im Wortlaut
Themen: Reise der Außenministerin nach Bukarest und Lodsch, Proteste gegen die COVID-Politik in mehreren chinesischen Städten, geplante Novellierung des Staatsangehörigkeitsrechts, Medikamentenversorgung, Treffen auf Beamtenebene mit Vertretern der Rüstungsindustrie im Bundeskanzleramt, Einbestellung des deutschen Botschafters im Iran
18 Min. Lesedauer
- Mitschrift Pressekonferenz
- Montag, 28. November 2022
Sprecher: StS Hebestreit, Sasse (AA), Gülde (BMG), Kall (BMI), Baron (BMWK), Collatz (BMVg)
Vorsitzende Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Hebestreit sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.
Sasse: Ich kann Ihnen eine Reise ankündigen, die Herr Burger in der vergangenen Woche schon kurz angedeutet hat. Außenministerin Baerbock wird morgen und übermorgen am Treffen der Nato-Außenministerinnen und -Außenminister in Bukarest teilnehmen.
Im Anschluss daran wird sie zum Ministerrat der OSZE weiterreisen, der in diesem Jahr in Lodsch in Polen stattfindet. An diesem Ministerrat der OSZE wird Außenministerin Baerbock am 1. Dezember teilnehmen.
Frage: Ich hätte ganz gerne gewusst, Herr Hebestreit, ob Sie die Entwicklung in China mit den Demonstrationen gegen die Zero-COVID-Strategie kommentieren können.
StS Hebestreit: Wir haben die Meldungen von den Protesten in mehreren großen chinesischen Städten natürlich zur Kenntnis genommen, auch Berichte über teilweise gewaltsames Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten vor Ort.
Nach drei Jahren der Pandemie muss man vielleicht sagen, dass Europa und Deutschland sehr gute Erfahrungen damit gemacht haben, mRNA-Impfungen vorzunehmen. Der Bundeskanzler hat das bei seinem jüngsten Aufenthalt in China vor etwas mehr als drei Wochen auch dort noch einmal seinen Gesprächspartnern deutlich gemacht. Es gibt ja auch ein Joint Venture von BioNTech und einem chinesischen Unternehmen. Da versucht man jetzt auch voranzukommen.
Des Weiteren kann ich nur sagen: Wir beobachten die Entwicklung natürlich weiter sehr genau. Aber mehr kann ich dazu zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht sagen.
Zusatzfrage: Vor zwei Jahren war es ja so, dass die chinesische Führung die COVID-Strategien auch zum Systemvergleich genutzt hat und gesagt hat, dass autoritäre Länder wie China besser durch die COVID-Pandemie kommen. Würden Sie sagen, dass man jetzt sieht, dass freie Demokratien besser durch die COVID-Pandemie kommen?
StS Hebestreit: Ich würde mich da von dieser Stelle aus um gar kein Urteil bemühen. Ich glaube, es ist für die ganze Welt eine sehr, sehr harte Herausforderung gewesen, diese Pandemie zu erleben. Das hat massivste Auswirkungen. Ich weiß, dass Sie hier vor wenigen Minuten schon eine Veranstaltung des Deutschen Ethikrates hatten, der sich auch zu den Auswirkungen, die das bei uns im Land gehabt hat, und auch zu den langfristigen Auswirkungen geäußert hat. Das war für alle Länder auf der Welt, glaube ich, eine sehr schwierige Situation. Wir sind jetzt in der Phase, in der wir mit der Bearbeitung dieser Probleme, also mit den Aufräumarbeiten, wie ich es nennen möchte, zu tun haben. Andere sind noch nicht so weit.
Frage: Frau Sasse, inwieweit hören Sie von den Vertretungen in China von Verhaftungen? Wie besorgt sind Sie um die Sicherheit der Demonstranten?
Sasse: Ich muss Sie um Verständnis bitten, dass ich den Ausführungen von Herrn Hebestreit an dieser Stelle inhaltlich nicht wirklich etwas hinzuzufügen habe. Ich kann Ihnen sagen, dass unsere Botschaft in Peking ebenso wie unsere anderen Auslandsvertretungen in China die Lage natürlich weiterhin aufmerksam beobachtet. Im Übrigen schließe ich mich den Worten von Herrn Hebestreit an.
