Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und Ministerpräsident Rutte zum Besuch des Ministerpräsidenten des Königreichs der Niederlande am 11. Dezember 2023

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Im Wortlaut Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und Ministerpräsident Rutte zum Besuch des Ministerpräsidenten des Königreichs der Niederlande am 11. Dezember 2023

in Berlin

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Montag, 11. Dezember 2023

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)


BK Scholz: Einen schönen guten Tag! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Mark, schön, dich wieder hier in Berlin willkommen zu heißen! Du bist ja ein sehr regelmäßiger und natürlich auch sehr gern gesehener Gast hier bei mir im Bundeskanzleramt.

Die Liste unserer Themen wird nicht kürzer, denn es ist ja einiges los in der Welt, das uns miteinander beschäftigt. Ab übermorgen werden wir uns in Brüssel zu einem Doppelgipfel treffen.

Zunächst steht das Treffen der EU-Staats- und -Regierungschefs mit den sechs Ländern des Westbalkans an. Sie wissen, dass sich Deutschland intensiv darum bemüht, den Ländern des westlichen Balkans den Beitritt zur Europäischen Union zu ermöglichen. Im Rahmen des sogenannten Berlinprozess treiben wir dies mit Hochdruck voran. Das werden wir am Mittwoch noch einmal deutlich machen.

Am Donnerstag beginnt dann der reguläre Europäische Rat mit einer ganzen Reihe von herausfordernden Themen. Über all das werden Mark und ich gleich auch miteinander sprechen können. Der russische Überfall auf die Ukraine und seine Folgen, die angespannte Lage im Nahen Osten, die Frage der Erweiterung der Europäischen Union samt der dafür notwendigen Reformen und nicht zuletzt die Überprüfung des mehrjährigen Finanzrahmens der Europäischen Union sowie die Frage der irregulären Migration beschäftigen uns. Es gibt also eine sehr lange Liste sehr wichtiger Themen, die wir miteinander zu bereden haben.

Mir ist wichtig, hier festzuhalten: Die Ukraine kann sich auf unsere fortgesetzte Unterstützung gegen den russischen Aggressor verlassen, jetzt und auch in Zukunft, mit unseren Waffenlieferungen, mit humanitärer Unterstützung und auch finanzieller Unterstützung.

Auch der Konflikt im Nahen Osten dauert an und verlangt unsere Aufmerksamkeit. Israel verteidigt sich gegen die Terrororganisation Hamas, die weiterhin Raketen auf Israel abschießt und mehr als hundert Geiseln in ihrer Gewalt hat. Klar ist: Israel handelt und muss dabei im Rahmen des humanitären Völkerrechts handeln. Uns bedrückt auch das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung in Gaza. Die humanitäre Versorgung für die Zivilisten muss besser werden. Mark und ich sind überzeugt, dass die Zweistaatenlösung auf mittlere Sicht der einzige Weg ist, damit Israelis und Palästinenser in Frieden leben können.

Die Erweiterung der Europäischen Union und die dafür notwendigen Reformen sind, wie schon gesagt, ebenfalls ein zentrales Thema. Hier geht es gerade um die enge Abstimmung aller EU-Mitgliedstaaten. Deshalb ist es wichtig, dass wir hier diskutieren, genauso wie bei dem schon genannten Thema der Migration. Deutschland und die Niederlande arbeiten in europapolitischen Fragen eng und vertrauensvoll zusammen. Deshalb danke ich dir auch dafür, dass du heute nach Berlin gereist bist, damit wir weiter bereden können, wie wir vorgehen wollen.

Auch die bilateralen Beziehungen zwischen den Niederlanden und Deutschland sind ausgezeichnet - von Fußballfragen einmal abgesehen. Deutschland und die Niederlande sind füreinander wichtige Partner in Europa, und ich würde mir wünschen, dass unsere beiden Länder auch in Zukunft enge, gute und vertrauensvolle Beziehungen zueinander pflegen. Ich jedenfalls werde mich dafür einsetzen, dass die Europäische Union ihre Stellung als ein starker und wichtiger Akteur auf der internationalen Bühne noch ausbaut.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Mark, schön, dass du hier bist!

MP Rutte: Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, lieber Olaf, ich möchte auch sofort sagen, dass es ein großes Vergnügen ist, wieder hier in Berlin sein zu dürfen. Ich kann sagen: Nach so vielen Besuchen hier im Bundeskanzleramt ist das auch mit dem Gefühl verbunden: Ich komme wieder zu Freunden. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass man immer hier herzlich empfangen wird. Das ist auch heute wieder der Fall, und dafür möchte ich Olaf Scholz wieder ganz herzlichen Dank sagen.

