„Die digitale Welt für Kinder sicherer machen“  

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Polizeistatistik zu Kindesmissbrauch „Die digitale Welt für Kinder sicherer machen“  

Jeden Tag werden 48 Kinder in Deutschland Opfer sexueller Gewalt – das geht aus der Polizeilichen Kriminalstatistik 2022 hervor. Einen deutlichen Anstieg gibt es bei den Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Jugendlichen im Netz. Die Unabhängige Missbrauchsbeauftragte Claus fordert, den Kampf gegen digitale sexuelle Gewalt zu verstärken.

4 Min. Lesedauer

Pressekonferenz mit Kerstin Claus, Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, mit Holger Münch, Präsident Bundeskriminalamt

„Es braucht eine fundamentale Stärkung des Kinder- und Jugendschutzes im Netz“, erklärte die Missbrauchsbeauftragte Kerstin Claus.

Foto: IMAGO/Chris Emil Janßen

Als „erschreckend, in Teilen aber auch zu erwarten“ bezeichnete die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus, die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik 2022. Besonders der massive Anstieg gerade im Bereich der Missbrauchsdarstellungen zeige, dass „wir den Fokus noch mehr auf die Frage der digitalen Gewalt im Netz legen müssen“, erklärte sie. Gemeinsam mit dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, nahm sie in Berlin zur Auswertung der Kriminalstatistik Stellung.

Die Zahlen für 2022 im Einzelnen:

- 101 Kinder wurden Opfer eines Tötungsdelikts. 2021 waren es 145. Der weit überwiegende Teil der getöteten Kinder war jünger als sechs Jahre.
- Pro Tag werden 48 Kinder Opfer sexueller Gewalt – konkret waren es im vorigen Jahr 17.437, ein leichter Rückgang im Vergleich zu 2021.  
- Die Zahl der Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch betrug 15.520, und lag damit ähnlich hoch wie 2021.       
- Einen deutlichen Anstieg gibt es bei den Missbrauchsdarstellungen von Kindern im Netz. 2022 wurden 42.075 Fälle registriert – sieben Prozent mehr als 2021. Fasst man die Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Jugendlichen zusammen, ergibt sich eine Zahl von mehr als 48.800. Das bedeutet, dass sich die Zahl der Fälle im Vergleich zu 2018 mehr als verzwölffacht hat.

Viele Fälle bleiben unentdeckt

Nach Angaben von BKA-Präsident Holger Münch ist die starke Zunahme der registrierten Fälle von Kinderpornografie unter anderem durch die vermehrten Hinweise der halbstaatlichen US-Organisation NCMEC an die deutschen Ermittler zurückzuführen. Diese sammelt systematisch Verdachtsfälle, wobei sie mit Internetanbietern kooperiert. Münch betonte: „Gewalt gegen Kinder zu unterbinden und sexuellen Missbrauch zu beenden, sind unsere obersten Prioritäten“. Er verwies darauf, dass es sich bei den gemeldeten Fällen lediglich um das sogenannte Hellfeld handle. Die Zahl der unentdeckten Fälle im Dunkelfeld sei mutmaßlich viel höher.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser erklärte in einer Stellungnahme: „Es ist zutiefst erschütternd, dass jeden Tag 48 Kinder in Deutschland Opfer von sexueller Gewalt werden. Das kann niemanden kalt lassen. Hinzuschauen und zu handeln, wann immer Gefahren für Kinder drohen – das ist eine zentrale Aufgabe des Staates, aber auch unserer Gesellschaft insgesamt“.

Seit Jahren setzt sich die Bundesregierung verstärkt gegen Kindesmissbrauch ein. Das seit 2010 bestehende Amt der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs  wurde dauerhaft eingerichtet, das Strafrecht deutlich verschärft, die Aufklärungsmöglichkeiten von Straftaten verbessert und das sogenannte Cybergrooming noch effektiver unter Strafe gestellt. Vorgesehen ist nun unter anderem, die Arbeit der Unabhängigen Beauftragten gesetzlich zu verankern und den Nationalen Rat gegen sexuelle Gewalt zu verstetigen. Darüber hinaus ist geplant, die länderübergreifende Zusammenarbeit in Kinderschutzfällen zu verbessern und das Beratungs- und Onlineangebot des Bundes weiter auszubauen.   

Die Missbrauchsbeauftragte Kerstin Claus ging insbesondere auf die hohe Zahl von Missbrauchsdarstellungen ein, die beispielsweise in Klassenchats geteilt würden. „Es sind vielleicht auffällige, vermeintlich coole Bilder oder Clips mit Musik, Geräuschen, Animationen versehen, die dann geteilt werden. Oft ohne zu verstehen, dass es sich um Darstellungen realer, tatsächlich sich ereignender Gewalt handelt, dass sie real sind, kein Joke, kein Fun“.

Mehr Medienkompetenz nötig

Die meisten Minderjährigen handelten hierbei nicht vorsätzlich oder sexuell motiviert, sondern aus einer „digitalen Naivität“ heraus. Den meisten sei gar nicht bewusst, dass auch das Teilen dieser Bilder eine Straftat sei. Kerstin Claus warb dafür, den entsprechenden Paragrafen im Strafgesetzbuch so anzupassen, dass sich Polizei und Staatsanwaltschaften mehr darauf konzentrieren könnten, „eindeutig ausbeuterische Taten zu Lasten von Kindern und Jugendlichen“ zu verfolgen.

Für Kinder und Jugendliche brauche es vor allem medienpädagogische Ansätze. „Kinder und Jugendliche müssen in die Lage versetzt werden, das Material klar als sexuelle Gewaltdarstellungen einzuordnen und ihr eigenes Handeln und das ihrer Peer-Group zu hinterfragen.“ Hier seien insbesondere Eltern und pädagogische Fachkräfte gefragt, so Claus.

Nationales Forschungszentrum

Oberstes Ziel sollte es laut Kerstin Claus sein, „die digitale Welt für Kinder und Jugendliche sicherer zu machen“. Kinder hätten auch keinen Zugang zu Spielhallen oder Kneipen. Die Maßstäbe des Kinder- und Jugendschutzes in der analogen Welt müssten auf die digitale Welt übertragen werden.

Claus forderte zudem, das Ausmaß sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen regelmäßig zu erheben. Sie schlug ein Forschungszentrum in Deutschland vor, um sexuelle Gewalt möglichst aktuell zu erfassen – auch und gerade aus dem sogenannten Dunkelfeld.    

Fragen zum Thema Sexueller Missbrauch beantwortet das Hilfe-Telefon unter der Nummer 0800 22 55 530. Es kann auch bei konkreten Verdachtsfällen von sexuellem Missbrauch angerufen werden. Die Nummer ist geschaltet montags, mittwochs und freitags von 9 Uhr bis 14 Uhr sowie dienstags und donnerstags von 15 Uhr bis 20 Uhr – kostenfrei und anonym.