Dr. Marc-Oliver Pahl, Generalsekretär Rat für Nachhaltige Entwicklung

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Der Rat für Nachhaltige Entwicklung veröffentlicht seine Stellungnahme zur Weiterentwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Besonders positiv bewertet er die erstmalige Identifizierung sogenannter Transformationsbereiche. Die Bundesregierung erkennt damit an, dass in zentralen Politikfeldern ein Nachsteuern nicht reicht, sondern eine grundlegende Transformation einzuleiten ist. Aus Sicht des Rates müssen die Transformationsbereiche jetzt um Strategien und Fahrpläne sowie weitreichende und verbindliche Ziele ergänzt werden. Bei der weiteren strategischen Bearbeitung empfehlen wir einen besonderen Fokus auf die Off-Track-Indikatoren; bei absehbaren Zielabweichungen müssen die betroffenen Bundesministerien verpflichtet werden, konkrete und wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Der Nachhaltigkeitsrat regt an, auf Grundlage der Transformationsbereiche ein neues Set von Schlüsselindikatoren für die deutsche Nachhaltigkeitspolitik zu entwickeln. Konkrete Vorschläge für neue, besonders geeignete und ambitionierte Indikatoren liefern wir in der vorliegenden Stellungnahme.

Was die internationale Dimension der Nachhaltigkeitspolitik betrifft, entspricht die vorgelegte Dialogfassung nicht den Erwartungen des Rates und vor allem nicht den Erfordernissen, hier gibt er in seiner Stellungnahme konkrete Anregungen für neue Ziele und Indikatoren. Der Nachhaltigkeitsrat empfiehlt außerdem auch eine Kurzfassung der Strategie zu veröffentlichen, um damit das Thema in den Diskurs im Vorfeld der Bundestagswahlen und der Regierungsneubildung einzubringen.

Seine Empfehlungen gliedert der Rat in zwei Kapitel

  1. Eine ambitionierte Nachhaltigkeitsstrategie für ein resilientes Deutschland sowie
  2. Indikatoren neu denken und ambitioniert setzen

und zehn Unterkapitel

  • Kohärenz stärken
  • Nachhaltige Finanzen voranbringen
  • Umsteuern für ein nachhaltiges Wirtschaften im Sinne der SDG   
  • Nachsteuern bei absehbaren Zielverfehlungen
  • Wir brauchen ein neues Narrativ!
  • Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit starten   
  • Den Bericht an die Vereinten Nationen zügig vorbereiten
  • Nachhaltig aus der Krise
  • Den europäischen Beitrag voranbringen
  • Für einen ambitionierten deutschen Beitrag zur SDG-Umsetzung auf internationaler Ebene

Kapitel 1: Eine ambitionierte Nachhaltigkeitsstrategie für ein resilientes Deutschland
Der Nachhaltigkeitsrat begrüßt, dass die vorgelegte Dialogfassung zur Weiterentwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (DNHS) die Dekade des Handelns erneut ins Zentrum rückt und sich für eine ambitionierte Umsetzung der SDGs in, mit und durch Deutschland stark macht.
Besonders positiv bewerten wir die erstmalige Identifizierung sogenannter Transformationsbereiche in der Logik des Global Sustainable Development Reports (GSDR) von 2019. Die Bundesregierung erkennt damit an, dass in zentralen Politikfeldern ein Nachsteuern nicht reicht, sondern eine grundlegende Transformation einzuleiten ist. Dabei sollten integrierte Ansätze in den Vordergrund gestellt werden, die unterschiedliche Politikfelder mobilisieren und zu mehreren SDGs beitragen. Der internationale Peer Review zur Nachhaltigkeitsstrategie hatte dies bereits 2018 empfohlen.
Der Nachhaltigkeitsrat selbst hatte im Mai 2020 konkrete Empfehlungen zu wichtigen Transformationsthemen vorgelegt (Chancengleichheit und sozialer Zusammenhalt, Energiewende und Klimapolitik, Kreislaufwirtschaft, Agrar- und Biodiversitätswende, Geschlechtergerechtigkeit, Gesundheit, Sustainable Finance und Unternehmensberichterstattung, nachhaltige Beschaffung, Bildungs- und Forschungspolitik) .  Wir empfehlen, die Transformationsbereiche zu Schwerpunkten deutscher Nachhaltigkeitspolitik zu machen.
Aus Sicht des Rates sind dafür die Herausforderungen in den Transformationsbereichen noch deutlicher auszuarbeiten und die Wechselwirkungen stärker ins Blickfeld zu nehmen. Es muss deutlich werden, dass die planetaren Grenzen in wesentlichen Bereichen (Biodiversität, Klima) bereits überschritten sind und dies eine substanzielle und absolute Reduktion unseres Ressourcen-, Energie- und Flächenverbrauchs erforderlich macht. Dabei sind internationale Zusammenhänge sowie ambitionierte und trotzdem angemessene Zeithorizonte zu berücksichtigen.
Die Transformationsbereiche müssen zudem um Strategien und Fahrpläne ergänzt werden und sich auch in den Ausführungen des Kapitels C widerspiegeln. Notwendig erscheint es auch, in den Transformationsbereichen weitreichende und verbindliche Ziele festzulegen und entsprechende Indikatoren und wirkungsvolle Maßnahmen auf den Weg zu bringen, etwa im Ressourcen-, Mobilitäts-, Gebäude- und Ernährungsbereich (vgl. zu Letzterem die Empfehlungen des RNE vom Mai 2020). Hier greift die Dialogfassung zu kurz. Der Nachhaltigkeitsrat regt an, auf Grundlage der Transformationsbereiche ein neues Set von Schlüsselindikatoren für die deutsche Nachhaltigkeitspolitik zu entwickeln.  