Frage: Planen Sie, den chinesischen Botschafter in Deutschland wegen der Vorgänge gegen Journalisten in China einzubestellen?
Sasse: Darüber kann ich Ihnen heute keine Informationen geben oder nichts Derartiges berichten.
Frage: Ich habe noch einmal eine Frage an das Gesundheitsministerium zu BioNTech und der Kooperation, die es da ja schon gibt. Das darf ja in China für Ausländer eingesetzt werden, aber nicht für die Chinesen selbst. Können Sie uns sagen, wie die Gespräche laufen? Ich frage deswegen, weil es bei dem Besuch des Kanzlers ja zwei Komponenten gab. Die eine war BioNTech in China selbst. Außerdem sagte der Kanzler auch zu, dass man mit der EMA über das Zulassungsverfahren chinesischer Impfstoffe in Europa sprechen werde.
Gülde: Ich muss ganz offen gestehen, und Herr Hebestreit hat es ja gerade ausgeführt: Es gibt Gespräche zwischen China und BioNTech selbst. Diese Gespräche laufen zurzeit noch. Mir liegt jetzt kein aktueller Stand dazu vor.
Was ein Zulassungsverfahren für den chinesischen Impfstoff bei der EMA anbelangt, gibt es ein reguläres Verfahren für die Zulassung von Impfstoffen. Das hat auch die EMA immer wieder gesagt. Ob es da jetzt einen neuen Anlauf seitens der Hersteller gibt, müsste ich Sie bitten, bei der EMA zu erfragen.
Zusatz: Ich frage nach, weil der Kanzler so klang, als ob die Bundesregierung diesen Anstoß vielleicht geben würde.
Gülde: Mir ist nicht bekannt, dass es ein solches Verfahren bei der EMA gibt.
StS Hebestreit: Vielleicht kann ich, um das ein bisschen zu ergänzen, „unter drei“ gehen.
[Teil „unter Drei“]
Vorsitzende Welty: Gibt es dazu Nachfragen „unter drei“? - Das ist nicht der Fall. Dann gehen wir wieder „unter eins“.
Frage: Ich habe eine Frage an das Innenministerium zu der Diskussion um das neue Einwanderungsrecht. In welchem Stadium befindet sich der Gesetzentwurf jetzt? Wann ist von der Prozedur her mit der Verabschiedung zu rechnen? Wann kann er in den Bundestag und den Bundesrat kommen, und wann könnte er Ihrer Vorstellung nach in Kraft treten?
Kall: Vielen Dank für die Frage. Der Gesetzentwurf zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts ist, wie am Freitag gesagt, so gut wie fertig. Er ist bei uns im Bundesinnenministerium erarbeitet worden und wird in Kürze - ich denke, in den nächsten Tagen - in die Ressortabstimmung gehen, also innerhalb der Bundesregierung abgestimmt werden, und soll dann bald im Kabinett behandelt werden.
Alles Weitere nach dem Kabinettsbeschluss liegt dann natürlich in der Hand des Deutschen Bundestages, sodass ich hier keinen kompletten Zeitplan vorstellen kann. Aber so ist es geplant.
Zusatzfrage: Ist der Abstimmungsprozess in der Bundesregierung vorangeschritten? Gibt es Einwände zum Beispiel seitens des Justizministers?
Kall: Wie gesagt, beginnt die Ressortabstimmung erst. Aber wir reden über ein Vorhaben, das im Koalitionsvertrag sehr detailliert vereinbart ist. Auch die Jahreszahlen für Einbürgerungen und all das stehen im Koalitionsvertrag. Insofern sind wir sehr optimistisch, was die weitere Abstimmung angeht.
Zusatzfrage: Ist angesichts der jetzigen Lage und zum Beispiel der Sanktionen gegen Russland und auch russische Staatsbürger in dem Gesetzentwurf eventuell vorgesehen, dass Bürger bestimmter Staaten angesichts der Politik dieser Staaten bei dem Prozess der Einbürgerung benachteiligt werden können?
