Dr. Walter Schmidt, XertifiX e.V.

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Kommentierte Passage:

12. Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen

„a) Wesentliche Inhalte und politische Prioritäten aus Sicht der Bundesregierung“ (S. 228 – 235)

Unter den Prioritäten und Aktivitäten der Bundesregierung werden unter anderem erwähnt die „Bereitstellung von Informationen zu glaubwürdigen Siegeln und Labeln für gute Kaufentscheidungen (z.B. Verbraucherportal Siegelklarheit.de, Ausbau bestehender Siegelsysteme, ausführlich s. S. 234f.).“ (S. 228). Dies wird dann weiter unten näher erläutert: unter den Aktivitäten der Bundesregierung werden genannt, das staatliche Biosiegel, der Blaue Engel, der Grüne Knopf, sowie die Unterstützung von Beschaffern durch Kompass Nachhaltigkeit (der ja auf den gleichen Datensatz wie das Portal Siegelklarheit zurückgreift). Die geplanten Maßnahmen der Bundesregierung fokussieren ausschließlich auf staatliche Siegel (Blauer Engel, Grüner Knopf, staatliches Tierwohlkennzeichen). Zum Portal Siegelklarheit ist nur die Erweiterung durch die Aufnahme neuer Produktgruppen geplant. Damit bleiben die zahlreichen privaten Siegel bei der angekündigten Weiterentwicklung von Siegelklarheit außen vor. Dies reicht so nicht aus, denn unter dem derzeitigen Bewertungsverfahren kann es durchaus der Fall sein, dass auf dem Portal Siegelklarheit mutmaßlich unglaubwürdige Siegel als „Gute Wahl!“ empfohlen werden. Der Grund liegt darin, dass es zwar ein sehr detailliertes Prüfungsraster für die aufzunehmenden Siegel gibt, dass aber die Prüfung ausschließlich als Desktop-Research auf der Basis der durch die Siegelorganisationen eingereichten Unterlagen und der frei zugänglichen Informationen (z.B. Webseite) der Siegelorganisationen stattfindet, sowie anhand von Interviews mit den Siegelorganisationen. Die tatsächliche Prüfungspraxis der Siegelorganisationen bleibt außen vor.
Wenn aber auf Siegelklarheit prinzipiell auch mutmaßlich unglaubwürdige Siegel unter Siegelklarheit den Verbraucher*innen empfohlen werden können,

  • dann hinterfragt dies die Funktion von Siegelklarheit als einer verlässlichen Orientierung über die vorhandenen (privaten) Siegel,
  • dann wertet dies solche mutmaßlich unglaubwürdigen Siegel auf,
  • dann gibt das den Kritikern von Siegeln „weitere Munition“, die grundsätzlich die Wirksamkeit von jeglichen Siegeln in Frage stellen.

Wir fordern daher einen „Siegel-TÜV“ für alle unter Siegelklarheit aufgeführten privaten Siegel. Dieser muss ausschließlich auf freiwilliger Basis stattfinden und muss auch abgelehnt werden können. Das wird erreicht, indem eine Überprüfung mit der Aufnahme auf das Siegelportal der Bundesregierung gekoppelt wird: Wer auf Siegelklarheit dargestellt werden möchte, muss damit einer stichprobenartigen Überprüfung der gemachten Angaben zustimmen. Denn es kann kein juristisches Argument geben, das es der Bundesregierung verbieten könnte, die für die Darstellung auf dem eigenen Portal Siegelklarheit angeforderten Angaben noch einmal selbst zu überprüfen. Wer keine Stichproben wünscht, der muss sich auch nicht auf Siegelklarheit darstellen lassen. Hiermit wird eine tatsächlich freiwillige Zustimmung zu den Stichproben-Kontrollen gewährleistet.
Die Stichproben müssten zum Beispiel unter anderem überprüfen:

  • Werden die Lieferketten – wie vom Siegelgeber angegeben – auch (z.B. durch unabhängige Audits) kontrolliert?
  • Wird das Siegel auch nur dann vergeben, wenn die Zertifizierungskriterien – wie vom Siegelgeber festgelegt – eingehalten werden?
  • Wird die Rückverfolgbarkeit der Lieferkette tatsächlich so durchgeführt, wie dies vom Siegelgeber behauptet wird?
  • etc.

Es ist evident, dass ein Konzept für die Kontrollen von Fachleuten ausgearbeitet werden muss, durch das die Angaben der Siegelgeber wirksam kontrolliert werden können. Die Bundesregierung hat zudem mit der GIZ auf der ganzen Welt auch die personelle Struktur, das erforderliche Kontrollsystem aufzubauen. Auf Siegelklarheit sollte bei jedem Siegel dann die Information aufgenommen werden, ob und wann die Stichproben bereits stattgefunden haben.
Der Deutsche Bundestag forderte bereits am 12. November 2019 die Bundesregierung dazu auf, Instrumente schaffen, um Verbraucher*innen und öffentlichen Beschaffern eine Orientierungshilfe darüber zu geben, „welche Zertifizierungssysteme und Siegel unabhängig und glaubwürdig sind“. (siehe: BT-Drucksache 19/15062) Der Rat für Nachhaltige Entwicklung hat in seiner Stellungnahme vom 13. Mai 2020 ebenfalls – in teils wörtlicher Anknüpfung an diesen Bundestagsbeschluss – eine solche Überprüfung der Siegel als wünschenswert formuliert: „Für das öffentliche Beschaffungswesen sind zuverlässige und unabhängige Orientierungshilfen nötig, damit sich die für den Einkauf Verantwortlichen darauf verlassen können. Es sollte geprüft werden, ob bereits bestehende Portale der Bundesregierung wie „siegelklarheit.de“ zu einer staatlichen Kontroll- und Überprüfungsinstanz für Zertifizierungssysteme ausgebaut werden können („Siegel-TÜV“), um im „Siegel-Dschungel“ Spreu vom Weizen zu trennen“.

Wenn die Bundesregierung die begrüßenswerte Position vertritt, dass durch private Siegel etwas zur Verbesserung in den Lieferketten geleistet werden kann – und das tut sie, da sie Zeit und Ressourcen in den Aufbau und die Pflege der Portale Siegelklarheit und Kompass Nachhaltigkeit investiert – dann sollte sie dies auch konsequent umsetzen. Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass sie auf dem Portal Siegelklarheit nur die Siegel empfiehlt, die auch tatsächlich empfehlenswert sind. Welche Siegel empfehlenswert sind, kann die Bundesregierung nur nach eigenen Kontrollen (Stichproben) verlässlich wissen. Ansonsten beteiligt sich die Bundesregierung durch das Portal Siegelklarheit gegebenenfalls selbst am Greenwashing von mutmaßlich unglaubwürdigen Siegeln. Eine Weiterentwicklung des Portals Siegelklarheit sollte daher unbedingt den Aufbau eines stichprobenartigen Kontrollsystems aller auf Siegelklarheit dargestellten Siegel enthalten. Nur so wird auch das erklärte Ziel der Bundesregierung erreicht, „die Marktdurchdringung anspruchsvoller Siegel und internationale Umsetzung hoher Umwelt- und Sozialstandards voranzutreiben sowie nachhaltigen Konsum zu fördern.“ (S. 233, kursiv XertifiX)
 

    
Ingrid Sehrbrock, Vorsitzende    

Dr. Walter Schmidt, Geschäftsführer