Rede des Bundesministers des Innern, Thomas de Maizière,

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Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich bringe einen Gesetzentwurf zur Beratung im Deutschen Bundestag ein, dem zwei grundsätzliche Erwägungen zugrunde liegen.

Erstens. Wir wollen weiterhin Menschen aus der breiten Fülle des beruflichen Lebens für die Politik gewinnen, auch für Ämter in der Bundesregierung. Eine Rückkehr in den alten Beruf oder eine andere Beschäftigung unmittelbar nach Ende eines politischen Amtes soll für diese Menschen weiterhin möglich sein.

Zweitens. Wir wollen, dass nicht der Anschein entsteht, dass aus dem Amt eines Ministers oder eines Parlamentarischen Staatssekretärs ein fachbezogener, ein besonderer Vorteil für das berufliche Fortkommen entsteht.

Mit dem Gesetz führen wir daher Anzeigepflichten und Untersagungsmöglichkeiten für die Dauer einer Karenzzeit ein; ich komme darauf gleich im Einzelnen zurück. Gleichzeitig wollen wir keine stets und starr einzuhaltende Sperrzeit für alle ehemaligen Regierungsmitglieder, wenn sie nach ihrer Zeit im Amt eine Beschäftigung aufnehmen wollen. Für den Rechtsanwalt muss es nach seiner Zeit als Minister prinzipiell eine Möglichkeit zur Rückkehr in sein Rechtsanwaltsbüro geben, ebenso für den Unternehmer, der nach seiner Zeit als Bundesminister seinen Betrieb weiterführen will. Der vorliegende Gesetzentwurf stellt deshalb nicht auf eine starre Frist ab, sondern darauf, ob durch die angestrebte Beschäftigung nach der Amtszeit ein Interessenkonflikt mit dem vorherigen Amt droht oder drohen könnte. Wenn es keinen Interessenkonflikt gibt, dann kann die neue Beschäftigung unmittelbar nach Beendigung des Amtes des Bundesministers oder des Parlamentarischen Staatssekretärs aufgenommen werden.

Wenn es aber einen Interessenkonflikt gibt beziehungsweise – strenger sogar – wenn ein Interessenkonflikt zu besorgen ist, kann die Bundesregierung die angestrebte -Beschäftigung für die Dauer von zwölf bis 18 Monaten untersagen. Die Bundesregierung trifft ihre Entscheidung selbst, aber sie trifft sie auf der Grundlage der Empfehlung eines beratenden Gremiums, dessen Mitglieder die politischen Zusammenhänge aus eigener Erfahrung kennen und die Fälle gut beurteilen können. Die Entscheidung der Bundesregierung muss zusammen mit der Empfehlung des Gremiums veröffentlicht werden. Die Empfehlung des Gremiums wird dadurch ein überragendes Gewicht bei der Entscheidung bekommen. Wir schaffen damit ein Verfahren, in dem jeder die Entscheidung über die Untersagung einer Beschäftigung einfach nachvollziehen kann. Kommt es zu einer solchen Untersagung, soll ihre Dauer in der Regel ein Jahr nicht überschreiten. In Ausnahmefällen kann sie aber auch bis zu 18 Monate betragen. Wir orientieren uns damit am bestehenden Regelwerk, etwa am Verhaltenskodex der EU-Kommission, der ebenfalls eine bis zu 18 Monate dauernde Karenzzeit für ausscheidende Kommissionsmitglieder vorsieht.

Die Anzeigepflicht trifft jedes amtierende und ehemalige Mitglied der Bundesregierung, Parlamentarische Staatssekretäre und selbstverständlich auch die Bundeskanzlerin beziehungsweise den Bundeskanzler – wer immer dieses Amt innehat. Sie gilt für alle Tätigkeiten, die in den ersten 18 Monaten nach dem Ausscheiden aus dem Amt außerhalb des öffentlichen Dienstes angestrebt werden. Der Betroffene muss, wenn die entsprechenden Gespräche ein gewisses Stadium erreicht haben, selbst über die angestrebte Tätigkeit informieren, damit das Verfahren beginnen kann. Das können selbstständige Tätigkeiten sein, freiberufliche Tätigkeiten, nichtselbstständige Tätigkeiten. Das können sogar – auch darüber gab es Debatten – unentgeltliche und sonstige Beschäftigungen sein; denn auch unentgeltliche Beschäftigungen, zum Beispiel bestimmte Ehrenämter, können massive Interessenkonflikte beispielsweise mit dem vorherigen Ministeramt auslösen, etwa wenn der Verband Fördermittel von der Bundesregierung bekommt, und zwar aus dem Ressort, aus dem der Minister stammt. Wir haben uns also für einen sehr weiten Anwendungsbereich entschieden, der nicht nur erwerbsorientierte Tätigkeiten nach Ausscheiden aus dem Amt umfasst.

Die Regelung dient damit zwei Zielen:

Erstens. Es soll bereits der Anschein einer voreingenommenen Amtsführung im Hinblick auf spätere Verwendungen oder durch die private Verwertung von Amtswissen nach dem Ausscheiden aus dem Amt verhindert werden.

Zweitens wollen wir auch – das ist ein wichtiger Punkt, der in der Debatte manchmal unterschätzt wird – die -Betroffenen vor Unsicherheiten und ungerechtfertigter Kritik schützen, nämlich dann, wenn das beratende Gremium und das Kabinett sagen, dass kein Interessenkonflikt zu befürchten ist.

Diese Regelung ist ein Eingriff in das Grundrecht der freien Berufsausübung in Artikel zwölf des Grundgesetzes. Deswegen muss sie verhältnismäßig sein und auch klug angewandt werden. Wir sind sicher, dass das mit dieser Regelung gelingt. Wir setzen auf eine flexible Regelung und auf einen transparenten Entscheidungsprozess. Ich bin mir sicher: Die Regelung wird später schon allein dadurch Wirkung entfalten, dass es sie gibt. Dadurch wird manche Überlegung, nach dem Ende der Amtszeit eine Tätigkeit anzustreben, von der man weiß, dass sie nicht genehmigt wird, erst gar nicht angestellt. Auch das wäre ein Erfolg.

Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf, um dessen weitere Beratung ich hiermit bitte, markiert das Ende einer mehr als zehnjährigen Debatte über verbindliche Regelungen für den Wechsel von Regierungsmitgliedern in die Wirtschaft. Viele der hier vorgesehenen Regelungen wären wohl nicht nötig gewesen, wenn sich manche in der Vergangenheit, gleich welcher Partei sie angehören und welcher Bundesregierung sie angehörten, anders verhalten hätten. Hier würden uns bestimmt aus allen Fraktionen entsprechende Namen einfallen. Deswegen bietet der Gesetzentwurf – das ist sozusagen meine Bitte zum Schluss – keine Gelegenheit zu parteipolitischen Auseinander-setzungen. Das fällt im Zweifel auf den, der etwas in der Richtung vorträgt, zurück. Vielmehr bietet er Anlass zu guter Beratung und zu einer breiten Zustimmung. Ich hoffe, dass wir diese sehr komplizierte Angelegenheit damit befrieden können.