Marie Holtorf

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Sehr geehrte Bundesregierung, sehr geehrte Leser*innen,
im Folgenden lesen Sie meine Stellungnahme zur deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Ich werde mit allgemeineren Anmerkungen beginnen und danach meine Kritik und Verbesserungsvorschläge zu den spezifischen Nachhaltigkeitszielen darstellen.

Generelle Kritik

Niedriges Ambitionsniveau

Obwohl eingangs die Wichtigkeit der Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens hervorgehoben werden, fehlt der Nachhaltigkeitsstrategie jegliche Ambition diese einzuhalten. Spezifische Kritik werde ich später behandeln, allerdings lässt sich ganz generell schon einmal sagen, dass diese Nachhaltigkeitsstrategie in keiner Weise ambitioniert genug ist, um die globale Erhitzung auf 1,5°C zu begrenzen oder für Gleichstellung zu sorgen. Die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung fokussiert sich lediglich auf Babyschritte, die Deutschland auf kurze Sich etwas nachhaltiger gestalten, aber versäumt es die grundlegenden, langfristigen Veränderungen anzusprechen, die für wirkliche Nachhaltigkeit benötigt werden. Potentielle Lösungsvorschläge werde ich machen, wenn ich die spezifische Kritik erläutere, allerdings ist es ganz generell sehr enttäuschend, wenn eine der größten Volkswirtschaften der Welt so niedrige Ambitionen zeigt und so wenig auf die Bedürfnisse und Bitten, besonders der jungen Generationen, eingeht.


Unkonkrete Zielsetzung

In zahlreichen Bereichen der Nachhaltigkeitsstrategie ist die Zielsetzung der Bundesregierung sehr unkonkret. Statt festgesetzter Zahlen und konkreter Lösungen, findet man Aussagen wie „die Bundesregierung verfolgt das Ziel“, „Deutschland unterstützt“, „die Bundesregierung fördert“, … Das klingt nicht nach dem Krisenmanagement, das es bräuchte, um beispielsweise die Klimakrise in den Griff zu bekommen, sondern nach leeren Worten, die tatsächliche Handlung nur noch weiter hinauszögert. Während der Coronakrise werden Regelungen und Gesetze sofort umgesetzt, um die Bürger*innen zu schützen, bei der Klimakrise werden unkonkrete Ideen vorgeschlagen. Was wir hingegen brauchen, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten, sind konkrete Regelungen, sofortiges Handeln und ernsthafte Ambitionen, die Emissionen schnellstmöglich zu minimieren.

Darüber hinaus werden die angesprochenen Förderungen und Unterstützung selten spezifiziert. Dadurch bleib unklar wie, in welchen Bereichen, in welchem Umfang und basierend auf welchen Kriterien die Förderung stattfindet. Daher würde ich mir generell wünschen, dass die Bundesregierung sich konkretere Ziele setzt und Handlungen beschreibt.


Mangel an Indikatoren

Indikatoren sind essenziell, um Zeile zu erreichen und den Fortschritt messen und beurteilen zu können. Da die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN häufig komplex sind, reicht es nicht aus durchschnittlich nur ca. 4 Indikatoren und für einige Ziele sogar nur einen zu beachten. Nachhaltigkeit ist komplex. Vier Indikatoren pro Ziel werden nicht genügen, um uns einen guten Einblick in die Situation und den Fortschritt der deutschen Nachhaltigkeit zu ermöglichen. Daher schlage ich vor mehr Indikatoren in die Nachhaltigkeitsstrategie einzubauen. Einerseits, um sicherzustellen, dass alle Aspekte des Ziels abgedeckt sind, andererseits aber auch, um dafür zu sorgen, dass der Fortschritt in allen Bereichen gemessen und vorangetrieben wird, denn das was nicht anhand eines Indikators gemessen wird fällt ansonsten oftmals unter den Tisch. Eine weitere Möglichkeit wäre es, zwischen Kurz- und Langzeitindikatoren zu unterscheiden, falls es momentan noch nicht möglich sein sollte bestimme Indikatoren zuverlässig zu messen.

