Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und Regierungschef Risch zum Besuch des Regierungschefs des Fürstentums Liechtenstein am 17. Mai 2022     

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BK Scholz: Lieber Daniel, ich freue mich über deinen Besuch in Berlin. Unser Treffen steht ja in einer langen Tradition guter, enger und partnerschaftlicher Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern. Uns verbindet nicht nur die gemeinsame Sprache. Liechtenstein ist für Deutschland ein wichtiger Wirtschaftspartner, mit Investitionen und als Arbeitgeber, insbesondere im Süden unseres Landes.

Der Angriff Russlands auf die Ukraine zeigt uns in diesen Tagen und Wochen noch einmal sehr eindrücklich, wie wichtig es ist, enge und verlässliche Partner und Freunde zu haben, auf die man zählen kann.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass Liechtenstein von Anfang an den EU-Ansatz mitträgt und ebenfalls alle Sanktionen umsetzt, die in der Europäischen Union verabredet worden sind. Denn es ist die internationale Geschlossenheit, die die größte Wirkung auf das russische Regime erzielt. Damit hat Putin nämlich erkennbar nicht gerechnet.

Wir sind uns einig: Russland muss diesen Krieg beenden, sofort, seine Truppen zurückziehen und in Gespräche mit der Ukraine einwilligen, die zu einer Lösung dieses schrecklichen Konflikts führen.

Liechtenstein und Deutschland sind auch einig darin, die Ukraine humanitär zu unterstützen, sowohl in der Ukraine selbst als auch bei der Versorgung ukrainischer Flüchtlinge, die sich in die Nachbarländer gerettet haben.

Wir wissen es zu schätzen, dass Liechtenstein auch die Republik Moldau stark unterstützt und substanzielle Hilfen zugesagt hat.

Auch in den Vereinten Nationen haben wir in Liechtenstein einen verlässlichen und sehr aktiven Partner mit hohen Verdiensten für die internationale Gemeinschaft.

Daniel Risch hat mir heute eine Initiative seiner Regierung zur weltweiten Bekämpfung von Menschenhandel erläutert. Dieser Ansatz zur Prävention und Aufdeckung illegaler Finanzströme im Zusammenhang mit Menschenhandel klingt nicht nur gut, sondern findet unsere ausdrückliche Unterstützung. Nur wenn Kriminelle nicht mehr in der Lage sind, von Vermögenswerten zu profitieren, können die zugrundeliegenden Straftaten eingedämmt und eine Nutzung zu illegalen Zwecken verhindert werden.

Auch Deutschland engagiert sich auf vielfältige Weise bei der Bekämpfung von Menschenhandel, unter anderem im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen ‑ also ein weiterer Bereich für unseren engen Austausch.

Bevor ich das Wort dem Premierminister übergebe, will ich mich noch kurz zu einem ganz aktuellen Thema äußern.

Die Regierungen Finnlands und Schwedens werden nun die Aufnahme in die NATO beantragen. Das ist ein historischer Schritt für das Verteidigungsbündnis und für Europa. Die beiden Länder reagieren damit auf die russische Aggression gegen die Ukraine und die daraus resultierende dramatische Veränderung der Sicherheitslage in Europa.

Die Bundesregierung begrüßt diese souveräne Entscheidung unserer skandinavischen Freunde. Schon heute sind wir mit Finnland und Schweden in der Europäischen Union sowie durch unsere bilateralen und sicherheitspolitischen Beziehungen auf das Engste verbunden. Die NATO beruht auf dem Gedanken, dass wir in der Allianz durch gemeinsame Werte verbunden sind und jederzeit gemeinsam füreinander einstehen. Das Bündnis ist ein Verteidigungsbündnis. Es wendet sich gegen niemanden, sondern gewährleistet Schutz und die Sicherheit für alle Alliierten. Dieses Prinzip der kollektiven Verteidigung ist seit Jahrzehnten der Garant für Frieden und Stabilität im euroatlantischen Raum.

Mit ihrem Antrag auf Aufnahme üben Finnland und Schweden also ihr souveränes Recht auf freie Bündniswahl aus. Sie drücken damit aus, dass sie die Werte der Allianz teilen und mit uns gemeinsam füreinander einstehen wollen. Wir gewinnen mit Finnland und Schweden zwei geschätzte Verbündete, die die Verteidigungsfähigkeit der NATO stärken werden.

