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Nachhaltigkeit als Leitbild des Regierungshandelns

Deutschland ist mit seiner seit langem bestehenden Nachhaltigkeitsstrategie und der breiten -architektur Vorreiter vor vielen anderen Ländern. Dass die DNS regelmäßig unter Einbezug der Öffentlichkeit fortgeschrieben wird ist dabei ein wichtiger Bestandteil, den wir ausdrücklich begrüßen. Die Strategie kann an aktuelle Entwicklungen angepasst werden und von ganz unterschiedlichen Seiten Impulse erhalten.

Nachhaltigkeit muss allerdings das Regierungshandeln noch stärker leiten. Dazu müsste die DNS mehr Verbindlichkeit haben und die Politikkohärenz gestärkt werden. Die Nachhaltigkeitsstrategie muss die Funktion einer Dach-Strategie über allen weiteren Programmen, Paketen und Strategien der Bundesregierung haben. Diese müssten konsequenter auf die Ziele der DNS ausgerichtet, auf Kohärenz untereinander überprüft, Zielkonflikte identifiziert und Lösungen gefunden werden. Um dies zu erreichen müssen die Ressorts enger und anders zusammenarbeiten. Die Koordinierung einer solchen Zusammenarbeit müsste durch eine Stabsstelle Nachhaltigkeit im Bundeskanzleramt erfolgen, bei der auch Monitoring und Erfolgskontrolle der Strategie liegen müssen. Dazu muss eine solche Stabsstelle umfassend mit personellen und finanziellen Ressourcen ausgestattet werden.

Vor allem aber zeigt sich, dass sich die DNS zwar auf verschiedene thematische Strategien der Ressorts bezieht oder diese sogar als "Maßnahme" benennt, diese jedoch kaum Wirksamkeit entfalten. Viele Strategien und Programme

  • sind unverbindlich oder nicht ausreichend (zB reichen die vom BMEL entwickelten Vorschläge und Maßnahmen zum Klimaschutz nicht, um die 2030 Klimaziele und erst recht nicht die international vereinbaren Klimaziele zu erreichen; die NBS legt kaum konkrete Maßnahmen fest),
  • sind noch nicht fertig (Teil des BMEL zum Insektenschutzgesetz, also eine Änderung der Pflanzenschutzanwendungsverordnung oder die Ackerbaustrategie),
  • enthalten weder ordnungsrechtliche noch steuerrechtliche Lösungen (zB das Ressourceneffizienz-Programm) oder
  • enthalten keine ambitionierten Zeithorizonte oder Ziele (Abfallvermeidungsprogramm).

Bei allen Programmen sind regelmäßige Fortschrittsberichte unerlässlich um zu sehen, ob die Maßnahmen Effekte erzielen oder ob eine Nachjustierung notwendig ist. Gleichzeitig würden Fortschrittsberichte wesentlich zur Transparenz beitragen.
Deutlich wirkungsvoller als Programme wären jedoch Gesetze, z.B. für die Ressourcenschonung, bei denen ein hohes Ambitionsniveau verbindlicher wäre.

Eine weitere Maßnahme, die wesentlich zur Stärkung der Nachhaltigkeitsidee im Regierungshandeln beitragen würde, ist die Ausrichtung des Bundeshaushalts an den SDGs
Damit die Nachhaltigkeitsstrategie wirklich handlungsleitend wird müssen Ziele und Maßnahmen überschaubar und leicht zu erfassen sein. Es wäre deshalb wünschenswert, wenn die Fortschreibung nach Bericht und Strategie gegliedert würde und mindestens der Strategie-Teil als (weiteres) separates Dokument veröffentlicht würde.

