Regierungspressekonferenz vom 9. September 2022

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im Wortlaut Regierungspressekonferenz vom 9. September 2022

Themen: Pressestatement des Bundeskanzlers zum Tod der britischen Königin, Termine des Bundeskanzlers (Gespräch mit dem israelischen Premierminister, Arbeitgebertag der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Treffen der G7-Ministerinnen und -Minister für nachhaltige Stadtentwicklung, Gespräch mit dem jemenitischen Staatspräsidenten, Kabinettssitzung, 27. Ordentlicher Bundeskongress der Gewerkschaft der Polizei, Gespräch mit dem georgischen Ministerpräsidenten, Gedenkveranstaltung anlässlich „70 Jahre Luxemburger Abkommen“, zweite Sitzung der „Konzertierten Aktion“, Bundeswehrtagung, Ada Lovelace Festival, Gespräch mit der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses), Reise des Bundesgesundheitsministers nach Israel, Reise des Parlamentarischen Staatssekretärs Brandenburg nach Israel, Beantragung von Staatshilfen durch den Gasimporteur VNG, Betrieb von Atomkraftwerken in der Notfallreserve, mögliche AdBlue-Knappheit, Lieferung von Gepard-Panzern an die Ukraine, Verhandlungen über die Beteiligung eines chinesischen Unternehmens am Hamburger Containerterminal Tollerort, Investitionen deutscher Unternehmen in China, Medienberichte über einen möglichen Verkauf von Schenker

28 Min. Lesedauer

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Freitag, 9. September 2022

Sprecher: SRS Büchner, Grüneberg (BMG), Kleinemas (BMBF), Säverin (BMWK), Kübler (BMUV), Helmbold (BMVg), Lauer (BMDV)

Vorsitzende Wolf eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Büchner sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS Büchner: Ich möchte am Anfang gern darauf hinweisen, dass der Kanzler in diesen Minuten ein Statement zum Tod der britischen Königin abgibt, das natürlich dann auch noch schriftlich verteilt wird.

Zu den Terminen in der kommenden Woche.

Am Montag, 12. September, um 11.30 Uhr, wird Bundeskanzler Scholz Israels Premierminister Jair Lapid mit militärischen Ehren zu einem Gespräch im Bundeskanzleramt empfangen. Gesprächsthemen könnten die bilateralen Beziehungen und regionale Themen sein. Gegen 12 Uhr wird es eine gemeinsame Pressekonferenz geben, im Anschluss ein gemeinsames Mittagessen. Gegen 14 Uhr fahren der Bundeskanzler und Premier Lapid zur Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz.

Am Dienstag, den 13. September, nimmt der Bundeskanzler am diesjährigen Arbeitgebertag der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in Berlin teil. Gegen 9.50 Uhr hält er dort eine Rede. Darin wird er auf wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Themen eingehen. Der Termin ist presseöffentlich.

Danach nimmt der Bundeskanzler von 12.15 bis 12.45 Uhr am ersten Treffen der G7-Ministerinnen und -Minister für nachhaltige Stadtentwicklung teil. Das Treffen wird ausgerichtet und geleitet von der Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, Klara Geywitz. Die G7-Ministerinnen und -Minister für nachhaltige Stadtentwicklung tauschen sich bei ihrem Treffen zu aktuellen Fragen und Herausforderungen der Stadtentwicklungspolitik aus. Der Bundeskanzler wird eine kurze Ansprache halten. Der Termin ist presseöffentlich. Ein Livestreaming ist geplant.

Um 17 Uhr wird Bundeskanzler Scholz dann Jemens Staatspräsident Al-Alimi zu einem Gespräch im Bundeskanzleramt empfangen. Dabei wird es unter anderem um die aktuelle Lage in Jemen und die Bemühungen um eine Beilegung des Konflikts gehen.

Am Mittwoch findet, wie üblich, um 11 Uhr unter der Leitung des Bundeskanzlers die Sitzung des Kabinetts statt.

Um 14 Uhr nimmt der Bundeskanzler dann am 27. Ordentlichen Bundeskongress der Gewerkschaft der Polizei in Berlin teil und wird dort eine Rede halten.

Am Nachmittag, um 16.30 Uhr, wird der Bundeskanzler den georgischen Ministerpräsidenten Irakli Gharibaschwili mit militärischen Ehren im Bundeskanzleramt empfangen. Es handelt sich um den Antrittsbesuch des Ministerpräsidenten. Beim Gespräch beider Regierungschefs werden neben der bilateralen Zusammenarbeit Deutschlands und Georgiens auch Fragen der internationalen Sicherheitspolitik, allen voran die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, im Mittelpunkt stehen. Auch wirtschafts- und energiepolitische Fragen dürften erörtert werden. Eine gemeinsame Pressekonferenz ist für ca. 17.45 Uhr vorgesehen.

Am Donnerstag ist der Bundeskanzler zunächst Gast bei der Gedenkveranstaltung anlässlich „70 Jahre Luxemburger Abkommen“ in Berlin. Er wird dort gegen 11.15 Uhr eine Rede halten. Zuvor wird er sich mit Überlebenden der Shoa treffen. Die Unterzeichnung des Luxemburger Abkommens mit Israel und der Claims Conference am 10. September 1952 schuf die erste Grundlage für die Entschädigung jüdischer Opfer nationalsozialistischer Verfolgung durch die Bundesrepublik. Das Bundesministerium der Finanzen macht mit einem Gedenkjahr auf die nunmehr über 70-jährige Entwicklungsgeschichte der Wiedergutmachung aufmerksam. Mehrere Veranstaltungen sind dazu geplant, einige haben schon stattgefunden.

Für den Donnerstagnachmittag, ab 13 Uhr, hat der Bundeskanzler Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände zur zweiten Sitzung der „Konzertierten Aktion“ ins Bundeskanzleramt eingeladen. Viele Menschen sorgen sich wegen steigender Energie- und Lebenshaltungspreise. Das ist eine große Herausforderung für viele Bürgerinnen und Bürger, aber auch für viele Unternehmen.

