Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und dem rumänischen Präsidenten Iohannis in Bukarest am 3. April 2023

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(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung.)

P Iohannis: Guten Tag! Ich habe die Freude, als Gast in Rumänien Herrn Bundeskanzler Scholz zu begrüßen.

Die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien haben einen echten strategischen Charakter. Wir haben starke gemeinsame Interessen hinsichtlich der Gewährleistung des europäischen Wohlstands und der europäischen Sicherheit und handeln koordiniert für die Erreichung dieser Ziele, sowohl im Rahmen der EU als auch der Nato.

Die Gespräche, die wir heute geführt haben, haben sich auf die Dynamisierung der bilateralen Kooperation auf allen Ebenen bezogen, insbesondere in dem aktuellen Kontext mit vielfältigen, sich überschneidenden Herausforderungen und Krisen.

Wir haben auch über die rumänische Gemeinschaft in Deutschland und die der Deutschstämmigen in Rumänien gesprochen, die ein wahres Bindeglied zwischen den beiden Staaten darstellen.

Deutschland ist nicht nur der wichtigste Handelspartner Rumäniens und der zweitgrößte Investor für die rumänische Wirtschaft, sondern auch ein vertrauenswürdiger Verbündeter, der zur Gewährleistung der Sicherheit in der Region beiträgt.

Im Mittelpunkt der Gespräche befand sich selbstverständlich die Sicherheitslage als Folge des Krieges Russlands gegen die Ukraine. Wir haben die multidimensionale Hilfe für die Ukraine in verschiedenen Bereichen einschließlich der Ermöglichung der Durchfahrt von Getreidetransporten präsentiert sowie die Maßnahmen vorgestellt, die wir für die mehr als 3,8 Millionen ukrainischen Flüchtlinge getroffen haben, die über die Grenze zu uns gekommen sind, sowie für die mehr als 110 000, die hiergeblieben sind und beschlossen haben, hier in Rumänien zu bleiben. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass diese Anstrengungen fortgesetzt werden, solange es erforderlich erscheint, sowohl seitens der EU als auch seitens der Mitgliedstaaten.

Unsere Gespräche haben sich zugleich auf Möglichkeiten für mehr Hilfe vonseiten Rumäniens und Deutschlands für die Ostpartner bezogen, sowohl auf der Ebene der EU als auch im Rahmen der Nato, insbesondere für die Ukraine und die Republik Moldau. Wir haben vor allem hervorgehoben, dass es sehr wichtig ist, angesichts der Herausforderungen für die Sicherheit, mit denen dieses Land einschließlich des Bereichs der Energie konfrontiert wird, eine wesentliche Unterstützung für die Stabilität und die Resilienz der Republik Moldau zu leisten.

Wir haben Kanzler Scholz für die Unterstützung zur Stärkung der Ostflanke, für den Einsatz als Luftpolizei für den Luftraum unseres Landes im Jahr 2022 sowie für die Beteiligung an den Nato-Strukturen in Rumänien gedankt. Wir wollen diese Kooperation für die verstärkte Ermutigung und Verteidigung durch die Verbündeten vor den immer komplexeren Herausforderungen entwickeln. Das Schwarze Meer ist jetzt mehr denn je von strategischer Bedeutung. Deshalb unterstützen wir die verstärkte Präsenz der Nato im Schwarzen Meer, weshalb nun die Problematik des Schwarzen Meeres in allen relevanten Prozessen für die Konsolidierung der Sicherheit des euroatlantischen Raums berücksichtigt werden muss.

Wir haben mit Kanzler Scholz auch ein detailliertes Gespräch über aktuelle Aspekte der europäischen Agenda geführt. Der Beitritt Rumäniens zum Schengen-Raum ist unser Hauptziel. Deutschland hat uns immer beigestanden, das Land hat uns aktiv unterstützt, und ich habe auch heute dem Herrn Kanzler dafür gedankt. Rumänien erfüllt seine Rolle als Garant der Sicherheit an der Außengrenze, was auf europäischer Ebene anerkannt wurde. Der Beitritt zum Schengen-Raum wird diesen Raum noch mehr konsolidieren.