Was die internationale Dimension der Nachhaltigkeitspolitik betrifft, entspricht die vorgelegte Dialogfassung nicht den Erwartungen des Rates und vor allem nicht den Erfordernissen. Unsere Lebens- und Wirtschaftsweise hat erhebliche internationale Rückwirkungen, auch auf die Länder des globalen Südens. Nachhaltigkeitspolitik erfordert, dass die SDGs zur Richtschnur in den multi- und bilateralen Beziehungen Deutschlands und der EU insgesamt werden, also auch mit den USA, China und Russland. Dafür muss sich die internationale Dimension auch angemessen in den Nachhaltigkeitszielen und ihren Indikatoren widerspiegeln, sowohl in der DNHS als auch in den Fachstrategien. Das gilt z.B. auch für die im Oktober 2020 beschlossene „Strategie zur globalen Gesundheit“, in der leider bisher keine Indikatoren festgelegt sind. Ohne Indikatoren ist auch kein effektives Monitoring möglich.
Die aktuelle Corona-Pandemie trifft viele Entwicklungsländer wirtschaftlich hart, soziale Probleme verstärken sich. Die meisten Länder mit niedrigen Einkommen, aber auch viele Mitteleinkommensländer verfügen nicht über die notwendigen Ressourcen für Konjunkturprogramme. Deutschland und die EU müssen daher diese Länder so unterstützen, dass sie die sozialen und ökonomischen Folgen der Pandemie bewältigen und gleichzeitig Transformationsschritte gehen können, weil sonst die Erreichung der SDGs akut gefährdet ist.
Der Nachhaltigkeitsrat empfiehlt, auch eine Kurzfassung der Strategie zu veröffentlichen, um damit das Thema in den Diskurs im Vorfeld der Bundestagswahlen und der Regierungsneubildung einzubringen. Die vorgelegte DNHS ist mit einem Umfang von mehr als 300 Seiten dazu nicht geeignet.

Der Nachhaltigkeitsrat plant, im ersten Halbjahr 2021 erneut Vorschläge vorzulegen, die das Leitprinzip der Nachhaltigkeit stärker als bisher in der nächsten Legislaturperiode in das Zentrum des Regierungshandelns rücken. Dazu gehört auch die Aufnahme der Nachhaltigkeit als Staatszielbestimmung ins Grundgesetz. Ebenfalls widmen werden wir uns dem Thema der Berichterstattung / Rechenschaftslegung, zu dem der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung bereits konkrete Änderungsvorschläge in die Diskussion eingebracht hat.  

Zentrale aktuelle Nachhaltigkeitsthemen wie die Lieferkettengesetzgebung und/oder der Ausbau einer Wasserstoffwirtschaft als zweiter Pfeiler der Energiewende kommen in der Dialogfassung der DNHS nur am Rande vor, sind aber zentrale Bausteine für eine nachhaltige Entwicklung – global, europäisch und national. Wir verweisen an dieser Stelle auf die entsprechenden Stellungnahmen des Rates aus 2020 .  

Kohärenz stärken

Die Dialogfassung greift die Forderung des RNE und anderer relevanter Akteure nach einer stärkeren Kohärenz als wichtiger Herausforderung der deutschen Nachhaltigkeitspolitik auf. Es wird jedoch noch nicht klar, wie diese Kohärenz in Zukunft besser gewährleistet werden kann und wie bei Zielkonflikten verfahren werden sollte.
a) Der RNE empfiehlt, die Koordinierungsfunktion des Bundeskanzleramtes in Nachhaltigkeitsfragen weiter zu stärken. Wichtig ist die Einführung einer systematischen Erfolgskontrolle und ein standardisierter Follow-Up-Prozess bei absehbaren Zielverfehlungen.
Zudem sollte die Vorbildfunktion der öffentlichen Verwaltung dadurch gestärkt werden, dass die Zielsetzungen einer nachhaltigen und klimaneutralen Verwaltung auf die gesamte Bundesverwaltung ausgedehnt werden. Die nachhaltige Beschaffung muss durch strikte Vorgaben für alle Ministerien und Bundesbehörden durchgesetzt werden. Die Nachhaltigkeitsprüfung im Gesetzgebungsverfahren muss im Sinne einer materiellen Prüfung der Wirkungen effektiver werden.
b) Zur Stärkung der vertikalen Politikkohärenz ist auch ein verbessertes Zusammenwirken von Bund und Ländern notwendig. Die gemeinsame Erklärung der Regierungschefinnen und -chefs von Bund und Ländern aus dem Juni 2019, ihr Handeln an den Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung der DNHS auszurichten, ist aus Sicht des Nachhaltigkeitsrates zu begrüßen. Dabei sollten die Verantwortung und Zuständigkeiten sowie Beiträge und Potenziale der Länder in der DNHS deutlich benannt werden. Das gilt etwa für die Bereiche Klimaschutz, Flächenverbrauch, Bildung, Biodiversität und Gesundheit.
c) Zentral bei der Umsetzung der SDGs ist aus Sicht des Nachhaltigkeitsrates auch die Rolle der Kommunen, z.B. in den Themenfeldern Mobilität, Klimaanpassung, Integration von Zugewanderten und sozialer Zusammenhalt. Die Dialogfassung spiegelt dies nicht ausreichend wider. So ist aus Sicht des Nachhaltigkeitsrates die Förderung von strategischen Nachhaltigkeitsaktivitäten der Kommunen so zu verstetigen, dass die Kommunen systematisch im gesamten Politikzyklus, beginnend bei der Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien über deren Umsetzung bis hin zur Berichterstattung und Weiterentwicklung, unterstützt werden. Weitergehende Empfehlungen zur kommunalen Nachhaltigkeit wird der RNE zur Sitzung des Staatssekretärsausschusses für nachhaltige Entwicklung im Dezember 2020 vorlegen.