Beispiel: Den Indikator „Anzahl der Mitglieder des Textilbündnisses“, um Menschenwürdige Arbeit weltweit zu ermöglichen, empfinde ich als sehr einseitig, weil es doch viel interessanter und aussagekräftiger wäre auf alle nachhaltigen Textilproduzenten in Deutschland zu schauen, anstatt sich auf ein einziges Textilbündnis zu versteifen.

Ein weiteres Problem bezüglich des Mangels an Indikatoren ist, dass Wechselwirkungen keine Beachtung finden. Häufig wirkt sich eine Verbesserung im Bereich eines Indikators auch auf andere Bereiche aus. Diese sollten daher als Indikatoren oder Untergruppen eines Indikators auftauchen, um sicherzustellen, dass die Verbesserung in einem Indikator nicht zu einer Verschlechterung anderorts führt.


Einbeziehung von Bürger*innen

Es ist sehr lobenswert, dass die Bundesregierung die Bürger*innen Deutschlands in die Überarbeitung der Nachhaltigkeitsstrategie einbezieht, allerdings umfasst der besagte Entwurf 313 Seiten. Daher erfordert es einen erheblichen Zeitaufwand von Seiten der Bürger*innen, eine Stellungnahme basierend auf dem Entwurf zu erarbeiten. Eine kürzere Zusammenfassung oder strukturierte Übersicht würden es dem Leser erheblich erleichtern sich in der Materie zurechtzufinden und die Zeit, die es benötigt eine Stellungnahme zu verfassen, bedeutend verringern.

Des Weiteren bezieht sich der Entwurf der Nachhaltigkeitsstrategie auf unzählige Gesetze, Gremien, Konventionen, Protokolle, uvm., die den meisten Deutschen zumindest nicht alle bekannt sind. Daher erfordert das Lesen und Verstehen des Entwurfes umfassendes Vorwissen oder Recherche, bevor Bürger*innen ihre Stellungnahme abgeben können.

Außerdem ist das Video und der Aufruf an Bürger*innen sich zu beteiligen auf der Website der Bundesregierung nicht leicht zugänglich, da sie nicht direkt bei den Informationen zur Nachhaltigkeitsstrategie zu finden sind, sondern in der Videomediathek, wo interessierte Bürger*innen möglicherweise nicht danach suchen würden.

Daher empfehle ich dringend, dass es Bürger*innen leichter gemacht werden muss sich in die Politik einzubringen. Gerade bei so wichtigen Themen, wie in diesem Entwurf, spielen die Meinungen und Ideen der Bürger*innen eine entscheidende Rolle, da hier wichtige Entscheidungen über die Zukunft Deutschlands festgelegt werden. Leichter zugängliches Material, das in Inhalt, Transparenz und Umfang so gestaltet ist, dass alle Bürger*innen die Möglichkeit haben sich einzubringen, ist daher unabdingbar.


Spezifische Kritik

SDG2. Kein Hunger

In ihrer Nachhaltigkeitsstrategie, plant die Bundesregierung Emissionsminderungen in der Tierhaltung. Natürlich ist dies dringend notwendig, doch dies ist eine eher kurzfristige Lösung. Der Wandel in der Landwirtschaft muss allerdings tiefer greifen und nicht nur die Emissionen in der Tierhaltung reduzieren, sondern die Tierhaltung im Ganzen umstrukturieren. Anstatt Tierhaltung und tierische Produkte immer weiter zu subventionieren, sollte die Bundesregierung auf pflanzliche Alternativen setzen, die nicht nur weniger Emissionen in der Produktion ausstoßen, sondern auch deutlich weniger Ackerfläche beanspruchen. Dies dient nicht nur der Emissionsminderung, sondern auch dem Tierwohl. Außerdem steht der Verzehr großer Mengen an Fleisch unter dem Verdacht sich negativ auf die menschliche Gesundheit auszuwirken, was dringend geprüft und in die Nachhaltigkeitsstrategie mit einbezogen werden sollte.