Im Rahmen der „Konzertierten Aktion“ bespricht die Bundesregierung mit den Sozialpartnern Lösungsvorschläge, wie mit den gestiegenen Preisen und den damit einhergehenden realen Einkommensverlusten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer umgegangen werden kann.

Eingeladen zu der Sitzung sind, wie schon zur Auftaktsitzung, die Sozialpartner, die Bundesbank, der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sowie die Bundesminister Habeck, Lindner und Heil.

Im Anschluss an das Gespräch, um ca. 15 Uhr, ist ein Pressestatement des Bundeskanzlers, der DGB-Vorsitzenden Fahimi und des BDA-Präsidenten Dulger geplant. Das Statement wird auch live gestreamt.

Am Freitag, den 16. September, nimmt Bundeskanzler Scholz von 10.30 bis 11.30 Uhr an der jährlichen Bundeswehrtagung im Hotel InterContinental in Berlin teil. Er wird dort eine Rede halten und anschließend mit den Tagungsteilnehmern sprechen. Eine entsprechende Einladung an interessierte Medien wird in Kürze durch das Bundesministerium der Verteidigung erfolgen. Bei Nachfragen zu Details wie Inhalten oder der Agenda der Veranstaltung möchte ich an den Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums verweisen.

Gegen Freitagmittag wird der Bundeskanzler beim Ada Lovelace Festival in Berlin zu Gast sein, das das Motto „The Future of the Internet“ trägt. Er wird dort gegen 12 Uhr an einem moderierten Gespräch mit Professorin Miriam Meckel unter dem Titel „Responsible Regulation? Our future rights and rules on the Internet“ teilnehmen.

Der Bundeskanzler wird ebenfalls am kommenden Freitag, um 16.30 Uhr, die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, im Bundeskanzleramt begrüßen. Im Mittelpunkt des Gesprächs werden voraussichtlich bilaterale, regionale sowie außen- und wirtschaftspolitische Themen stehen.

So weit zu den Terminen der kommenden Woche.

Grüneberg: Bundesgesundheitsminister Professor Lauterbach reist morgen auf Einladung seines israelischen Amtskollegen nach Jerusalem und Tel Aviv. Dort wird er an einer WHO-Regionalkonferenz teilnehmen, aber auch mehrere Krankenhäuser und Forschungseinrichtungen besuchen sowie sich über den israelischen Ansatz zur Pandemiebekämpfung informieren und Vertreter der israelischen Krankenkassen treffen. Ziel der Reise ist, die gesundheitspolitische Kooperation mit Israel zu stärken, aber auch voneinander zu lernen. Gerade in der Pandemie hat Israel gezeigt, wie man wissenschaftliche Erkenntnisse zeitnah anwendet und mit intelligenter Datennutzung die Versorgung verbessert. Auf dem Programm stehen ein Besuch in der Gedenkstätte Yad Vashem und ein Treffen mit Minister Horowitz in der Knesset. Am Montag finden dann die WHO-Regionalkonferenz und das Gespräch mit Vertretern von Krankenkassen statt. Zudem wird das Weizmann-Institut besucht.

Kleinemas: Der Parlamentarische Staatssekretär Herr Jens Brandenburg reist vom 11. September bis Donnerstag, den 15. September, ebenfalls nach Israel. Ziel der Reise ist, die historisch gewachsene und sehr enge Kooperation zwischen den beiden Ländern auf den Gebieten Wissenschaft, Forschung und Innovation zu stärken. Dabei wird Herr Brandenburg als Vertreter Deutschlands an der Sitzung des Boards of Governors der Deutsch-Israelischen Stiftung für Wissenschaftliche Forschung und Entwicklung teilnehmen. Das ist eine wesentliche Säule der bilateralen Kooperation.

Herr Brandenburg wird sich anlässlich der Reise mit hochrangigen Vertretern des Ministry of Science and Technology sowie weiteren israelischen Forschungs- und Förderorganisationen austauschen. Im Fokus stehen die Zukunftsthemen Quantentechnologie, Nachhaltigkeit und Energieforschung. Dazu werden auch Gespräche mit den für die Start-up-Nation Israel charakteristischen Innovations- und Transferagenturen geführt.

Herr Brandenburg wird sich neben Tel Aviv auch in Jerusalem aufhalten, wo er in Yad Vashem einen Kranz niederlegen und einen Eintrag in das Gästebuch vornehmen wird.

Frage: Ich habe nur eine Verständnisfrage. Habe ich das richtig verstanden, dass bei dem Termin am Dienstag mit dem jemenitischen Präsidenten und mit Nancy Pelosi am Freitag keine Presseunterrichtungen geplant sind, oder habe ich da etwas überhört?

SRS Büchner: Am Dienstag ist keine Pressekonferenz geplant. Zu dem Gespräch am Freitag mit Nancy Pelosi: Derzeit sind vor dem Gespräch Auftaktbilder durch offizielle Fotografen geplant. Eine gemeinsame Pressekonferenz ist nicht vorgesehen.

Frage: Herr Säverin, bislang wurde nur bestätigt, dass der Gasimporteur VNG Staatshilfen beantragt hat. Können Sie schon näher ausführen, in welche Richtung das geht und welche Überlegungen gerade angestellt werden? Geht das hin bis zu einem staatlichen Einstieg, ähnlich wie bei Uniper?

Säverin: Wir bestätigen gerne, dass dieser Antrag vor zwei Stunden eingegangen ist. Aber Sie haben sicher Verständnis dafür, dass ich dazu noch nichts sagen kann.

Zusatzfrage: Können Sie denn etwas zu dem Instrumentenkasten sagen, der denkbar wäre?

Säverin: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Unternehmen in schwierigen Lagen zu unterstützen. Die haben wir alle schon aufgezählt. Aber welches Instrument hier infrage kommt, kann ich beim besten Willen noch nicht sagen.

