Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz, Bundesministerin Baerbock, Bundesminister Lindner, Bundesminister Pistorius und Bundesministerin Faeser zur Vorstellung der Nationalen Sicherheitsstrategie am 14. Juni 2023

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Im Wortlaut Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz, Bundesministerin Baerbock, Bundesminister Lindner, Bundesminister Pistorius und Bundesministerin Faeser zur Vorstellung der Nationalen Sicherheitsstrategie am 14. Juni 2023

in Berlin

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Mittwoch, 14. Juni 2023

BK Scholz: Guten Tag, meine Damen und Herren! Es ist in der Tat eher ungewöhnlich, wenn der Bundeskanzler gemeinsam mit weiteren wichtigen Ministerinnen und Ministern in die Bundespressekonferenz kommt; das weiß ich schon. Aber das Bundeskabinett hat heute eine ungewöhnliche und auch wichtige Entscheidung getroffen. Zum ersten Mal in der Geschichte unseres Landes haben wir eine Nationale Sicherheitsstrategie für die Bundesrepublik Deutschland erarbeitet. Was sich früher als Weißbuch allein auf die Verteidigungspolitik beschränkte, folgt nun einem viel umfassenderen systematischen Gesamtansatz, der viele Ressorts und Gewerke einbezieht.

Der Löwenanteil dieser Arbeit ist unter Federführung der Außenministerin verrichtet worden. Deshalb gilt mein erster Dank am heutigen Mittag auch Annalena Baerbock sowie dem Team des Auswärtigen Amtes für ihr unermüdliches Engagement und ihren großen Einsatz dafür, dass dieses Werk nun 18 Monate nach Regierungsantritt vorliegt. Gleichfalls danke ich all den anderen Ressorts der Bundesregierung, von denen hier heute einige vertreten sind, für die sehr kollegialen und konstruktiven Beratungen der vergangenen Monate.

In den Verhandlungen zur Gründung der Koalition hatten wir miteinander vereinbart, eine solche Nationale Sicherheitsstrategie gemeinsam zu erarbeiten. Das war noch vor der Zeitenwende, vor dem russischen Überfall auf die Ukraine, vor dem brutalen Angriffskrieg, der seither in der Ukraine tobt, und vor den Explosionen der Nord-Stream-Pipelines. Ich betone all diese Ereignisse, um deutlich zu machen, wie stark sich das sicherheitspolitische Umfeld für Deutschland allein in den vergangenen knapp eineinhalb Jahren verändert hat.

Bei allen Veränderungen bleibt und ist die zentrale Aufgabe des Staates, für die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu sorgen - ohne Abstriche. Denn ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit, keine Stabilität und auch keinen Wohlstand. Konsequenterweise folgt die Nationale Sicherheitsstrategie dem Leitbild einer integrierten Sicherheit. Es geht nicht allein um Verteidigung und Bundeswehr, sondern um die ganze Palette unserer Sicherheit, um Diplomatie genauso wie Polizei, Feuerwehr und Technisches Hilfswerk, um die Entwicklungszusammenarbeit, um Cybersicherheit und um die Resilienz von Lieferketten. All diese Mittel und Instrumente müssen ineinandergreifen und zusammenwirken, um die Sicherheit unseres Landes zu stärken und gegen Bedrohungen von außen zu sichern.

Die Nationale Sicherheitsstrategie ist, um das vielleicht auch deutlich zu sagen, nicht Endpunkt, sondern Ausgangspunkt, von dem aus wir einen kontinuierlichen Prozess des Zusammenwirkens aller staatlichen Ebenen, der Wirtschaft und der Gesellschaft organisieren werden, um unsere Sicherheit dauerhaft zu stärken.

Deutschland ist ein starkes Land. Deshalb können wir die Aufgaben, die vor uns liegen, voller Zuversicht und auch Vertrauen angehen. Zentral ist und bleibt unsere sicherheitspolitische Identität: Deutschlands Verankerung in der Europäischen Union und im transatlantischen Bündnis, unsere tiefe Freundschaft mit Frankreich und unsere enge Partnerschaft mit den USA.

Drei Dinge sind entscheidend, erstens die Stärke unserer demokratischen Institutionen, zweitens die Stärke unserer Wirtschaft und drittens der Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Darum geht es uns, darum muss es uns gehen – immer.

Meine Damen und Herren, nach diesen einführenden Worten möchte ich Annalena bitten, die Kernpunkte der Nationalen Sicherheitsstrategie zu umreißen, bevor Christian das ergänzen wird und wir Zeit für Ihre Fragen haben.

BM’in Baerbock: Herzlichen Dank und schönen guten Tag auch von meiner Seite! Wie der Bundeskanzler bereits deutlich gemacht hat, ist das für uns als Bundesregierung ein besonderer Tag, weil sich die Bundesrepublik Deutschland zum ersten Mal eine Nationale Sicherheitsstrategie gibt. Wir alle mussten mit dem brutalen russischen Angriffskrieg auf die Ukraine erfahren, dass Frieden und Freiheit nicht vom Himmel fallen. Mit dem 24. Februar 2022 wurde noch einmal deutlich, wovor uns viele - das muss man auch ehrlich sagen - unserer Nachbarn gerade aus Osteuropa gewarnt haben, dass auch Europa verwundbar ist. Die Entscheidungen zur Sicherheitsstrategie - das wissen Sie - sind vor dem 24. Februar gefallen.

Wir haben uns im Koalitionsvertrag auf diese Sicherheitsstrategie verständigt. Aber die Zeitenwende, die der Bundeskanzler so deutlich ausgesprochen und geprägt hat, hat die Dringlichkeit dessen gezeigt, dass wir uns beim Thema der Sicherheit anders und neu aufstellen müssen, nämlich integriert. Integrierte Sicherheit ist erst einmal ein technischer Begriff, aber eigentlich ist es ganz simpel. Integrierte Sicherheit bedeutet, dass alle relevanten Akteure, Mittel und Instrumente zusammenwirken und so ineinandergreifen, dass sie die Sicherheit unseres Landes umfassend erhalten, uns weiter stärken und vor weiteren Bedrohungen schützen.

Die Herausforderungen für unsere Sicherheit ziehen sich nämlich durch alle Lebensbereiche. Sicherheit im 21. Jahrhundert ist mehr als Militär und Diplomatie. Sicherheit im 21. Jahrhundert bedeutet, in der Apotheke verlässlich lebensnotwendige Medikamente zu bekommen. Sicherheit bedeutet, beim Chatten mit Freunden nicht von China ausspioniert oder beim Scrollen durch die sozialen Netzwerke nicht von russischen Bots manipuliert zu werden. Sicherheit beginnt aber eben auch für jede und jeden von uns morgens beim Duschen mit sauberem Wasser, mit warmem Wasser und der Gewissheit, dass die Qualität immer wieder überprüft wird.

Einige werden nun sagen, gerade hinsichtlich der letzten Monate, weil wir im Land viel darüber diskutiert haben, was eine wirklich gute Sache ist: Es ist ja vollkommen klar, dass auch zur Sicherheit gehört, dass es sauberes Wasser gibt oder dass unsere Gasspeicher gefüllt sind. - Aber auch daran merkt man, was diese Zeitenwende eigentlich bedeutet hat. Das, was für uns alle in den letzten zwölf Monaten selbstverständlich geworden ist, war 2015 eben zum Beispiel noch nicht so selbstverständlich. Ich war damals selbst Mitglied im Wirtschaftsausschuss, und da wurde der größte Gasspeicher Deutschlands, der BASF-Speicher in Rehden, an Gazprom verkauft. Damals gab es eben vielleicht in Fachausschüssen eine Debatte darüber, ob das eigentlich eine Sicherheitsfrage ist, aber das wurde offensichtlich anders bewertet.

