echte Wahlmöglichkeiten bestehen und auch Fleisch aus deutlich verbesserter Tierhaltung angeboten wird.
Darüber hinaus bewertet die Haltungskennzeichnung v.a. Aspekte der baulich-technischen Situation in den Ställen und des Managements, die aber wenig über das tatsächliche Tierwohl aussagen. Tierwohl hängt auch entscheidend vom Gesundheitsstatus und weiteren Tierwohlindikatoren ab .
Das nationale Tierwohlkennzeichen sollte so bald wie möglich eingeführt und in eine verbindliche europäische Kennzeichnung zu überführt werden. Denn nur, wenn das gesamte Angebot - einschließlich des gesetzlichen Mindeststandards - gekennzeichnet ist, wird Verbrauchern eine verlässliche Orientierung in der Vielzahl von Labeln und Werbeaussagen für Fleisch ermöglicht. Eine verpflichtende, staatliche Tierwohlkennzeichnung mit Kontrollen steht für Neutralität, Transparenz und Vertrauen. Mit der Einführung des staatlichen Tierwohlkennzeichens sollte Fleisch mit mehr Tierwohl und verbesserter Tierhaltung auch im angemessenen Umfang im Handel angeboten werden. Die Kennzeichnung sollte über verpackte Fleischprodukte hinaus, auf unverpackte und verarbeitete Produkte erweitert werden. Die Tierwohlkennzeichnung sollte auch in Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung Verbreitung finden.