Mitglieder und Ehemalige des Instituts für Umweltsystemforschung der Universität Osnabrück

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Sehr geehrte Damen und Herren, sehr verehrte Mitglieder der Bundesregierung, sehr geehrte Damen und Herren des Bundespresseamtes,
herzlichen Dank für die Initiierung und Durchführung eines Dialogprozesses zur Überarbeitung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Als Postdoktorierende sowie Doktorierende des Instituts für Umweltsystemforschung der Universität Osnabrück nehmen wir die Chance gerne wahr, Ihnen unser gemeinsames Feedback mitzuteilen. Wir fokussieren uns dabei zum einen auf den Themenbereich um „Corona“ und zum anderen auf den eigentlichen Dialogprozess der Bundesregierung.
Wir hoffen mit unserem Feedback einen wertvollen Beitrag zur nachhaltigen Gestaltung sowohl der durch die Strategie vorgegebenen Nachhaltigkeitsziele als auch kommenden Beteiligungsprozesse der Bundesregierung leisten zu können.
Als Mitglieder und Ehemalige des Instituts für Umweltsystemforschung der Universität Osnabrück danken wir Ihnen für die Berücksichtigung unseres Inputs. Bei weiteren Fragen stehen wir Ihnen selbstverständlich zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Fabian Heitmann (Doktorand und ehemaliges Vorstandsmitglied Institut für Umweltsystemforschung, Universität Osnabrück)

Katharina Hembach (Doktorandin, Institut für Umweltsystemforschung, Universität Osnabrück)

Dr. Laura Mae Jacqueline Herzog (Postdoktorandin, Institut für Umweltsystemforschung, Universität Osnabrück)

Evely Lukat (Doktorandin, Institut für Umweltsystemforschung, Universität Osnabrück)

Juan Felipe Ortiz-Riomalo (Doktorand, Institut für Umweltsystemforschung, Universität Osnabrück)



Feedback zur Thematisierung der COVID-19 Pandemie

Wir begrüßen die Thematisierung der COVID-19 Thematik im Rahmen der Fortschreibung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Die COVID-19 Pandemie im Rahmen der Nachhaltigkeitsziele als aktuelle Herausforderung für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu betrachten erschließt sich uns, insbesondere in Bezug auf die Erfüllung des SDG 3 „Gesundheit und Wohlergehen“. Selbstverständlich sind hier auch Querverbindungen zu anderen Nachhaltigkeitszielen im Sinne einer systemischen Betrachtungsweise der Strategie sowie der Entwicklung von Anpassungsmaßahmen und Lernprozessen für ein optimiertes Krisenmanagement zu berücksichtigen.
Wir möchten an dieser Stelle jedoch hervorheben, dass die Corona-Pandemie, als globales Schockerlebnis, als Symptom der mangelnden globalen Nachhaltigkeit gesehen werden kann, da ihr Ursprung im Zusammenhang mit der fortschreitenden Zerstörung von Ökosystemen steht.

Daher ist es umso wichtiger, dass sämtliche Konjunkturpakte, die zur Überwindung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schäden der Corona-Pandemie gestaltet werden, eine nachhaltige Entwicklung im Sinne der SDGs unterstützen. Die Corona-Pandemie kann an dieser Stelle keine Ausrede sein, um nachhaltige Entwicklung und die Bekämpfung des Klimawandels hinten an zu stellen, sondern sollte als Chance und Notwendigkeit begriffen werden, die Nachhaltigkeitsziele der Bundesregierung zu stärken und die Zusammenarbeit mit Ländern und Kommunen zu intensivieren.

Die Frage, welche sich hier aufdrängt ist: Wie kann Deutschland eine kurzfristige Konjunkturerholung im Rahmen der langfristigen deutschen Nachhaltigkeitsstrategie erreichen? Bei der Umsetzung der Maßnahmen für den Aufschwung sollten diese das Land nicht von seinem Weg zur Nachhaltigkeit abbringen. Stattdessen sollten sie zur Erreichung der Ziele der nachhaltigen Entwicklung beitragen und diese sogar beschleunigen. In Folge sehen wir den Bedarf, dass die für den wirtschaftlichen Aufschwung unternommenen Maßnahmen entsprechend ausgestaltetet werden, sodass sie sowohl Nachhaltigkeitskriterien erfüllen als auch Nachhaltigkeitsfolgenabschätzungen unterliegen. Insbesondere Grundsätze der Verhältnismäßigkeit sind hier zu beachten. Wir sehen es als sehr kritisch an, dass Milliarden an Euro für Corona-Hilfen ausgegeben werden, durch die die Förderung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen geschwächt wird.