Natürlich ist auch die Freundschaft, die dadurch zwischen Deutschland und den Niederlanden entstanden ist, ganz stark, sie ist solide, und wir können ganz offen miteinander sprechen, wir können aufeinander bauen; das wissen wir auch, und das ist natürlich umso wichtiger in diesen Zeiten der Konflikte und der Gewalttaten sowie natürlich auch im Zeitalter der geopolitischen Spannungen.

Ich bin also mit allem einverstanden, was Olaf Scholz soeben gesagt hat. Einige Punkte will ich einmal herausgreifen.

Zum einen ist da die besorgniserregende Situation in Israel und in Gaza, die natürlich auch heute von uns besprochen wird und auch später in dieser Woche noch aufs Tapet kommt. Die Niederlande stehen hinter dem israelischen Recht auf Selbstverteidigung - verhältnismäßig natürlich, und selbstverständlich unter Beachtung des humanitären Kriegsrechts. Gleichzeitig haben wir natürlich auch große Sorgen mit Blick auf die humanitäre Situation in Gaza und die große Anzahl von Opfern. Wir bleiben weiter dabei und bitten darum, beim militärischen Einsatz zurückhaltend sein, und wir hoffen dann auf neue und humanitäre Pausen. Es ist sehr wichtig, dass Wasser, Nahrung, Kraftstoffe und medizinische Hilfe an die Menschen in Gaza geliefert werden können.

Es ist jetzt schwerlich vorzustellen, aber es kommt auch noch eine nächste Phase, es wird weitergehen. Einen lang währenden Frieden und Sicherheit für Israel und Palästina kann es dann eigentlich nur geben, wenn wir auch wirklich an der Zweistaatenlösung arbeiten können. Darauf müssen wir hinarbeiten, also in Richtung eines sicheren Israels neben einem selbstständigen palästinensischen Staat. Was die Niederlande anbelangt, spielt dabei auch die Europäische Union eine wichtige Rolle.

In der Tat wird auch die Ukraine ein großes Thema sein bei dem Europäischen Rat, der in dieser Woche stattfinden wird. Es ist sehr wichtig, dass die Ukraine auch wirklich immer wieder mit unserer Unterstützung rechnen kann. Für 2024 haben wir auf nationaler Ebene deswegen wieder 2,5 Milliarden Euro reserviert. Ich weiß auch, dass Deutschland da sehr viel reserviert hat, sozusagen freigeharkt hat, um die Ukraine auch 2024 bilateral zu unterstützen. Es ist wichtig, dass wir als Europäische Union den nächsten Schritt machen, und das bedeutet, dass es diese Woche auf dem Europäischen Rat eine deutliche Aussprache dazu geben muss, und zwar erst einmal bezüglich der finanziellen Unterstützung der Europäischen Union für den kommenden Zeitraum an die Ukraine. Aber das betrifft natürlich auch die europäische Perspektive. Deswegen haben wir auch eine positive Haltung bezüglich des Vorschlags der Kommission, Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und auch mit Moldawien zu führen. Es ist wichtig für die Ukraine und für Moldawien, dass wir damit diese Woche auch beginnen.

Wir werden beim Europäischen Rat natürlich auch über die Migration sprechen. Unsere Länder, die Niederlande und Deutschland, haben beide mit einem hohen Zustrom von Menschen zu tun, und da braucht man einen gemeinsamen europäischen Migrationsansatz. Ich hoffe deswegen, dass wir gemeinsam mit dem Europäischen Parlament sehr schnell zu einer Vereinbarung bezüglich des Asyl- und Migrationspaktes kommen können - mit einem gut funktionierenden Dublin-System, mit einer Verbesserung der Erfassung der Leute, die kommen, und natürlich auch mit einer Verstärkung der Außengrenzen. Es gibt also viel zu besprechen.

Bilateral sind die Beziehungen wirklich fantastisch. Auch ein gemeinsames Auftreten von uns beiden in Europa ist sehr wichtig. Deshalb ist es auch sehr schön, heute in Berlin zu sein und uns wirklich die Zeit zu nehmen, um diese ganzen Themen durchzuarbeiten und zu gucken, wie wir das Ganze dann gemeinsam gut koordinieren können.

Noch einmal ganz herzlichen Dank, Olaf, für deinen herzlichen Empfang hier!