Angesichts dieser Zeitenwende hat diese Regierung deswegen schon während der Erstellung der Sicherheitsstrategie wichtige Weichenstellungen für die Sicherheit unseres Landes vorgenommen. Wenn Sie jetzt also auf Seite 55 etwas sehen, das bereits umgesetzt ist, zum Beispiel, dass Robert Habeck von einem Tag auf den anderen dafür gesorgt hat, dass eben jener Gasspeicher wieder zurückgeholt und gefüllt werden konnte, dann haben wir ganz bewusst - aus Verantwortung - damit nicht bis zum heutigen Tag der Pressekonferenz und der Vorstellung unserer Nationalen Sicherheitsstrategie gewartet, sondern man kann sagen: „working in writing“ war der Prozess dieser Nationalen Sicherheitsstrategie, sodass vieles davon bereits umgesetzt ist.

Wir haben uns ein Arbeitsprogramm aufgegeben, von dem der Bundeskanzler bereits deutlich gemacht hat, dass es ein Startschuss für unsere gemeinsame Sicherheit ist. Das heißt erstens, im Bereich der Wehrhaftigkeit, des Schutzes vor Krieg und Gewalt und des Schutzes der Unverletzlichkeit unseres Lebens alles dafür auf die Bahn zu bringen. Zweitens heißt es im Bereich der Resilienz, nämlich der Widerstandsfähigkeit unserer Demokratie und Marktwirtschaft, uns gegen Zwang und Abhängigkeit von außen aufzustellen. Drittens geht es um den Bereich der Nachhaltigkeit, des Schutzes unserer persönlichen Lebensgrundlagen, insbesondere mit Blick auf die Klimakrise.

Jetzt kommt es darauf an, dieses Arbeitsprogramm in der gesamten Gesellschaft umzusetzen, und deswegen ist diese Sicherheitsstrategie keine der Bundesregierung, sondern eine unserer gesamten Gesellschaft, weil dieser russische Angriffskrieg auch gezeigt hat, dass die Entscheidungen, die wir treffen, eben nur sicher gelebt werden können, wenn eine Stadt, die ihre Abwasseranlagen steuert, diese Sicherheitsmaßnahmen eben auch umsetzt und wenn die IT-Sicherheit in Krankenhäusern so ist, dass nicht plötzliche Hackerangriffe auf Stromverteilungszentren oder auf Krankenhäuser zu einer der größten nationalen Sicherheitsprobleme werden können. Deswegen richtet sich diese Nationale Sicherheitsstrategie an die Bundesregierung und ebenso an Universitäten, Unternehmen, Kommunen und die Menschen in unserem Land.

Außerdem wird diese Nationale Sicherheitsstrategie nur funktionieren, und so ist sie eingebettet, wenn wir sie europäisch und transatlantisch verankern; denn das macht uns stark. Deswegen haben der Bundeskanzler und der Bundestag sichergestellt, dass wir mehr Geld für die Bundeswehr bereitstellen, worauf der Verteidigungsminister ja auch noch eingehen wird; denn ein sicheres und handlungsfähiges Europa und eine geeinte, starke Nato bedeutet eben auch, dass wir nicht nur zwei Prozent unseres BIPs dafür bereitstellen, sondern endlich in Europa unsere Fähigkeiten so kombinieren, dass sie interoperabel sind und dass sie miteinander wirken können. Integrierte Sicherheit heißt eben auch, dass wir als Europäische Union mit unseren Partnern in Asien, Lateinamerika, dem Nahen und Mittleren Osten und insbesondere in Afrika in Zukunft viel, viel stärker zusammenarbeiten, wie wir das bereits getan haben. Integrierte Sicherheit bedeutet auch, dass wir in der Außenwirtschaftspolitik bei Handelsfragen nicht nur die Interessen unserer Partner stärker mitberücksichtigen, sondern dass wir bei Infrastrukturprojekten in Zukunft mitbedenken, dass es nicht nur um eine Brücke, eine Straße, ein Eisenbahnnetz geht, sondern um eine hoch geopolitische Frage und manchmal auch eine Machtfrage und wir deswegen die europäische Initiative „Global Gateway“ genau so anlegen.

So, wie wir integrierte Sicherheit mit unseren Partnerinnen und Partnern insbesondere in der Europäischen Union und in den Vereinten Nationen zusammen denken, bedeutet integrierte Sicherheit eben auch, innere und äußere Sicherheit zusammen zu denken. Es bedeutet, dass wir Sicherheit nicht mehr nur in unseren Silos von Ressorts definieren, sondern gemeinsam. Auch das klingt wie eine Banalität, aber auch das war vorher anders. Daher möchte ich auch den Dank an die Arbeit hinsichtlich dieser Sicherheitsstrategie unterstreichen. Das Auswärtige Amt hat das koordiniert, aber jedes Ressort hat für seinen Bereich geschaut, was Sicherheit eigentlich für uns bedeutet, also auch die Ministerinnen und Minister, die heute nicht hier sitzen, zum Beispiel die Entwicklungsministerin, aber eben auch der Gesundheitsminister, der Wirtschaftsminister und alle anderen, Forschungs- und Bildungsbereich inklusive. Das heißt, das, was wir nach außen an Sicherheit richten, richten wir auch an uns. Jeder von uns überprüft, was das für unsere Sicherheit bedeutet und wie wir besser zwischen Ressorts zusammenarbeiten können. Zum Beispiel bringt jetzt das Auswärtige Amt dafür eine Datenplattform auf den Weg, mit der man mit einem Klick ressortübergreifend sieht, wo eigentlich das BMZ, das AA, das BMG Dinge weltweit fördert. Da denkt man auch wieder: Das ist ja total logisch. Aber genau das hat es in der Vergangenheit nicht gegeben, einen geopolitischen Ansatz beim außenpolitischen Handeln, was eben auch Außenwirtschaftspolitik, Außengesundheitspolitik und Entwicklungspolitik umfasst, damit wir nicht nur einfach Geld auf der Welt an andere geben, um zu unterstützen, sondern die geopolitische Komponente mitdenken und so nicht nur bei uns, sondern auf der Welt alle Teile einer Gesellschaft erreichen, insbesondere Frauen und marginalisierte Gruppen; denn wir wissen, wie bei uns: Wenn die Hälfte der Gesellschaft nicht sicher ist, ist niemand sicher.

In diesem Sinne ist der heutige Tag für uns besonders, weil wir uns in der neuen Phase deutscher Außen- und Sicherheitspolitik, in die wir ja längst eingetreten sind, nun gemeinsam eine strategische Verortung geben, einer Phase, in der Deutschland als größtes Land in der EU mit der Zeitenwende des Bundeskanzlers nicht nur einen neuen Begriff in der englischen Sprache geprägt hat, sondern einer Zeit, in der unsere Partner in Europa und in der Welt spüren, dass sie sich auf unser Land verlassen können, wie wir uns jahrzehntelang auf andere verlassen konnten. Vielen Dank!