Kall: Ich kann jetzt noch keine fachlichen Fragen zu einem Gesetzentwurf, der noch gar nicht in der Ressortabstimmung ist, sondern zu dem die Abstimmung gerade erst beginnt, beantworten. Dafür bitte ich um Verständnis.
Aber grundsätzlich geht es bei der Einbürgerung immer um die einzelne Person, die eingebürgert werden soll. Der Entwurf knüpft, wie es im Koalitionsvertrag angelegt ist, gerade an die Integrationsleistungen der einzelnen Person an, an die Sprachkenntnisse, an die Integration in Deutschland, und soll genau diese Integration honorieren. Insofern hat es viel mit den einzelnen Personen, die Deutsche werden wollen, zu tun, aber, denke ich, weniger mit anderen Faktoren.
Frage: Herr Kall, es gibt dazu auch kritische Stimmen. Sie haben zwar eben schon darauf hingewiesen, dass das Vorhaben im Koalitionsvertrag erwähnt wird. Aber aus der FDP gibt es Kritik. Hat sie Sie überrascht?
Kall: Wir können dazu nur sagen, dass wir den Koalitionsvertrag, die Vereinbarungen zum Staatsangehörigkeitsrecht, genau so umsetzen, wie sie getroffen wurden. Das ist ein zentrales Vorhaben dieser Koalition, verbunden mit dem klaren Bekenntnis dazu, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und sich dies auch in unserer Rechtsordnung niederschlagen muss. Das entspricht, wie gesagt, sowohl dem Koalitionsvertrag als auch der gemeinsamen Arbeitsplanung der Innenpolitikerinnen und Innenpolitiker der Ampelkoalition.
Frage: Die FDP kritisiert vor allem den Zeitpunkt der Einführung und hält sie für derzeit nicht sinnvoll. Ist es technisch kompliziert, das Verfahren zu verschieben, oder könnte man zum Beispiel die Ressortabstimmung jetzt laufen lassen und die Verabschiedung verschieben?
Kall: Die Verabschiedung eines Gesetzes im Deutschen Bundestag obliegt dem Deutschen Bundestag. Darüber, wann ein Gesetz verabschiedet wird, entscheiden letztlich die Fraktionen und die Abgeordneten. Wir als Bundesregierung legen den Gesetzentwurf vor. Aus unserer Sicht ist dafür ein guter Zeitpunkt. Es hat eine gewisse Zeit gebraucht, einen so komplexen und so grundlegend neuen Gesetzentwurf zu erarbeiten. Diesen legen wir in Kürze vor.
Zusatzfrage: Zieht das Innenministerium angesichts der Kritik aus der FDP in Erwägung, das Verfahren zu verschieben oder zu vertagen?
Kall: Da kann ich nur noch einmal sagen: Das entspricht genau so dem Koalitionsvertrag. Es ist ein zentrales Vorhaben, und es entspricht auch der gemeinsamen Arbeitsplanung der Innenpolitikerinnen und Innenpolitiker.
Frage: Herr Kall, gehen Sie davon aus, dass das Gesetz so, wie es jetzt angelegt ist, im Bundesrat zustimmungspflichtig sein wird? Dazu gab es unterschiedliche Aussagen.
Kall: Wir gehen davon aus, dass es so, wie es jetzt angelegt ist, im Bundesrat nicht zustimmungsbedürftig ist.
Frage: Herr Kall, vielleicht können Sie eine Wissenslücke bei mir schließen. Der Koalitionsvertrag liegt mir jetzt nicht vor. Ist es wirklich so, dass diese Zeitspannen - fünf Jahre, drei Jahre - und auch die doppelte Staatsbürgerschaft da hineingeschrieben wurden?
Kall: Ja. Das steht genau so darin.
Frage: Ich habe eine Frage an das BMG. Es gibt immer mehr Berichte darüber, dass es offensichtlich dramatische Probleme mit der Medikamentenversorgung gebe. Wie schätzt man dieses Problem in der Bundesregierung ein, und wie will man ihm begegnen?