Nachhaltigkeit in der EU
Auch die EU hat sich den SDGs verpflichtet. Die Bundesregierung betont in ihrem Bericht, dass die EU Fortschritte in Sachen Nachhaltigkeit mache. Es ist richtig, dass die Schwerpunktsetzung der neuen EU-Kommission mit u.a. dem European Green Deal wichtige Fortschritte im Bereich Umweltschutz anstößt. Die dort angekündigten Initiativen werden aber zum Einen oftmals von den EU-Mitgliedstaaten (auch Deutschland) wieder ausgebremst. Zum anderen deckt der European Green Deal nicht alle Aspekte der Nachhaltigkeit ab.
Insgesamt fehlt es auf EU-Ebene immer noch an einer originären Nachhaltigkeitsstrategie. Ohne entsprechende Umsetzungskontrolle auf EU-Ebene ist ein Zielerreichen unwahrscheinlich. Hierfür erforderlich ist eine Politikkohärenz, die über den European Green Deal hinausgeht. Zum Beispiel braucht es einen EU-Haushalt (MFR), eine Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) oder eine EU-Handelspolitik, die sich der Nachhaltigkeit verpflichtet. Diese Anpassungen der EU-Politiken werden im Übrigen nicht durch Korrektur des "Europäischen Semesters" erreicht, denn das Semester kann nur für möglichst nachhaltige Mittelverwendung bereits beschlossener Programme auf Mitgliedsstaatenebene sorgen.
Auch fehlt es an einer expliziten Einbindung der Zivilgesellschaft auf EU-Ebene zur SDG-Umsetzung. So wurde die frühere SDG-Stakeholder-Plattform nicht fortgeführt. Ebenfalls zu kritisieren ist, dass es kein wirklich qualitatives Monitoring der Zielerreichung der SDGs auf EU-Ebene gibt.


Nachhaltigkeitsindikatoren und Ziele
Seit der letzten regulären Fortschreibung der DNS 2016 wurden 2018 zwei neue Indikatoren aufgenommen. Es ist bedauerlich, dass die Prüfungen für die anderen vier angekündigten Indikatoren noch nicht abgeschlossen sind und zwei erst in der nächsten Fortschreibung der DNS 2024 aufgenommen werden können, bei einem Indikator die Aufnahme sogar noch offen ist.

  • Lebensmittelabfälle und –verluste in Deutschland. Dass dieser Indikator erst 2024 kommen soll ist unverständlich. Es ist unakzeptabel, warum das BMEL sich nicht bereits viel früher um die Entwicklung eines Indikators bemüht hat – das Problem der Lebensmittelverluste ist schon seit Jahren bekannt, es gibt sogar ein explizites SDG zu Lebensmittelverschwendung (12.3). Stattdessen wurde viel zu lange allein auf Verbraucherverantwortung und Lebensmittelverschwendung im privaten Raum gesetzt.
  • Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Wie bereits bei der Aktualisierung der DNS 2018 angemerkt, ist der Zeitraum für die Aufstellung des BNE Indikators zu lang. Zudem ist eine hinreichende Finanzierung für die strukturelle Umsetzung von Bildung für Nachhaltige Entwicklung essentiell, dafür braucht es konkrete Zahlen und den politischen Willen zur Implementierung.
  • Bodenschutz. Wir begrüßen, dass bei diesem Indikator nun auch die Qualität des Bodens berücksichtigt werden soll, möchten aber zum wiederholten Mal kritisch anmerken, dass Fernerkundung ein zu grobes Instrument zur Beurteilung des Bodenzustands ist mit dem nur eine Nutzungsänderung angezeigt werden kann.
  • Wirkung von Forschungsinvestitionen. Es ist positiv, dass es nach der Aktualisierung der DNS 2018 nun drei Projekte gibt, die allerdings nur "möglicherweise" zur Entwicklung eines Indikators beitragen könnten. Leider werden keine weiteren inhaltlichen Hinweise gegeben und es ist enttäuschend dass offen bleibt, ob die Projektergebnisse überhaupt werden verwendet werden können. Wir möchten deshalb erneut darauf hinweisen dass ein Indikator oder viel mehr ein Indikatorenset erforderlich ist, das die lineare Input-Output-Logik einer technikfixierten Innovationslogik überwindet und ein systemisches, vorsorgeorientiertes Innovationsverständnis abbildet. Ebenso sind soziale Innovationen im Rahmen der Transformation unserer Gesellschaft zu mehr Nachhaltigkeit dringend erforderlich. Auch diese sollten entsprechend im Forschungs- und Innovationskontext angeregt und honoriert werden.