Wie in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie festgelegt, hat Nachhaltigkeit in der Deutschen Politikgestaltung oberste Priorität und bezieht alle Sektoren, Interessengruppen und Behörden ein.  
Der Rat für Nachhaltige Entwicklung hat bereits empfohlen, dass die SDGs der Maßstab sein müssen, an dem das Finanzpaket der EU für den wirtschaftlichen Aufschwung Europas gemessen und bewertet werden muss.  Er verdeutlicht im Kontext der COVID-19 Pandemie die Bedeutung und Dringlichkeit von Nachhaltigkeit, Resilienz und globaler Gerechtigkeit.  In ähnlicher Weise sollten die Maßnahmen, die Deutschland für den Aufschwung ergreift, zur Beschleunigung nachhaltigen Handelns beitragen und dem Land entscheidend helfen, seine Ziele der nachhaltigen Entwicklung zu erreichen.
Wir alle wissen bereits, dass Deutschland viele der durch die Bundesregierung selbst gesetzten Nachhaltigkeitsziele mit den heutigen Strategien voraussichtlich nicht erreichen wird. Wir stimmen der entsprechenden Kritik des Rates für Nachhaltige Entwicklung zu und möchten hier noch einmal betonen, wie wichtig gerade jetzt eine Stärkung dieser Ziele ist, um soziale, kulturelle, umweltbezogene und volkswirtschaftliche Werte nachhaltig zu erhalten.


Feedback zum Dialogprozess zur Fortschreibung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie

Die effektive Gestaltung und Durchführung von Beteiligungsprozessen sind aus unserer Erfahrung sowie aus wissenschaftlicher Sicht große Herausforderungen. Wir möchten an dieser Stelle daher die Gelegenheit nutzen, der Bundesregierung unser Feedback im Rahmen des kurzen Rückmeldezeitraums vom 1.10.20 – 31.10.20 mitzuteilen.
Auch wenn bereits einige Aktivitäten unternommen wurden, um relevante Akteur*innen und Bürger*innen in den Prozess einzubinden, halten wir diese bislang für unzureichend. Unsere Kritik bezieht sich hierbei auf 1) die Qualität des Beteiligungsprozesses; 2) die eingebundenen Akteur*innen; sowie 3) den Zeitrahmen des Prozesses.


1)    Qualität des Beteiligungsprozesses
Den aktuellen Beteiligungsprozess zur Dialogfassung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie stufen wir als Akteurs-Konsultation ein. Wie Sherry Arnstein bereits 1969 schrieb, handelt es sich bei dieser Art der Beteiligung lediglich um Symbolpolitik, da die Akteur*innen hier keine Handhabe darüber haben, was mit ihren Beiträgen passiert, oder gar, welche Entscheidungen in dem Prozess als Ganzem getroffen werden.
In den Beteiligungsformaten im Rahmen des Dialoges zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie vermissen wir die notwendige Transparenz, wie die Ergebnisse der durchgeführten Konferenzen/Workshops als auch der Kommentare im Rahmen des schriftlichen Dialogprozesses behandelt und eingebunden werden. Es erschließt sich uns nicht, welche letztendliche Mitsprache Akteur*innen für die Strategie als solche haben.

Wir vertreten die Ansicht, dass die Beteiligung von Akteur*innen bei der Entwicklung und Implementierung der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie nicht nur als Selbstzweck gesehen werden sollte. Eine breite Teilnahme von sowie Mitgestaltung der Strategie durch Vertreter*innen der Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Forschung schätzen wir zudem als notwendig ein, um die bevorstehenden Transformationen anzustoßen, die für eine echte Nachhaltigkeitswende benötigt werden (siehe auch Pahl-Wostl 2015, Huntjens et al. 2011). Die Gestaltung des Beteiligungsprozesses als pure Konsultation zeigt uns, dass eine echte Transformation nicht das Ziel der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie zu sein scheint.

