Dr. Peter Merschel, Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler e. V.

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Sehr geehrte Damen und Herren,

der BDG Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler e. V. begrüßt die aktuell laufende Online-Konsultation zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie ausdrücklich und beteiligt sich gerne an der Ausgestaltung des Strategiedokuments. Als berufsständische Vertretung der rund 30.000 Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftler lässt der BDG damit die Expertise einer Berufsgruppe, dessen Fachwissen für die nachhaltige Zukunftsgestaltung in vielerlei Hinsicht elementar ist, in den Prozess einfließen.

Der BDG stimmt grundsätzlich mit der Einschätzung des Nachhaltigkeitsrats überein, dass es einer massiven Intensivierung der Bemühungen und damit zwingend verbundenen, konkreten Maßnahmen zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele bedarf. Der BDG begrüßt daher ausdrücklich die ersten Empfehlungen des Nachhaltigkeitsrates als Basis für die weitere Entwicklung. Im Folgenden macht der BDG auf wichtige Themenfelder sowie zusätzliche Handlungsbedarfe aufmerksam, die aus Sicht unseres Faches im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie Berücksichtigung finden sollten. Hierbei nehmen wir Bezug auf die am 13. Mai 2020 veröffentlichten ersten Empfehlungen des Nachhaltigkeitsrats zur Weiterentwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2020/2021.

Reduktion der Treibhausgasemission

Wie vom Nachhaltigkeitsrat beschrieben, spielen die erneuerbaren Energien eine zentrale Rolle bei der Reduktion der Treibhausgasemissionen, sowohl in Deutschland wie auch auf internationaler Ebene. Eng mit der Energiewende verbunden ist gleichsam die notwendige Wärmewende, die den Primärenergiebedarf bzw. -verbrauch von Gebäuden betrifft. Hier bedarf es eines deutlichen Ausbaus regenerativer Energieträger mit einer zusätzlich flächendeckenden Berücksichtigung und Förderung der Geothermie, um den hohen Energiebedarf zukünftig durch nicht-fossile Energieträger nachhaltig decken zu können. Diese zusätzlichen Förderinstrumente müssen gleichwohl Privatkunden wie Unternehmen zugänglich sein, um in der Fläche Akzeptanz und Umsetzung zu erfahren.

Auch zukünftig werden besonders CO2-intensive Industriezweige wie die Zement- oder Stahlindustrie notwendig sein, um die Bereitstellung von existenziellen Gütern zu sichern. Darüber hinaus ist unsere Gesellschaft auf zahlreiche Produkte der chemischen Industrie angewiesen, deren Herstellung in absehbarer Zukunft nicht CO2-neutral möglich sein wird. Um diese elementaren Industriesektoren klimaneutral ausgestalten zu können, müssen konkrete Maßnahmen zur nachhaltigen und sicheren CO2-Abscheidung und -Speicherung im Untergrund weiter erforscht werden. Die unter dem Namen "Carbon Capture and Storage" oder "Carbon Capture and Utilization" kurz CCS/CCU, zusammengefassten Technologiepfade müssen ergebnisoffen weiterentwickelt und deren Umsetzung in der Praxis untersucht werden. Hierbei ist von besonderer Bedeutung, die Bevölkerung über die Potentiale, Chancen und damit verbundenen Gefahren von Beginn an zu informieren, um Akzeptanz in der Bevölkerung zu schaffen