BM Lindner: Meine Damen und Herren, manche unter Ihnen werden sich vielleicht wundern, dass auch ich hier vorne sitzen – nicht, weil Sie glauben, die FDP sei ein Unsicherheitsfaktor in der Koalition, sondern aufgrund meiner Ressortzuständigkeit. Aber das ist in doppelter Hinsicht begründet. Zum einen, wie der Bundeskanzler und Annalena ausgedrückt haben, haben wir es mit einer integrierten Sicherheitsstrategie unseres Landes zu tun. Man würde ja traditional denken: Sicherheitspolitik ist eine Aufgabe des Innenministeriums, des Verteidigungsministeriums, des Außenministeriums. Tatsächlich versteht diese Bundesregierung aber unter Sicherheit eine 360-Grad-Perspektive der Interessen und internationalen Einbindung unseres Landes, und dazu leisten alle Ressorts einen Beitrag. Ich bin hier also als Finanzminister, aber zugleich auch als der die liberalen Ressorts koordinierende Minister.

Wir haben intensiv gearbeitet, und ich glaube sagen zu können: Das ist wirklich ein sehr schöner Erfolg für die gesamte Bundesregierung und im Besonderen natürlich für die Außenministerin, bei der die Federführung gelegen hat.

Im Speziellen hat die Finanzpolitik auch eine Mission hinsichtlich unserer Sicherheitsinteressen, und diese Mission gliedert sich in drei Bestandteile. Der erste Bestandteil ist unsere eigene deutsche Resilienz. Wenn wir uns an die Pandemie und auch die Energiepreisschocks des vergangenen Jahres erinnern, so wären mit diesen unter anderen Umständen erhebliche Gefährdungen unserer sozialen Sicherheit und des sozialen Friedens in unserem Land verbunden gewesen, wenn wir nicht über die fiskalischen Reserven verfügt hätten, um die Vernichtung von Existenzen abzuwenden. Die Finanzpolitik hat also einen Beitrag zu unseren Sicherheitsinteressen hinsichtlich der Resilienz unserer eigenen wirtschaftlichen Grundlagen zu leisten. Fiskalische Reserven bedeuten in Krisensituationen eben, Handlungsvermögen zu haben.

Zum Zweiten ist die internationale Finanzstabilität eine Priorität der Bundesregierung. Mit der Finanzstabilität von Staaten hängt Krisenprävention unmittelbar zusammen. Nur einmal ein Beispiel: Ein Staat, der nicht mehr in der Lage ist, seine Bevölkerung zu versorgen, der nicht mehr in der Lage ist, Daseinsvorsorge zu finanzieren, der wird Migrationsbewegungen auslösen. Deshalb engagiert sich die Bundesregierung für die Finanzstabilität beispielsweise von überschuldeten Ländern. Wir wollen dafür sorgen, dass sich Krisen aufgrund von finanziellen Engpässen oder Überschuldungsproblematiken nicht verschärfen.

Zum Dritten muss diese Strategie, die heute vorgestellt wird, natürlich auch umgesetzt werden. Eine Strategie aufzuschreiben, ist also verdienstvoll und wichtig, aber entscheidend wird ja sein, sie zu leben, sie zu realisieren. Sie ahnen, worauf ich hinauswill: Das muss natürlich mit Ressourcen hinterlegt werden. Wir haben jetzt im Grundgesetz mit dem Sonderprogramm zur Ertüchtigung unserer Streitkräfte eine ad hoc notwendige Maßnahme ergriffen, die ihre Wirkung auch nicht verfehlen wird; das sehen wir ja schon. Aber es wird die Situation kommen, dass dieses Sonderprogramm erschöpft sein wird. Hoffentlich wird es bald erschöpft sein, da wir dann wissen, dass viele Investitionen in die Bundeswehr erfolgt sind. Aber dann werden wir im Anschluss im Haushalt Prioritäten ohne diese Anpassungshilfe des Sondervermögens setzen müssen. Wir werden uns also in den nächsten Jahren in Richtung des Endes dieses Jahrzehnts im Haushalt Schwerpunkte für die Sicherheitsstrategie erarbeiten müssen, nicht nur im Bereich der Verteidigung, sondern etwa auch im Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Diplomatie. Das ist kein Selbstläufer. Das bedeutet nämlich, dass andere Aufgaben, die ebenfalls wünschenswert sind oder von den Menschen erbeten werden, an unseren überragenden sicherheitspolitischen Interessen gemessen werden müssen. Insofern hat hinsichtlich der Resilienz, der Finanzstabilität und der Ressourcenhinterlegung dieser Strategie auch das Finanzressort einen Beitrag zu leisten.

Frage: Ich würde gerne eine Frage zu einem Satz stellen, den ich in der Strategie auf die Schnelle schon gefunden habe, nämlich dass im mehrjährigen Durchschnitt das Zwei-Prozent-Ziel der Nato, verkürzt gesagt, erreicht werden soll, zunächst durch das neu geschaffene Sondervermögen. Was heißt „im mehrjährigen Durchschnitt“?

Teilen Sie die Kritik, die ja schon zu hören gewesen ist, dass die Anrechnung des Sondervermögens dazu führt, dass dieses Zwei-Prozent-Ziel nicht nachhaltig erreicht werden kann, weil der Verteidigungshaushalt nicht jetzt schon schnell genug steigt?

Mit Blick auf den Nato-Gipfel in Vilnius, hinsichtlich dessen es ja die Forderung gibt, dass zwei Prozent der Boden seien, aber nicht das Ziel: Würden Sie diese Forderung teilen, dass man sagt, es müssten eigentlich deutlich mehr als zwei Prozent werden? Das ist eine Frage, für die Herr Lindner hier natürlich auch richtig sitzt, aber sie geht auch an den Bundeskanzler und an den Verteidigungsminister.

BM Lindner: Ich darf vielleicht damit beginnen, zu den ersten beiden nicht militärfachlichen Fragen Stellung zu nehmen. Die Formulierung „im mehrjährigen Rahmen“ ist eine wörtliche Übernahme aus dem Errichtungsgesetz für das Bundeswehr-Sondervermögen. Darauf hat sich die Bundesregierung mit der parlamentarischen Opposition zur Erlangung der Zweidrittelmehrheit seinerzeit verständigt. „Mehrjähriger Durchschnitt“ bedeutet, nicht in einem Jahr sind die zwei Prozent rechnerisch darzustellen, auch nicht in zwei Jahren - sonst stände dort „in zwei Jahren“ -, sondern innerhalb von mehr als zwei Jahren soll erreicht werden, im Durchschnitt das Zwei-Prozent-Ziel zu erlangen. Der Hintergrund ist ganz einfach: Wir haben es mit mehrjährigen und auch umfänglichen Beschaffungsvorhaben zu tun. Da kann man - je nachdem, wie kassenwirksam eine Investition realisiert wird - in einem Jahr bei deutlich mehr als zwei Prozent und in einem anderen Jahr vielleicht darunter liegen.

Tatsächlich streben wir in der Finanzplanung aber an, bereits ab dem nächsten Jahr das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen. Das heißt, von der Auffangformulierung des Errichtungsgesetzes wollen wir eigentlich nicht Gebrauch machen müssen. Wir wollen also über das, was der Gesetzgeber von der Bundesregierung erwartet, hinausgehen.