Wir haben auch die EU-Erweiterung angesprochen. Rumänien und Deutschland unterstützen diesen Prozess aufgrund der eigenen Leistungen weiterhin. Der Westbalkan bleibt eine wesentliche Priorität der EU. Wir haben wiederholt hervorgehoben, dass wir die europäische Zukunft dieser Westbalkanstaaten unterstützen, und zwar aufgrund der Erfahrungen in kritischen Bereichen und für die Gewährleistung eines stabilen und sicheren Umfelds in der Region. Wir teilen eine gemeinsame Vision auch über die strategische Bedeutung der Osterweiterung der EU. Wir haben auch die Unterstützung für den Fortschritt des europäischen Weges der Republik Moldau und der Ukraine hervorgehoben.

Wir haben auch über die Drei-Meere-Initiative gesprochen. Wir werden am 6. September Gastgeber sein. Wir haben über die Ziele dieses Gipfels gesprochen und begrüßen das stetige Interesse und die stetige Unterstützung Deutschlands. Wir haben das Land deswegen auch eingeladen, auf hoher Ebene daran teilzunehmen, nicht nur am Gipfel, auch am Business-Forum.

Abschließend, Herr Bundeskanzler, möchte ich mich bei Ihnen für Ihren Besuch und für die Offenheit bedanken, die Sie für alle Aspekte zeigen, die heute angesprochen und besprochen wurden!

BK Scholz: Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Klaus, meine Damen und Herren, ich freue mich sehr heute hier in Bukarest zu Gast zu sein. Vielen Dank für den so freundlichen Empfang!

Im vorigen Jahr hatten wir ein wichtiges Jubiläum: Der deutsch-rumänische Freundschaftsvertrag feierte seinen 30. Geburtstag. Zahlreiche Veranstaltungen und Begegnungen in beiden Ländern haben dabei die ganze Bandbreite unserer Beziehungen unterstrichen und uns einander noch näher gebracht, wenn das überhaupt ging. Das hat gezeigt, wie gut, eng und vertrauensvoll unsere bilateralen Beziehungen sind. Die deutsche Minderheit hier in Rumänien und die stetig wachsende rumänische Gemeinschaft in Deutschland sind dabei wichtige Brückenbauer zwischen unseren Ländern und Gesellschaften; du hast es selbst eben dargestellt.

Unsere Wirtschaftsbeziehungen sind eine Erfolgsgeschichte. Deutschland ist zentraler Investor in Rumänien. Unser Handelsaustausch erreichte zuletzt ein neues Rekordhoch. Insbesondere in Energie- und Industriebereichen sehen Staatspräsident Iohannis und ich viel Potenzial, und darüber werden wir auch noch genauer sprechen.

In den zentralen europa-, außen- und sicherheitspolitischen Fragen haben wir große Übereinstimmung. Das gilt auch und insbesondere für unsere Haltung gegenüber dem völkerrechtswidrigen russischen Überfall auf die Ukraine. Das haben wir ganz deutlich gemacht, als wir beide im vergangenen Jahr gemeinsam mit Emmanuel Macron und Mario Draghi Kiew besucht und Präsident Selensky getroffen haben. Dieses starke europäische Symbol war wichtig. Wichtig ist auch, dass wir die Ukraine militärisch so lange unterstützen werden, wie das nötig ist, und daran arbeiten wir konstant und gemeinsam.

Eine Anerkennung möchte ich Rumänien für seine wichtige Rolle bei der Aufnahme vieler Flüchtlinge aus der Ukraine aussprechen. Das ist eine große humanitäre Geste. Auch Deutschland hat mehr als 1 Million Ukrainerinnen und Ukrainer aufgenommen. Bei der Unterstützung von internationalen Hilfslieferungen in die Ukraine spielt Rumänien eine zentrale Rolle. Auch bei den so wichtigen Getreideexporten leisteten die EU Solidarity Lanes dank Rumänien einen wichtigen Beitrag. Es ist gut, einen so verlässlichen Partner an unserer Seite zu wissen!