Aus heutiger Sicht kann die Dekarbonisierung energieintensiver Industrien nur über den Einstieg in eine Wasserstoffwirtschaft erfolgen. Die Nationale Wasserstoffstrategie plant die Gestaltung dieses Einstieges über regenerativ erzeugten "grünen" Wasserstoff. Dieser wird in Deutschland über die nächsten Jahrzehnte jedoch nicht annähernd in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, da mit den regenerativen Energien zunächst der Stromsektor dekarbonisiert werden soll. Der angedachte Import "grünen" Wasserstoffes kann nur zu extrem hohen Kosten und unter Inkaufnahme erheblicher technischer und möglicherweise auch politischer Risiken dargestellt werden. Währenddessen treiben andere europäische Länder den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft mit "blauem" Wasserstoff, d.h. unter Nutzung von CO2-Untertagespeicherung in ausgeförderten Nordsee-Lagerstätten voran. Beispielhaft sind hier das industrielle Cluster Humber im UK sowie das Kraftwerk Magnum in den Niederlanden zu nennen, die von Industriekonsortien unter Leitung von Equinor zu einer Energieversorgung mit Wasserstoff umgerüstet werden sollen. Deutschland gerät hier in Gefahr, wegen des zu erwartenden langsamen und teuren Hochlaufes von "grünem" Wasserstoff einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil zu verlieren. Ein kürzlich von der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) veröffentlichtes Positionspapier (Acatech (Hrsg.): CCU und CCS – Bausteine für den Klimaschutz in der Industrie (acatech POSITION), München: Herbert Utz Verlag 2018) zeigt die Potentiale und Optionen auf und verdeutlicht die Möglichkeit, diesen Technologiepfad als Baustein zu gestalten. Im Übrigen verweist das IPCC seit Jahren auf die Notwendigkeit der proaktiven Speicherung von CO2 als eines wichtigen Teilschrittes zum Erreichen des 1,5 Grad-Zieles, sollten die für die nächsten Dekaden in einigen Szenarien angedachten hohen Energieeinsparungen nicht realisierbar sein.

Nachhaltige Rohstoffwirtschaft und Schaffung eines Rohstoffbewusstseins

Trotz der an Bedeutung gewinnenden Kreislaufwirtschaft wird der Primärrohstoffbedarf in Deutschland auf hohem Niveau bleiben oder in wichtigen Zukunftsbereichen, die insbesondere für die Energiewende nötig sind, sogar noch drastisch ansteigen. Perspektivisch wird sich der Rohstoffimport von fossilen Brennstoffen auf ein Spektrum strategisch wichtiger Metalle verlagern. Erneuerbare Energien erfordern einen deutlich höheren Einsatz von Metallen pro erzeugter Energieeinheit als konventionelle Kraftwerke. Elektrofahrzeuge haben im Vergleich zu konventionellen Kraftfahrzeugen einen deutlich erhöhten Anteil metallischer Rohstoffkomponenten. Bereits jetzt werden signifikante globale Bedarfslücken bei strategisch wichtigen Metallen identifiziert. In zahlreichen Bereichen kann das Recycling den Rohstoffbedarf nicht decken und wird dies auch in Zukunft nicht können. Ein noch extremeres Bild von massiv steigenden Rohstoffbedarfen zeigt sich beim Blick auf globale Rohstoffmärkte und deren Prognosen. Die wachsende Weltbevölkerung aber auch der wachsende Konsumhunger in Folge des zunehmenden Wohlstands in vielen Entwicklungsländern sind hier ausschlaggebend. Es ist daher von zentraler Bedeutung, die Versorgung mit Primärrohstoffen zu sichern und dabei im Rohstoffsektor eine nachhaltige Wirtschaftsweise zu fördern. Einen zentralen Baustein hierfür stellt die Förderung der heimischen Rohstoffgewinnung dar. Zum einen kann sie durch die Verkürzung von Transportwegen einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Zum anderen können so Abhängigkeiten von Rohstoff-Importen reduziert und hohe Umweltstandards bei der Rohstoffgewinnung effektiv umgesetzt und transparent nachvollzogen werden.

Entgegen der weitläufigen Meinung ist Deutschland kein rohstoffarmes Land. Deutschland verfügt über große Vorkommen wichtiger Rohstoffe, die jedoch zunehmend importiert statt vor Ort gewonnen werden. Einer der wichtigen Gründe hierfür stellt die geringe Akzeptanz der Rohstoffgewinnung in der Bevölkerung dar, die sich vielerorts in einer ablehnenden Grundhaltung gegenüber dem Bergbau äußert. Diese ablehnende Haltung steht jedoch in starkem Kontrast zum steigenden Rohstoffverbrauch. Es bedarf in diesem Kontext daher dringend der Schaffung eines Rohstoffbewusstseins in der Bevölkerung, um auf der einen Seite ein verantwortungsvolles und ressourcenschonendes Konsumverhalten und damit reduzierten Rohstoffverbrauch zu bewirken und auf der anderen Seite Akzeptanz für die heimische Rohstoffgewinnung zu schaffen. Maßgeblich hierfür ist es, massive zusätzliche Aufklärungsarbeit zum Thema Rohstoffe, Rohstoffgewinnung und Rohstoffverbrauch in der breiten Bevölkerung zu leisten.