Nachhaltige Finanzen voranbringen

Der Rat begrüßt, dass eine nachhaltige Finanz- und Haushaltspolitik erstmals ausdrücklich als strategischer Hebel für eine nachhaltige Entwicklung dargestellt wird. Hier gibt es aber noch große Handlungspotenziale, z.B. indem Schwerpunkte für Investitionen zur Optimierung einer Infrastruktur für nachhaltige Transformation gesetzt werden. Wir schlagen vor, eine systematische Verknüpfung der Nachhaltigkeitsziele mit dem Bundeshaushalt zügig umzusetzen und dazu erste Modellprojekte durchzuführen. Nachhaltigkeit muss zum wichtigen Kriterium für Entscheidungen der Bundesregierung und des Bundestages zum Bundeshaushalt werden. Einige Kommunen gehen hierbei schon mit positivem Beispiel voran.
Der RNE begrüßt die vorliegende Bundesratsinitiative, Nachhaltigkeitsaspekte in § 6 Haushaltsgrundsätzegesetz und damit in die allgemeinen Haushaltsregeln, an denen sich auch die Prüfungen der Rechnungshöfe orientieren, zu integrieren. Darüber hinaus ist der RNE der Meinung, dass Nachhaltigkeitsaspekte auch in die allgemeinen Förderbestimmungen der Haushaltsordnungen des Bundes und der Länder aufgenommen werden sollten (§ 23, 44 BHO/LHO). So kann sichergestellt werden, dass die staatlichen Fördermittel der Erreichung der Nachhaltigkeitsziele dienen.
Essenziell ist aus Sicht des RNE zudem die Überprüfung aller Subventionen auf ihre Nachhaltigkeitswirkung und die Abschaffung aller nachhaltigkeitsschädlichen Subventionen einschließlich steuerlicher Sonderbehandlungen – national wie international. Dazu hat das Umweltbundesamt bereits konkrete Vorschläge ausgearbeitet, die die Bundesregierung prüfen und das Ergebnis in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie verankern sollte.

Der Strategieentwurf enthält leider keine Vorschläge dazu, wie die anstehenden Transformationsmaßnahmen in Deutschland, aber auch eine deutsche Unterstützung von Transformationsprozessen in den Ländern des globalen Südens finanziert werden können. Der Nachhaltigkeitsrat hält es für erforderlich, wie auf EU-Ebene über neue Einnahmequellen z.B. eine Ausweitung des Emissionshandels und der Finanztransaktionssteuer sowie eine Digitalsteuer nachzudenken.
Wir empfehlen der Bundesregierung, Maßnahmen zu ergreifen, die jeder illegalen Steuervermeidung von Privatpersonen wie von Unternehmen Einhalt gebieten. Dies ist in Entwicklungsländern besonders wichtig, um dort die Eigenmittel für Investitionen in die SDGs zu erhöhen. Außerdem sollte die Bundesregierung die Initiative für einen Schuldenerlass der ärmsten Entwicklungsländer ergreifen. Die öffentlichen Haushalte in Entwicklungsländern sind nicht erst mit der Coronakrise unter Druck geraten. Die öffentliche Verschuldung Subsahara-Afrikas betrug in 2019 bereits 50 % des Bruttoinlandsproduktes. Für 2020 erwartet der IWF eine Steigerung auf knapp 65 %. Ein Schuldenerlass wird für viele Länder unerlässlich sein, um mit dem nachhaltigen Umbau ihrer Volkswirtschaften voranzukommen und damit der Abstand zu den Industrie- und Schwellenländern nicht weiter zunimmt.