Gülde: Vielen Dank für die Frage. Zum Thema von Lieferengpässen hat sich Herr Minister Lauterbach vielfach geäußert. Aktuell gibt es einige Lieferengpässe bei einigen Medikamenten, aber - das muss man vielleicht dazusagen - es gibt keine Versorgungsengpässe, die wir im Augenblick sähen. Das heißt, wir haben Strukturen, zum Beispiel den Beirat beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Wir haben auch Werkzeuge zur Substitution von Medikamenten, die zurzeit nicht lieferbar sind, an der Hand. Es gibt die Möglichkeit des Imports. Diese Werkzeuge wirken tatsächlich.
Trotzdem ist die Situation, in der wir uns gerade befinden, unbefriedigend. Deswegen planen wir, das Vergaberecht zu ändern. Ziel ist es, die Lieferketten so zu diversifizieren, dass die Abhängigkeit von einzelnen Herstellern abnimmt. Minister Lauterbach hat sich dazu einmal geäußert. Ich darf ihn kurz zitieren:
„Es kann nicht sein, dass wir versuchen, bei den Wirkstoffen zum Teil ein paar Cent zu sparen, riskieren dann aber dafür die Versorgung der Bevölkerung.“
Zusatzfrage: Heißt das, dass Sie konkrete Schritte unternehmen, um die Versorgung wieder europäisch zu organisieren?
Gülde: Wie gesagt, planen wir zurzeit, das Vergaberecht zu ändern.
Frage: Ich weiß nicht, ob meine Frage an das Gesundheits- oder das Wirtschaftsministerium geht. Eine Maßnahme, um den Mangel abzustellen, war ja auch, Produktion nach Deutschland zurückzuverlagern. Ich weiß nicht, ob das Wirtschaftsministerium darauf eher antworten kann. Was wurde unternommen, um sicherzustellen, dass mehr von den Arzneimitteln, die dringend benötigt werden, wieder hier in Deutschland oder in Europa produziert werden?
Baron: Ich kann dazu nicht viel beitragen. Wir hatten ja Programme in der Coronakrise aufgelegt – Sie kenne diese -, die Unterstützung bei der Produktion von Masken gegeben haben, vor allem bei der Produktion von Medizinproduktbestandteilen. Diese Projekte liefen, wie gesagt, in der Coronazeit und sind sozusagen abgeschlossen. Das betrifft aber, glaube ich, nicht den Fall der Impfstoffherstellung.
Zusatzfrage: Es gibt also keine Hilfen für die Wiederansiedlung von Arzneimittelproduktionen in Deutschland?
Baron: Meines Wissens nicht. Ich prüfe das aber gerne noch einmal. Die Programme, die wir in der Coronakrise aufgelegt hatten, hatten eine andere Zielrichtung. Sie wissen, dass es auf europäischer Ebene immer wieder Überlegungen im Rahmen sogenannter Important Projects of Common European Interest gab. Diese Überlegungen sind nicht abgeschlossen. Das war zuletzt Gegenstand von Gesprächen zwischen Deutschland und Frankreich, und darauf ist auch Minister Habeck letzte Woche bei seinem Besuch von Minister Le Maire eingegangen. Das sind letztlich aber Themen, die noch auf europäischer Ebene vertieft werden müssen.
Frage: Herr Hebestreit, es geht um den Termin zum Thema Munitionsbeschaffung heute im Kanzleramt. Wer ist denn dabei? Wie wird danach kommuniziert? Geht es vielleicht vor allem um Munition für die Panzerhaubitze 2000?
StS Hebestreit: Ich habe das auch gelesen. Das ist eigentlich eher ein Routinetermin auf Beamtenebene, der dort stattfindet. Ich habe auch gelesen, wer daran angeblich alles teilnehmen sollte. Das ist immer auf Beamtenebene geplant gewesen. Das kommt ab und zu vor. Natürlich sind es im Kern im Augenblick die Munitionsfragen, die uns alle beschäftigen. Dabei geht es perspektivisch vor allem darum, dass die Bundesregierung und der Bundestag 20 Milliarden Euro etwa des Sondervermögens aufwenden wollen, um die Munitionsbestände der Bundeswehr in den kommenden Jahren aufzustocken - etwas, für das in den letzten Jahren leider das nötige Geld gefehlt hat. Es geht um grundsätzliche Produktionsfragen, wie schnell, wie kontinuierlich man so etwas produzieren kann. Das ist aber ein Treffen auf Beamtenebene - dazu kommunizieren wir gar nicht – und auch eher ein Informationsgespräch. Das zu einem Gipfel und zu einem Kanzlertermin hochzustilisieren - - - Jeder, der die Termine des Bundeskanzlers am Freitag verfolgt hat, weiß, was er heute macht. Mehr habe ich dazu auch gar nicht zu sagen.