Zum Zweiten: Nein, die Kritik, dass wir jetzt das Zwei-Prozent-Ziel nur mit dem Sonderprogramm erreichen, teilt die Bundesregierung nicht. Das ist ja genau deshalb eingerichtet worden. Jetzt ad hoc zwei Prozent unserer jährlichen Wirtschaftsleistung aus dem Bundeshaushalt abzubilden, wäre nur durch den massiven Eingriff in gesetzliche Leistung möglich, die Streichung von anderen notwendigen Investitionen oder massive Steuererhöhungen, die ganz erheblich die wirtschaftliche Entwicklung belasten würden. Das war ja der Grund, warum dieses Sondervermögen auf Vorschlag des Bundeskanzlers eingerichtet worden ist, um gewissermaßen einen Anpassungspfad innerhalb des Bundeshaushaltes bis in die zweite Hälfte dieses Jahrzehnts zu ermöglichen.

Für die militärfachliche Frage nach der Nato würde ich an den Kollegen Boris abgeben.

BM Pistorius: Der Bundesfinanzminister hat dankenswerterweise die Definition von zwei Prozent und die Formulierung aus dem Errichtungsgesetz zum Sondervermögen schon dargelegt. Zwei Prozent beim Nato-Gipfel – ich will es einmal so formulieren: Auch wer nach den höher hängenden Früchten greifen will, sollte mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehen. Es ist ja nicht so, dass die anderen Nato-Partner alle schon jetzt Ziele jenseits der zwei Prozent und weit darüber hinaus anstreben. Für einige wenige mag das gelten. Für die meisten gilt das, was auch für uns gilt: Zwei Prozent sind ehrgeizig und sind mit Aufwand verbunden. Trotzdem werden wir das machen. Das Sondervermögen trägt dazu bei. Allen ist klar, dass danach, ab 2027 oder 2028, wann auch immer, wenn das Sondervermögen, wie ich hoffe, dann erfolgreich verausgabt werden konnte, schneller als ursprünglich geplant, eben ein Pfad gefunden werden muss, um die zwei Prozent mit anderen Mitteln zu erreichen. Aber das ist eben eine Aufgabe, für die wir jetzt erfreulicherweise noch ein wenig Zeit haben, dank des Sondervermögens, das ja auch entsprechende Kräfte bindet.

BK Scholz: Da alles Wichtige gesagt ist, will ich eine Ergänzung machen: Für die Zukunftsplanung der Bundeswehr ist wichtig, dass sie immer davon ausgehen kann, dass auch für die Zeit nach dem Sondervermögen schon jetzt feststeht, dass Ende der Zwanziger- und in den Dreißigerjahren die zwei Prozent maßgeblich sein werden. Das heißt, angesichts vieler langfristiger Investitionen, die über den Verausgabungszeitraum des Sondervermögens hinausreichen - man kann also anfangen, das daraus zu bezahlen, aber hinterher gibt es dann noch weitere zugelieferte Verteidigungssysteme und Waffen -, wird es wichtig sein, dass man das immer im Blick hat und planen kann. Das Gleiche gilt natürlich im Hinblick auf neue Bestellungen, die vielleicht überhaupt erst Mitte oder Ende der Zwanzigerjahre und teilweise in den Dreißigerjahren relevant sein werden. Das heißt, die zwei Prozent als Planungshorizont sind natürlich mit den Entscheidungen, die wir getroffen haben, auch verbunden, und darauf - das haben der Finanzminister und ich dem Verteidigungsminister gesagt - kann die Bundeswehr ihre Planung aufbauen. Das ist ja das Entscheidende.

Frage: Frau Baerbock, Sie hatten sich in den Verhandlungen für ein sicherheitspolitisches Gremium eingesetzt, das die strategische Analyse verstetigen sollte. Das wird es nicht geben. Sie hatten sich für eine Kopplung der Verteidigungsausgaben an die Ausgaben für Entwicklung und Diplomatie eingesetzt. Das kommt auch nicht, ebenso nicht die Anbindung des Katastrophenschutzes von der Landes- auf die Bundesebene. Kurzum: Sind Sie nicht doch ein ganz klein wenig über das Resultat enttäuscht, das Sie heute hier präsentieren?

BM’in Baerbock: Nein, ganz und gar nicht! Ich glaube sogar, wir können sehr stolz auf diese Sicherheitsstrategie sein, und zwar gemeinsam und nicht, weil das Auswärtige Amt das koordiniert hat, sondern weil wir in der Lage sind, dass Politik reflektiert, da wir in der Lage sind, dass wir in diesen schwierigen Zeiten, die zum Glück noch nie jemand von uns erlebt hat - einige in der Gesellschaft in ihrer Kindheit; ganz, ganz lange her -, ganz zu Beginn dieses Kriegs einen kühlen Kopf bewahrt haben, auch wenn uns manchmal das Herz geblutet hat, und zugleich immer wieder Empathie für die Lage nicht nur in der Ukraine, sondern auch für die Nöte der Menschen in unserem Land zugelassen haben und in der Situation Entscheidungen getroffen haben, bei denen wir niemals zuvor gedacht hätten, wir müssten solche Entscheidungen jemals treffen, und in diesem Prozess auch viele Punkte, die Sie jetzt angesprochen haben, reflektiert haben, gemeinsam diskutiert haben und dann zu guten Ergebnissen gekommen sind.

Mein Verständnis, und das, glaube ich, eint uns in dieser Koalition, ist nicht: Wir haben einmal etwas in den Koalitionsvertrag geschrieben, und weil ich ein Wort hineingeschrieben habe, will ich auch, dass es eineinhalb Jahre später noch so dort steht, obwohl es gar keinen Sinn mehr ergibt. – Das betrifft insbesondere die Frage, die Sie, glaube ich, zu Beginn angesprochen haben, die Frage, wie wir das institutionell einrichten. Da gab es ja eine Diskussion. Die FDP hatte einen Nationalen Sicherheitsrat vorgeschlagen. Es gab viele im Land, die gesagt haben: Das ist eigentlich eine ganz gute Idee. – Wir hatten vorgeschlagen, was Sie angesprochen haben, dass es ein Sicherheitsgremium gibt, das mit Blick auf das, was wir bereits haben, weiterentwickelt ist. Was kam dann? Dann kam nicht nur dieser furchtbare Krieg, sondern in dieser Situation haben wir ein Sicherheitskabinett gehabt, bei dem wir gar nicht lange drauf warten mussten, worauf sich die Sicherheitsstrategie jetzt einigt, sondern der Bundeskanzler hat eingeladen, und dieses Sicherheitskabinett hat getagt. In diesem Prozess haben wir festgestellt: Mensch, das ist doch eine super Sache! Wir sind nämlich - anders, als manchmal das Vorurteil ist, weil wir über manche Themen sehr, sehr lange streiten - durchaus in der Lage, in kritischen Momenten nicht nur schnell zu entscheiden, sondern vertrauensvoll zusammenzukommen. Auf diesem Vertrauen baut nicht nur diese Sicherheitsstrategie auf, sondern eben auch die Institutionen, die wir darin geschaffen haben, nämlich dass wir das, was wir im Rahmen dieser letzten eineinhalb Jahre angelegt haben, auch in Zukunft fortführen werden, und dann zwar eben nicht nur wie in der Vergangenheit zu Fragen der Verteidigung, sondern wenn wir einmal die Situation hätten - Gott behüte -, dass wir mit Blick auf Cyberinfrastruktur oder digitale Sicherheit mit der Innenministerin zusammenkommen, dann wäre natürlich das BMI „in charge“, weil das seine absolute Verantwortung ist.