Der Zusammenhalt in der Europäischen Union und als transatlantische Partner ist und bleibt entscheidend in dieser Lage. Deutschland steht fest an der Seite Rumäniens. Dazu gehört auch - das sage ich hier und heute noch einmal ausdrücklich - das Ziel, dass Rumänien in diesem Jahr endlich die Vollmitgliedschaft im Schengen-Raum erhält. Ihr Land hat dafür große Anstrengungen unternommen, und das gilt es dann eben auch zu würdigen. Ich habe Staatspräsident Iohannis meine Unterstützung dafür gerade noch einmal versichert.

Sehr beeindruckt bin ich von der Solidarität Rumäniens mit der Republik Moldau. Das ist gelebte europäische Nachbarschaft und ein Vorbild für Europa. Ich freue mich deshalb, dass wir heute Nachmittag ein gemeinsames Treffen mit Staatspräsidentin Maia Sandu haben werden, um über die Lage in Moldau zu sprechen.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, wie eng und vertrauensvoll unsere Beziehungen sind. Ich bin sicher, dass wir unsere Zusammenarbeit weiter vertiefen werden. Dieser Besuch bietet dafür eine weitere gute Grundlage. Schönen Dank!

Frage: Ich richte die Frage an den Kanzler und den Herrn Präsidenten. Der deutsche Waffenhersteller Rheinmetall hat gestern darüber informiert, dass in Rumänien ein Wartungszentrum für die Waffen, die in der Ukraine benutzt werden, gebaut wird. Was wissen Sie darüber? Funktioniert das schon, oder wann wird das den Betrieb aufnehmen?

Wird die Kooperation in diesem militärischen Bereich gesteigert werden, auch, weil Deutschland sich verpflichtet hat, die militärische Unterstützung für die Ukraine zu stärken, und weil Rumänien vorhat, die Verteidigungsindustrie zu fördern oder zu reaktivieren?

BK Scholz: Schönen Dank für die Frage, weil sie mir noch einmal die Gelegenheit gibt, zu sagen: In der Tat ist unsere Zusammenarbeit bei der Unterstützung der Ukraine sehr, sehr intensiv. Sie umfasst natürlich auch die von Ihnen angesprochenen Fragen, wie wir sicherstellen können, dass das Gerät, das in der Ukraine eingesetzt wird, auch ständig repariert wird und zur Verfügung steht. Wir schauen auch immer weiter, wie wir unser gemeinsames Anliegen als Europäer und als Nato-Verbündete voranbringen können. Da können Sie sicher sein, dass wir das auch in vielen, vielen ganz konkreten Schritten für die Zukunft tun werden.

P Iohannis: Vielen Dank. Ich möchte hier mit folgender Aussage beginnen: Die deutschen Investitionen, die in Rumänien getätigt wurden, waren alle erfolgreich. Ich glaube, die sind alle im Interesse sowohl der deutschen Unternehmerschaft als auch im Interesse Rumäniens. Es werden Arbeitsplätze geschaffen. Es sind sehr gut bezahlte Arbeitsplätze. Es wird massive Weiterbildung der Arbeitskräfte gefördert. Es gibt einige Beispiele von Berufsschulen im Bereich der dualen Ausbildung. Das zeigt, dass wir nicht nur eine einfache Wirtschaftskooperation haben. Das ist eine Kooperation mit sehr, sehr vielen Komponenten.

Wenn diese in Deutschland relevante Firma in Rumänien an einem Standort investieren wird, dann ist das begrüßenswert. Ja, in der Tat gibt es vielfältige Kontakte, um Investoren aus Deutschland zu überzeugen, nach Rumänien zu kommen. Das beinhaltet auch die Verbesserung des Bereichs der Verteidigungsindustrie. Die Details hierüber werden bekannt gemacht, wenn mögliche technische Verhandlungen beendet sein werden.