SRS Büchner: Ich glaube, wir können allgemein sagen, dass wir in Gesprächen sind, um das Unternehmen zu stabilisieren.

Säverin: Das ist richtig.

Frage: Herr Säverin, haben Sie denn Hinweise darauf, dass es weitere Anträge gibt, beziehungsweise rechnen Sie damit?

Säverin: Was heißt „weitere Anträge“?

Zusatz: Von anderen Unternehmen.

Säverin: Über weitere Anträge weiß ich tatsächlich nichts. Ich habe heute Morgen von dem VNG-Antrag erfahren. Weitere Anträge kann ich nicht bestätigen.

Frage: Ich habe eine Lernfrage. Es geht um den Konflikt, ob bei einem Notfallreservebetrieb Meiler wieder angefahren werden könnten. Da gibt es den berühmten Brandbrief von PreussenElektra, die sagen, das sei eine völlig unerprobte Technologie mit einem hohen Risiko, das ginge nicht. Die Antwort Ihres Hauses oder des Ministers Habeck war: Wieso? Die Energieversorger hätten doch schon im Frühjahr in Gesprächen verkündet, dass auch der Streckbetrieb voraussetzen würde, die Meiler zunächst einmal vom Netz zu nehmen, um sie dann wieder anfahren zu können. Ist inzwischen geklärt worden, ob diese Anfahrprozeduren identisch wären, oder haben die einen von Äpfeln und die anderen von Birnen geredet?

Säverin: Ich übernehme nicht die von Ihnen insinuierte Stimmungen, in denen diese Briefe geschrieben wurden. Von einem Brandbrief kann überhaupt nicht die Rede sein.

Das Bundeswirtschaftsministerium stand in der Umgebung des Stresstests in ständigem Kontakt auch zu den Betreibern der Kernkraftwerke. Diese Gespräche wurden immer in dem Geist geführt, dass die Versorgungssicherheit in Deutschland gewährleistet bleiben muss, auch in schwierigen Lagen. Die Betreiber der Kernkraftwerke haben sich eindeutig dazu bekannt, genauso wie die Bundesregierung, dass auf jeden Fall verhindert wird, dass es zu Blackouts kommt.

Im Zusammenhang mit dem Stresstest sind immer wieder zwei Szenarien beschrieben worden. Minister Habeck hat das auch mehrfach erläutert. Das eine Szenario ist so, dass die Bundesnetzagentur ungefähr im November oder Dezember schaut: Wie ist die Perspektive? Sind die französischen Kernkraftwerke einsatzbereit? Gibt es Schwierigkeiten, die möglicherweise durch den verlängerten Einsatz der Kernkraftwerke behoben werden können? - Dann gibt es die Möglichkeit, dass gesagt wird: Ja, es ist schwierig. - Dann gehen die beiden Kernkraftwerke, die im Stresstest genannt werden, in einen Streckbetrieb über, längstens bis zum April.

Das zweite Szenario, das immer wieder besprochen wurde, ist: Im November, Dezember, irgendwann im Winter, wird gesagt: Die Lage hat sich entspannt. Die Kernkraftwerke in Frankreich laufen. Der Rhein hat wieder einen ordentlichen Füllpegel. Kohlevorräte konnten angelegt werden. Die Gasvorräte laufen gut. - Dann werden die beiden Kernkraftwerke zum Jahresende planmäßig abgeschaltet, mit der Option, dass sie im Sinne einer Notmaßnahme wieder anfahren können, wenn zum Beispiel im Februar ein Wintereinbruch kommt, wenn Schwierigkeiten entstehen. Diese Option war immer vorgesehen worden.

Wir sind jetzt wiederum in Gesprächen mit den Betreibern dieser Kernkraftwerke - mit allen, nicht nur mit der PreussenElektra, um die technischen Einzelheiten zu klären. Dabei geht es auch darum, unter welchen Bedingungen diese beiden Szenarien reaktortechnisch möglich sind, welche Voraussetzungen getroffen werden müssen und ob man viel oder wenig Vorlauf braucht. Diese Gespräche werden jetzt geführt und kommen auch zu einem positiven Ende; da bin ich ganz zuversichtlich.

Wie gesagt, über diesen Gesprächen steht immer: Die Versorgungssicherheit in Deutschland soll in jedem Moment ohne Blackouts, ohne Schwierigkeiten gewährleistet sein.

Zusatzfrage: Das beantwortet aber nicht meine Frage, ob die beiden Verfahren für einen möglichen Übergang von dem regulären Normalbetrieb in einen eventuellen Streckbetrieb technisch identisch wären, laienhaft gefragt. Es ist ja ein Unterschied, ob man sagt, es wird direkt vom Normalbetrieb mit einer technischen Unterbrechung von ein paar Tagen in den Streckbetrieb gegangen, oder ob man sagt: Wir schalten jetzt erst einmal zum 31. Dezember ab. Wenn wir im Februar feststellen, man braucht den Strom doch, dann soll drei Monate später hochgefahren werden. - Das sind doch zwei unterschiedliche Verfahren. Ist das zweite Verfahren, die Notfallreserve, identisch mit dem Verfahren, bei dem die Betreiber gesagt haben: „Das könnten wir machen“?

Säverin: Das ist genau der Punkt, der jetzt geklärt wird. Es wird uns jetzt hier in der Regierungspressekonferenz nicht gelingen, die verschiedenen Betriebszustände eines Kernkraftwerks zu erläutern und danach zu beurteilen, wer recht hat und wer nicht. Es geht darum: Die Gespräche werden geführt. Da sind technisch hochanspruchsvolle Aufgaben zu klären. Das passiert jetzt.