So ist es auch in Bezug auf andere Punkte, die Sie angesprochen haben. Zum Katastrophenschutz kann Nancy Faeser noch etwas sagen. Nach der furchtbaren Flut im Ahrtal haben wir ja bereits gemeinsam in diesem Land diskutiert, wie wir zu einem besseren Katastrophenschutz kommen, bei dem nicht mehr die Situation herrscht, dass Kommunen, Ländern und Bund am Ende alle fragen: Wer hätte denn eigentlich handeln müssen? – Da haben wir bereits Fortschritte erreicht. Wir haben damals diskutiert. Wir haben im Rahmen der Nationalen Sicherheitsstrategie diskutiert, wie wir das anders machen können.

Wir haben das Ganze auch mit internationalen Partnern diskutiert. Auch das ist die Stärke dieser Strategie. Der spanische Premierminister war zum Beispiel bei unserer Kabinettsklausur in Bezug auf viele Themen, aber er hat uns dort auch die Sicherheitsstrategie der Spanier präsentiert, die ja durch Waldbrände leider schon viel länger Erfahrung damit haben, wie man damit eigentlich in föderalen Systemen umgeht. Dabei sind wir dann eben zu der Lösung gekommen, die wir hier verankert haben.

Wie bei vielen Themen hatte der eine eine Idee und der andere eine Idee. Ich hatte einen Vorschlag eingebracht, der jetzt offensichtlich so nicht umgesetzt wird, weil wir uns natürlich auch mit den Ländern verständigen müssen, weil diese Sicherheitsstrategie nur getragen wird, wenn sie von allen gelebt wird, von der Kommune über Universitäten und Unternehmen bis zu den Bundesländern und der Bundesregierung und dies auch gemeinsam in der Europäischen Union. Sie könnten jetzt zu diesem Papier sagen: Da hat sich aber offensichtlich Herr Özdemir durchgesetzt, weil er dieses Wort bei der Ernährungssicherheit schon immer benutzt hat. – So ist dieses Papier nicht angelegt. So würde dieses Papier auch niemals fliegen, sondern in diesem Papier geht es darum, wenn Herr Özdemir bei der Lebensmittelsicherheit ein Problem hat, wie er dafür sorgen kann, dass wir das schnellstens auch in der Außenwirtschaftspolitik zusammen denken. Von diesem Geist, und darum müssen wir nicht herumreden, den wir am Anfang in unserer Koalition vielleicht hatten, ist diese Nationale Sicherheitsstrategie getragen, und deswegen glaube ich auch, dass der ganze Prozess nicht nur für die Sicherheit im Land und auch in Europa, sondern auch im Rahmen dieser Koalition wirklich ein wichtiger Bestandteil ist.

BM’in Faeser: Ich ergänze gerne das, was meine Kollegin, Frau Außenministerin Annalena Baerbock, gesagt hat. Sie hatte vorhin schon gesagt, dass die innere und äußere Sicherheit sehr eng miteinander verwoben sind, und in diesem Geiste haben wir auch die Nationale Sicherheitsstrategie erarbeitet und miteinander die entsprechenden Abwägungen getroffen. Annalena Baerbock hat gerade beispielsweise die Resilienzstärkung angesprochen. Dort haben wir uns ansichtlich der Auswertung der Krise im Ahrtal, aber auch der Zusammenarbeit, die wir alle ja auch über diese Ressorts während des Kriegsausbruchs geleistet haben, nämlich mit den schnellen Hilfslieferungen, die wir dorthin gebracht haben, in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr, dem THW, dem Auswärtigen Amt, auch der Fragen der Finanzierung, die Annalena Baerbock dankenswerterweise schnell mit dem Finanzminister geklärt hat, damit die notwendigen Hilfsmittel beispielsweise in die Ukraine geliefert wurden, aber auch bei der Frage, wie wir uns bei Katastrophen aufstellen - - Wir haben das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum mit den Ländern aufgestellt, das in Bonn beim BBK angesiedelt ist, was, glaube ich, eine gute Grundlage ist, um gerade in der Frage des Katastrophenschutzes eng zusammenzuarbeiten. Das haben wir auch in der Nationalen Sicherheitsstrategie festgelegt.

Zur Cybersicherheit: Wir sind alle von dem Verständnis geprägt, dass es wichtig ist, als Bund dort eine Zentralstellenfunktion zu bekommen, ähnlich wie es das beim BKA gibt, um gegenüber den ganzen Herausforderungen in der Cybersicherheit besser aufgestellt zu sein.

Zur Resilienzstärkung haben wir uns auf den Weg gemacht, gemeinsam ein KRITIS-Dachgesetz auf den Weg zu bringen, das erstmalig in der Bundesrepublik Deutschland konkrete Vorgaben über alle Sektoren hinweg regelt.

Frage: Ich habe eine Frage an den Herrn Bundeskanzler und die Außenministerin zum Thema China. China ist jetzt relativ knapp abgehandelt worden, weil ja auch noch eine Chinastrategie erwartet wird. Ich würde trotzdem ganz gerne darauf eingehen, dass erwähnt wird, dass die Elemente von Realität und Wettbewerb in den letzten Jahren zugenommen haben. Es gibt aber kommende Woche Regierungskonsultationen. Deswegen würde ich ganz gerne fragen, weil das ja eigentlich ein Instrument der besonders engen Partnerschaft mit anderen Ländern ist, ob das nicht im leichten Widerspruch zu dieser Nationalen Sicherheitsstrategie steht. Was ist das Signal an Peking, das aus dieser Nationalen Sicherheitsstrategie hervorgeht?

BK Scholz: Es ist gut, dass es nach meinem Besuch in Peking und nach dem Besuch der Außenministerin und vieler anderer jetzt die Regierungskonsultationen gibt. Es hat sich ja auch gezeigt, dass sich die intensiven Kontakte hier als fruchtbar erwiesen haben. Zum Beispiel ist es bei dem G20-Gipfel in Indonesien gelungen, Beschlüsse zu verankern, die uns jetzt helfen, auch in der ganz konkreten Situation, zum Beispiel die klare Aussage, dass keine Atomwaffen eingesetzt werden dürfen. Das ist auch das Ergebnis unserer Gespräche, die wir in Peking geführt haben.

Ich will ergänzend sagen: Wir haben ja schon viel erreicht. Deshalb wird auch in der Chinastrategie, die wir noch ausformulieren, alles zusammenkommen, was wir bisher bereits getan haben. Wir haben beim G7-Gipfel eine gemeinsame Sprache zu China gefunden. Wir haben das in dieser Nationalen Sicherheitsstrategie verankert. Das wird sich auch in unserer Deutschlandstrategie im Hinblick auf China wiederfinden. Es ist eine Sprache, die zum Beispiel sehr klar sagt: Wir wollen kein „decoupling“; wir wollen „derisking“. - Das ist mittlerweile Sprachgebrauch in der G7 und in der Europäischen Union geworden. Wir haben sehr früh so davon gesprochen, weil das unsere Perspektive ist. Denn es geht ja darum, dass China weiterhin wirtschaftlich wachsen wird und auch wirtschaftlich wachsen soll, dass auch die Einbindung Chinas in den Welthandel und die weltweiten Wirtschaftsbeziehungen nicht beeinträchtigt werden soll, wir gleichzeitig aber die Sicherheitsfragen, die sich uns stellen, zu beachten haben. Dabei geht es um Fragen militärischer Sicherheit und um andere Fragen, die dabei ebenfalls wichtig sind. Diese Balance zu wahren, ist letztendlich auch etwas, was sich in all den Texten wiederfindet, aber auch im alltäglichen Handeln und auch bei Gesprächen in Peking, in Berlin, aber eben auch bei Regierungskonsultationen.