Ich persönlich habe unterstützt und werde weiterhin unterstützen, was hilfreich für deutsche Investitionen in Rumänien ist, sei es im Bereich der Verteidigung oder aber auch in anderen Branchen. Überall haben wir Investoren aus Deutschland. Überall sind die Ergebnisse sehr gut. Dies bildet eine relevante Komponente unserer strategischen Partnerschaft.

Frage: Ich habe eine Frage an den Präsidenten. Sie haben eben beide den Beitritt Rumäniens zum Schengen-Raum erwähnt. Der wird aber jetzt seit längerer Zeit blockiert. Haben Sie die Hoffnung, dass Rumänien in diesem Jahr die Zusage der EU erhalten wird, also dass sich entscheidende Dinge in der EU verändert haben?

Herr Bundeskanzler, eine kurze Nachfrage zu dem Thema, das eben angesprochen wurde, dieser Logistik-Hub: Es gibt ja auch Gespräche mit der Slowakei und mit Polen, solche Reparatureinheiten aufzubauen. Warum ist Rumänien der bessere Partner, oder ist das eine ergänzende Initiative zu dem, was in den beiden anderen Nato-Ländern passiert?

BK Scholz: Zu Schengen habe ich ja schon etwas gesagt und will das nur noch einmal vertiefen: Ich unterstütze sehr den Schengen-Beitritt Rumäniens, und ich hoffe auch, dass uns das in diesem Jahr gelingen wird. Ich jedenfalls werde das nicht nur hier sagen, sondern werde auch in vielen europäischen Hauptstädten und bei allen Gesprächen, die ich in Brüssel führe, dafür werben und versuchen, diejenigen, die skeptisch sind, zu überzeugen, dass sie diesem Schritt zustimmen. Rumänien hat jedenfalls, und das muss, finde ich, doch auch gesagt werden und eine Konsequenz haben, alle Voraussetzungen erfüllt, damit der Schengen-Beitritt jetzt stattfinden kann. Das, was wir brauchen, ist ein sicheres Grenzregime und sind rechtsstaatliche Verfahren im Umgang mit Fluchtmigranten, und all das können wir jedenfalls hier feststellen. Deshalb spricht alles dafür, dass das jetzt gemacht werden kann.

Ansonsten ist es so, dass wir natürlich nicht nur an einer Stelle, sondern an mehreren Stellen dafür gesorgt haben und weiter dafür sorgen, dass es Möglichkeiten der Reparatur gibt. Das ist wichtig, weil es der Besonderheit dieses Krieges wegen ja notwendig ist, dass diese Reparatur außerhalb der Ukraine stattfindet, dass sie aber nicht an der Grenze stattfindet. Ich bin sehr froh, dass so viele europäische Mitgliedstaaten bereit sind, das gemeinsam mit uns voranzubringen.

P Iohannis: Zu Schengen muss ich, glaube ich, einige Aspekte wiederholen, damit sehr klar ist, was wir wünschen. Rumänien hat den Antrag zum Schengen-Beitritt vor fast zwölf Jahren gestellt und hat alle Bedingungen - ich wiederhole: alle Bedingungen oder Voraussetzungen -, die dafür vorgesehen sind, sehr schnell erfüllt. Dies war lange Jahre nicht möglich, denn es gab Zurückhaltung in einzelnen Staaten. Dies hatte hauptsächlich etwas mit dem Rechtsstaat zu tun. Wie Sie wissen, geht es um den Kontroll- und Überwachungsmechanismus, und da sind Fragen aufgekommen. Wir konnten nun auch das beenden: Seit dem Herbst des vergangenen Jahres sind wir nicht mehr unter diesem Kontrollmechanismus - Rumänien gilt als Rechtsstaat. Deswegen hegen die Rumänier nun die Hoffnung, dass sie eine positive Antwort erhalten und dass sie in den Schengen-Raum übernommen werden.