Umsteuern für ein nachhaltiges Wirtschaften im Sinne der SDG

Der Strategieentwurf betont zwar an vielen Stellen die Bedeutung verstärkter Aktivitäten der Unternehmen für erfolgreiche nachhaltige Transformationsprozesse. Er stellt aber nur punktuell dar, wie die Rahmenbedingungen so verändert werden können, dass sich ein solch verstärktes Transformationsengagement für die Unternehmen lohnt. Aus Sicht des Rates müssen die Rahmenbedingungen und die Anreize für Unternehmen, insbesondere den Finanzsektor, auf eine Art und Weise angepasst werden, die die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle sowie die Erschließung neuer Märkte im In- und Ausland begünstigt und so zur Schaffung neuer Arbeitsplätze beiträgt.

In seiner Stellungnahme vom Mai 2020 hat sich der RNE z.B. für eine Ausweitung einer integrierten Bilanzierung und Berichterstattung von Unternehmen unter Einbezug von sozialen und Umweltkriterien (E-GAAP) eingesetzt. Diese würde helfen, erhebliche Finanzmittel für neue Formen des nachhaltigen Wirtschaftens aus dem Privatsektor zu mobilisieren und damit nachhaltige Transformationen nicht nur finanztechnisch zu sichern, sondern auch zu beschleunigen. Auch die Berücksichtigung von sozialen und ökologischen Sorgfaltspflichten in internationalen Lieferketten hat ein erhebliches Transformationspotenzial .  Bei der Neubestimmung von Rahmenbedingungen ist darauf zu achten, dass Zeiträume für die notwendige technologische Transformation und die Umstellung auf nachhaltige Geschäftsmodelle berücksichtigt werden.

Aus Sicht des Rates muss auch die Handelspolitik der EU nachhaltige Entwicklung fördern. Die Bundesregierung sollte dahingehend auf die EU einwirken, dass künftig alle ihre Handelsverträge sanktionsbewehrte Menschenrechts- und Nachhaltigkeitskapitel enthalten und es vor Abschluss der Verträge sorgfältige Folgeabschätzungen zu möglichen Auswirkungen auf die Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele gibt. Ein entsprechendes Bekenntnis der Bundesregierung sollte in der DNHS verankert werden.

Nachsteuern bei absehbaren Zielverfehlungen

Der Nachhaltigkeitsrat begrüßt, dass sich die Dialogfassung mit den sogenannten Off-Track-Indikatoren beschäftigt, bekräftigt aber gleichzeitig seine Forderungen, bei absehbaren Zielverfehlungen unmittelbar und zielgerichtet nachzusteuern. Ein „aufmerksames Beobachten“ der Bundesregierung, wie in der Dialogfassung angekündigt, reicht bei Weitem nicht aus.
Bei der weiteren strategischen Bearbeitung der Transformationsbereiche muss den Off-Track-Indikatoren größte Aufmerksamkeit gelten. Für ein effektives Nachhaltigkeitsmanagement und eine sachgerechte Erfolgskontrolle fehlt bislang insbesondere die Verbindung zwischen den Maßnahmen der Ressorts und einer daraus resultierenden Veränderung der Indikatoren.  Zu einer zielgerichteten Steuerung gehören eine angemessene Erfolgskontrolle und Konsequenzen bei dem Verfehlen von Zielen.

Bei absehbaren Zielabweichungen müssen die betroffenen Bundesministerien verpflichtet werden, konkrete und wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Der Bundesrechnungshof hat die Bundesregierung bereits ermahnt, ein effektives System zur Erreichung der selbst gesetzten Ziele einzuführen .  Der Nachhaltigkeitsrat unterstützt dies ausdrücklich.

Wir brauchen ein neues Narrativ!

Das in der Dialogfassung auf S. 12 angeführte „Zielbild“ eines nachhaltigen Deutschlands ist aus Sicht des RNE nicht geeignet, mehr Menschen und die gesamte Gesellschaft für ein gemeinsames Zukunftsprojekt zu gewinnen. Nötig dafür ist eine positive und konkrete Zukunftsvision, eine Erzählung, die begeistert und zum Mitmachen anregt und die an den Anfang der Strategie gestellt werden sollte. Der internationale Peer Review hat 2018 eine verbesserte Kommunikation der Nachhaltigkeitsstrategie angeraten. Der gestiegene Etat des Bundespresseamtes hierfür ist daher positiv zu bewerten. Aber auch die anderen Bundesministerien sollten ihre Kommunikationsaktivitäten zu Nachhaltigkeitsthemen verstärken. Ziel sollte es sein, positive Lösungsoptionen für die häufig schwierigen Transformationsprozesse aufzuzeigen und dabei auch unterschiedliche Ausgangslagen und daraus entstehende Zielkonflikte offenzulegen. Zudem sollten die verschiedenen Initiativen und Kampagnen – auch in Abstimmung mit den Ländern und der Zivilgesellschaft – stärker verzahnt werden.