Insofern hat sich das Ganze doch zu einer sehr breit getragenen gemeinsamen Strategie weiterentwickelt und hat Deutschland sicherlich eine entscheidende Rolle dabei gespielt, dass das jetzt so formuliert ist. Deshalb passt das alles gut zusammen.

BM’in Baerbock: Das Interesse ist sehr groß, auch in China, an der Nationalen Sicherheitsstrategie, natürlich auch an der Chinastrategie, aber auch weltweit. Deswegen gibt es die Strategie auch in unterschiedlichen Sprachen.

Zusatzfrage: Auch auf Chinesisch?

BM’in Baerbock: Noch nicht. Erst einmal wollten wir es Ihnen zur Verfügung stellen, in ausreichender Stückzahl.

Frage: Eine Strategie ist nur so gut wie ihre Umsetzung. Wer wird künftig die Evaluation durchführen? Gibt das Kanzleramt den beteiligten Ministerien einmal im Jahr Noten, oder wie wird das überprüft werden?

BK Scholz: Die Notenverteilung ist in der Bundesregierung nicht eingeführt.

Zusatzfrage: Sie könnte aber jetzt erfolgen.

BK Scholz: Nein, auch ganz generell halte ich das für eine falsche Methode, um Kooperation zu steuern. Aber wir haben hier gemeinsam schon gesagt: Das wird ständig evaluiert. - Es geht praktisch mit der Vorstellung los, dass wir daran arbeiten. Wir werden immer wieder zusammenkommen. Sicherlich ist das jetzt der Ausgangspunkt auch für weitere neue Auflagen der Nationalen Sicherheitsstrategie, die irgendwann produziert werden. Die Grundlage ist gelegt.

Ich will noch einmal unterstreichen, was alle hier bereits gesagt haben. Wir vollziehen in Deutschland einen großen, großen Umbruch im Umgang mit Sicherheitsfragen. Wir kommen weg von der Strategie des Weißbuchs, das sich nur auf Verteidigungsfragen konzentriert hat, und haben ein integriertes Sicherheitskonzept. Das allein ist die ganze Mühe der vergangenen Monate, aber auch die viele praktische Arbeit jedes einzelnen Ressorts in den nächsten Jahren wert.

Frage : Ich habe eine Frage zu den Chinapassagen. Einem fällt auf, dass eigentlich jeder kritische Satz zu China immer wieder gleich mit der Message „aber auch wichtig bei der Lösung bestimmter globaler Herausforderungen“ ausbalanciert wird. Es gehört wenig Fantasie dazu, zu glauben, dass die eher chinakritischen Passagen aus dem Auswärtigen Amt kommen, die anderen eher aus dem Kanzleramt.

Wird das auch die Tonalität sein, in der die Chinastrategie formuliert ist, dass man also immer sagt: „Na ja, kritisch hier, aber auch gleichzeitig wichtig, dass man weiter zusammenarbeitet“?

Herr Bundeskanzler, werden Sie der chinesischen Regierung vorab schon zur Kenntnis geben, was in dieser Chinastrategie eigentlich drin ist? Wird diese Chinastrategie noch vor der Sommerpause veröffentlicht?

BK Scholz: Wenn wir eine Chinastrategie formulieren, dann formulieren wir sie erst einmal unter uns. Daran sind jetzt viele Regierungsstellen beteiligt, aber keine ausländischen Regierungsstellen. Das wäre eine eigenwillige Weiterentwicklung, gegen die ich mich sehr sträuben würde und, wie ich glaube, mit großem Verständnis bei allen Beteiligten außerhalb Deutschlands.

Ansonsten habe ich nur zu wiederholen, was ich bereits gesagt habe. Wir haben eine sehr gemeinsame Sicht und auch eine gemeinsame Sprache, die dem einen und der anderen von Ihnen schon aufgefallen ist, wenn Sie uns bei unseren verschiedenen öffentlichen Auftritten zugehört haben. Es klang immer gleich, und Sie haben sich gewundert. Sie müssen sich nicht wundern. Wir haben eine gleiche Strategie. Dass das gelungen ist, dass das, was sich hier schon wiederfindet, das, was sich in der Chinastrategie wiederfinden wird, das, was die EU beschließt, das, was die G7 sagt, identisch ist und zusammenpasst, ist ein gutes Zeichen, weil wir dann gar keinen allein in Deutschland richtig gefundenen Kurs fahren, sondern einen, der sehr eingebunden ist mit unseren Partnern. Wenn Sie den amerikanischen Präsidenten beim G7-Gipfel in Hiroshima gehört haben, dann haben Sie gehört, dass das genauso klingt, wie wir es hier aufgeschrieben haben. Deshalb sagen wir immer alle diese Sätze. Da sind nicht die einen von dem einen und die anderen von der anderen, sondern das sind unsere gemeinsamen Sätze.

BM’in Baerbock: Um vielleicht noch zu ergänzen: Das Abwägende unterscheidet diese Strategie vielleicht von anderen Papieren aus anderen Regierungshäusern weltweit. Die Welt ist nicht schwarz-weiß. Weder China ist schwarz-weiß, noch Deutschland ist schwarz-weiß noch Europa noch Afrika, noch irgendwer ist schwarz-weiß. Deswegen ist in dieser Strategie wie in der Chinastrategie, wie in anderen Strategien, in der Finanzreform natürlich immer zu sagen: Das ist unser Weg, den wir gehen. - Dabei muss man auch beachten - auch das ist jedenfalls für mich, für uns die große Lehre aus den letzten anderthalb Jahren -: der Punkt in der Welt, eben nicht nur zu sagen: „Das ist das, wie wir es sehen“, sondern zuzuhören, wie es andere sehen und das zu reflektieren und im Zweifel auch zu sagen: „Da haben wir einen großen Widerspruch, und beim Chinathema, bei den Fragen mit Blick auf Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Demokratie sehen wir die Welt offensichtlich komplett anders.“ - Aber bei der Erkenntnis, dass man die Klimakrise, die die größte Sicherheitsgefahr - - - Übrigens ist das ja auch das Neue an dieser Sicherheitsstrategie, hier mit Blick auf die Nachhaltigkeit eben auch die Sicherheit mit Blick auf unsere Lebensgrundlagen zu definieren. Wir haben mit China Schnittmengen, und zwar große. Nicht in allen Bereichen. Das erleben wir auch auf der Weltklimakonferenz, dass Geopolitik dann immer stark auch mit reinfließt, und diese Dilemmata, dass man nicht sagen kann: „Man will das Weltklima retten, aber man möchte nicht mit China reden“, aufgelöst werden müssen - dem stellen wir uns - und dass man erst recht in den Bereichen, wo man zusammenarbeiten kann, Zusammenarbeit macht, aber da, wo die Differenzen sehr, sehr groß sind, diese auch benennt.