SDG 6. Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen

Ich bezweifle, dass gesetzliche Regelungen zum Fracking genügen, um die Gefahr, die von dieser Methode ausgeht, zu eliminieren. Meiner Meinung nach sollte Fracking in Deutschland verboten werden. Das Risiko, dass unser Grundwasser beim Fracking verunreinigt wird ist extrem hoch und insbesondere im Hinblick auf die wachsende Wasserknappheit sind wir umso mehr auf sauberes Trinkwasser angewiesen. Diese Ressource sollte unbedingt geschont und Fracking daher verboten werden.
Neben dem Verbot von Fracking, müssen des Weiteren Verbote zu Mikroplastik in Verbraucherprodukten eingeführt werden. Beispielsweise in Shampoos und Waschmitteln befindet sich Mikroplastik, das durch das Abwasser in unser Trinkwasser und somit in den menschlichen Körper gelangt. Auch andere gefährliche Substanzen, wie teilweise in Putzmitteln enthalten, sollten verboten werden. Die Entscheidung für oder gegen Mikroplastik und umweltschädliche Substanzen können nicht dem Konsumenten überlassen werden, da häufig das Bewusstsein für oben genannte Probleme fehlt. Außerdem kann ich aus Erfahrung sagen, dass selbst Konsumenten, die sich mit der Problematik vertraut machen, Probleme haben den Inhaltsstoffdschungel zu durchschauen. Daher sollte die Bundesregierung den Umweltschutz in diesen Bereichen in die Hand nehmen.


SDG 7. Bezahlbare und saubere Energie

Obwohl es lobenswert ist, dass die Bunderegierung den Kohleausstieg beschlossen hat, ist dieser mit 2038 viel zu spät angesetzt. Um im Rahmen des 1,5°C-Ziels des Pariser Abkommen zu agieren, muss der Kohleausstieg weit vor 2038 und so früh wie möglich stattfinden. Insbesondere angesichts der Tatsache, dass Stand heute mehr als 30% der ausgestoßenen Emissionen Deutschlands der Energiewirtschaft zuzuschreiben sind, muss in diesem Bereich schneller gehandelt werden. Daher empfehle ich, den Kohleausstieg deutlich zu beschleunigen und gleichzeitig den Brutto-Zubau von Wind und Photovoltaik möglichst bald auf zusammen mindestens 25 GW zu erhöhen. Hierbei sollten unter anderem Anwohner und Kommunen einbezogen werden und eine Installations- oder Nutzungspflicht für Photovoltaik in Betracht gezogen werden.

Die CO2 Bepreisung, die ab 2021 in den Sektoren Verkehr und Wärme gilt, sollte auf weitere Sektoren ausgeweitet werden, um nachhaltigeren Wettbewerb und Konsum zu begünstigen. Außerdem, sollte die CO2 Bepreisung deutlich erhöht werden, um die Transition hin zu erneuerbaren Energien weiter voranzutreiben. Darüber hinaus, sollte die Bundesregierung  eine Beimischungsquote in Betracht ziehen, um den Umstieg auf klimaneutrale Brennstoffe bis 2035 zu ermöglichen.


SDG 8. Wirtschaftswachstum

Statt das Wirtschaftswachstum ausschließlich anhand des Bruttoinlandsproduktes zu messen, sollten klimapolitische Faktoren eine Rolle spielen. Die strikte Trennung von Wirtschaft und Klima muss aufhören, weil jede Wirtschaft darunter leiden wird, wenn die Erde sich weiter erwärmt. Wir müssen aufhören, Wirtschaftswachstum als Formel für unser Glück anzusehen und müssen wirtschaftliche und klimapolitische Indikatoren vereinen. Außerdem muss Gleichberechtigung stärker einbezogen werden, weil Wirtschaftswachstum, das nur einigen wenige zugutekommt, Deutschland in keiner Weise nachhaltiger macht.
Um nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu erreichen, benötigen wir konkrete Ziele zur Umstellung zur Kreislaufwirtschaft. Außerdem wird umfassende Recherche benötigt, wie eine solche Kreislaufwirtschaft deutschland- und EU-weit aussehen könnte, um sicherzustellen, dass die Ressourcen so effizient wie möglich verwendet werden. Die Begünstigung von Servicemodellen und weg vom Eigentum, sowie hin zur Langlebigkeit und Recycelfähigkeit sind hier wichtige Bereiche, in denen die Bundesregierung mehr Arbeit leisten muss.