Leider war das bisher nicht möglich, denn im Dezember hat man im Rahmen der Gruppe für Justiz und Inneres der EU abgestimmt und Österreich war mit dem Beitritt Rumäniens zum Schengen-Raum nicht einverstanden. Diese negative Stimme war, wie die österreichische Seite sagt, keine Stimme gegen Rumänien, sondern es war eine Stimme, die für die Gefahr der illegalen Migration relevant war. Eine illegale Migration durch Rumänien und aus Rumänien nach Österreich gibt es nicht, und deswegen haben wir uns massive eingesetzt, um allen zu helfen, die von dieser Migration betroffen sind. Wir haben zu dieser Problematik der Migration Gespräche geführt und Treffen in Brüssel gehabt. Wir haben viele Themen geklärt, einzelne wurden gelöst, und Rumänien hat nun Pilotprojekte vorgeschlagen, damit wir uns schneller bewegen und schnellere Fortschritte machen. Ein Pilotprojekt, das zusammen mit der Kommission vereinbart wurde, wird an der Grenze Rumäniens zu Serbien abgewickelt. So können wir zeigen, wie man den ganzen Bereich er Rückführungen effizienter managen kann.

Wir sind also optimistisch und gehen davon aus, dass der Schengen-Beitritt Rumäniens in diesem Jahr stattfinden muss; denn erstens sind wir vorbereitet und können das nachweisen, und zweitens findet nächstes Jahr mehrere Wahlen bei uns statt, einschließlich der Europawahlen, die nicht nur bei uns stattfinden. Wir glauben nicht, dass auch noch diese Angelegenheit im Jahr 2024 gemanagt werden kann.

Fazit: Wir fokussieren uns auf dieses Thema und wir setzen die Bemühungen fort. Wir haben auch mit Bundeskanzler Scholz heute dieses Thema angesprochen. Rumänien wird seitens der EU-Mitgliedstaaten massiv unterstützt, und wir glauben, dass wir für diesen Aspekt bis zum Ende dieses Jahres eine positive Lösung haben werden.

Frage: Herr Präsident Iohannis, Sie haben vorhin über die Krisen und über die partikuläre Sicherheitslage hier in der Region gesprochen. Was passiert, wenn PSD und PNL sich nicht einigen können - das geht aus den Aussagen der verschiedenen Politiker hervor - und wenn man sich auch im Rahmen des Resilienzprogramms nicht einigt? Was würden Sie tun, wenn die Ergebnisse nicht so sind, wie Sie erwarten?

Herr Bundeskanzler, Deutschland hat Rumänien und die Demokratien Rumäniens immer unterstützt, und in letzter Zeit hat die große Koalition von Linken und Rechten in Rumänien einzelne Initiativen gehabt, von denen die Zivilgesellschaft gesagt hat, dass sie antidemokratisch und gegen die Justiz gerichtet seien, wie zum Beispiel die versuchte Durchsetzung von 50 000 Euro als Limit für die Festlegung der Strafen gegen Beamte, die Missbrauch im Amt betreiben. Glauben Sie, diese antidemokratischen Maßnahmen könnten relevant sein? Ist das besorgniserregend? Muss man den Überwachungsmechanismus wieder einführen oder reicht der Rechtstaatsmechanismus?

BK Scholz: Wir haben uns in der Tat immer dafür eingesetzt und setzen uns weiter dafür ein, dass Rechtsstaatlichkeit eines der ganz großen gemeinsamen Themen unserer Europäischen Union ist. Ich sage ausdrücklich: Wir sind Anhänger einer liberalen Demokratie, das heißt, es gehört schon dazu, dass wir immer akzeptieren, dass es Mehrheiten und Minderheiten gibt, dass Minderheitenrechte geschützt sind und dass rechtsstaatliche Verfahren den Einzelnen immer auch sicherer machen. Das ist ein großes Thema.

Ich habe aber mit großem Respekt zur Kenntnis genommen, welche Fortschritte und Verbesserungen hier in Rumänien in den letzten Jahren geleistet worden sind. Insofern ist es ja auch kein Zufall, dass der bisherige Mechanismus nun dem Ende zugegangen ist. Ich glaube, dass das ein Zeichen dafür ist, dass Rumänien auf einem guten Weg ist.