In der Strategie wird betont, dass für die politische Debatte am Ende die Ziele (und nicht die Indikatoren) bedeutend seien, da sie das Ambitionsniveau der nachhaltigen Entwicklung bestimmten (S. 54). Allerdings ist festzuhalten, dass bei etlichen Bereichen die Ziele dringend konkretisiert und das Ambitionisniveau gehoben werden muss und weitere Ziele aufgenommen werden müssten, z.B. für Digitalisierung an Schulen und für nachhaltige Finanzprodukte (SDG 8). Die Finanzwirtschaft hat ein großes Potential, die Realwirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit zu transformieren. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang, dass die Bundesregierung sich vorgenommen hat, zum führenden Sustainable Finance Standort in Europa zu werden. Ein entsprechender Indikator könnte zB der Anteil nachhaltiger Finanzprodukte sein.

Corona
Als Reaktion auf die Corona-Pandemie soll "Nachhaltigkeit als übergeordnetes politisches Leitbild stärker zur Geltung" gebracht werden, was wir sehr unterstützen. Trotzdem ist damit nicht gerechtfertigt, dass im Fortschreibungsentwurf derart ausführlich über die Corona-Maßnahmen berichtet wird. Denn selbst wenn die Maßnahmen mit Nachhaltigkeit verbinden werden sollen, waren sie an vielen Stellen nicht nachhaltig. Beispielsweise kommen Themen des Umwelt- und Naturschutzes im Corona-Konjunktur-Paket kaum vor.
Es fehlt eine Strategie, wie die Corona Maßnahmen zukünftig nachhaltig gestaltet bzw. mit Nachhaltigkeit in Einklang gebracht werden können, zB durch eine an Nachhaltigkeitskriterien gebundene Finanzierung.

Dass Deutschland sich wegen Corona mehr in der Entwicklungszusammenarbeit engagiert ist sehr zu begrüßen. Was aber bei der Darstellung der bilateralen Zusammenarbeite unter den Tisch fällt ist die Zukunft der Zivilgesellschaft in ärmeren Ländern. Insbesondere in Afrika fallen staatliche Förderprogramme oder Unternehmenskooperationen weg – und die mühevoll aufgebaute Zivilgesellschaft, gerade im grünen Bereich, leidet bzw. wird zerstört.

Transformationsbereiche
Die Aufnahme von "Transformationsbereichen, in denen Fortschritte für die Zielerreichung in Deutschland besonders relevant sind", ist ein guter und wichtiger Schritt. Allerdings fehlt hier, wie und mit welchen Maßnahmen in diesen Bereichen Nachhaltigkeit bevorzugt vorangebracht werden soll und wie die Transformationsbereiche sich aufeinander beziehen. Es ist notwendig, dies in der Fortschreibung der DNS 2021 zu konkretisieren– gerade bei den Transformationbereichen, das ist ja die Ideem, kann die Bundesregierung nicht weitere 4 Jahre warten, Maßnahmen festzulegen.

Energiewende und Klimaschutz
Bei diesem Transformationsbereich sind noch einige Änderungen nötig. Die EU-Klimaziele sind gerade in der Revision und müssen noch entsprechend angepasst werden. Zudem muss unbedingt ergänzt werden, dass die erneuerbare Energieerzeugung "naturverträglich" erfolgen muss (S.26, linke Spalte, 2. Absatz) – und der Bericht sollte dahin gehend ergänzt werden, dass die Ergebnisse der Kohlekommission nicht 1:1 umgesetzt werden. Kritisch bleibt anzumerken, dass es zwar richtig ist, dass der Energieverbrauch in den vergangenen Jahrzehnten gesunken ist, aber: Das Energiesparziel bis 2020 wurde nicht erreicht und es sind vor allem Substitutions-, nicht Minderungseffekte aufgetreten: Weniger Braun- und Steinkohle und Atom, mehr Gas und erneuerbare Energien. Einige Sektoren stagnieren im Energieverbrauch, wie Gebäude und Verkehr.