Frage: Herr Säverin, der Bundesfinanzminister, Christian Lindner, hat heute Morgen in einem Interview bei „Politico“ gesagt, dass das BMWK mit der Gasumlage bis Ende 2024 eingestehe, dass eine kritische oder eingeschränkte Versorgungslage wohl noch über diesen Winter hinaus, also noch einen weiteren Winter, zu erwarten sei. Er hat angeregt, dass man für diesen Zeitraum auch andere Energieversorgungsformen im Blick behalten sollte, und hat da auf die Atomkraft angespielt. Ich hätten gerne von Ihrem Haus eine Einordnung, eine Stellungnahme zu der Verknüpfung Gasumlage und Atomkraft.

Säverin: Ich kann natürlich die Äußerungen des Bundesministers Lindner nicht kommentieren. Sicher ist, dass die Maßnahmen, die wir treffen, begrenzt sind, dass man aber aus der Begrenzung nicht unbedingt schließen kann, dass wir denken, dass bis dorthin alles erledigt ist. Es geht darum, dass wir flexibel bleiben, dass die Verordnungen einen Anfang und ein Ende haben und dass man sieht, ob weitere Maßnahmen nötig sind. Daraus unmittelbare Rückschlüsse auf eine Prognose zu ziehen, wie weit wir Schwierigkeiten in der Zukunft ins Auge nehmen, davon würde ich abraten.

Zusatzfrage: Gehen Sie davon aus, dass die angespannte Situation auf dem Strommarkt, wofür man dann als Notfallreserve noch die Atomkraft brauchen würde, wirklich nur diesen Winter betreffen würde und nicht vielleicht auch noch den kommenden Winter bis 2024?

Säverin: Sowohl der Bundeskanzler als auch Minister Habeck haben gesagt, es geht jetzt um diesen Winter. Für den kommenden Winter haben wir eine völlig andere Lage. Ich mag die ganzen Maßnahmen hier gar nicht ausführen. Die Gasversorgungsmaßnahmen, die Strommarktmaßnahmen, die Entlastungsmaßnahmen und die Sparmaßnahmen - die alle greifen dann. Dann haben wir für den Winter 2023/2024 eine völlig andere Lage.

Frage: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind die Gespräche mit PreussenElektra noch nicht abgeschlossen, sondern die werden momentan noch geführt. Vielleicht können Sie sagen, was dabei der Zeithorizont ist.

Das Zweite, das ich gerne wissen möchte, betrifft, weil Sie das gerade so betont haben, die nationale Versorgungssicherheit. Gleichzeitig erwähnen Sie auch immer die französischen Atomkraftwerke als Messlatte dafür. Könnte es auch dazu kommen, dass am Ende die französischen Kernkraftwerke nicht in der Form lauffähig sind, wie wir das in Deutschland zu dem Zeitpunkt vielleicht gerne hätten, und der Weiterbetrieb zur Versorgung Frankreichs notwendig wird?

Säverin: In den Ergebnissen des Stresstests, die ja veröffentlicht worden sind, sind auch hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der französischen Kernkraftwerke verschiedene Annahmen in den drei Szenarien getroffen worden. Die sind ein wenig pessimistischer, als die französische Regierung es annimmt. Der Sinn des Stresstests ist ja, dass man sagt: So, wie die Situation jetzt ist, bleibt es nicht, sondern es wird schlimmer. - So ist der Stresstest angelegt, auch hinsichtlich der möglichen Versorgungslücken aus Frankreich.

Der europäische Strommarkt ist insofern liberalisiert, als zwischen den Ländern ständig Strom hin- und hertransportiert wird, und zwar nicht im Sinne von: Wir exportieren immerzu etwas nach Frankreich, sondern das geht stündlich hin und her, weil ja die Stabilisierung der Stromversorgung ein Anliegen des Strommarkts ist. Das geht über Grenzkuppelstellen.

Es kann natürlich sein, dass wir Strom in schwierigen Zeiten nach Frankreich exportieren, weil dort Bedarf entsteht. Dann kann insgesamt europäisch und auch national eine Mangellage entstehen, die einem der Szenarien des Stresstests entspricht. Dann kann es erforderlich sein, dass die Kernkraftwerke aus der Notreserve heraus aktiv werden müssen.

Zusatzfrage: Das heißt, ja?

Säverin: So, wie ich es gesagt habe.

Zusatzfrage: Die andere Frage nach dem Gespräch mit PreussenElektra?

Säverin: Die Gespräche laufen natürlich. Das ist eine wichtige Sache. Der Zeithorizont ist auch begrenzt; denn die ganzen technischen Lösungen brauchen einen Vorlauf, auch in den Kernkraftwerken. Das heißt, innerhalb von Wochen, würde ich sagen, muss hier zu einem Ergebnis gekommen werden. Alle Beteiligten sind ganz und gar positiv. Wie gesagt: Allen liegt daran, die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten.

Frage: Es gibt ja auch eine politische Stresssituation auf der EU-Ebene. Die Kommission schlägt unter anderem einen Gas- und gegebenenfalls auch einen Ölpreisdeckel vor, und zwar a) in der Variante für russisches Gas und b) möglicherweise für alle Gasimporte. Wie ist die Haltung des Bundeswirtschaftsministeriums zu diesem Vorschlag?

Säverin: Unter dem Begriff des Preisdeckels werden die verschiedensten Gespräche und Optionen verstanden.

Zusatz: Ich meinte Gashöchstpreise, für Gasimporte.

Säverin: Ja, dann eben Gashöchstpreise. Dabei geht es zum einen darum, die Gaspreise zu senken, stabil zu halten, aber nicht nur Gas, sondern auch Strom. Zum Beispiel wird die Option diskutiert, dass man Nachfragekartelle bildet. Das heißt, es geht darum, dass man Maßnahmen trifft, die Druck auf die Strom- und Gaspreise bedeuten. Was dahinter nicht steht, ist, dass die Preise administriert werden, dass also zum Beispiel durch eine Verordnung festgelegt wird: Nur zu diesem Preis dürfen Gas und Strom gehandelt werden. Die Optionen sind aber vielfältig. Zum Beispiel werden auch Preissubventionen diskutiert. Gerade jetzt läuft ja der Energierat in Brüssel; dort werden die Optionen durchgesprochen, und da unter dem Begriff des Gaspreisdeckels beziehungsweise Gashöchstpreises, wie Sie es genannt haben, gibt es da Verschiedenes.