Zusatzfrage: Darf ich trotzdem eine Zusatzfrage stellen?
StS Hebestreit: Aber natürlich.
Zusatzfrage: Ist denn die Rüstungsindustrie heute dabei? Heute Morgen habe ich gehört, dass man auch in der Koalition sagt: Wenn die deutsche Rüstungsindustrie es nicht schafft, so schnell zu produzieren, würde man durchaus überlegen, ob man auch im Ausland bestellen könnte.
StS Hebestreit: Das ist heute ein Termin mit Vertretern der deutschen Rüstungsindustrie.
Frage: Sie haben jetzt „Routinetreffen“ gesagt. Können Sie bestätigen, dass auch Staatssekretäre teilnehmen?
StS Hebestreit: Das kann ich nicht. Das kann ich aber auch nicht ausschließen. Ich weiß, dass das Treffen im Kanzleramt auf Beamtenebene stattfindet, nicht auf Staatssekretärsebene.
Zusatzfrage: Wenn das Kanzleramt so einen Termin macht – das könnte ja normalerweise auch das BMVg machen -, heißt das, dass man trotzdem, auch wenn es kein Gipfeltreffen ist, eine gewisse Dringlichkeit sieht, die verschiedenen Stellen in der Bundesregierung dazu zu bewegen, sich dieses Themas etwas energischer anzunehmen?
StS Hebestreit: Nein. Ich glaube, es gibt auch solche Treffen auf Ebene des Verteidigungsministeriums. Da würde ich diese Schlüsse, die Sie gezogen haben, ausdrücklich nicht ziehen. Es gibt eine enge Koordination innerhalb der Bundesregierung zu all den Fragen, die uns bewegen. Jedes einzelne Ressort macht seine Arbeit ganz genauso und parallel dazu.
Frage: Herr Hebestreit, Herr Collatz, könnten Sie sagen, in welchen Bereichen die Munition fehlt und für wie viele Kampftage die Bundeswehr derzeit Munition hat?
StS Hebestreit: Ich weiß sehr genau, dass wir die letzte Frage nicht beantworten werden. Nicht, weil wir es nicht können, sondern weil das auch eine Information ist, die eingestuft ist.
In welchen Bereichen es fehlt, mag vielleicht Herr Collatz genauer aufschlüsseln. Ich glaube, ich würde es pauschal sagen: überall.
Collatz: Das kann ich von meiner Seite natürlich so nur doppelt unterstreichen. Zu genauen Munitionsbeständen sagen wir natürlich aus Gründen der militärischen Sicherheit nichts.
Vielleicht noch ergänzend zu den anderen Fragen: Richtig ist, dass natürlich auch das Verteidigungsministerium routinemäßig Industriedialoge durchführt. Wir stehen dabei in einem engen Austausch, zuletzt im Oktober.
Ich kann auch noch kurz skizzieren, dass wir natürlich auch für die Munitionsbeschaffung in den vergangenen Haushaltsverhandlungen entsprechende Summen ausgegeben haben. Ich habe mir diese einmal vorlegen lassen, um die Entwicklung deutlich zu machen: Wir haben zum Beispiel 2015 aus dem regulären Haushalt 296 Millionen Euro für Munitionsbeschaffung vorgesehen. Drei Jahre später, also 2018, waren es schon 400 Millionen Euro, 2021 - noch einmal unterstrichen: aus dem regulären Haushalt – 700 Millionen Euro und im letzten Jahr – und das, obwohl es lange Zeit ein unter vorläufiger Haushaltsführung befindliches Jahr war - 763 Millionen Euro planerischen Ausgaben für Munition. Für das Jahr 2023 - der Haushalt wurde ja gerade erst beschlossen – haben wir 1,125 Milliarden Euro für Munitionsbeschaffung vorgesehen. Dazu kommt dann noch die Beschaffung aus dem Sondervermögen. Das hat Herr Hebestreit ja eben deutlich angesprochen.