Insgesamt zeigte sich während der Corona-Pandemie, dass Kommunikation in Krisenzeiten besonders erfolgreich ist, wenn sie zur Chef*innen-Sache wird. Auch von den Bürger*innen als unangenehm/einschränkend empfundene Maßnahmen haben dann eine breite gesellschaftliche Akzeptanz erfahren, wenn deren Notwendigkeit von der Bundeskanzlerin persönlich dargelegt wurde. Der Nachhaltigkeitsrat empfiehlt der Bundesregierung, sich ebenso transparent und deutlich zu der Klimakrise und der Biodiversitätskrise zu positionieren.
Das in der DNHS dargestellte „Zieldreieck der Nachhaltigkeit“ mit den drei Dimensionen Soziales, Wirtschaft, Umwelt bildet den Transformationsbedarf nicht vollständig ab und ist aus Sicht des Nachhaltigkeitsrates fortschreibungsbedürftig. So wird an anderer Stelle in der Strategie richtigerweise auf die Bedeutung der Kultur und der Bildung verwiesen, hier fehlen diese Dimensionen jedoch. Die Darstellung der planetaren Grenzen als übergreifendes Ziel und Maßstab allen Handelns, nämlich die natürlichen Lebensgrundlagen in globaler Perspektive zu erhalten und ein Leben in Würde für alle zu ermöglichen, sollte in jedem Fall beibehalten werden (vgl. Nachhaltigkeitsprinzip 1).


Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit starten

Der Nachhaltigkeitsrat begrüßt die Bedeutung, die die DNHS den Akteuren der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft sowie den Bürgerinnen und Bürgern für die Umsetzung der SDGs zumisst. Die gemeinsame Erklärung der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder von Juni 2019 zu einer gemeinsamen Politik zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele ist ein wichtiger Schritt vorwärts. Leider ist das in der Erklärung skizzierte „Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit“ in der Dialogfassung noch nicht konkretisiert. Der Nachhaltigkeitsrat ist gerne bereit, sich in die Konzeption und Umsetzung des Gemeinschaftswerks einzubringen. Dazu erscheint es aber notwendig, dass die Bundesregierung die politischen und finanziellen Voraussetzungen schafft und bereits existierende Instrumente zur Einbindung und Stärkung gesellschaftlicher Akteure wie die Regionalen Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien (RENN) und den Fonds Nachhaltigkeitskultur des RNE über das Jahr 2021 hinaus sichert.  

Den Bericht an die Vereinten Nationen zügig vorbereiten

Auf internationaler Ebene ist die Absicht der Bundesregierung, dem für Juli 2021 geplanten offiziellen Voluntary National Review (VNR) Deutschlands vor den Vereinten Nationen einen Bericht der Zivilgesellschaft zur Seite zu stellen, grundsätzlich positiv zu würdigen. Der Nachhaltigkeitsrat spricht sich bei der Umsetzung eines solchen Berichts für eine Übernahme des finnischen Ansatzes aus: Eine zivilgesellschaftliche Koordinierungsgruppe sollte ihren „Schattenbericht“ im Austausch mit dem Regierungsteam für den Staatenbericht erstellen, so dass eine gegenüberstellende Darstellung der Regierungsseite und der Zivilgesellschaft möglich ist. Angesichts der knappen Zeit bis Juli 2021 ist der Weg zu einem zivilgesellschaftlichen Bericht schnellstmöglich zu konkretisieren und zwischen den Bundesministerien und den relevanten zivilgesellschaftlichen Stakeholdern abzustimmen. Es müssen auch die notwendigen Ressourcen für einen solchen Beteiligungsprozess zur Verfügung gestellt werden.

Nachhaltig aus der Krise

Die Dialogfassung steht im Zeichen der Corona-Pandemie und den dadurch sichtbar gewordenen Herausforderungen. Die Empfehlung des Rates, angesichts der durch die Pandemie ausgelösten großen Veränderungen die Chancengleichheit und den sozialen Zusammenhalt zu fördern, findet in der vorliegenden Dialogfassung aber nicht ausreichend Widerhall. Obschon „menschliches Wohlbefinden und Fähigkeiten, soziale Gerechtigkeit“ als einer der Transformationsbereiche benannt wird, fehlen Vorschläge für konkrete Maßnahmen und/oder Aktionspläne.

Das gilt auch und gerade für das Thema Bildung. So wird der Anspruch der grundgesetzlich garantierten gleichen Lebenschancen wie das Prinzip des „Leave no one behind“ der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zwar erneut als eine der großen Herausforderungen benannt, strategische Weichenstellungen in diese Richtung sind aber nicht erkennbar. Angesichts der Einschränkungen in Kitas und Schulen, sowie außerschulischen Bildungseinrichtungen in der Corona-Zeit erscheint es noch dringender als zuvor, Maßnahmen zu ergreifen, damit alle Kinder eine gute Bildung erhalten können. Die Überwindung der im internationalen Vergleich in Deutschland sehr hohen Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft muss eine der Prioritäten der Bildungspolitik werden.

Mit dem Thema Bildung verknüpft ist auch der Umgang mit dem Thema Migration. Knapp fünf Jahre nach den großen Fluchtbewegungen ist es an der Zeit zu prüfen, ob und wie die in der Aktualisierung der DNHS 2016 angekündigten Maßnahmen zu einer verbesserten Integration der Zugewanderten in das Bildungssystem, den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft umgesetzt wurden. Die aktuelle Dialogfassung gibt darüber nicht ausreichend Auskunft, obwohl Daten inzwischen vorliegen müssten.