Daher erhoffen wir uns für die Ausgestaltung zukünftiger Beteiligungsprozesse insbesondere folgende Änderungen und Anpassungen:

  • Detailliertere Angaben darüber, wie der Beteiligungsprozess organisiert und in die Praxis umgesetzt werden soll. Dies ist besonders wichtig, da die Forschung zu Beteiligungsprozessen zeigt, dass diese nur effektiv sind, wenn diese Informationen transparent an die potentiellen Teilnehmer*innen kommuniziert werden.
  • Spezifizierung der Koordinierungsmechanismen insbesondere in Hinblick auf föderalisierte und polyzentrische Systeme.
  • Ausgestaltung und Kommunikation spezifischer Aktivitäten, welche Beteiligung, Zusammenarbeit und Koordination erfordern.
  • Beschreibung von Mechanismen zur Überwachung, Bewertung und Überarbeitung des Beteiligungsprozesses.
  • Beschreibung von Arten partizipatorischer Mechanismen, auf die zurückgegriffen werden kann, um die Zusammenarbeit und Koordination zu fördern:
  • Bspw. Online-Konsultationen, Multi-Stakeholder-Workshops und Fokusgruppen oder andere Methoden wie Konsenskonferenzen wie auch bereits teilweise umgesetzt.
  • Hier möchten wir hervorheben, dass insbesondere die Beschreibung wie Beteiligung und das "Miteinander" staatlicher und nichtstaatlicher Akteur*innen bei der Umsetzung der Strategie gestaltet werden können, wichtig sind. Dies stärkt die Bewertung, Anpassung und Weiterentwicklung der Strategie.
  • Lernprozesse zum Krisenmanagement bspw. auf Basis der Erfahrungen aus dem Management der COVID-19-Pandemie. In diesem Zusammenhang:
  • Analyse und Weiterentwicklung der Prozesse und Mechanismen, mit denen staatliche und nichtstaatliche Akteur*innen beim Krisenmanagement effizient zusammenarbeiten können, oder allgemeiner, um gemeinsame Aktionen im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Erholung und der Nachhaltigkeitsstrategie zu beschleunigen.
  • Beschreibung und Anwendung des Konzepts des nachhaltigen Entwicklungsmanagements
  • Konkretere Beschreibung der globalen Zusammenarbeit und Kooperation:
  • Welche Ziele sollen erreicht werden, welche Aktivitäten sollen durchgeführt werden, in welchen Bereichen und auf welche Beteiligungsmechanismen soll zurückgegriffen werden?

2)    Die eingebundenen Akteur*innen
Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie betont, dass die Verwirklichung der gesetzten Nachhaltigkeitsziele stark vom Zusammenspiel aller relevanten Interessensgruppen abhängt. Wir sehen den Bedarf der breiteren Einbindung staatlicher und nicht-staatliche Akteur*innen sowie der Zuordnung konkreter Rollen und Funktionen.
In Bezug auf die eingebundenen Akteur*innen erhoffen wir uns daher insbesondere folgende Anpassungen:

  • Breitere Einbindung wissenschaftlicher Expert*innen insbesondere auch auf anderen Ebenen außer auf Regierungsebene.
  • Stärkere Betonung weiterer Formen der Partizipation für nicht-staatliche Akteur*innen.
  • Die Einbindung von weitaus mehr als 1500 Menschen wie bspw. im Rahmen des aktuellen Dialogprozesses.

3)    Der Zeitrahmen des Beteiligungsprozesses
Die interessierte Öffentlichkeit ist am 1. Oktober 2020 eingeladen worden, die 300 Seiten starke Dialogversion der Nachhaltigkeitsstrategie bis zum 31. Oktober 2020 zu kommentieren. Für einen profunden Kommentar, welcher ggf. innerhalb verschiedener Akteursgruppen koordiniert werden muss oder der von in Vollzeit arbeitenden Einzelpersonen verfasst wird, ist ein Monat eine sehr kurze Zeit. Wir deuten dies als weiteren Indikator dafür, dass es sich bei der Beteiligung zur deutschen Nachhaltigkeitsstrategie lediglich um Symbolpolitik handelt und geben die ausdrückliche Empfehlung in Zukunft entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Dies sollte nicht zuletzt der Glaubwürdigkeit der kommunizierten Ziele von Beteiligungsprozessen der Bundesregierung dienen.