Außerdem sollte die Bundesregierung „die Elektrifizierung von Industrie-Heizsystemen für Dampf und Wärme […], [den] Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft […], [den] Ersatz der Industrieheizkraftwerke (Kohle) durch erneuerbare Energien und Power-to-Heat“ [1, p.68] in Betracht ziehen, um die Dekarbonisierung der Industrie in Deutschland voranzutreiben. Darüber hinaus sollten treibhausgasneutrale Innovationen und Technologien stärker gefördert werden.

Politische Instrumente, die genutzt werden könnten, um die oben genannten Punkte umzusetzen, beinhalten eine langfristig absehbare CO2 Bepreisung, um Innovation zu motivieren, sowie den Ausstieg aus klimaschädlichen Prozessen, neue Standards und Quoten für die Einführung einer Kreislaufwirtschaft und die Sicherung von Absatzmärkten für klimafreundliche Produkte.


SDG 10. Weniger Ungleichheiten

Die Bundesregierung fokussiert sich fast ausschließlich auf die Ungleichheit innerhalb Deutschlands. Obwohl dies ein Problem ist, das eine Lösung benötigt, darf zwischenstaatliche Ungleichheit nicht vernachlässigt werden. Die westlichen Staaten, inklusive Deutschlands, haben Jahrzehnte lang den globalen Süden ausgebeutet und die Ungleichheiten verstärkt, daher ist es an der Zeit sich weltweit für weniger Ungleichheit zu engagieren, um wirkliche Nachhaltigkeit zu erzielen. Konkrete Ziele und Indikatoren zur Minimierung der inter-staatlichen Ungleichheiten sollten der Nachhaltigkeitsstrategie hinzugefügt werden, um auch außerhalb Deutschlands Wirkung zu erzielen.


SDG 11. Nachhaltige Städte

Die Bundesregierung schlägt in Ihrer Nachhaltigkeitsstrategie eine „Innovationsprämie“ für E-Fahrzeuge und den Ausbau der Ladeinfrastruktur vor. Die Investitionen in E-Mobilität ist auf kurze Sicht richtig und notwendig und muss noch schneller vorangetrieben werden. Außerdem muss die Transition zur E-Mobilität mit der Energiewende einhergehen, damit genügend Ökostrom für die wachsende Anzahl an E-Fahrzeugen vorhanden ist. Allerdings reicht es nicht aus auf E-Mobilität zu setzen, sondern die Bundesregierung muss auch langfristigen Änderungen in der Mobilität Aufmerksamkeit schenken, weil tatsächliche Nachhaltigkeit im Transportsektor nur erreicht werden kann, wenn strukturelle und grundlegende Veränderungen auf den Weg gebracht werden. Mir fehlt hier der Blick in die Zukunft, die weg vom Privatwagen und hin zu elektrischen und leichter zugänglichen öffentlichen Verkehrsmitteln führen muss.

Daher empfehle ich, dass der Öffentliche Verkehr schneller ausgebaut wird und die Bundesregierung Strategien, wie das Unterstützen von regelmäßigem Homeoffice und Vorantreiben von Ridepooling in Betracht ziehen sollte. Außerdem sollte die Nutzung von privaten Pkw weniger attraktiv gestaltet werden, um den Umstieg auf Fuß, Rad oder Öffentlichen Verkehr voranzutreiben. Die Bundesregierung sollte hier auf Strategien wie höhere Parkgebühren, weniger Fahrspuren und Parkraum, Citymaut und niedrigeren Tempolimits in Städten zurückgreifen. Um die Pkw-Nutzung außerdem effizienter zu gestalten, sollte die Gewichtsreduktion von Pkw, reduzierte Geschwindigkeiten und eine Kfz-Steuer, die sich an der Effizienz der Fahrzeuge orientiert vorangetrieben werden. Darüber hinaus muss die Neuzulassung von Verbrennungsfahrzeugen so früh wie möglich verboten werden.

Außerdem sollte der Flugverkehr reduziert werden, beispielsweise durch die Einstellung des innerdeutschen Flugverkehrs und dem Ausbau des Schienenfernverkehrs. Auch international sollte eine Transition weg vom Flug- und hin vom Schienenfernverkehr vorangetrieben werden.