Zusatzfrage: Das heißt, die Berichterstattung - nur auf die kann ich mich jetzt ja beziehen -, die den Vorschlag von Frau von der Leyen beziehungsweise der Kommission so interpretiert, dass vorgegeben wird, dass russisches Gas maximal zu einem bestimmten Preis eingekauft werden dürfe, ist falsch?

Säverin: Wie gesagt, es sind verschiedene Maßnahmen, und je tiefer man in die Einzelmaßnahmen hineinguckt, desto differenzierter werden die. Da gibt es Untermaßnahmen und da gibt es Bedingungen, unter denen das eine funktioniert und das andere nicht. Wir können hier erstens den Diskussionen in Brüssel nicht vorgreifen, und zum anderen sind die Vorschläge, die gemacht werden, noch nicht so weit ausdifferenziert, dass ich diese Frage klar beantworten kann.

Frage: Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass aktuell Gespräche mit PreussenElektra - nach deren Schreiben - über die technische Machbarkeit eines Wiederanfahrens aus der Notreserve heraus geführt werden?

Säverin: Das haben Sie richtig verstanden.

Zusatzfrage: Das heißt, diese Gespräche wurden nicht vorher geführt, also bevor man sich dafür entschieden hat, diesen Weg zu gehen?

Säverin: Ich habe ja gesagt, dass in der Umgebung des Stresstests mit allen Betreibern von Kernkraftwerken gesprochen wurde. Diese Gespräche werden jetzt fortgesetzt. Jetzt geht es ja um die Konkretisierung. Der politische Beschluss ist getroffen, vorher sind diese Gespräche geführt worden. Daraufhin ist Minister Habeck vor die Presse getreten und hat gesagt: Diese und jene Option, diese und jene Szenarien bedenken wir. Jetzt geht es in die technische Umsetzung, in die administrative Umsetzung dieser Szenarien.

Zusatzfrage: Das heißt, die Frage der technischen Machbarkeit eines solchen Wiederanfahrens aus der Notreserve heraus wurde nicht vor der politischen Entscheidung für diese Maßnahme geklärt?

Säverin: Natürlich wurde die Machbarkeit besprochen; sonst könnte man ja so einen Beschluss gar nicht fassen. Jetzt geht es um die Umsetzung.

Zusatzfrage: Und diese Frage wurde von PreussenElektra bejaht?

Säverin: Auf jeden Fall. Aber wie gesagt, was das konkret bedeutet - - „Machbarkeit“ ist ja ein weiter Begriff, und jetzt muss man sehen, unter welchen konkreten Bedingungen diese beiden Szenarien gefahren werden können.

Frage: Herr Säverin, Sie sprechen jetzt von Nachfragekartellen. Verstehe ich das richtig, dass das eine der Optionen ist, die auf europäischer Ebene besprochen werden? Was ist die Einschätzung Ihres Hauses: Wäre so ein Nachfragekartell auch mit EU-Wettbewerbsregeln vereinbar? Kann man das also einfach so machen, oder müssten dafür Wettbewerbsregeln geändert werden? Denn normalerweise sind solche Kartelle ja nicht zulässig.

Säverin: Diese Diskussion über das Nachfragekartell ist ja schon alt, die gibt es ja schon lange - gerade auch auf EU-Ebene. Verschiedene Länder haben das immer wieder vorgeschlagen - vielleicht nicht unter diesem Begriff; vielmehr haben, glaube ich, sie den Begriff „gemeinsame Beschaffung“ verwendet. Das ist eine der möglichen Optionen, aber ich mag den Beratungen heute nicht vorgreifen. Ich weiß auch nicht genau, ob diese Option dort nun besonders intensiv besprochen wird.

Zusatzfrage: Ist das denn eine Option, die von der Bundesregierung unterstützt werden würde?

Säverin: Wir bringen uns in die Gesamtdiskussion ein. Wir würden nicht mit einer vorgefertigten und vielleicht sogar ausdifferenzierten Meinung in so eine Diskussion gehen. Vielmehr ist das ein Prozess, der dadurch gekennzeichnet ist, dass alle dasselbe Problem haben und alle eigentlich auch ein Solidaritätsverständnis in diesen Sachen haben. Dann findet man Lösungen, die für alle tragbar sind.

Frage: Die Transportbranche befürchtet, dass irgendwann AdBlue ausgeht, weil es nicht mehr hergestellt werden kann - die Produktion wurde in einigen Betrieben ja auch schon eingestellt. An das BMWK und möglicherweise auch an das BMDV: Was planen Sie diesbezüglich jetzt? Haben Sie irgendeine Strategie, wie die Versorgung mit AdBlue sichergestellt werden kann? Ich weiß bisher aus beiden Ministerien, dass Sie die Lage beobachten. Haben Sie schon Schlüsse aus dieser Beobachtung gezogen?

Säverin: Dazu habe ich hier am Mittwoch ziemlich ausführlich gesprochen - auch zu den Maßnahmen und darüber, dass es einen Problemteil gibt, der nur einen Betrieb betrifft, und es zum anderen auch um die Gesamtversorgungslage geht. Wenn da noch Fragen offengeblieben sind, können wir darüber gerne noch bilateral sprechen.

Vorsitzende Wolf: Das Verkehrsministerium hat mir gerade angezeigt, dass es über das am Mittwoch Gesagte hinaus keine Ergänzungen gibt.

Frage: Herr Kübler, das BMUV ist für die Atomaufsicht zuständig. Sie haben hier - ich glaube, es war am Mittwoch - erklärt, dass nach Ihrer Einschätzung auch für die Variante der Notfallreserve Atomrecht mindestens geändert werden müsste. Bedeutet das, dass entsprechende Gesetzesnovellierungen beziehungsweise -veränderungen in Ihrem Haus federführend vorbereitet werden? Falls ja: Wie weit sind Sie in diesem Prozess? Wann kann man mit der Vorlage einer Novellierung rechnen, die dann diese neue Variante rechtlich absichern würde?