Dass wir das nicht alleine machen, auch das ist ein bisschen anders als zu anderen Strategien. Deswegen hatte ich ja gesagt: der Bundeskanzler in seiner Zeitenwenderede. Wir müssen natürlich reflektieren: Was bedeutet nicht nur Sicherheitspolitik, sondern Außenpolitik auch in diesen neuen Zeiten? Dabei festzustellen, dass wir zwar das größte Land innerhalb der Europäischen Union sind, die viertgrößte Industrienation, aber natürlich mit keiner unserer Strategien irgendwie weiterkommen würden, wenn sie nicht europäisch eingebettet sind - - - Und deswegen ist es nicht nur so, dass es ein Zufall ist, dass die Nato-Strategie, das Strategic Concept der Nato, an diesen Passagen genauso klingt und die Europäische Union, die Strategie der Europäischen Union zur Sicherheit genauso klingt, weil ja die Bundesrepublik Deutschland an der Erarbeitung dieser Strategien beteiligt war und es ja deswegen genauso in dieses Konzept hier mit einfließt. Ich glaube, das ist wirklich nicht nur mit Blick auf diese Strategie, sondern insgesamt in diesen Zeiten - - - Wir haben auch viele Baustellen. Nicht, dass Sie sagen: Alles wird jetzt schöngeredet! - Aber das ist doch der große Mehrwert der letzten anderthalb Jahre, mit dem auch der russische Präsident nicht gerechnet hat, dass wir eine Außen- und Sicherheitspolitik nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland, nicht nur in der Bundesregierung, sondern mit der größten Oppositionspartei zusammen, ein Grundverständnis dafür haben, wie wir unsere Demokratie, wie wir unsere Sicherheit in Frieden und Freiheit verteidigen wollen, und dass wir das auch in der Europäischen Union haben, so groß die Differenzen auch bei anderen Themen sind, dass wir dort gemeinsam an einem Strang ziehen. Dieses Pfund, das wir uns damals vor ein paar Jahren noch niemals vorstellen konnten, dass wir zum Beispiel in der Außen- und Sicherheitspolitik vielleicht zu qualifizierten Mehrheitsentscheidungen kommen können, diesen Moment, dieses Pfund jetzt gemeinsam auch europäisch zu nutzen, das ist, glaube ich, unsere Chance. Deswegen haben nicht nur Sie darauf gewartet, wann das endlich fertig wird, sondern es haben auch sehr, sehr viele in Europa und - das muss man auch sagen, ohne anmaßend zu sein - in der Welt darauf gewartet, weil natürlich die anderen ein großes Interesse daran haben: Wie stellt sich das größte EU-Mitgliedsland, und wie stellt sich die viertgrößte Wirtschaftsnation dieser Welt eigentlich bei den zukünftigen sicherheits- und außenpolitischen Fragen auf?

Zusatzfrage : China noch vor der Sommerpause?

BK Scholz: Wir haben bisher immer die Grundsätze gepflegt, die, wie folgt, formuliert sind: Wir sind fertig, wenn wir fertig sind, aber bald.

Frage: Herr Bundeskanzler, Frau Außenministerin, ich habe eine Frage zum Thema der Rüstungsexporte an Sie beide. Seit mehr als einem Jahr ist ein Gesetz zur besseren Kontrolle von Rüstungsexporten in Arbeit. Wie wird sich die Zeitenwende in diesem Gesetz niederschlagen? Werden Waffenlieferungen an Staaten außerhalb von EU und Nato, die strategisch wichtige Partner sind wie zum Beispiel Indien oder Brasilien, durch dieses Gesetz erleichtert, oder werden sie erschwert, wie es ursprünglich einmal geplant war?

Ist ein so wichtiges sicherheitspolitisches Instrument wie die Rüstungsexporte im Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz eigentlich immer noch gut aufgehoben? Ist das noch zeitgemäß, oder gehört das nicht eher ins Auswärtige Amt?

BK Scholz: Es ist eine andere Pressekonferenz, auf der wir Ihnen unsere neuen Rüstungsexportrichtlinien vorstellen werden. Aber ich kann Ihnen sagen, dass sie natürlich die strategischen Erwägungen, die wir hier angestellt haben, reflektieren werden. Es bleiben strenge Rüstungskontrollvorschriften, die aber die strategischen Fragen mitberücksichtigen, was unsere Partnerschaft in der Welt betrifft, unsere engen Rüstungskooperationen, die wir mit unseren europäischen Partnern haben, was die Herstellung von Waffen betrifft. Das alles ist auf einem guten Weg.

BM’in Baerbock: Und vielleicht da auch noch einmal: die Dilemmata. Ich glaube, für uns als Gesellschaft insgesamt ist es eine Chance, aus dem, was ich eben gesagt habe, Schwarz-weiß-Denken, ein bisschen auszubrechen, weil die Welt nun einmal so ist, wie sie ist. Sie ist megakomplex, und auf manche Dinge gibt es eben keine einfachen Antworten. Das gilt mit Blick auf Zusammenarbeit mit Ländern, die unsere Werte nicht teilen und mit denen wir trotzdem zusammenarbeiten müssen und wollen, und das gilt genauso mit Blick auf die Rüstungsexportfragen. Sie wollen jetzt ja Häuserkompetenzen oder nicht. Es ist jetzt zum Beispiel so, dass im Wirtschaftsministerium die wirtschaftlichen, die Exportfragen mit verankert und definiert werden und das Auswärtige Amt die Frage: „Wie ist die Menschenrechtssituation? Wie ist die Ländereinschätzung?“ - - - Und auch da wieder: Gemeinsam auf Dinge draufzuschauen, ist doch ein Mehrwert an sich, dass man sagt: „Aus unserer Perspektive sieht das so aus“ und: „Aus unserer Perspektive sieht das so aus“, und gemeinsam müssen wir als Bundesregierung dann eine Entscheidung treffen.

Ja, wir evaluieren und überarbeiten das Rüstungsexportkontrollgesetz wieder, nicht nur, weil das im Koalitionsvertrag stand, sondern weil wir in diesen Zeiten eben erlebt haben, dass sich manche Dinge - das betrifft auch meine Partei - mit Blick auf Waffenlieferungen in dieser Welt nach der Zeitenwende anders darstellen, weswegen wir als Bundesregierung als Allererstes gesagt haben: Wir werden die Ukraine auch militärisch unterstützen bei ihrem Recht auf Selbstverteidigung. - In dieser ganzen Diskussion - - - Das ist ja das, was der Bundeskanzler und ich weltweit gerade machen: Partner, Freunde, Verbündete oder auch diejenigen, die weiter weg sind von uns, zu überzeugen, dass dieser Krieg nicht nur Europa betrifft, sondern weltweit. - Dann kommen die Gegenfragen: Wo wart ihr, als wir euch brauchten? - Das ist all das, was hier mit eingeflossen ist, und da spielt zum Beispiel auch die Frage von Konflikten an anderen Seiten dieser Welt mit eine große Rolle. Deswegen betrachten wir auch das, wie der Bundeskanzler gesagt hat, mit Blick auf die Rüstungsentscheidung, eben die geopolitischen Fragen, die menschenrechtlichen Fragen und, wie wir das, was der Herr Verteidigungsminister gesagt hat, die europäische Rüstungsindustrie, endlich verzahnen, dass wir nicht zig Panzersysteme in Europa haben, die nur leider alle nicht mehr miteinander harmonieren.

Zusatzfrage: Frau Ministerin, Sie sind jetzt ein bisschen ausgewichen. Sind die Rüstungsexporte für Sie eher ein wirtschaftspolitisches Thema oder ein sicherheitspolitisches Thema?