Frage: Zum Krieg in der Ukraine, weil das so wichtig ist, und auch zur Unterstützung der Nato-Staaten würde ich etwas fragen. Sie hatten heute gesagt, Herr Ministerpräsident, dass es vielleicht ein Fehler war, im Radio zu sagen, dass Sie gerne den Job des Generalsekretärs ausüben würden. Es sei vielleicht falsch gewesen, das zu sagen, aber Sie würden es trotzdem gerne machen. Was qualifiziert Sie dafür möglicherweise? Herr Scholz, vielleicht können Sie sagen, weil der Kollege Rutte nicht dranbleibt, wie die Zusammenarbeit mit ihm ist und was ihn quasi qualifiziert.

Wegen der Ukraine ist natürlich ganz wichtig, dass in den Niederlanden eine populistische Partei mit prorussischen Gesichtspunkten gewonnen hat. Wie gefährlich ist das für den Support der Ukraine? Sie haben gesagt, man müsse sie finanziell, militärisch und humanitär unterstützen. Welche Gefahr sehen Sie also für die Unterstützung, wenn diese Partei möglicherweise an der Regierung beteiligt wird?

Herr Scholz, in Deutschland gilt das natürlich auch. Welche Gefahren sehen Sie in Deutschland hinsichtlich prorussischer Parteien bei der Regierungsbildung, vielleicht auf Länderebene?

Wichtig ist auch noch einmal: Könnte man eine Einigung in Bezug auf TenneT noch vor Weihnachten erwarten?

Wir haben ja nur eine Person, die heute fragt. Deswegen mache ich das so!

MP Rutte: Zuerst einmal zu der Nato: Im Oktober habe ich in einem Radiointerview etwas gesagt, und andere haben das so interpretiert, dass ich also der Generalsekretär der Nato werden möchte. Ich nehme nichts zurück von dem, was ich im Radio gesagt habe, füge aber auch nichts hinzu. Es war ein Fehler, das öffentlich zu sagen. Ich belasse es dabei. Schauen wir einfach einmal, wie sich die Sache weiter ausnehmen wird und wie es mit der Wahl des Generalsekretärs für die Nato weitergehen wird. Irgendwann im nächsten Jahr wird das zum Tragen kommen. Aber jetzt sage ich nichts mehr dazu. Ich habe den Fehler gemacht, das im Radio zu sagen, aber ich werde dem Fehler nicht noch weitere hinzufügen; denn sonst gibt es vielleicht wieder andere Auslegungen.

Zweitens, zum Wahlergebnis in den Niederlanden: Ich bin davon überzeugt, dass wir in den Niederlanden eine große Mehrheit haben, auch in der zweiten Kammer, in unserem Parlament, die proeuropäisch und gegen einen Exit aus der Europäischen Union ist, die proukrainisch ist und die auch dafür sorgen wird, dass wir mit der Unterstützung der Ukraine weitermachen können, in finanzieller Art und natürlich auch bezüglich der Perspektive bezüglich der Ausweitung der Hilfe der Europäischen Union für die Ukraine. Jetzt muss der nächste Schritt gegangen werden.

Zu TenneT: Keine Neuigkeiten! Wir haben gute Gespräche miteinander geführt. Wenn es Neuigkeiten gibt, dann werden wir das schon verlautbaren lassen.

BK Scholz: Schönen Dank für die Fragen. Mark Rutte kenne ich nun schon sehr lange, nicht erst seit der Zeit, seit der ich Bundeskanzler bin, und ich kann sagen: Das ist ein sehr erfahrener Politiker mit vielen von den Kompetenzen, die man braucht, um so große Regierungsapparate zu steuern, aber eben auch mit großer politischer und außenpolitischer Expertise. Mehr will ich aber auch nicht hinzufügen.

Was das Zweite betrifft: Es ist wichtig, dass wir in Europa und auch weit darüber hinaus der Ukraine gerade in dieser Situation gemeinsam signalisieren, dass sie sich auf unsere Hilfe verlassen kann. Das ist jetzt ein Krieg, der sich - anders, als es vielleicht am Anfang vorherzusagen war - doch über eine lange Zeit hinziehen wird. Deshalb ist es auch wichtig, eine langfristige Perspektive zu formulieren und zu sagen, dass wir bereit sind, so lange, wie es notwendig ist, die Ukraine zu unterstützen, und zwar auch in dem erforderlichen Umfang. Dabei geht es ja um Dinge, die manchmal gar nicht hoch genug bewertet werden, zum Beispiel die Frage, ob es genügend Munition gibt, ob genügend Munition produziert wird, oder Ähnliches. Das ist etwas, das nun wirklich unsere gemeinsame Anstrengung braucht.