Kübler: Ja, wir sind zuständig für die Novelle des Atomgesetzes und wir arbeiten daran. Wann exakt wir das dem Ressortkreis und dann dem Bundestag vorlegen werden, kann ich noch nicht abschätzen. Ich kann aber garantieren, dass das alles rechtzeitig erfolgt, damit der jetzt nach dem Stresstest beschlossene Entschluss umgesetzt werden kann.

Frage: An das BMVg: Mich würde der Stand der aktuellen Lieferung von Geparden in Richtung Ukraine interessieren. Bei wie vielen sind wir dort aktuell? Wann und in welcher Zahl wird der Rest dann auch tatsächlich an die Ukraine geliefert?

Ist diese Fähigkeit für Deutschland dauerhaft verzichtbar? Falls nein: Wie soll sie ersetzt werden?

Helmbold: Zunächst einmal zu der letzten Frage: Die Geparden sind ja seit vielen Jahren nicht mehr im Bestand der Bundeswehr. Das bedeutet, es gibt auch vonseiten der Bundeswehr und mit Blick unsere Verteidigungsbemühungen keine Erfordernis, Geparden zu ersetzen. Die kommen aus Industriebeständen.

Zu den Fragen der Lieferungen bekommen Sie ja regelmäßig die Informationen der Bundesregierung, die auf der Webseite des BPA veröffentlicht werden. Frau Ministerin Lambrecht hat sich gestern auch dazu geäußert. Weitere Informationen für Sie habe ich heute nicht.

Zusatzfrage: Dann möchte ich doch noch einmal nach der Fähigkeit nachfragen: Die Fähigkeit wurde ja zu Zeiten abmoderiert, als man von anderen Bedrohungsszenarien ausging. Momentan wird wieder an einer Sicherheitsstrategie gearbeitet, die gesamte Bedrohungslage scheint sich etwas verändert zu haben. Plant das BMVg Ersatz für die Fähigkeiten, die der Gepard hatte?

Helmbold: Erst einmal: Mit dem Begriff Fähigkeiten liegen Sie richtig. Es gibt es immer verschiedene Möglichkeiten, die Fähigkeiten zu decken. Das kann durch unterschiedliche Systeme geschehen. Beispielsweise kann man Flugabwehrfähigkeiten durch Flugabwehrkanonen oder durch Flugabwehrraketen decken; das ist Ihnen wahrscheinlich bekannt. Wir selber sind im Moment natürlich generell dabei, für die Zukunft Fähigkeitslücken zu identifizieren und einen entsprechenden Aufwuchs vorzunehmen. Das passiert auch immer im Rahmen der Nato-Planungsprozesse, wo wir ja auch konkrete Aufgaben im Bündnis zu erledigen haben. Das ist bei uns fortwährend in der Erarbeitung.

Daraus entsteht dann der Ihnen wahrscheinlich bekannte Prozess, dass wir funktionale Fähigkeitsforderungen aufstellen, die dann mit verschiedenen Systemen gedeckt werden können. Ich kann Ihnen im Moment aber nicht im Einzelnen erläutern, wie wir bei Fähigkeiten aufschlüsseln, welche Möglichkeiten da offenstehen - zum einen, weil die Lösungsmöglichkeiten aufgrund des Wettbewerbs, der dort in Rede steht, nicht immer offen kommuniziert werden können, und zum anderen, weil die Dinge, die dort in Rede stehen, häufig auch der Geheimhaltung unterliegen.

Frage: Noch einmal an das BMWK: Der Betreiber des Hamburger Hafens wollte ja eine Beteiligung an einem Containerterminal an eine chinesische Firma verkaufen. Robert Habeck soll dort sein Veto eingelegt haben. Können Sie das bestätigen?

Säverin: Was wir bestätigen können, ist, dass dort ein Investitionsprüfverfahren läuft. Bei Häfen handelt es sich um kritische Infrastruktur, und dort wird in der Regel ein solches Verfahren durchgeführt. Dieses Verfahren läuft noch. Keineswegs kann ich bestätigen, dass Herr Habeck dort irgendeine Art von Veto erhoben hat. In dem Verfahren ist überhaupt nicht vorgesehen, dass ein Minister ein Veto einlegt. Das Verfahren läuft noch, es ist noch nicht abgeschlossen.

Zusatzfrage: Könnten Sie vielleicht erklären, wie lange solche Prüfverfahren normalerweise dauern und wie lange in diesem Fall schon daran gearbeitet wird?

Säverin: Es gibt eine gesetzliche Prüffrist - ich habe sie jetzt nicht im Kopf, aber sie ist auf unserer Webseite ganz gut erklärt. Diese gesetzliche Prüffrist kann aber im Verfahren ausgesetzt werden, zum Beispiel wenn Unterlagen fehlen oder wenn Abmachungen ausgehandelt werden sollen, um gewissen Bedenken zu begegnen. Dann kann ein solches Verfahren durchaus länger laufen, als die gesetzliche Prüffrist es vorsieht. Wie lange ein Einzelverfahren dann dauert, lässt sich schwer prognostizieren.

Frage: Ich habe eine Frage an das Wirtschaftsministerium im Hinblick auf die Kosten der Gaskrise: Es ist bekannt geworden, dass jetzt auch der baden-württembergische Versorger VNG analog zu Uniper um finanzielle Unterstützung gebeten hat. VNG ist ein Tochterunternehmen von EnBW. EnBW hat im vergangenen Jahr noch einen erheblichen Bilanzgewinn gehabt und eine relativ hohe Dividende ausgeschüttet. Ist es unter diesen Voraussetzungen vorstellbar, dass ein solches Unternehmen tatsächlich Staatsgeld bekommt?