P Iohannis: Diese Koalition ist ein Ergebnis politischer Überlegungen. Rumänien hat Erfahrungen mit vielen Krisen, und die Politiker haben auch verstanden, - obwohl das für viele eine Überraschung war -, dass das Land regiert werden muss und dass es dafür eine Regierung braucht, die eine große Unterstützung, eine große Basis im Parlament hat. So ist diese Koalition entstanden, die in Rumänien nun schon seit einem Jahr regiert. Leiter der Regierung ist Premierminister Ciucă, und er konnte alle Krisen managen, die es bisher gab - sowohl im Energiebereich als auch die Sicherheitskrise usw.

Ich wurde oft gefragt, ob ich zufrieden bin mit der Art und Weise, in der regiert wurde: Ja, ich bin überzeugt, und was die Koalition und die Regierung bisher tun mussten, nämlich Rumänien durch diese Krise bringen, das haben diese Leute erfolgreich getan. Es konnten nicht alle Details geklärt und gelöst werden, das stimmt, aber ich glaube auch nicht, dass jemand erwartet hat, dass diese Koalition nur mit hundertprozentigem Verständnis und mit idealen Lösungen arbeiten konnte. Diese Koalition ist eine politisch komplizierte Koalition zwischen der PNL und der PSD. Sie haben sich geeinigt und sie haben Probleme gelöst, mit denen sie konfrontiert waren.

Die Frage, die sich in der Öffentlichkeit nun stellt und die Sie jetzt am Mikrofon gestellt haben, ist: Wie soll das weitergehen? In einigen Monaten oder in einigen Wochen müsste die Rotation erfolgen, sodass dann ein Vertreter der anderen Partei die Führung der Regierung übernehmen würde. Ich bin mir sicher, dass das geschehen wird, und ich glaube nicht, dass es jetzt eine realistische Alternative zu dieser Koalition gibt. Das haben auch alle Parteien verstanden. Die Rotation kommt mit zusätzlichen Problemen und dazu muss man Verhandlungen führen. Ich werde mich für die Stabilität und für den guten Gang der ganzen Sache einsetzen. Sollte dies nicht funktionieren und sollte es zu vorgezogenen Wahlen kommen, die expressis verbis nicht in unserer Verfassung vorgesehen sind - aber sie können ja stattfinden; es ist kompliziert, so etwas zu erreichen, aber man kann das machen -, dann muss die Koalition entscheiden. Ich werde mich dann einsetzen, um die Stabilität des Landes zu garantieren und um einen normalen Gang des Gemeinwesens zu gewährleisten.

Bis Ende des Jahres werden wir Wahlen haben, das ist klar. Ich wiederhole aber: Ich glaube, dass diese Rotation auf der Ebene unserer Regierung erfolgen wird, und ich bin überzeugt, dass diese Koalition weitermachen wird. Wie das aussehen wird, wie sich das im Detail gestalten wird, das können wir jetzt nicht voraussagen. Es gibt aber keine besorgniserregenden Elemente. Ich will hier keine Beispiele aus der näheren oder ferneren Nachbarschaft nennen, aber wir werden nicht mehrere wiederholte Wahlen nacheinander haben. Rumänien wird regierbar bleiben und ein stabiles und ersprießliches Land bleiben.

Frage: Ich habe eine Frage an Sie beide: Wie können und wie wollen Deutschland und Rumänien der Republik Moldau weiter finanziell und militärisch helfen? Bei den Geberkonferenzen wurden Moldau über eine Milliarde Euro zugesagt. Wann fließt das Geld?

Herr Bundeskanzler, was die militärische Hilfe betrifft, so wurden im Januar die ersten Transportpanzer geliefert. Plant man in absehbarer Zeit noch etwas darüber hinaus?