Bildung, sozialer Zusammenhalt und Migration sind nur einige Bereiche, in denen durch die Krise auch in Deutschland strukturelle Schwächen zutage getreten sind, deren Bewältigung eine Herkulesaufgabe für Politik und Gesellschaft darstellt. Dafür notwendig sind auch erhebliche zusätzliche Finanzmittel, die - im Sinne der Generationengerechtigkeit - nicht allein den jüngeren Menschen aufgebürdet werden dürfen. Der Rat empfiehlt der Bundesregierung, konkrete und realistische Pläne vorzustellen, wie die neuen Schulden in einem angemessenen Zeitraum zurückgezahlt werden sollen.
Das Vorsorgeprinzip wie auch weitere Ansätze einer präventiven Politik, die aus der Erfahrung der Corona-Pandemie für die Zukunft noch bedeutsamer werden können, sind in der Strategie nicht systematisch verankert. Auch aus einer präventiven Politik können Innovationen für eine zukünftig resilientere Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur entwickelt werden, zum Beispiel für die öffentliche Infrastruktur oder für nationale und internationale Lieferketten.  

Den europäischen Beitrag voranbringen

Der Nachhaltigkeitsrat begrüßt, dass die Konjunktur- und Krisenbewältigungspakete im Jahr 2020 Investitionen in Zukunftsthemen vorgesehen haben und diese Programme folgerichtig auch in der Dialogfassung der DNHS aufgeführt werden.

Positiv ist zudem, dass die DNHS deutlich macht, dass die europäische Zusammenarbeit unverzichtbarer denn je ist. Dabei steht der sogenannte European Green Deal im Mittelpunkt. Der Nachhaltigkeitsrat empfiehlt der Bundesregierung, sich für eine starke Verknüpfung des Mehrjährigen Finanzrahmens der EU und des europäischen Wiederaufbauplans (Next Generation EU) mit dem Green Deal und den SDGs einzusetzen .  
Richtigerweise wird auch betont, dass sich zahlreiche weitere europäische Politikvorhaben der Kommission, wie die vorgeschlagene neue Art der Zusammenarbeit mit Afrika, auf die Agenda 2030 beziehen. Ein strategischer Gesamtrahmen der EU zur konsequenten Umsetzung der Agenda im nächsten Jahrzehnt fehlt jedoch weiterhin .  

Für einen ambitionierten deutschen Beitrag zur SDG-Umsetzung auf internationaler Ebene

Der Nachhaltigkeitsrat begrüßt, dass die DNHS die Notwendigkeit einer verstärkten und verbesserten internationalen Zusammenarbeit – auch im Rahmen von multilateralen Organisationen – hervorhebt. Eine Übersetzung, was der Fokus auf Multilateralismus konkret bedeutet, wird jedoch nicht geboten. Hingegen wird die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit dem Globalen Süden dargestellt, mit der Deutschland die Partnerländer bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele unterstützt. Aus Sicht des Rates erfordert die Umsetzung der Agenda 2030 eine universelle Zusammenarbeit zwischen allen Staaten und nicht nur im Rahmen der Nord-Süd-Zusammenarbeit. Ähnlich wie der PBnE argumentiert der Rat daher, dass das europäische und multilaterale Handeln der Bundesregierung stets der Umsetzung der SDGs dienen muss. Darüber hinaus sollte die Bundesregierung internationale Kooperationsinitiativen auf Augenhöhe als Bestandteil der Umsetzungsplanung für die einzelnen Transformationsbereiche entwickeln.
Die DNHS bewertet das High Level Political Forum (HLPF) der UN als verbesserungs-würdig, insbesondere mit Blick auf die Vergleichbarkeit und Qualität der freiwilligen Staatenberichte, den fehlenden Raum für Diskussionen, die Beteiligung nicht staatlicher Akteure sowie die Vor- und Nachbereitung des HLPF bzw. dessen Verknüpfung mit anderen Foren und Gremien der Vereinten Nationen, die sich zu spezifischen SDG-relevanten Themen austauschen. Der Rat erwartet, dass sich die Bundesregierung mit seinen Impulsen zur Reform des HLPF vom Mai 2020 auseinandersetzt, insbesondere zur bilanzorientierten Arbeit des HLPF im Sinne eines „measuring-the-distance-to-the-target“-Ansatzes und der Notwendigkeit, auch die Berichterstattung im HLPF stärker an Transformationsbereichen auszurichten, um weltweit systemische Perspektiven zu stärken.
Der Rat für Nachhaltige Entwicklung hatte im Juli und September 2020 darüber hinaus auch konkrete Empfehlungen an die Bundesregierung für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft vorgestellt. Einzelne Forderungen wie die nach einem Wiederaufbauprogramm mit einer klaren Nachhaltigkeitsorientierung, wurden in den nun gefassten Beschlüssen aufgegriffen, sind aber noch nicht abschließend gesichert. Bei anderen Forderungen besteht aus Sicht des Rates noch Handlungsbedarf (z.B. zur Stärkung der Mittel für internationale Zusammenarbeit im Kontext des Mehrjährigen Finanzrahmens ).     
Die Empfehlungen des Rates zur globalen Gesundheitspolitik, zum internationalen Klimaschutz, zur Geschlechtergerechtigkeit und zur Bekämpfung illegaler Finanzströme aus der Mai-Stellungnahme des Rates haben in der Dialogfassung keinen Widerhall gefunden und bedürfen der Berücksichtigung in der weiteren Überarbeitungsphase.