Kreislaufwirtschaft
Wenn eine wirklich funktionierende Kreislaufwirtschaft mit einem geringerem Ressourcenverbrauch etabliert werden soll sind dabei zwei wichtige Punkte zu bedenken: „Am Anfang“ zu beginnen (d.h. Ökodesign) und verbindliche Quoten von Recyclingmaterial festzuschreiben. Ressourceneffizienz bedeutet nicht automatisch Ressourcenschutz, auch wenn das im Text anders dargestellt wird. Wie im Programm selbst adressiert, verhindert oftmals der Rebound-Effekt eine absolute Senkung der Ressourceninanspruchnahme.
Das Ressourceneffizienz-Programm zeigt erstmals den Beitrag der Ressourceneffizienz zur Erreichung der Klimaziele auf. Die Verbindung von Klimaschutz und Ressourcenschutz ist essentiell. Vor diesem Hintergrund muss die Frage sein: Was ist der Beitrag der Ressourceneinsparung zur Erreichung des 1,5 Grad Zieles? Eine relative Senkung des Ressourcenverbrauchs, bei gleichzeitigem realem Anstieg des Ressourcenverbrauchs würde keine Verbesserung in diesem Punkt bringen, es muss also um eine Senkung des absoluten Verbrauchs gehen.
Dass die Produktgestaltung in der Fortschreibung als eigener Punkt aufgeführt ist, sehen wir als unerlässlich an. Gerade die Recyclingfähigkeit von Produkten muss stärker als bisher in den Fokus gerückt werden. Es sollten nur Produkte auf den Markt gelangen, die tatsächlich recycelbar sind. Auch die Ergänzung der Maßnahmen im Themenfeld Mobilität ist sinnvoll.
Leider ist es auch in der Fortschreibung nicht gelungen, die Problematik der Nutzungskonkurrenzen bei Biomasse aufzuführen. Gerade hier ist es zwingend notwendig, die Problemlage aufzuführen. Andernfalls sehen wir die Gefahr, dass vermeintlich ressourcenschonende politische Weichenstellungen getätigt werden, die sich nachträglich als wenig zielführend erweisen.

Nachhaltiges Bauen und Verkehrswende
Hier wird die Reduzierung des Flächenverbrauchs genannt - die aktuell im Gesetzgebungsprozess befindliche Novellierung des Baugesetzbuchs enthält jedoch eine Fortschreibung des – vom NABU schon bei seiner befristeten Einführung vor drei Jahren stark kritisierten – §13b, der ein vereinfachtes Bauen im Außenbereich ohne Umweltprüfung ermöglicht. Es liegen inzwischen eine ganze Reihe von Studien vor die belegen, dass der Paragraph nicht zweckmäßig ist und mehr Schaden als Nutzen bringt: Er wird fast ausschließlich im ländlichen Raum angewandt – aber nicht weil es Bedarf gibt, sondern weil er eine unkomplizierte Alternative zu den herkömmlichen Planungsinstrumenten ist –  dabei aber den besonderen Schutz des Außenbereiches unterläuft und den naturschutzfachlichen Eingriffsausgleich umgeht. Die Bundesregierung handelt also entgegen ihrer Zielsetzungen (s.a. SDG 11).

Nachhaltige Agrar- und Ernährungssysteme
Wir begrüßen ausdrücklich den Ansatz, "die nationale, Europäische und internationale Agrar-, Ernährungs-, Gesundheits- sowie auch Umwelt- und Klimapolitik gemeinsam zu denken und diesen Ansatz auch bei er Konzeption von Strategien und Maßnahmen zusammenzudenken.", denn nur durch eine Zusammenarbeit der Ressorts und ein Zusammendenken der Herausforderungen und das Identifizieren von Zielkonflikten können wirklich nachhaltige Lösungen gefunden werden. Es bleibt aber offen, wie dies konkret gelingen soll. Hier ist, s.o., eine Koordination des Bundeskanzleramts erforderlich.
Es wird dargestellt, dass es verschiedene Strategien zur Transformation des Agrar- und Ernährungssystems in Deutschland gibt und Stakeholder einbezogen wurden. Aus Sicht des NABU ist dies in der aktuellen Legislaturperiode im Bereich Landwirtschaft jedoch verloren. Die erwähnten Stakeholder- mündeten nicht in politischen Prozessen. Die Änderung der Düngeverordnung kam nur zustande, da Strafzahlungen der EU im Raum standen und es eine Verurteilung des EUGH gibt.