Zusatzfrage: Herr Collatz, ich wollte Sie einmal fragen, wie es die militärische Führung der Armee zulassen konnte, dass sie nach wenigen Tagen nicht mehr kampffähig ist, weil die Munition ausgeht.
Collatz: Ich kann Ihnen zu den Zahlen und auch zu den Tagen der Durchhaltefähigkeit hier nichts sagen. Das habe ich eben deutlich unterstrichen. Sie können natürlich davon ausgehen, dass sowohl die militärische als auch die politische Führung der Bundeswehr wie auch die gesamte Regierung alles tut, um die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr entlang ihrer Auftragslinien bestmöglich aufrechtzuerhalten.
Frage: Herr Collatz, Sie haben noch einmal das Sondervermögen angesprochen. Können Sie näher erklären, welche Summen aus dem Sondervermögen für Munition ausgegeben werden? Die Ministerin hatte ja F-35-Bewaffung und Drohnenbewaffnung angesprochen. Die Wehrbeauftragte Frau Högl hat moniert, dass im Grundsatz Munition aus dem laufenden Haushalt und eben nicht aus dem Sondervermögen finanziert werde.
Collatz: Herr Helmbold und auch Herr Thiels haben Ihnen ja hier die Mechanik, die hinter diesen Haushaltsprozessen steht, noch einmal sehr deutlich und sehr ausführlich vorgetragen. Da möchte ich nichts wiederholen.
Was aber Ihre Frage angeht, möchte ich darauf hinweisen, dass es dort eine Aufgabenaufteilung zwischen dem laufenden Haushalt eines Jahres und dem Sondervermögen gibt. Beim Sondervermögen sehen wir auf Zukunftsprojekte und die Munition dazu, während wir beim Bestand der Bundeswehr auf den jährlichen Haushalt schauen.
Zusatzfrage: Zum Thema Beschaffung gab es ja jetzt auch über das Wochenende und im „Bericht aus Berlin“ eine Diskussion. Die Rüstungsindustrie sagt: Ohne Bestellung keine Kapazitätsaufbauten in der Produktion. Herr Klingbeil und auch andere haben zum Beispiel gesagt, eigentlich hätte die Rüstungsindustrie spätestens ab der Zeitenwende rege Produktionskapazitäten aufbauen müssen. Wie bewertet das Ministerium die Versorgungsmöglichkeiten über die heimische Rüstungsindustrie?
Collatz: Wie ich ja ausgeführt habe, sind wir im kontinuierlichen Dialog mit der Rüstungsindustrie. Da, glaube ich, kann man auch nicht von der Rüstungsindustrie sprechen, weil es durchaus Firmen gibt, die hier in Vorleistung treten und Produktionskapazitäten ausbauen, während andere eher reaktiver sind und auf ein konkretes Auftragsmanagement warten. Da kennen Sie die Mechanismen. Wir können auch erst ganz formell bestellen, wenn der Haushalt genehmigt ist.
Zusatzfrage: Und wie bewerten Sie die Lage mit Blick auf Munition?
Collatz: Genauso. Es ist ein sehr heterogenes Bild.
Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Collatz, und zwar noch einmal zu den Patriots. Herr Collatz, jetzt hat der Nato-Generalsekretär gesagt, das sei gar nicht Entscheidung der Nato, sondern der Bundesregierung, und hat den Ball sozusagen an Sie zurückgespielt. Ich wollte von Ihnen einmal hören, wie das jetzt eigentlich mit dieser Forderung aus Polen weitergeht und wie das jetzt innerhalb der Bundesregierung gehandhabt wird.
Collatz: Erst einmal gibt es das Signal, dass wir selbstverständlich unser Angebot an unsere polnischen Freunde aufrechterhalten und sie gern dabei unterstützen, wenn es denn gewünscht ist, den polnischen Luftraum gegen Einwirkungen von außen zu verteidigen, sowohl durch Patriots als auch durch die Verstärkung im Air Patrolling. Beide Angebote sind natürlich nach wie vor durch uns aufrechtzuerhalten.