Die Steigerung des Rohstoffbewusstseins sollte durch ein breit aufgestelltes und effektives Zertifizierungsprogramm hinsichtlich der Herkunft und der nachhaltigen Gewinnung von Rohstoffen flankiert werden. Diese Zertifizierung muss ein Instrument für Unternehmen und Bevölkerung darstellen, um den konfliktfreien Ursprung sowie die Nachhaltigkeit der Lieferketten von Rohstoffen transparent zu bewerten und nachvollziehen zu können.

Insbesondere im Bereich der Massenrohstoffe wie Sand, Kies und Naturstein sollten zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, um die Akzeptanz von Ersatzbaustoffen aus dem Baustoffrecycling an Stelle von Primärrohstoffen zu fördern. Hierzu bedarf es dringend eines bundeseinheitlichen Rechtsrahmens für die Beurteilung, Verarbeitung und den Einbau von Ersatzbaustoffen, der Unternehmen und Privatpersonen Rechtssicherheit sowie einen umweltschonenden Einbau dieser Baustoffe gewährleistet.

Schutz des Grundwassers

Die vergangenen Jahre haben deutlich gezeigt, dass der fortschreitende Klimawandel durch länger werdende Dürreperioden die Verfügbarkeit von Grundwasser nachhaltig gefährdet. Auch der kritische Zustand der Fichtenwälder in Deutschland ist ein Indiz dafür, welche massiven Auswirkungen diese Entwicklungen auch hierzulande haben. Vor diesem Hintergrund ist der Schutz der Grundwasserkörper für die zukünftige Wasserversorgung ein kritischer Erfolgsfaktor der Daseinsvorsorge. Abgesehen von der daraus folgenden Notwendigkeit einer möglichst schnellen Reduktion der Treibhausgasemissionen, muss die Verunreinigung von Grundwasserkörpern durch die industrielle landwirtschaftliche Nutzung (z. B. Nitrat- oder Pestizidbelastung) massiv reduziert werden. Die notwendigen Messnetze müssen ausgeweitet und ein lückenloses Monitoring durchgeführt werden, um den Zustand der Grundwasserkörper zweifelsfrei erfassen zu können. Den zuständigen Behörden sind die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen.

Flächensparen und Bodenschutz

Böden bilden die sprichwörtliche Basis für Mensch und Umwelt. Sie sind grundlegend für die Natur und Biodiversität sowie nicht zuletzt aus menschlicher Sicht den Anbau von Nahrungsmitteln. Dennoch hat sich die Inanspruchnahme durch Siedlungs- und Verkehrsflächen in den vergangenen 60 Jahren mehr als verdoppelt. Das Ziel, den zusätzlichen Flächenverbrauch von zuletzt knapp 60 ha/Tag bis zum Jahr 2020 auf lediglich 30 ha/Tag zu reduzieren, wird verfehlt werden. Vor diesem Hintergrund bedarf es zusätzlicher Anstrengungen zum Flächensparen, um den aktuell auf hohem Niveau stagnierenden Flächenfraß zu reduzieren. Wünschenswert ist auch hierbei ein bundesweit einheitliches bzw. koordiniertes Vorgehen.

Neben der Reduktion des zusätzlichen Flächenverbrauches ist der Bodenschutz im gesamten Bundesgebiet von großer Bedeutung. Der Eintrag von Kontaminationen aus industriellen Bereichen (z. B. Mikroplastik) oder der Landwirtschaft (z. B. Nitrat, Pestizide) muss wirkungsvoll reduziert werden. Der zukünftigen Ausgestaltung der europäischen Agrarpolitik sowie deren Umsetzung in nationales Recht kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu. Darüber hinaus spielt die Sanierung von bestehenden Altlasten und Kontaminationen eine wichtige Rolle zur Regeneration wichtiger Bodenfunktionen und muss auch zukünftig mit Nachdruck betrieben werden.