Einzelne Ziele der DNS

SDG 2
Der Indikator Stickstoffüberschuss ist sinnvoll, das Ziel einer Senkung auf 70 kg ist jedoch zu gering – der Green Deal der EU verlangt eine Halbierung der Stickstoffüberschüsse. Auch wenn die novellierte Düngeverordnung sicher zur Reduktion des Stickstoffeinsatzes beitragen wird, fehlen grundlegende Änderungen, wie die Reduktion der Tierzahl in den Hotspots der Tierhaltung, eine reduzierte Düngung im Gemüse- und Weinbau und kulturartenspezifische Düngevorgaben, sodass Pflanzen nach ihrem Bedarf gedüngt und nicht nach maximal erreichbarem Ertrag werden, der auf den meisten Flächen nicht zu erreichen ist (dies wird beim Indikator "Nitratbelastung im Grundwasser" gut erklärt). Auch die Förderung von Düngerlagerstätten im Rahmen der GAK löst das Problem des zu hohen Gülleaufkommens nicht, sondern sorgt lediglich dafür, dass die Düngung in den Frühling verschoben wird. Der Text zur Nitratbelastung im Grundwasser stellt die Probleme gut dar. Bei den Maßnahmen gilt das gleiche wie beim Stickstoffüberschuss. Es ist auch begrüßenswert, dass Regulierungen zu Phosphat Teil der neuen Düngeverordnung sind.
Dringend notwendig ist bei SDG 2, dass das Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft erhöht werden.

SDG 6
Mit der aktuell laufenden Novellierung des Wasserstraßengesetzes ist ein wichtiger Schritt für eine bessere Umsetzung der WWRL an Bundeswasserstraßen in die Wege geleitet worden (aber noch nicht beschlossen, zudem kommt es reichlich verzögert) . Das hilft zwar dem "Blauen Band", aber nicht in der Fläche. Da zeigt sich eher eine gegenläufige Tendenz, auf Landesebene wird die Verwaltung von der Politik allein gelassen. Der sogenannte "Transparenzansatz" der LAWA (man zeigt auf, welche Maßnahmen zur Zielerreichung noch nötig sind, stellt aber klar, dass diese nicht bis zum Zieljahr 2027 erreicht werden) ist eine Art Offenbarungseid und zeigt, dass die zur Verfügung stehenden Instrumente und Ressourcen bei weitem nicht ausreichen.

SDG 8
Dass Deutschland auf einen "nachhaltigen Wachstumspfad" geführt werden soll, ist zweideutig formuliert – soll das Wachstum nachhaltig im Sinne von dauerhaft oder im Sinne der Nachhaltigkeit sind? So oder so wird hier wieder das Wachstums-Paradigma beschworen. Eine zukunftsgerichtete Nachhaltigkeitsstrategie aber sollte sich viel mehr zum Ziel setzen, Wohlstand nicht nur über das BIP zu messen und Alternativen zu finden, die zudem betrachtet werden.