Deutschland wird sich dafür einsetzen, dass das Beitrittsverfahren sehr zügig vonstattengeht. Die Ratifikation durch die Bundesrepublik Deutschland werden wir in Abstimmung mit den Verfassungsorganen unverzüglich durchführen. Wir laden andere Staaten ein, das Gleiche zu tun. Für Deutschland ist schon jetzt klar: Unsere Länder sind schon jetzt durch die Verpflichtung miteinander verbunden, einander im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen alle in unserer Macht stehende Hilfe und Unterstützung zum gegenseitigen Schutz zu leisten. Das steht auch im Vertrag über die Europäische Union. Das werden wir durch hochrangige politische Besuche in Finnland und Schweden regelmäßig unterstreichen. Wir werden unsere militärische Zusammenarbeit intensivieren, und zwar insbesondere im Ostseeraum und durch gemeinsame Übungen. Wir freuen uns darauf, Finnland und Schweden bald als Verbündete in der NATO an unsere Seite zu wissen.

Nun, lieber Daniel Risch, hast du das Wort.

Dr. Risch: Vielen Dank, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, lieber Olaf! Vielen Dank für den freundlichen Empfang heute hier in Berlin. Es ist gut, Verbündete zu haben! Es ist natürlich auch immer sehr speziell, wenn das kleinste deutschsprachige Land beim größten deutschsprachigen Land auf Besuch sein darf.

Du hast mehrere Initiativen schon erwähnt. Vielleicht möchte ich dem Anspruch Liechtensteins quasi auch Ausdruck verleihen, ein bisschen mehr zu tun, als man aufgrund unserer kleinen Größe von uns erwarten darf. Wir wissen: Wir haben nur eine leise Stimme. Aber diese leise Stimme erheben wir dann und wann, wenn wir denken, dass es angezeigt ist. So war es auch in der UNO angezeigt, die Veto-Initiative einzubringen, damit das Veto im Sicherheitsrat nicht mehr das letzte Wort ist, sondern die Vollversammlung dann eben über dieses Veto sprechen kann. Das war im April der Fall, als diese Veto-Initiative, die Liechtenstein eingebracht hat, dann eben auch verabschiedet wurde, und wir hoffen sehr, dass das der UNO dann quasi auch in der Vollversammlung diese Stimme geben wird. Wir waren natürlich auch sehr dankbar für die Unterstützung Deutschlands in dieser Sache.

Bei der anderen Initiative, die du angesprochen hast, der FAST-Initiative, geht es darum, über Finanzströme Menschenhandel und moderne Sklaverei aufzudecken. Auch da sind wir sehr aktiv und denken, dass wir einen Beitrag in einem Bereich leisten können, der gerade auch durch kriegerische Handlungen in Europa natürlich noch einmal an Wichtigkeit gewinnt.

Nochmals vielen Dank für die Einladung nach Berlin! Es ist, wie ich gesagt habe, gut, Verbündete zu haben und auch zu wissen, was Deutschland in diesen schwierigen Zeiten für eine Verantwortung trägt und der auch nachkommt.

Ich denke, wir können zu den Fragen kommen. Vielen Dank!

Frage: Eine Frage an den Bundeskanzler zu den Anträgen zur Aufnahme Finnlands und Schwedens in die NATO: Ist das, was Sie gesagt haben, so zu verstehen, dass Deutschland für beide Länder eine Sicherheitsgarantie für die Phase zwischen Aufnahmeantrag und Aufnahme abgibt?

Eine kleine Nachfrage, wenn ich darf, zum 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen: Da scheinen die Verhandlungen zwischen Koalition und Opposition ja in eine schwierige Schlussphase zu treten. Können Sie garantieren, dass die 100 Milliarden Euro ausschließlich für die Bundeswehr verwendet werden und dass das Zwei-Prozent-Ziel dauerhaft verankert wird?

BK Scholz: Schönen Dank für Ihre beiden Fragen! Zunächst einmal ist doch klar: Wir sind ‑ darauf habe ich ausdrücklich und absichtlich hingewiesen ‑ sowohl durch die Vereinten Nationen und die damit verbundenen Regeln als natürlich auch ganz besonders durch die Vereinbarungen, die wir längst als Freunde und Partner in der Europäischen Union haben, einander verpflichtet. Deshalb können sich beide Länder immer auf unseren Beistand verlassen, gerade in dieser ganz besonderen Situation.