Kapitel 2: Indikatoren neu denken und ambitioniert setzen

Die Aufnahme von nur drei neuen Indikatoren und die Anpassung/Überarbeitung von nur drei weiteren Indikatoren reicht nicht aus, um einen ambitionierten deutschen Beitrag zur Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele und des Pariser Klimaabkommens zu leisten. Wenn die Bundesregierung es mit den neu eingeführten Transformationsbereichen ernst meint, muss sich dies auch in einer Überarbeitung/Erweiterung des Ziel- und Indikatorensystems widerspiegeln.
In seinen Empfehlungen vom Mai 2020 hat sich der Rat für eine Überarbeitung/Anpassung bestehender und die Aufnahme neuer Indikatoren als Steuerungsinstrumente ausgesprochen, um im bisherigen Zielsystem nicht abgedeckte Themenbereiche besser zu berücksichtigen und die internationale Dimension im Ziel- und Indikatorensystem besser abzubilden. Diese Empfehlungen wurden von der Bundesregierung nicht aufgegriffen .  

An dieser Stelle sollen exemplarisch vor allem folgende Ergänzungsvorschläge herausgehoben werden:

SDG 1: Armut in jeder Form und überall beenden

  • Wir regen die Aufnahme eines internationalen Indikators an, der den deutschen Beitrag zum Auf- und Ausbau von sozialen Sicherungssystemen in Entwicklungsländern abbildet. Die dramatischen wirtschaftlichen und sozialen Wirkungen der Corona-Pandemie haben gezeigt, dass das vollständige oder teilweise Fehlen sozialer Sicherungssysteme in einem Großteil der Länder des globalen Südens in Situationen externer Schocks, deren Zahl ja bekanntlich zunimmt (sei es durch Weltwirtschafts-/Finanzkrisen, Pandemien oder dramatische Wetterextreme infolge des Klimawandels), Millionen von Menschen in dramatische Armut (zurück)stößt, was wiederum Konflikte und Migrationsbereitschaft etc. verschärfen kann. Der Auf- und Ausbau sozialer Sicherheitssysteme ist darum von größter Bedeutung. Der Indikator könnte in den Partnerländern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit den Anteil der Bevölkerung ermitteln, der gegen die größten Lebensrisiken zumindest so abgesichert ist, dass er durch externe Schocks nicht mehr existenziell bedroht wird.

SDG 3: Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern

  • Wir regen die Aufnahme eines Ziels und eines Indikators an, der den deutschen Beitrag zur globalen Gesundheitsarchitektur und zu nationalen Gesundheitssystemen in den Ländern des globalen Südens abbildet.

Zu SDG 8: Dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern

  • Der Rat erachtet die Ressourcenschonung für einen Schlüsselbereich im Hinblick auf ein Wirtschaften innerhalb der planetaren Grenzen und das Wohlergehen aller Menschen in Nord und Süd. Primäre Rohstoffe sind begrenzt und ihr Abbau ist oft mit erheblichen sozialen und ökologischen Auswirkungen verbunden. Es ist daher ein Ziel der deutschen Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik, Rohstoffe möglichst effizient zu nutzen. Auf der Basis der Entwicklung zwischen 2000 und 2010 strebt die Bundesregierung eine jährliche Steigerung der Rohstoffproduktivität von mindestens 1,5 % an. „Gesamtrohstoffproduktivität“ ist aber als alleiniger Indikator nicht ausreichend. Vielmehr muss ergänzend der Primärrohstoffverbrauch pro Kopf (RMC/Kopf) ermittelt und mit einem anspruchsvollen quantifizierten Ziel für eine absolute Reduktion unterlegt werden.
  • Der Rat spricht sich dafür aus, einen Indikator für die Messung einer nachhaltigen Wirtschaftsleistung (in Ergänzung zum BIP) einzuführen. Der Indikator „BIP pro Kopf“ korrespondiert nicht mit dem selbst gesetzten Postulat der Bundesregierung „Die Wirtschaftsleistung umwelt- und sozialverträglich steigern“. Die Forschung hat mit dem Wohlfahrtsindex bereits vor einigen Jahren eine mögliche Ergänzung geschaffen, deren Integration in die DNHS geprüft werden sollte. In den Index fließen beispielsweise auch die Einkommensverteilung, der Wert von häuslicher und ehrenamtlicher Arbeit, der Verlust landwirtschaftlicher Flächen und die Ausbeutung fossiler Energieressourcen ein.

SDG 10: Ungleichheit innerhalb von und zwischen Staaten verringen

  • Der RNE schlägt vor, einen Indikator zu entwickeln, der das Engagement der Bundesregierung misst, Partnerländern beim Aufbau und der Stärkung von effektiven, solidarischen Steuersystemen zu unterstützen. Dies würde den Partnerländern dabei helfen, gegen die Steuervermeidung und illegale Finanzströme vorzugehen.
  • Der Nachhaltigkeitsrat setzt sich nachdrücklich für die Ausweitung von Indikatoren im Bereich sozialer Zusammenhalt ein. Ein aussagekräftiger Indikator zu relativer Einkommensarmut sowie die Aufnahme von Indikatoren im Bereich Migration und Integration, die bereits teilweise in die Nachhaltigkeitsstrategien der Länder einfließen, wären eine sinnvolle Ergänzung.

