Rede der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Dr. Barbara Hendricks,

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Herr Präsident!
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

An diesem Wochenende feiern wir das 30-jährige Bestehen des Bundesumweltministeriums, übrigens mit einem großen Festival, zu dem ich Sie alle herzlich einlade. Diese 30 Jahre sind eine große Erfolgsgeschichte für die Umweltpolitik in Deutschland. Sie sind eine Erfolgsgeschichte für alle Menschen, die sich für mehr Umweltschutz, für Natur- und Klimaschutz, für den Erhalt der biologischen Vielfalt und für eine nachhaltigere, gerechtere und friedlichere Welt einsetzen. Aber die Arbeit ist längst noch nicht getan. Der erneut gestiegene Haushaltsansatz berücksichtigt jedenfalls, dass wir viele Aufgaben zu lösen haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit Beginn dieser Legislaturperiode zählen Bauen und Stadtentwicklung zu den Kernaufgaben meines Ministeriums. Es ist vor allem ein Thema aus diesem Bereich, nämlich der soziale Wohnungsbau, in den wir investieren wollen und dringend investieren müssen. Das ist der Hauptgrund für den um rund 20 Prozent gesteigerten Etat gegenüber 2016.

Es ist nicht zu bestreiten: Es hat in der Vergangenheit Einschätzungen im Zusammenhang mit der demografischen Entwicklung gegeben, die wir korrigieren müssen. Die Binnenwanderung wurde unterschätzt, ebenso die Wohnbedürfnisse einer älter werdenden Gesellschaft. Was ebenfalls nicht vorhergesehen werden konnte, waren Zeitpunkt und Umfang der Zuwanderung von EU-Bürgern und von Flüchtlingen aus den Krisen- und Kriegsgebieten. Aus diesen und weiteren Gründen sind die Wohnungsmärkte in unseren Städten und Ballungsräumen sehr angespannt. Es wird dringend neuer – und vor allem bezahlbarer – Wohnraum gebraucht, mindestens 350.000 neue Wohnungen jährlich. Das ist die Aufgabe.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit über 180.000 Baugenehmigungen im ersten Halbjahr 2016 sind wir auf dem richtigen Weg, aber noch längst nicht am Ziel. Genehmigt heißt ja auch noch nicht gebaut. Mit der Wohnungsbau-Offensive setzen wir die Empfehlungen aus dem Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen und aus der Baukostensenkungskommission zügig um.

In der Haushaltsdebatte vor einem Jahr habe ich gesagt, dass wir deutlich mehr Geld in den sozialen Wohnungsbau investieren müssen. Das tun wir jetzt – und zwar richtig! Die ursprünglichen 518 Millionen Euro für den sozialen Wohnungsbau, die der Bund als Kompensationsmittel an die Länder gibt, haben wir bereits mit Wirkung für dieses Jahr, 2016, verdoppelt. Auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Ländern werden wir sie 2017 und 2018 verdreifacht haben, auf dann 1,5 Milliarden Euro im Jahr.

Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, dies auch dem Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch zu übermitteln; denn es ist ihm wahrscheinlich noch nicht bekannt. Er hatte nämlich vorgestern an dieser Stelle wortreich mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau gefordert. Damit er auf dem neuesten Stand ist, bitte ich Sie, ihm das auszurichten.

Neben diesen Mitteln stellen wir weitere 300 Millionen Euro zusätzliche Programmmittel pro Jahr für die Städtebauförderung zur Verfügung. Davon sind allein 200 Millionen Euro für einen neuen Investitionspakt „Soziale Integration im Quartier“ vorgesehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, all das zeigt: Wir lassen die Menschen nicht allein, sondern sorgen für mehr bezahlbares Wohnen. Es war und ist ein Erfolg, dass wir den Wohnungsneubau und die Förderung des sozialen Wohnungsbaus endlich aus dem Dornröschenschlaf geholt haben.

Wie Sie wissen, gibt uns das Grundgesetz die Möglichkeit zu Kompensationszahlungen nur noch bis zum Jahr 2019. Dann ist Schluss. Das könnte in vielen Bundesländern faktisch das Ende des sozialen Wohnungsbaus bedeuten. Ich will deshalb auch von dieser Stelle aus um Unterstützung dafür werben, im Rahmen der Neuverhandlungen der Bund-Länder-Finanzbeziehungen dem Bund wieder eine im Grundgesetz verankerte Kompetenz für die Förderung des sozialen Wohnraums zu geben. Ich bin überzeugt davon, dass es gut wäre, wenn Bund und Länder dauerhaft gemeinsam dafür sorgen könnten, dass der soziale Wohnungsbau nicht weiter an Boden verliert.