Der Güterverkehr sollte von der Straße auf die Schiene verlagert werden und erhöht damit den Bedarf an einem zunehmend ausgebauten Streckennetz noch weiter. Die Transition hin zur Schiene könnte die Bundesregierung beispielsweise mit einer Erhöhung der Lkw-Maut oder einer Reduktion der Trassenpreise vorantreiben. Des Weiteren sollte die Bundesregierung die Elektrifizierung von Autobahnen vorantreiben, um die Emissionen des Lkw-Verkehr, der nicht auf die Schiene verlagert wird, zu reduzieren.

Um darüber hinaus den Gebäudesektor zu dekarbonisieren, sollte der Bedarf an Wohn- und Nichtwohngebäuden beispielsweise durch intelligentere und flexible Nutzung minimiert, energetische Sanierungsmaßnahmen vorangetrieben und Innovationen in der Bauwirtschaft gefördert werden. Außerdem sollte der Ausstieg aus fossilen Heizsystemen möglichst früh stattfinden und frühzeitig kommuniziert werden.


SDG 12. Nahhaltige Konsum- und Produktionsmuster

In diesem Bereich fehlen konkrete Ziele, um Deutschland hin zu einer Kreislaufwirtschaft zu bringen. Hier könnten industrielle Symbiosen, Produktdesign für Wiederverwendbarkeit, Recycling und Langlebigkeit, sowie die Rücknahme und Wiederverwertung gefördert werden. Generell sollte analysiert werden, wie Deutschland möglichst schnell zu einer möglichst effizienten Kreislaufwirtschaft gelangen kann. Das wirtschaftliche System muss grundlegende strukturelle Veränderungen erfahren, um nachhaltig zu werden und wettbewerbsfähig zu bleiben.
Des Weiteren sollte unternehmerische Nachhaltigkeitsberichtserstattung nicht nur gefördert, sondern gesetzlich verpflichtend sein. Einerseits, um den Konsument*innen mehr Transparenz zu bieten und somit ihr Kaufverhalten nachhaltiger zu gestalten, andererseits aber auch, weil Unternehmen den Großteil der Emissionen ausstoßen und die Verantwortung für nachhaltiges Handeln nicht auf die Konsument*innen abgewälzt werden sollte. Viel zu häufig wird von Konsument*innen verlangt, dass sie ihre Verhaltensweisen überdenken und nachhaltiger gestalten. Obwohl dies selbstverständlich zur gesteigerten Nachhaltigkeit beiträgt, sind es große Konzerne, die Emissionen ausstoßen und günstige Arbeitskräfte im Ausland ausnutzen. Daher sollten die Konzerne und Unternehmen vermehrt für nicht nachhaltige Praktiken zur Rechenschaft gezogen werden. Verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung wäre hier der erste Schritt.
Der „Ausbau von Informations- und Unterstützungsangeboten“ für unternehmerische Berichtserstattung reicht hier kaum aus. Wir benötigen Richtlinien, Subventionen und Gesetze, um die Kreislaufwirtschaft auf allen Ebenen voranzutreiben. Statt auf CSR-Richtlinien zu setzen, würde ich der Bundesregierung darüber hinaus empfehlen auf ESG-Reporting zu setzen, da letzteres numerischer ist und einen Langzeitfokus hat.

Statt eines „Abfallvermeidungsprogramms“ und der „Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft“, sollte es konkrete Richtlinien geben, die auf wissenschaftlichen Befunden basieren. Die Transition zur Kreislaufwirtschaft sollte nicht wie eine abstrakte Idee für die Zukunft behandelt werden, sondern Schritt für Schritt konkret in Deutschland eingeführt werden. Dazu benötigen wir numerische Ziele, die festlegen bis wann wie viel Zirkularität erreicht werden soll und konkrete Schritte, wie diese Transition stattfinden soll.

Statt Verbraucher*innen im Bereich Plastikabfälle zu „sensibilisieren“, sollte die Bundesregierung in Angesicht der Zeit, die noch bleibt um den Klimawandel zu stoppen, lieber auf Verbote und Subventionen setzen, die schnelle Veränderungen bringen würden, anstatt die Verantwortung auf die Konsumenten abzuwälzen. Durch Verbote und Subventionen, würde automatisch mehr an nachhaltigeren Verpackungen geforscht und diese auf den Markt gebracht werden, was im Umkehrschluss auch dazu führen würde, das Konsument*innen mehr nachhaltige Verpackungen kaufen.