Säverin: Zum Fall von VNG kann ich natürlich noch nichts sagen. Aber grundsätzlich gilt, und das haben wir auch bei der Uniper-Lösung durchgesetzt, dass das Unternehmen auch einen Eigenbeitrag zu seiner eigenen Stabilität beitragen muss. In erster Linie ist der Unternehmer dafür verantwortlich, dass sein Unternehmen wirtschaftlich arbeitet und nicht in die Knie geht, und auch bei den Lösungen, die für Einzelunternehmen gefunden werden, wird immer darauf geachtet, dass das Unternehmen einen Eigenbeitrag liefert und geschaut wird, was es selbst leisten kann, um sich selbst zu stabilisieren.

Zusatzfrage: Gehört zu dieser Eigenleistung auch - das ist, wie gesagt, ein Tochterunternehmen des relativ großen Konzerns EnBW -, dass die Möglichkeiten des Mutterkonzerns herangezogen werden, oder wird der ausgeblendet, weil das kleinere in Bedrängnis geratene Unternehmen ja rechtlich selbstständig ist?

Säverin: Dann sind wir wieder beim konkreten Fall von VNG. Dazu kann ich tatsächlich nichts sagen. Ich kenne die gesellschaftsrechtliche Konstruktion nicht aus dem Kopf heraus, sodass ich nichts dazu sagen kann. Wie sich dieser Fall entwickelt, wie dieser Antrag aussieht und welche Lösungsmöglichkeiten überhaupt bestehen, müssen wir, wie gesagt, abwarten.

Frage: Herr Säverin, gestern gab es einen Bericht der Kollegen von Reuters zu Investitionen in China respektive Investitionen aus China, in dem Fall aber in China. Man beruft sich dabei auf eine Quelle, die gesagt habe, dass man auch die deutschen Investitionen in China zu screenen vorhabe, um die Diversifizierung voranzutreiben respektive kritische Investments dort nicht mehr zu tätigen. Was können Sie uns dazu berichten? Wie weit sind diese Überlegungen fortgeschritten? Wann soll ein Ergebnis vorliegen?

Säverin: Investitionen in China? Ich versuche herauszufinden, was Sie meinen.

Zusatzfrage: Ich meine Investitionen durch deutsche Unternehmen in China. Dabei geht es natürlich zum einen um die Absicherung - Hermes-Bürgschaften etc. pp. -, aber natürlich auch um die Frage, ob man auch dort direkt eingreifen könnte, so zumindest die Meldung der Kollegen.

Säverin: Das wirtschaftspolitische Ziel, das auch immer wieder formuliert wurde, ist, dass sich die Unternehmen hinsichtlich ihres Investments, ihres außenwirtschaftlichen Engagements und ihrer Lieferquellen diversifizieren. Es ist erklärte Politik der Bundesregierung und insbesondere des BMWK, die Unternehmen erst einmal darauf hinzuweisen, dass das ein wichtiges Thema ist und dass die Investoren künftig danach fragen werden, ob die Lieferquellen eines Unternehmens tatsächlich nur in China zu suchen sind oder ob sich das Unternehmen breiter aufgestellt hat. Das ist ein Geschäftsrisiko, hinsichtlich dessen zunehmend auch von den Investoren nachgefragt wird. Unsere Aufgabe besteht zurzeit darin, dafür eine Sensibilität zu erzeugen. Die China-Strategie, die innerhalb der Bundesregierung unter Federführung des Auswärtigen Amtes gemeinsam erarbeitet wird, wird möglicherweise auch darauf eingehen.

Dann gibt es ja auch das Instrument der Investitionsgarantien. Das ist ein außenwirtschaftliches Instrument, das für alle Länder gilt. Wenn ein Unternehmen zum Beispiel in einem Land investieren möchte, in dem es nicht sicher sein kann, dass es nicht enteignet wird, und in dem gewisse Investorenerwartungen durch Eingriffe des Staates in Gefahr sind, gibt der Staat unter gewissen, sehr strengen Voraussetzungen eine Investitionsgarantie. Das galt auch immer für China. Für China sind auch immer viele Investitionsgarantien vergeben worden. Die werden natürlich gegen Gebühr vergeben. In dem Augenblick, in dem dort ein vorher in den Versicherungsbedingungen genannter Schaden eintritt, springt der Bund dafür ein. Diese Instrumente werden natürlich auch diversifiziert. Sehr viele dieser Investitionsgarantien sind in den vergangenen Jahren - das kann man im Jahresbericht von Euler Hermes nachlesen - nach China gegangen, und es ist so, dass wir dabei jetzt darauf achten, dass die Unternehmen eben nicht nur Geschäfte in China abdecken oder sich dort engagieren, sondern dass auch dort eine Diversifizierung eintritt. Das werden wir dann natürlich auch in den Investitionsgarantien nachvollziehen.

Zusatzfrage: Die aktuellen Garantien werden ja auch berichtet. Dabei zeichnet sich ab, dass es im Rahmen von Reshoring deutlich mehr Investitionsgarantien zugunsten der Türkei gibt. Welchen Gewinn erzielt die Bundesregierung aus Sicht des BMWK dadurch, sich weniger von der einen Diktatur abhängig zu machen und sich jetzt von der sehr fragwürdigen Demokratie in der Türkei stärker abhängig zu machen?