Aus dem einen oder anderen Land wird eingewandt, der Bund wisse doch gar nicht, wo denn Sozialwohnungen entstehen müssten. Nein, das muss der Bund auch gar nicht wissen. Es wäre schon ganz vernünftig, wenn wir wieder eine gemeinsame Kompetenz hätten und, so wie in anderen Politikfeldern auch, jährlich eine Verwaltungsvereinbarung mit den Ländern schließen würden, in der festgelegt wird, wie und auf welche Art und Weise das Geld ausgegeben wird. Wo es dann ausgegeben wird, das obliegt natürlich der Steuerung in den Ländern. Dafür braucht man dann auch die entsprechenden Investoren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit den genannten Maßnahmen stärken wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt vor Ort, in den Quartieren. Aber wir sorgen damit auch für Wachstum, wir sichern Arbeitsplätze und schaffen neue. Ich will an dieser Stelle daran erinnern, dass sich die Bau-wirtschaft bereits in der Finanz- und Wirtschaftskrise als ein Stabilitätsanker unserer Volkswirtschaft erwiesen hat. Sie ist auch jetzt ein wichtiger und verlässlicher Partner, wenn es darum geht, für bezahlbaren Wohnraum in Deutschland zu sorgen.

Auch die klassischen Aufgabenbereiche des Bundesumweltministeriums werden gestärkt, zum Beispiel die Internationale Klimaschutzinitiative. Wir wollen unserem Weg treu bleiben und Vorbild im Klima- und Umweltschutz sein. Umwelttechnologien made in Germany helfen uns dabei, unsere ambitionierten Ziele zu erreichen. Sie sind auch mit das Beste, was wir in alle Welt exportieren können, weil wir damit Wertschöpfung und Arbeit bei uns sichern, gleichzeitig weltweit den Menschen vor Ort helfen und so zur Lösung globaler Aufgaben beitragen.

Vor allem aber müssen wir unsere eigenen Hausaufgaben machen. Entwickelte Industrieländer wie Deutschland müssen vorangehen, um die in Paris vereinbarten Klimaziele zu erreichen. Das machen wir übrigens mit dem Klimaschutzplan 2050, der jetzt ressortabgestimmt wird. Es ist selbstverständlich, dass wir auf dem Weg zu einer treibhausgasneutralen Wirtschaft Systembrüche vermeiden wollen und den notwendigen Systemwandel mit Augenmaß gestalten. Das geht nur mit einem konsensualen Prozess, an dem alle beteiligt sind: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Wirtschaft, Länder und Gemeinden sowie vielfältige Verbände. Der Klimaschutzplan ist deshalb als eine Modernisierungsstrategie angelegt, die technologieoffen den Weg aus der fossilen Wirtschaftsweise aufzeigt.

Ich will ganz ehrlich sagen: Das Thema ist zu wichtig für eine polemisch geführte Debatte; das sage ich übrigens in alle Richtungen. Wir haben eine verdammt große Verantwortung, und der will ich für meinen nicht ganz unerheblichen Teil gerecht werden. Ja, es ist nicht einfach. Aber ich will etwas erreichen, und deshalb habe ich es auch nicht zugelassen, dass wir in eine ernsthafte Debatte mit den anderen Ressorts gar nicht erst eintreten.

Eine Anmerkung noch zu den Kolleginnen und Kollegen von den Grünen: Es ist ein Irrtum, dass angeblich der Wirtschaftsminister oder die Bundeskanzlerin oder sonst wer ein konkretes Enddatum für den Kohleausstieg aus dem Entwurf gestrichen hätte. Es hat im Entwurf nie ein solches Enddatum gegeben, weil ich es immer für richtig gehalten habe, dafür einen breit angelegten Dialogprozess mit allen Beteiligten zu organisieren. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, haben doch immer für sich in Anspruch genommen, die Partei der Bürgerbeteiligung zu sein. Dieser Aufgabe muss man sich aber auch stellen.

Ich war kürzlich bei der Deutschen Post DHL, als sie ihren 1.000. Street Scooter vorgestellt hat. Es ist schon ungewöhnlich, dass sich ein Unternehmen die Autos, die es braucht, selbst bauen muss, weil es bis jetzt keinen passenden Anbieter gibt. Insofern ist es richtig und gut, was die Deutsche Post in Sachen Elektromobilität bewegt, und es ist wegweisend; denn die Elektromobilität ist entscheidend für eine erfolgreiche Energiewende im Verkehr, nicht zuletzt im Wirtschaftsverkehr, und sie ist eine Schlüsselfrage für den Automobilstandort Deutschland.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie der Verkehrssektor ist auch die Landwirtschaft bisher noch nicht auf Klimaschutzkurs. Die Emissionen stagnieren auf hohem, wie ich meine: zu hohem, Niveau. Der Klimaschutzplan 2050 ist auf eine breite Unterstützung – auch aus diesen beiden Sektoren – angewiesen.

Wir dürfen die Chancen, die in der Energiewende und im Klimaschutz für Forschung und Entwicklung, für Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Export liegen, nicht leichtfertig verspielen. Gerade in den Sektoren Mobilität und Landwirtschaft sollten diese Chancen genutzt werden, auch um verlorengegangenes Vertrauen neu zu gewinnen. Mein Ziel ist es, dass der Klimaschutzplan bis zur Klimakonferenz in Marrakesch beschlossen sein wird. Das wäre erneut ein wichtiges Signal; denn es wird weltweit beachtet, wie Deutschland als eines der großen Industrieländer die Herausforderungen meistert.

Unser Klimaschutzplan kann zu einem Referenzwerk werden, an dem sich viele andere Länder orientieren. Auch diese Chance sollten wir nutzen.