Wenn wir diese Botschaft aber aus Europa und aus der Gemeinschaft der internationalen Freunde und Unterstützer der Ukraine heraus formulieren, dann ist das auch eine Botschaft an den russischen Präsidenten; denn ganz offensichtlich hofft er ja darauf, dass die Bereitschaft in unseren Ländern, das Notwendige zu tun und die notwendige Unterstützung zu formulieren, nachlässt. Es wäre eine wichtige Botschaft, wenn wir ihm sagten: Rechne nicht damit! Wir sind bereit, so lange das Notwendige zu tun, wie das eben erforderlich ist! – Ich glaube, das ist auch etwas, worüber zu reden sein wird.

Zusatzfrage: (ohne Mikrofon)

BK Scholz: In den Niederlanden wie in Deutschland ist es so, dass es eine sehr breite Unterstützung für die Ukraine in der Bevölkerung gibt, dass sich auch die allermeisten Parteien für eine Unterstützung der Ukraine aussprechen und dass das auch die Haltung ist, die wir in Europa wiederfinden.

Frage: Ich habe eine Frage sowohl an den Ministerpräsidenten als auch an den Bundeskanzler mit Blick auf den bevorstehenden EU-Gipfel. Sie haben es eben schon erwähnt: Es wird auch über die mittelfristige Finanzvorausschau gesprochen. Wie wichtig ist es, dass eine Einigung erzielt wird - das hängt ja nämlich auch mit der Ukrainehilfe zusammen -, oder ist es denkbar, dass man die Lösung, weil die Differenzen ja immer noch so groß sind, möglicherweise auf nächstes Jahr vertagt? Darauf hätte ich gerne eine Antwort von Ihnen beiden.

Herr Bundeskanzler, eine Zusatzfrage zum deutschen Haushalt: Sind Sie sicher, dass, bevor Sie nach Brüssel aufbrechen und die Regierungserklärung am Mittwoch halten können, in der Ampel eine Lösung gefunden worden sein wird?

Wie stabil sind die Regierung und die Ampelkoalition eigentlich? Es gab ja nämlich Gerüchte, dass die FDP angeblich auch überlegt, aus der Koalition auszusteigen.

BK Scholz: Haushaltsfragen sind ja jetzt überall ein großes Thema, so in den USA, allerdings dort weit dramatischer, als das in Europa oder bei uns in Deutschland diskutiert wird; denn dort ist es ja nicht einfach möglich, die Aufgaben weiter zu finanzieren, wenn es keinen neuen Beschluss gibt. In der Europäischen Union und auch in Deutschland haben wir gute rechtliche Rahmenbedingungen.

Was die Verhandlungen in Brüssel betrifft, will ich Ihnen gerne sagen, dass ich bereit bin, dahin zu gehen und intensiv zu arbeiten, sodass wir eine gemeinsame Lösung erzielen können. Die ist aber noch nicht da; denn es wird nicht gehen, ohne dass es auch eine Veränderung von Ausgabepositionen im gesamten europäischen Haushalt gibt. Das kann nicht alles mit frischem Geld gelöst werden.

Was die Gespräche in Deutschland betrifft, ist die Aufgabe groß. Aber wir sind so weit vorangekommen, dass man sehr zuversichtlich sein kann, dass wir es auch schaffen werden, Ihnen das Ergebnis bald mitzuteilen.

MP Rutte: Ganz kurz, eigentlich in Verlängerung dessen, was der Kanzler gerade sagte:

Erstens. Wir werden natürlich bei diesem Europäischen Rat über die Kommissionsvorschläge für die Erweiterung der Europäischen Union reden. Die Niederlande unterstützen das hinsichtlich der Ukraine und Moldawiens. Es wird noch viele Jahre dauern, bis sie beitreten werden, aber es geht um den nächsten Schritt. Der nächste Schritt muss gemacht und besprochen werden, auch durch Unterstützung für die Kommissionsvorschläge für das Geld für die Ukraine. Diesen Teil, sage ich einmal, des mehrjährigen Finanzrahmens unterstützen wir auch. Er ist wichtig, auch jetzt, wo es ja in Amerika ein bisschen holpriger mit der Beschlussfassung läuft. In Amerika wird das aber wahrscheinlich auch gut auf die Schiene gebracht werden, auch wenn es schwierig ist. Ich hoffe, dass das dort diese Woche gelingen wird.

Dann gibt es natürlich auch noch die weitere Diskussion, und wie der Kanzler Olaf Scholz auch genau sagte, werden wir intensiv darüber sprechen. Da liegen die Meinungen noch ein bisschen auseinander. Wir müssen schauen, wie weit wir da diese Woche kommen.

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