SDG 12: Für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sorgen

  • Der Rat für Nachhaltige Entwicklung regt die Prüfung zusätzlicher Indikatoren für die Unternehmensberichterstattung an (bspw. die Zahl der Unternehmen, die zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex oder zum NAP Wirtschaft und Menschenrechte berichten oder nach dem Umweltmanagementsystem ISO 14001 zertifiziert sind). Der bisherige EMAS-Indikator erweckt den Eindruck, als ob nur eine sehr kleine Minderheit der deutschen Unternehmen sich dem Thema nachhaltiges Wirtschaften verschrieben hat. Dies entspricht glücklicherweise nicht der Realität in der Unternehmenswelt. Es gibt unter den Unternehmen jenseits der EMAS-zertifizierten Betriebe zahlreiche Pioniere der Nachhaltigkeit und des Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutzes. Wünschenswert wäre auch ein Ziel und ein Indikator zum Thema Kreislaufwirtschaft, z.B. zur Recycling-Quote. Ebenfalls regen wir einen Indikator an, der die Zahl der Unternehmen erfasst, die sich konkrete CO2-Reduktionsziele (Scope 1/2/3) geben und darüber berichten, um Transparenz und Vergleichbarkeit herzustellen.
  • Als Ergänzung zum derzeitigen produktionsbasierten Ressourcennutzungsindikator der Nachhaltigkeitsstrategie sollte der nationale und internationale Fußabdruck des deutschen Konsums berechnet werden .
  • Die öffentliche Beschaffung kann ein wichtiger Verstärker für nachhaltigen Konsum sein, den Markt verändern und Innovationen fördern. Entsprechend fordern wir die Bundesregierung zu entschiedenerem Handeln im eigenen Verantwortungsbereich und zur Wahrnehmung ihrer Vorbildfunktion auf.  Ambitionierte Ziele (das nicht quantifizierte Ziel „signifikante Senkung“ sollte ersetzt werden durch CO2-freie Fuhrparks aller Bundesbehörden 2030) sind dafür ebenso nötig wie passende Indikatoren für unterschiedliche Produktgruppen (z.B. Neuaufnahme des Anteils der Textilien mit dem Siegel „Grüner Knopf“). Der Monitoringbericht des Maßnahmenprogramms zeigt darüber hinaus deutlich, dass die Steuerung zu schwach ist. Wir empfehlen - neben einer transparenten, differenzierten Berichterstattung - auch Konsequenzen bei einer Zielverfehlung vorzusehen. Wir halten außerdem fest, an unserer Empfehlung von Mai 2020 zu prüfen, ob bereits bestehende Portale der Bundesregierung wie „siegelklarheit.de“ zu einer staatlichen Kontroll- und Überprüfungsinstanz für Zertifizierungssysteme ausgebaut werden können („Siegel-TÜV“), um im „Siegel-Dschungel“ Spreu vom Weizen zu trennen.

Die nicht erfolgte Umsetzung von vier der sechs in 2016 eingeführten Prüfindikatoren wird vom Nachhaltigkeitsrat kritisch gesehen. Die Ausweitung des Prüfungszeitraums des Indikators zu Lebensmittelabfällen und -verlusten bis 2024 spiegelt nicht die Dringlichkeit von Fortschritten in diesem Bereich wider. Der Nachhaltigkeitsrat fordert die Bundesregierung auf, konkrete Schritte und einen transparenten Zeitrahmen für den Indikator zur Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), der ganzheitlich gedacht und auch den non-formalen Bildungsbereich einbeziehen muss, in der Überarbeitung darzulegen. Gleiches gilt auch für den Indikator zur Erhaltung der Bodenqualität. Ebenso gibt es noch immer keinen Indikator für das Erfassen der Nachhaltigkeitswirkung von Forschungsinvestitionen.
Der Nachhaltigkeitsrat begrüßt die Einführung des neuen Teil-Indikators „Frauen in Führungspositionen im öffentlichen Dienst“, der einen Beitrag zu mehr Geschlechtergerechtigkeit auch in der öffentlichen Verwaltung leisten kann. Das dem Indikator zugrundeliegende Ziel sollte aus Sicht des Rates schnellstmöglich festgelegt werden und ambitioniert ausfallen. Dringend erforderlich sind sowohl ein konkretes und ehrgeiziges Ziel und Maßnahmen zur Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft.
Den neu in die Strategie aufgenommenen Indikator „Väterbeteiligung bei Elterngeld“ sieht der Rat als nicht ausreichend, um die Geschlechtergerechtigkeit tatsächlich voranzubringen, da er keine Aussage zur partnerschaftlichen Verteilung der Familienarbeit zulässt. Dass nicht auf wichtige Faktoren wie Bezugsdauer oder das Verhältnis zur Bezugsdauer von Müttern eingegangen wird, schwächt die Aussagekraft des Indikators zusätzlich.