Säverin: Es geht nicht um Abhängigkeit. Es geht darum, deutsche Unternehmen auf vielen Märkten - ich betone: auf vielen Märkten - aktiv werden zu lassen, darum, dass sie sich Märkte erschließen, und zwar auch Märkte, in denen besondere beziehungsweise schwierige wirtschaftliche und politische Bedingungen herrschen. Dieses Instrument ist kein Instrument dafür, eine Abhängigkeit zu schaffen, sondern das wird jetzt im Gegenteil gerade so neu justiert, dass dort eine Diversifizierung eintritt. Die Bedingungen für solche Investitionsgarantien sind auch sehr streng. Die werden an Menschenrechte gebunden, an Umweltstandards, an Arbeitsstandards. Es ist auf unserer Webseite ganz gut beschrieben, welche Kriterien dabei angelegt werden, und das gilt natürlich für die Türkei ebenso wie für China und für andere Länder.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Büchner und Frau Sasse zur Situation in Großbritannien, auch wenn die englische Königin beziehungsweise zukünftig der König in der praktischen Politik keine Rolle spielt. Elisabeth II. war eine gesellschaftlich wichtige Integrationsfigur, die dazu beigetragen hat, dass Friktionen innerhalb der britischen Gesellschaft und auch im europäischen Kontext ein Stück weit eingehegt werden konnten. Befürchten Sie, dass durch ihren Tod und den Wechsel auf dem Königsthron diese Rolle zukünftig nicht mehr so wahrgenommen werden kann? Werden dann Spannungen und Konflikte, die auch Auswirkungen auf das deutsch britische oder europäische politische Gefüge haben könnten, wieder zunehmen?

SRS Büchner: Der Bundeskanzler hat sich ja wie eingangs erwähnt gerade zum Tod der britischen Königin geäußert und hat ihrem Nachfolger, Charles III., die Kraft, das Geschick und das nötige Glück für sein neues Amt gewünscht. Großbritannien ist einer der engsten Partner Deutschlands, und es gibt überhaupt keine Veranlassung, darüber zu spekulieren, dass sich daran irgendetwas ändern könnte.

Frage: Ich wollte noch einmal kurz zum Thema von vorhin zurückkommen, Herr Säverin. Ich beziehe mich ebenfalls auf diesen Reuters-Bericht. Darin hieß es ja auch, dass ein Screening nicht nur von chinesischen Unternehmen geplant sei, die in Deutschland investieren, sondern auch von deutschen Unternehmen, die in China investieren. Können Sie bestätigen, dass es diese Überlegungen gibt? Was genau soll dieses Screening umfassen?

Es wird auch noch von einer Klage - gemeinsam mit anderen G7-Staaten oder westlichen Demokratien, glaube ich – vor der Welthandelsorganisation gegen Chinas unfaire Handelspraktiken gesprochen. Vielleicht können Sie dazu auch noch etwas sagen.

Säverin: Nein, das kann ich nicht bestätigen. Ich weiß nicht genau, was Sie unter dem Begriff Screening verstehen. Aber dass deutsche Investitionen in China unter Verdacht oder unter Kontrolle gestellt werden, kann ich nicht bestätigen.

Zu Konflikten mit China im Kontext der WTO: Das habe ich nicht im Kopf. Wenn ich dazu etwas nachliefern kann, würde ich das tun. Das kann ich nicht improvisieren.

Zusatzfrage: Noch einmal zum Screening: Es gibt ja dieses Investitionsscreening, das auf europäischer Ebene vor ein paar Jahren aufgesetzt wurde und an dem sich Deutschland auch sehr beteiligt, das eben genau kontrolliert, welche chinesischen Investitionen zum Beispiel in den Hafen, wonach ja vorhin gefragt wurde, vorgenommen werden. Das ist jetzt laut dem Bericht auch für deutsche Unternehmen geplant, die in China investieren. Ich weiß jetzt auch nicht genau, was damit gemeint ist. Ich hatte gehofft, dass Sie etwas mehr dazu sagen können. Vielleicht können Sie etwas nachliefern, wenn Sie mehr dazu sagen können.

Säverin: Zu diesem Begriff - Outbound-Investitionen, glaube ich - ist mir nichts bekannt. Das kann ich nicht bestätigen. Wenn es dazu irgendetwas gibt, was mich wundern sollte, dann würde ich das auf jeden Fall nachliefern.


Frage: Ich habe noch eine Frage an Frau Lauer vom BMDV zu Schenker. Es gibt jetzt einige Berichte über den Verkauf von Schenker, das aus dem DB-Konzern herausgelöst werden soll. Bestätigen Sie das? Wenn ja, wie kann der DB-Konzern finanziert werden, wenn sozusagen die Cashcow herausgelöst wird?

Wenn ich es richtig gelesen habe, sollen 15 Milliarden Euro durch den Verkauf erlöst werden. Ist das überhaupt ausreichend, wenn in die Infrastruktur investiert werden soll?

Lauer: Frau Landwehr, das kann ich ganz kurz machen: Berichte über einen möglichen Verkauf von Schenker kommentieren wir aktuell nicht.


Frage: Unabhängig von der Frage, ob Schenker jetzt verkauft wird oder nicht, sind Einnahmen, die Schenker erzielt, ja bislang durchaus eingeplant und haben natürlich auch etwas mit den Bundeszuwendungen zu tun. Wir sprachen ja kürzlich erst über die 500 Millionen Euro plus der einen Milliarde. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, ist Schenker ja durchaus ein Gewinnbringer im DB Konzern. Das hätte natürlich auch Rückwirkungen auf eben das, was der Bund der Band gegebenenfalls zur Verfügung stellen muss. Wie hoch ist denn aus Ihrer Sicht momentan der Investitionsbedarf, den die Bahn hätte und hinsichtlich dessen möglicherweise auch durch einen solchen Verkauf profitiert werden könnte?

Lauer: Wir wollen ja über die gesamte Legislaturperiode hinweg mehrere Milliarden Euro in die Bahn investieren. Im aktuellen Haushalt sind es, glaube ich, etwas mehr als 2 Milliarden Euro. Wie sich ein möglicher Verkauf von Schenker darauf auswirken könnte, kann ich Ihnen aktuell nicht sagen.

Zusatzfrage: Entscheidet der Minister denn mit, ob solch ein Verkauf stattfindet, also zumindest indirekt über die entsprechenden Gremien, oder ist das eine Sache, die jetzt ausschließlich bei der Bahn als Bahn liegt?

Lauer: Dazu kann ich aktuell nichts sagen.