Das Zweite ist die Frage des 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens. Das ist ein klares Vorhaben. Die Bundesregierung hat dazu die notwendigen Gesetzesinitiativen in den Deutschen Bundestag eingebracht. Wir haben von vornherein gesagt: Wir möchten, dass es dazu eine patriotische Zusammenarbeit zwischen der Regierung und der großen Oppositionsfraktion von CDU und CSU gibt, und diese Gespräche finden statt. Mein Eindruck ist, dass sie auf einem guten Weg sind.

Frage: Herr Bundeskanzler, die Türkei droht ja noch, den Beitritt Schwedens und Finnlands zur NATO zu blockieren, und moniert ihrerseits, dass sie als NATO-Mitglied Sanktionen durch Länder wie zum Beispiel Deutschland unterliegt. Ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, wo man auch Waffenexporte bzw. Restriktionen an die Türkei überdenken müsste, um dieses Nein abzuwenden, weil man eben mit Russland jetzt einen gemeinsamen anderen Gegner sieht?

Kurze Nachfrage, weil Sie heute mit Herrn Selensky telefoniert haben: Haben Sie ihn jetzt eigentlich zum G7-Gipfel nach Elmau eingeladen?

Eine Frage an den Ministerpräsidenten: Der Bundeskanzler hat eben lobend erwähnt, dass Sie die Sanktionen gegen Russland mit umsetzen. Liechtenstein ist ja ein wichtiger Finanzstandort. Vielleicht können Sie uns kurz sagen, wie weit Sie da sind, gerade was russische Oligarchen angeht. Wie verhindern Sie, dass Liechtenstein ein sicherer Hafen für dort geparktes russisches Kapital wird?

BK Scholz: Zunächst einmal, was die Frage der Beitrittsgesuche von Finnland und Schweden betrifft: Ich unterstütze die; das habe ich hier gesagt. Ich bin so zuversichtlich wie der NATO-Generalsekretär, dass das auch schnell und zügig mit der Unterstützung aller Länder gelingen wird, auch der Türkei als NATO-Mitglied.

Das, finde ich, ist auch deshalb sehr wahrscheinlich, weil wir ja doch sehen, wie die Türkei agiert. Gerade in der jetzigen Konfliktsituation hat sie sehr viele konstruktive Beiträge geleistet. Ich will nur auf die Umsetzung der entsprechenden Entscheidung hinweisen, was die Passage des Bosporus betrifft. Insofern, glaube ich, können wir diese Zuversicht auch haben.

Ansonsten habe ich mit dem ukrainischen Präsidenten heute über die Frage gesprochen, die uns alle umtreibt, nämlich wie wir weiter mit Aggressionen Russlands gegen die Ukraine umgehen, wie sich das konkrete Konfliktgeschehen entwickelt, wie sich gegenwärtig der Krieg im Osten der Ukraine entwickelt und selbstverständlich, wie wir die verschiedenen Aktivitäten des russischen Präsidenten und seiner Regierung bewerten. Sie wissen, dass ich am Freitag darüber auch ein intensives Gespräch mit Präsident Putin hatte. Es war mir ein Anliegen, sehr zeitnah mit dem ukrainischen Präsidenten genau diese Fragen zu besprechen. Das war der Inhalt unseres Gesprächs.

Dr. Risch: Vielen Dank für Ihre Frage. ‑ Liechtenstein ist einer von einer Handvoll Staaten, die nicht in der EU sind, die die EU-Sanktionen aber ohne Wenn und Aber mittragen. Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir diese Sanktionen übernehmen werden. Wir übernehmen diese quasi autonom in unser Rechtssystem.

Sie haben gefragt, wie wir dabei vorankommen. Es ist klar, dass wir sie nicht nur unterstützen, sondern dass wir den Worten auch Taten folgen lassen. Insofern sind unsere Behörden sehr aktiv. Das ist zum einen der Fall, was Gelder in Liechtenstein betrifft. Hier ist im Moment der Stand so, dass rund 260 Millionen Schweizer Franken gesperrt sind. Das ist der eine Teil. Der andere Teil ist aber natürlich, wenn es um Finanzflüsse oder um Immobilien oder andere Dinge geht, die im Ausland gehalten werden, also nicht in Liechtenstein, dass man dabei sehr eng mit den zuständigen Behörden in anderen Ländern, gerade auch Deutschland, zusammenarbeitet. Diese Zusammenarbeit ist auf der einen Seite wichtig. Auf der anderen Seite bin ich überzeugt, dass sie auch sehr gut funktioniert.