Anne Becher für Fossil Free Berlin

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Kommentar von ‘Fossil Free Berlin’ zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie

Anlagestrategie des Bundes im Sinne der SDGs (Stand: 31.10.2020)

Wie im Entwurf für die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie eindrücklich dargelegt, ist die “Lenkung von Finanzströmen in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung” (...) ein zentraler Hebel für die dort beschriebenen Transformationsbereiche (Kapitel A 3. bb) ). Dies trifft auch und in besonderem Maße für den Bund als Akteur zu (Kapitel IV b). Entsprechend gehen wir als Initiative von Bürger*innen und Finanzexperten in dieser Stellungnahme besonders auf den Bund als Anleger ein.
 
Der Bund übernimmt mit der im Entwurf beschriebenen Strategie nicht im ausreichenden Maße Verantwortung in diesem Bereich. Derzeit verwaltet der Bund vier Sondervermögen (Versorgungsrücklagen für die Pensionen von Bundesbeamten sowie die Pflegeversicherung*) in Höhe von 38,9 Mrd. Euro (38.889.367.945 Euro), von welchen 8 Mrd. Euro (7.998.267.457 Euro) in 46 Aktien des Euro Stoxx 50 angelegt sind, hierunter fünf Unternehmen mit einem Anteil von rund 13% (1.039.774.769 Euro), die besonders emissions-intensive Fracking- und Erdölgeschäfte betreiben und damit den Zielen des Pariser Klimaabkommens und den wissenschaftlich dokumentierten Temperatur-Grenzwerten für ein stabiles Klima entgegenwirken. Die von ‘Fossil Free Berlin’ in Auftrag gegebene und in der FAZ, Spiegel und anderen Medien kommentierte Studie “Fiebrige Finanzen” aus dem September 2020 zeigt deutlich, dass die derzeitige fossil-haltige Anlagestrategie des Bundes weder mit den Pariser Zielen vereinbar noch wirtschaftlich sinnvoll ist.

Auch die geplante neue Anlagestrategie des Anlageausschusses ist widersprüchlich und nicht zielführend

Derzeit wird die Anlagestrategie für die Sondervermögen von einem interministeriellen Anlageausschuss unter Beteiligung des BMI, BMF, BMAS, BMG überarbeitet (Kapitel B III a). Der von dem Ausschuss geplante Best-in-class-Ansatz fällt jedoch bereits vor seiner Umsetzung hinter den Anforderungen an eine Anlagestrategie zurück, die mit den deutschen und EU-Klimaschutzzielen vereinbar sein soll. Weiterhin kann und würde durch die aktuellen Pläne in Konzerne investiert werden, die auf fossile Energieträger setzen. Auch mit der modernisierten Energie- und Klimapolitik in Deutschland ist dieser Ansatz nicht kohärent.

Unsere Forderung für die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie lautet daher für Kapitel B IV b):

Gesetzliche Erweiterung der Ausschlusskriterien für Anlagen und Investitionen des Bundes, beispielsweise im Versorgungsrücklagegesetz und weiteren relevanten Gesetzen: Ebenso wie Beteiligungen an Atomkraft und Kriegswaffen sollen auch Unternehmen ausgeschlossen werden, deren Geschäftsmodell fossile Brennstoffe (Kohle, Erdöl, Erdgas inkl. Fracking und Flüssiggas) beinhalten.
sowie

Unverzüglicher Verkauf aller Anteile des Bundes an o.g. Unternehmen und Umschichtung der Verkaufserlöse in die verbleibenden Unternehmen des aktuellen Portfolios oder in andere Anlageprodukte, die wissenschaftlich nachweisbar die Temperatur-Grenzwerte des Pariser Klimaabkommens von “1,5 Grad” bzw. “deutlich unter 2 Grad Celsius” einhalten.

Letztere Umschichtung ist kurzfristig, kostensparsam und unbürokratisch umsetzbar, etwa nach dem Vorbild des Verkaufs der Atomkraftwerk-Aktien durch das BMI im September 2019.

Risikomanagement vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit

Im Kapitel B IV b) Green Bonds heißt es:

“Die Bundesregierung erwartet von allen Finanzmarktteilnehmern, dass sie sich im Rahmen ihrer Anlagestrategie mit Risiken auseinandersetzen. Dazu gehören ausdrücklich auch Risiken, die sich unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten ergeben (z. B. „stranded assets“.

Diese Sichtweise wird von uns geteilt. Auch der Bund sollte die von ihm verwalteten Sondervermögen daher unter Berücksichtigung der erheblichen Risiken, denen Investitionen in Kohle, Gas und Öl unterliegen, anlegen. Dies ist umso wichtiger, als dass eine solche Entscheidung das wirtschaftliche Risiko solcher Investitionen auch für weitere Marktteilnehmer verdeutlicht und so über die Anlagen des Bundes hinaus eine Wirkung im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung entfaltet. Daher sollte den obigen Forderungen hinzugefügt werden:

Der Bund kommuniziert öffentlich die risiko-senkende Dekarbonisierung der staatlichen Anlageportfolios, um weitere Finanzmarktteilnehmer für die Risiken derartiger Investitionen zu sensibilisieren.

Einsatz der Bundesregierung auf Europäischer Ebene

Wichtige Entscheidungen im Bereich Sustainable Finance werden derzeit auch auf europäischer Ebene getroffen (Kapitel A, 2. - Sustainable Finance). Die Bundesregierung hat hier aus Sicht von ‘Fossil Free Berlin’ den Auftrag, sich dafür einzusetzen, dass die EU- Taxonomie so ausgestaltet wird, dass sie Finanzmarktakteure dabei unterstützt, nachprüfbar nachhaltige Finanzprodukte zu erkennen. Derzeit wird jedoch der klimaschädliche fossile Brennstoff Erdgas (inkl. Flüssiggas und durch Fracking produziertes Gas) auf EU-Ebene dabei vernachlässigt. Dies ignoriert die erheblichen Umweltschäden und Emissionen von Treibhausgasen wie das besonders klimaschädliche Methan, die entlang der gesamten Produktions-, Liefer- und Nutzungskette von Erdgas entstehen und die deshalb mit den Nachhaltigkeitszielen nicht vereinbar sind. Unsere Forderung an die Bundesregierung lautet daher:

Die Bundesregierung soll sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass die Sustainable Finance Strategie der EU-Kommission Finanzgeschäfte im Bereich aller fossiler Energieträger, insbesondere auch im Zusammenhang mit Erdgas sowie dem Neu- oder Ausbau von Erdgas-Infrastruktur, als “nicht nachhaltig” kennzeichnet und ausschließt.

Generelle Bemerkung zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie

‘Fossil Free Berlin’ stimmt grundsätzlich dem Zielbild aus Kapitel A I. zu, stellt aber fest, dass Deutschland mit seinen derzeitigen Klimaschutzbemühungen der im Zielbild benannten internationalen Verantwortung nicht gerecht wird. Daher müssen die deutschen Klimaschutzziele aktuellen wissenschaftlichen Studien zum deutschen Treibhausgasbugdet angepasst und entsprechend weitere Maßnahmen zur Umsetzung getroffen werden. Hier verweisen wir u.a. auf die kürzlich veröffentlichte neueste Studie des ‘Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie’.