Sicherung der geowissenschaftlichen Expertise

Zahlreiche wichtige Themenfelder der Nachhaltigkeitsstrategie bauen auf einer effizienten und nachhaltigen Nutzung des Systems Erde auf. Adäquate Expertise in den angewandten Geowissenschaften ist daher der Schlüssel zur professionellen Ausarbeitung industriepolitischer Strategien. Für drei zentrale Großthemen steht die geologische Expertise sowohl für die Strategieerstellung als auch für die Umsetzung an erster Stelle:

Der Hochlauf von CO2-freier Stromversorgung und Mobilität wird, wie bereits erwähnt, einen rasanten Anstieg der Nutzung von Metallen erfordern. Dazu gehören Batteriematerialien wie Lithium, Kobalt, Nickel und Graphit für Batterien, seltene Erden für Magnete in Windkraftanlagen und Elektrofahrzeugen, Kupfer für den Aufbau der Netze. Geologische Expertise muss nicht nur den Bedarf decken, sondern letzten Endes auch dafür Sorge tragen, dass diese Rohstoffe aus nachhaltigen Bezugsquellen und Wertschöpfungsketten kommen.

Wie oben bereits beschrieben, ist für die Dekarbonisierung industrieller Prozesse aus heutiger Sicht der Einstieg in eine Wasserstoffwirtschaft unerlässlich. Für den Hochlauf einer möglichen "blauen" Wasserstoffwirtschaft muss auf geowissenschaftlicher Grundlage die Aufgabe der nachhaltigen und sicheren unterirdischen Speicherung von CO2 gelöst werden.

Für die Dekarbonisierung des Wärmemarktes kann in Deutschland auf ein erhebliches Potenzial an geothermischer Energie zurückgegriffen werden. Das heimische geothermische Potenzial einer CO2-freien, kontinuierlich verfügbaren Energiequelle bleibt derzeit - von wenigen Ausnahmen abgesehen - ungenutzt. Die großmaßstäbliche Nutzung geothermischer Energie muss auf geologischer Expertise für Forschung, Entwicklung und Produktion aufbauen.

Berücksichtigung der Nachhaltigkeit in der Schulbildung

Nahezu alle aktuellen wie zukünftigen Handlungsstränge für eine nachhaltige Ausrichtung unserer Gesellschaft bzw. Wirtschaftsweise setzt eine breite Akzeptanz dieser notwendigen Priorisierung innerhalb der Gesellschaft voraus. Grundlegend für diese Akzeptanz ist ein Problembewusstsein, das wiederum ein grundlegendes Verständnis über die Zusammenhänge und Prozesse der damit verbundenen Themen voraussetzt, denn "nur was ich kenne, kann ich schützen".

Diese breite Basis an Wissen ist jedoch in weiten Teilen der Bevölkerung nicht vorhanden und wird auch aktuell nicht im Rahmen der Schulbildung vermittelt. Für eine breite Akzeptanz der notwendigen Entschlüsse und Maßnahmen bedarf es einer Verankerung dieser Themen in den schulischen Lehrplänen. Diese Themen umfassen unter anderem ein geowissenschaftliches Grundverständnis der Funktionsweise des Systems Erde, der darin ablaufenden Prozesse und ihrer planetaren Grenzen. Darüber hinaus bedarf es eines grundlegenden Verständnisses globaler Zusammenhänge hinsichtlich der Wirtschaft, Politik sowie der Gesellschaft.

Wir bieten unsere Unterstützung bei der Ausgestaltung einer nachhaltigen Zukunft an. Nachhaltigkeit ist ein Kernanliegen unserer Berufsgruppe und wir Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftler leisten schon heute zentrale Beiträge zum Erreichen dieser Ziele. Wir laden Sie herzlich dazu ein, die in unserem Verband geeinte Expertise zu nutzen.

Für Rückfragen und Ergänzungen zu den oben genannten Impulsen stehen wir jederzeit gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen und Glückauf!

Dr. Peter Merschel   |   Geschäftsführer / Executive Director

Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler e.V.