SDG 11
Trotz der klaren Zielverfehlung der DNS in puncto Flächeninanspruchnahme findet kein Gegensteuern in diesem wichtigen Bereich statt. Es werden keine konkreten Maßnahmen genannt, um das Problem anzugehen, stattdessen wurde das Ziel nach dem Aufschub 2016 nun erneut verwässert (durchschnittlich 30ha tgl. bis 2030) und der §13b BauGB, obwohl als richtigerweise "Zielkonflikt zur Innenentwicklung" benannt, verlängert (vgl. oben, Transformationsbereiche). Dieser widerspricht den in der DNS 2021 anvisierten "Maßnahmen zur Vitalisierung der Ortskerne und zur Reaktivierung von Gebäudeleerstand". Zudem laufen Baukindergeld für Neubau und die Erhöhung der Pendlerpauschale der Vitalisierung der Ortskerne und der Innenentwicklung entgegen.
Im weiteren fehlt, wie der Netto-Null-Flächenverbrauch des Klimaschutzplanes 2050 (und idealerweise viel früher!) erreicht werden soll, aber vor allem die andere Seite der "doppelten Innenentwicklung": wie die bestehenden, innerörtlichen Grünflächen vor Bebauung und auch Klimawandel geschützt und entwickelt werden können, um ihre zahlreichen Ökosystemleistungen für Mensch und Natur zu entfalten. Gebäudebegrünung wird mit keiner Silbe erwähnt, dabei bietet diese zahlreiche ökologische und ökonomische Vorteile. Eine Verbesserung des miserabel umgesetzten Artenschutzes am Gebäude wird ebenfalls nicht erwähnt.

Die angekündigte Verkehrswende fokussiert zu stark auf Innovationen (Antriebsformen und Digitalisierung) und zu wenig auf den Ausbau klimafreundlicher Verkehrsmittel (Rad, ÖPNV, Bahn) und den Rückbau nicht mehr benötigter Pkw-Flächen.

Die Analyse der "Wohnraumoffensive" fällt deutlich zu eindimensional aus: die Wohnraumknappheit rührt vor allem von veränderten Lebensbedingungen her. Die Erwähnung von Bestrebungen in Richtung Umnutzung, Aufstockung und Nachverdichtung kommen im Entwurf der Fortschreibung der DNS deutlich zu kurz.

SDG 12
Gut ist, dass das Thema Abfallvermeidung stärker in den Vordergrund gerückt wird. Leider resultieren daraus keine klaren Verpflichtungen für Behörden und Unternehmen. Messbare Abfallvermeidungsziele sucht man vergeblich. Durch eine geplante Recyclingquote von 65 Prozent in 2035 werden bereits heute realisierbare Recyclingziele in eine ferne Zukunft verschoben. Dass Deutschland hier eine bestehende EU-Vorgabe einfach nur 1:1 umsetzen will, ohne auch die ökonomischen Potenziale einer florierenden Recyclingwirtschaft mitzubedenken, ist besonders ambitionslos. Schließlich werden viele funktionstüchtige Elektrogeräte und Möbel weiterhin ungenutzt entsorgt werden, weil kein besserer Zugang für Wiederverwendungsbetriebe in den Recyclinghöfen geschaffen wird. Es gibt seitens des Umweltministeriums viele gute Ideen zur Vermeidung von Abfällen und für eine erweiterte Produktverantwortung, die wir ausdrücklich begrüßen. Aber es fehlt dringend eine verbindliche Quote, die Hersteller zwingt, mehr Rezyklate in ihren Produkten und Verpackungen einzusetzen, strikte Vorgaben für Händler, die ihre Retouren und nicht verkauften Artikel nicht mehr legal vernichten dürfen. Es entsteht der Eindruck, dass die DNS die Wirtschaft nicht dazu zu verpflichten will, ihre Waren kreislauffähig zu gestalten.

SDG 15
Die nationale Strategie zur biologischen Vielfalt hat viele Ziele für das Jahr 2020 vorgesehen, die jedoch weitgehend nicht erreicht werden. Dies ist, wie bereits eingangs beschrieben, insbesondere darauf zurückzuführen, dass keine konkreten Umsetzungsschritte und verbindlichen Zwischenziele enthalten sind - aber auch darauf, dass die NBS in den relevanten Ressorts (Verkehr, Wirtschaft, Landwirtschaft) eine höchstens untergeordnete Rolle spielt und oftmals Entscheidungen/Initiativen/Gesetze sogar konträr zu den Zielsetzungen der NBS erfolgen. Erneut verweisen wir darauf, dass eine übergreifende Koordination der Programme und Ressorts dringend notwendig ist.