Der Indikator 12.1.b „Globale Umweltinanspruchnahme des Konsums privater Haushalte“ ist irreführend, da Konsum nicht NUR von privaten Haushalten ausgeht, sondern auch durch Gesetzesänderungen in der Produktion verändert werden kann. Die Bildung der Konsument*innen muss PARALLEL zu konkreten Maßnahmen in der Produktion stattfinden. Wenn nur noch nachhaltige Produkte erhältlich sind oder der Staat dafür sorgt, dass diese wettbewerbstauglich sind, werden Konsument*innen automatisch umsteigen. Außerdem ist bewiesen, dass nicht die Konsument*innen, sondern einige der ganz großen Firmen den größten Anteil am negativen Einfluss auf das Klima haben. Diese sollten zur Verantwortung gezogen und das Problem nicht auf die Konsument*innen abgewälzt werden.

Indikator 12.3 a,b der Nachhaltigen öffentlichen Beschaffung ist zwar richtig und gut, aber wenn die Bundesregierung eine Vorbildfunktion haben möchte, sollte es dabei nicht um die Nutzung von Recyclingpapier, sondern eher Themen wie CO2 Neutralität, Kreislaufwirtschaft und ähnliches gehen. Das inspiriert und motiviert. Mit Babyschritten wie Recyclingpapier werden wir die globale Erhitzung jedenfalls nicht stoppen.


SDG 13. Bekämpfung des Klimawandels

Treibhausgasneutralität 2050 ist viel zu spät. Um im Rahmen des Pariser Abkommen zu bleiben, muss die Treibhausgasneutralität 2050 weltweit erreicht werden. Da einige Länder, insbesondere Entwicklungsländer, länger zur Treibhausgasneutralität benötigen werden als andere (Industrieländer), ist es essenziell, dass letztere ihre Treibhausgase so schnell wie möglich Richtung netto null bringen. Besonders Deutschland, eine der größten Volkswirtschaften der Welt, sollte daher mit gutem Beispiel vorangehen und ambitioniertere Ziele setzen. Die Bundesregierung sollte Klimaneutralität zwischen 2030 und 2035 anstreben, um das Klimaziel einer maximalen Erwärmung von 1,5°C mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% einhalten zu können.


Bei Indikator 13.1 a heißt es, dass „zu beachten ist, dass der Indikator gemäß Kyoto-Protokoll nicht die Kohlendioxid-Emissionen aus Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft ausweist. Auch die Seeschifffahrt und der internationale Flugverkehr werden bei der Berechnung nicht berücksichtigt.“ Bedeutet das dann, dass Deutschland nicht einmal bis 2050 klimaneutral werden will? Äußerst unambitioniert. Und nicht die Bundesverwaltung, sondern Bundesrepublik Deutschland muss bis spätestens 2035 klimaneutral werden, um das Pariser Abkommen einzuhalten. Mir fehlen ernsthafte, ambitionierte Ziele was den Klimawandel angeht. Wenn die Nachhaltigkeitsstrategie so umgesetzt wird, werden wir die 1,5°C des Pariser Abkommens meilenweit verfehlen, was ernsthafte Folgen haben wird, nicht nur für deutsche Bürger*innen, sondern die Menschheit im Allgemeinen.
Außerdem wird erwähnt, dass Deutschland seine Klimaziele für 2020 verfehlen wird. Das wird einfach so stehengelassen. Statt zu analysieren warum das Ziel verfehlt wird und welche Lösungen, das Problem beheben können, geht die Bundesregierung einfach zum nächsten Absatz über. Wenn das Einhalten der Ziele und der Nachhaltigkeitsstrategie nicht verbindlich sind, wozu erarbeiten wir dann überhaupt eine solche Strategie?
Die Bunderegierung hebt zudem hervor, dass bereits 2020 das erste Kohlekraftwerk vom Netz gegangen sei. Die Inbetriebnahme des neuen Kraftwerks Datteln IV wird dabei einfach verschwiegen. Solche Informationen dürfen in einem derartigen Dokument nicht fehlen, das grenzt an Greenwashing und beschönigt die eigentliche Situation. Wir nehmen neue Kohlekraftwerke in Betrieb, obwohl wir den Kohleausstieg beschließen. Das macht weder Sinn, noch ist es nachhaltig.
Außerdem ist es zwar lobenswert, dass die Resilienz der verwundbaren Bevölkerungsgruppen gegen Extremwetterereignisse gestärkt werden soll. Doch was noch hilfreicher wäre: Wenn Deutschland sobald wie möglich die Treibhausgasneutralität erreichen würde. Das würde das Problem nämlich an der Wurzel angehen. Resilienz ist natürlich zusätzlich dazu wichtig, doch wir müssen gleichzeitig auch die Ursachen der Probleme im Blick behalten und diese simultan angehen.