BK Scholz: Schönen Dank für die Frage. Es ist zunächst einmal so, dass wir uns gemeinsam verpflichtet fühlen, Moldau bei der Entwicklung des eigenen Landes zu helfen. Das sichtbare Zeichen für diese gemeinsame Haltung - die wir nicht alleine haben, sondern die in der Europäischen Union geteilt wird - ist, dass wir heute ein gemeinsames Treffen mit der Präsidentin von Moldau haben. Ich glaube, das ist zunächst einmal viel mehr als ein Symbol, das ist auch ein Ausdruck einer bereits existierenden ganz praktischen Partnerschaft. Es ist klar, dass wir diese Situation auch für die Zukunft als Partner weiter voranbringen wollen.

Wichtig ist - da spielt Rumänien eine zentrale Rolle, und wir können als Europäische Union und auch als Deutschland da nur hilfreich sein -, dass man dabei mithilft, dass es keine einseitige Abhängigkeit gibt, sodass man Gas- und Stromlieferungen sicherstellen kann und dass Moldau sichere Zeiten hat, was die Energieversorgung betrifft. Da ist sehr viel passiert, was ich wirklich sehr beeindruckend finde, und ich glaube, dass das eine Aufgabe ist, die auch in der Zukunft weiter ganz genau betrachtet werden muss. Dann wird es immer darum gehen, dass wir Unterstützung leisten, so wie wir das mit den verschiedenen Konferenzen, die Sie angesprochen haben, ja gemacht haben, und dass Zusagen, die gemacht werden, dann auch eingehalten werden. Für uns jedenfalls wird das gelten. Wir haben ja auch einen Teil der Schutzsuchenden aus der Ukraine, die in Moldau Zuflucht gefunden hatten, nach Deutschland übernommen, so wie andere auch. Diese Projekte werden sich fortsetzen. Dass dazu manchmal auch Unterstützungen der eigenen Sicherheitsarchitektur der Ukraine gehören, haben Sie ja bereits berichtet, und wenn das einmal passiert, dann ist das ja nicht das Letzte, was möglich ist.

P Iohannis: Es ist eindeutig klar, dass wir ein Interesse haben, die Republik Moldau zu unterstützen. Das ist ein gemeinsames Interesse. Es ist, wie der Herr Bundeskanzler bereits gesagt hat, nicht nur ein deklariertes Interesse, sondern ein tatsächliches Interesse. Heute Nachmittag werden wir ein trilaterales Treffen haben, um dieses Thema zu vertiefen und um zu sehen, was wir mehr tun können als bisher. Rumänien unterstützt seit Langem die Republik Moldau. Wir werden diese Unterstützung fortsetzen. Es handelt sich dabei um Hilfe im Bereich der Energie und für die Reform, einschließlich der Ebene des Budgets. Es geht auch um Hilfe in vielen anderen Bereichen, die wir für die Bürger der Republik Moldau und für die demokratischen Institutionen der Republik Moldau leisten können, die der Unterstützung bedürfen, damit sie Reformen in die Praxis umsetzen können, die sie bereits erarbeitet haben.

Eine wichtige Unterstützung konnte durch die gemeinsame Plattform erzielt werden, die aus Rumänien, Deutschland und Frankreich besteht. Diese Gruppe hat sich bereits dreimal getroffen. Es konnte eine beachtliche Hilfe für die Republik Moldau gewährleistet werden. Diese Hilfe seitens Rumäniens wird fortgesetzt und wird eine vielseitige und multisektorielle Hilfe sein, die wir fortsetzen. Die Unterstützung für die Republik Moldau bedeutet eine Vorbereitung für die EU. Das wird fortgesetzt. Dieses tun wir, denn wir glauben, dass die Republik Moldau diese Unterstützung verdient und dass sie auf der Seite Europas bleiben muss. Auf der anderen Seite ist die Republik Moldau durch hybride Angriffe in einer sehr komplizierten Lage. Es gibt sehr viele derartige Angriffe. Es gibt auch sehr viele ukrainische Flüchtlinge in der Republik Moldau. Die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf die Wirtschaft der Republik Moldau sind sehr groß. Das sind Aspekte, die uns beschäftigen. Von daher gewährleisten wir ununterbrochen und so lange erforderlich Unterstützung.