Das ebenfalls genannte Aktionsprogramm Insektenschutz krankt weiter an der rechtlichen Umsetzung und es ist zu befürchten, dass wesentliche Teile nicht mehr in dieser Legislatur umgesetzt werden. Zugleich ist erkennbar, dass Biodiversitätsbelange im allgemeinen Handeln der Bundesregierung keine Rolle spielen. Dies wird beispielsweise am Konjunkturprogramm zur Bewältigung der Corona-Pandemie-Folgen deutlich, an den Vorschlägen aus Wirtschafts-, Verkehrsministerium und Kanzleramt für eine Beschleunigung von Planungsverfahren unter der Absenkung von Umweltstandards, aber auch an der Diskussion zur sogenannten "Waldmilliarde" zur Bewältigung der sommerlichen Trockenheit, bei der ökologische Kriterien nur unter "ferner" laufen.

Auch wenn der Indikator für Artenvielfalt und Landschaftsqualität stagniert, so ist festzuhalten, dass es bisher nicht gelungen ist, eine Umkehr der negativen Entwicklungstrends zu erreichen. Es laufen Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen unzureichender Umsetzung der FFH-Richtlinie, so dass von einem "funktionierenden Managementsystem" (S. 274) nicht die Rede sein kann.

Es kann gut sein, dass der Wald in den Jahren 2018-2020 auf Grund der massiven Holznutzung wegen der Dürre zur CO2-Quelle wurde – und nicht, wie im Entwurf der Fortschreibung der DNS benannt, einen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Genaue Daten wird es erst 2022 mit den Ergebnissen der Bundeswaldinventur IV geben. Im Wald zeigt sich gerade, wie wenig naturnah und wie extrem seine Widerstandsfähigkeit eingeschränkt ist. Die Anpassungsfähigkeit wird durch das intensive Räumen der Schadflächen beeinträchtigt. Bund und Länder stellen gut 1,5 Mrd. € für die Bewältigung der Waldschäden zu Verfügung, aber nicht alle Fördermaßnahmen sind für das Ökosystem Wald förderlich [Flächenräumung, Pflanzung von (fremdländischen) Nadelbäumen].
Dass der Entwurf der Fortschreibung der DNS sich auf die Planungen für die EU Waldstrategie nach 2020 als Rahmengeberin bezieht sehen wir kritisch, da die Schwerpunkte der EU Waldstrategie noch nicht bekannt sind. Es kann gut sein, dass die Bewirtschaftung der Wälder stärker als der Schutz im Fokus steht. Wir begrüßen hingegen, dass der Entwurf sich auf die EU-Biodiversitätsstrategie 2030 bezieht, nach der die Urwälder Europas erfasst und geschützt werden sollen, was sehr sinnvoll ist.

SDG 17
In Kapitel A des Entwurfs wurde, in großen Teilen zu Recht, die Nachhaltigkeit in der bilateralen Zusammenarbeit gelobt. Es bleibt aber ein Problem, dass die deutsche Umsetzungsorganisation GIZ bisher noch nicht nachhaltig agiert (weder bei der Bestellung von Fachpersonal, noch z.B. bei Dienstreisen etc.).

Eine weitere Annäherung an das Ziel "0.7 Prozent des BIP für Entwicklungszusammenarbeit" bedeutet immer noch nicht, dass dieses Versprechen erreicht ist. Eine Berichterstattung zum Stand in Corona-Zeiten bleibt aus.

An der Umsetzung der 2030-Agenda sollen mehr nicht-staatliche Akteure beteiligt werden – dies darf nicht davon ablenken, dass die Umsetzung der SDG vor allem eine staatliche Aufgabe ist. Und sollten mehr nicht-staatliche Akteure beteiligt werden braucht es dafür finanzielle Unterstützung.

Der Indikator 17.3 "Anteil der Einfuhr aus least developed countries (LDC) an den gesamten Einfuhren)" ist kritisch zu betrachten. Handel ist wichtig, aber eben auch nur, wenn es sich um nachhaltige Produkte handelt. Wenn 60 Prozent dieser Einfuhren aus Bangladesch kommen, geht es um Billigtextilien. Das ist absurd und nicht global nachhaltig. Auch hier sollten ökologische Kriterien eine Rolle spielen. Immerhin wird dies im weiteren Text thematisiert.