SDG 14. Leben unter Wasser

Es ist ja eine tolle Initiative betroffenen Inselstaaten Wissen über die Wiederaufforstung von Korallenriffen zu vermitteln. Allerdings ist es auch eine ziemliche Doppelmoral, wenn den Inselstaaten einerseits dieses Wissen vermittelt wird, Deutschland aber andererseits plant noch bis nach 2050 Emissionen auszustoßen, die zur Erdererhitzung beitragen und genau die Riffe zerstören, die die Inselstaaten wieder aufforsten sollen. Außerdem sollte die Bundesregierung ein Verbot von umweltschädlicher Sonnencreme (mit Oxybenzon) prüfen und möglichst bald einführen, um Wasserlebewesen und Korallenriffe zu schützen. Diese Verbote gibt es z.B. ab 2021 in Hawaii.


SDG 15. Leben an Land

Hier sehe ich erneut eine Doppelmoral, weil die Bundesregierung sich dafür einsetzt, dass EU-weit keine Wälder mehr für Agrarflächen gerodet werden sollen, momentan aber innerhalb Deutschlands beispielsweise große Flächen des Dannenröder Waldes für eine Autobahn gerodet werden sollen. Heißt also, wenn Wälder für die Autobahnen eines veralteten und nicht nachhaltigen Mobilitätskonzepts weichen müssen ist das in Ordnung, nicht aber für Agrarfläche?

Dass bis 2030 nur noch 50% der empfindlichen Ökosysteme die Belastungsgrenze für Eutrophierung durch Stickstoffeinträge überschreiten sollen ist zwar ein Anfang, aber sollte aufgrund der verheerenden Biodiversitäts- und Klimakrise das Ziel nicht so niedrig wie möglich und somit eher Richtung 0% liegen?
Die Bundesregierung spricht sich für den Erhalt und die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder aus. Dass dieser Punkt wichtig ist, sollte allen bewusst sein. Wenn man allerdings parallel zu diesen Ambitionen der Nachhaltigkeitsstrategie sieht, wie der Dannenröder Wald und andere Wälder den Autobahnen weichen müssen, sind diese Ziele kaum ernst zu nehmen und wirken mehr wie eine Beschwichtigungsstrategie, um Bürger*innen ruhig zu stellen. Es ist absurd, dass Wälder, die geschützt werden müssten, weil sie als Emissionssenke fungieren, abzuholzen, um Autobahnen zu bauen, die nichts mit der nachhaltigen Mobilität zu tun haben, die Deutschland dringend bräuchte.

Generell ist die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung viel zu unambitioniert und ungenügend, um das Pariser Abkommen einzuhalten. Ich fordere daher eine Überarbeitung der Strategie mit klaren und ambitionierten Zielen, eindeutigen Indikatoren und Handlungen von Seiten der Bundesregierung. Basierend auf dieser Nachhaltigkeitsstrategie sehe ich die Zukunft ganzer Generationen in Gefahr. Deutschland sollte seine Vorbildfunktion ernstnehmen, auf die jungen Generationen, die seit Wochen auf den Straßen und im Internet demonstrieren, hören und endlich eine Nachhaltigkeitsstrategie erarbeiten die im Einklang mit dem 1,5°C-Ziel ist. Uns rennt die Zeit davon. Deutschland muss jetzt handeln, um eine lebenswerte Zukunft für kommende Generationen zu gestalten.

Vielen Dank für Ihre Zeit und Aufmerksamkeit.

Mit freundlichen Grüßen,
Marie Holtorf