Das Andere ist das Zitat des Nato-Generalsekretärs, das Sie anführen. Ich habe mir das noch einmal durchgelesen. Ich lese es anders. Er hat deutlich gemacht, dass es natürlich Sache der Nationen ist zu entscheiden, was abgegeben werden kann. Bei den Patrioten ist es so - das hat die Ministerin auch stets deutlich gemacht; auch der Generalinspekteur hat das deutlich gemacht -, dass sie integraler Bestandteil der Nato-Luftverteidigung sind. Das ist unser Beitrag zur Nato-Luftverteidigung. Wir stehen hier auch gegenüber unseren Partnern in der Verpflichtung, diese Kräfte zum Beispiel für nächstes Jahr in die Hochreaktionskräfte, also VJTF, einzubringen. Dementsprechend liegt es selbstverständlich bei uns, zu entscheiden, wie wir diese Verpflichtungen wahrnehmen. Es bleibt dabei, dass wir diese Kräfte brauchen, um diese Verpflichtungen auch erfüllen zu können. Deswegen besteht hohes Interesse daran, diese Patriot-Kräfte im System Nato zu behalten.
Zusatzfrage: Das heißt doch im Grunde genommen, dass Sie dann diese Forderung oder Idee aus Polen für nicht durchführbar halten. Richtig?
Collatz: Ich habe deutlich gemacht, wie unsere Position ist, dass wir das Angebot aufrechterhalten. Ich denke, das haben wir alle auch zur Kenntnis genommen, dass es jetzt in Polen einen sehr lebhaften Diskussionsprozess darum gibt, wie sich die polnische Regierung zu diesem Angebot aufstellt. Den, glaube ich, sollten wir abwarten.
Frage: Herr Collatz, eine Frage - sie schließt sich da an: Wenn Munition Mangelware ist, wie sieht es dann mit der Zusage an die Ukraine aus, sie weiter mit militärischen Gütern zu versorgen? Ohne Munition macht das Ganze ja nicht so viel Sinn. Wie werden Sie da vorgehen? Können Sie die Zusage halten, und was heißt das eigentlich für die Produktion - Ukraine first oder Bundeswehr first?
Collatz: Ich weiß jetzt nicht, welche Zusagen Sie genau ansprechen. Ich kann nur deutlich machen, dass wir - und das ist nichts Neues - immer abwägen müssen, was aus Beständen der Bundeswehr geliefert werden kann und was nicht, und was aus Beständen der Rüstungsindustrie kommen muss. Bei Munition sehen wir insbesondere auf Letzteres.
Zusatzfrage: Wo geht dann die Priorität hin - wieder Munitionsversorgung für die eigene Truppe oder für die Ukraine?
Collatz: Es ist hier immer abzuwägen, genauso wie bei den Patrioten, was die Verpflichtungen sind, die wir gegenüber unseren Partnern in der Nato haben, und was die Verpflichtungen sind, die wir uns selbst gegenüber der Ukraine auferlegen. Das ist im Einzelfall zu entscheiden, und das kann ich hier nicht pauschal so sagen.
Frage: Ich würde ganz gern Frau Sasse noch einmal im Zusammenhang mit dem UN-Menschenrechtsrat fragen. Im Zusammenhang mit der Sitzung zum Iran hat der Iran den deutschen Botschafter Muzel einbestellt. Plant das Auswärtige Amt im Gegenschritt, dass auch der iranische Botschafter hier einbestellt wird?
Sasse: Zunächst einmal, haben Sie zu Recht die Resolution im Menschenrechtsrat hier angesprochen, auf die, soweit ich weiß, Herr Burger am Freitag schon ausführlicher eingegangen ist. Deswegen gibt es an dieser Stelle keine Details mehr dazu.
Sie wissen, dass wir es mit Gesprächen im Auswärtigen Amt so handhaben, dass wir darüber nicht im Voraus berichten. Deswegen muss ich Sie um Verständnis bitten, dass ich die Frage hier nicht in Ihrem Sinne beantworten kann.
Frage: Frau Sasse, können Sie denn bestätigen, dass der deutsche Botschafter im Iran einbestellt wurde?
Sasse: Ja, das kann ich bestätigen.