BM’in Baerbock: Ich bin nicht ausgewichen, sondern ich habe Ihnen die Komplexität dieser Entscheidung festgestellt. Wie man Werte und Interessen - - - Diejenigen, die mit mir reisen - - - Das ist ja Standardthema auf unseren Reisen. Man kann nicht sagen: „Hier sind die Werte, und hier sind eben die Interessen“, weil eine rechtsstaatliche Ordnung das größte Interesse der deutschen Wirtschaft ist. Genauso ist es auch dort. Natürlich spielen industriepolitische Fragen - - - Wenn wir nicht den gesamten deutschen Haushalt für Industriepolitik und Verteidigungspolitik aufgeben wollen, müssen wir mit unseren europäischen Partnern Projekte zusammendenken, wozu der Verteidigungsminister ja gerade mit Frankreich und anderen Debatten führt. Genauso müssen wir mitberücksichtigen: Mit welchen Partnern und Ländern können wir solche verteidigungspolitischen Projekte auf den Weg bringen? - Mit den Partnern, die unsere Werte teilen, weil es eben bei dieser Frage darum geht, dass man sich gegenseitig aufeinander verlassen kann. Deswegen gehören diese drei Elemente alle miteinander zusammen.

BM Pistorius: Ich kann es ganz kurz machen. Nach unserer Überzeugung - das wird auch in zwei, drei Sätzen in der integrierten Sicherheitsstrategie sehr deutlich - sind Rüstungsexporte angesichts der neuen Weltlage natürlich auch ein Teil des strategischen Instrumentenkastens. Das ist doch ganz klar. Wenn wir über strategische Partnerschaften reden, dann muss es auch um diese Frage gehen, also auch um eine neue Balance. Das wird in dem Papier deutlich, indem wir sagen, dass die bisherige restriktive Grundlinie beibehalten, aber erweitert wird um - das ist ausdrücklich so formuliert - Bündnis- und Sicherheitsinteressen und geostrategische Lageeinschätzung. Das alles führt dazu, dass wir uns daran in dem neuen Kontrollgesetz, das jetzt erarbeitet werden wird, orientieren. Es wird also eine neue Ausrichtung geben. Das wird hieran deutlich.

Frage : Ich habe ein paar Verständnisprobleme. Herr Scholz, Frau Baerbock, geht es bei Rohstoff- und Energiesicherheit auch darum, dass die Bundeswehr unsere Handelswege zur Not mit Gewalt schützt und dass wir weiterhin mit Diktatoren kuscheln müssen, da sie die wichtigen Rohstoffe haben?

BK Scholz: Bei Rohstoff- und Energiesicherheit geht es im Kern darum, dass wir uns selbst Gedanken darüber machen, woher die Rohstoffe kommen, die wir in Deutschland einsetzen müssen, und wie wir sicherstellen können, dass wir kontinuierlich mit diesen Rohstoffen versorgt werden. Das ist in der Vergangenheit nicht ausreichend strategisch erwogen worden. Deshalb werden gegenwärtig viele der Rohstoffe, die überall auf der Welt aus der Erde gewonnen werden, nur in wenigen Ländern verarbeitet. Das ist aus entwicklungspolitischer Perspektive nicht gut, weil dann Länder wie Chile, Brasilien, Argentinien oder Mexiko oder viele afrikanische und asiatische Länder gar nicht die Möglichkeit haben, das, was bei Ihnen gewissermaßen als Bestandteil ökonomischer Entwicklung genutzt werden kann, voll zum Tragen zu bringen.

Deshalb haben wir uns zum Beispiel in der G7 schon verständigt und das im Prozess der WTO eingebracht und in die Europäische Union und überall viele neue Zustimmung gefunden, dass wir uns zum Beispiel dafür einsetzen wollen, dass die erste Verarbeitungsstufe in den Ländern stattfindet, in denen auch die Exploration stattfindet. Häufig wird es einfach aus der Erde geholt und aufs Schiff gepackt. Dann wird aus den vielen Steinen mit ein bisschen Erz oder anderen Materialien das Material herausgeholt, das für die eigentliche Verarbeitung wichtig ist. Wenn wir das vor Ort machen, dann stärkt das die wirtschaftliche Kraft dieser Länder, schafft neue Beschäftigungsmöglichkeiten und sichert auch ab, dass wir in der Lage sein werden, diese Dinge aus vielen Orten der Welt zu bekommen, sodass wir nicht von einem Lieferanten abhängig sind.

Das haben wir damit gesagt. Alle anderen Dinge, die Sie gefragt haben, ergeben sich daraus nicht.

Zusatzfrage : Sagen Sie also Nein zu Gewalt der Bundeswehr im Notfall, um die Handelswege zu schützen?

Ich verstehe jetzt, dass wir auch immer noch mit Diktaturen kuscheln müssen, um die Rohstoffe zu bekommen.

BK Scholz: Das haben Sie weder gehört, noch habe ich das gesagt. Vielleicht ist das Ihr Weltbild. Aber Weltbild ist keine Frage.

Meine Antwort auf Ihre Frage ist: Zum Beispiel haben wir als Europäische Union ein ganz großartiges Abkommen mit Chile abgeschlossen, das es ermöglicht, dass dort zum Beispiel der Lithiumabbau in einer Weise stattfinden kann, die gut für Chile und auch gut für uns ist. So etwas streben wir auch für andere an. Das ist eine große Innovation in der Frage, um die es geht.

Viele Länder, mit denen wir zusammenarbeiten, mit denen wir Handels- und Wirtschaftsbeziehungen haben, sind wie wir Demokratien. Nicht alle sind das; das ist offensichtlich der Fall. Eine Politik, die sagt: „Handel findet nur mit Ländern statt, die das gleiche gesellschaftspolitische Modell haben wie wir“, verfolgt die Bundesregierung nicht, hat noch nie eine Bundesregierung verfolgt und wäre auch ein bisschen von einem sehr imperialistischen Geist geprägt, wenn ich das einmal freundlich sagen darf.

Vorsitzender Szent-Iványi: Wollen Sie noch - - -

BM’in Baerbock: Ich weiß nicht. Sie hatten gesagt, ich soll etwas sagen, aber der Bundeskanzler hat auch schon alles gesagt.

Frage : Einst hieß es, die Sicherheit Deutschlands werde auch am Hindukusch verteidigt. Jetzt verteidigt die Ukraine die Sicherheit Deutschlands und Europas. Das wird wohl auf absehbare Zeit so bleiben. Zumindest steht in Ihrer Strategie, dass Russland auf absehbare Zeit das größte Risiko bedeute.

Wie wollen Sie die Sicherheit der Ukraine ihrerseits gewährleisten? Welche Sicherheitsgarantien können Sie der Ukraine bis zu dem Zeitpunkt zwischen dem Ende des Krieges und dem Beitritt der Ukraine zur Nato geben? Vielleicht könnte auch Herr Pistorius ein paar Worte dazu sagen.

BK Scholz: Schönen Dank für die Frage. Wir sehen in der Tat ein neues Gewicht für das, was wir in der Landes- und Bündnisverteidigung zu tun haben. Das ist der Grund, warum wir jetzt das Nato-Kriterium von zwei Prozent unserer Wirtschaftsleistung erfüllen wollen, um die Bundeswehr dauerhaft in den 20er-, 30er-Jahren - angesichts der Entwicklungsdauer mancher Projekte wird es relativ zügig auch Vorhaben geben, die bis in die 40er-Jahre hinreichen werden - entsprechend stark auszustatten. Wir werden das im Verbund mit unseren Freunden in der Nato tun. Gleichzeitig haben wir die Bundeswehr unverändert zur Friedenssicherung an anderen Stellen im Einsatz. Sie kennen die entsprechenden Mandate, über die wir geredet haben.

Was die Ukraine betrifft, ist es unsere gemeinsame Überzeugung, dass wir sie unterstützen werden, damit sie sich verteidigen kann. Das tun wir mit finanziellen Mitteln, mit humanitären Mitteln, aber eben auch mit Waffenlieferungen. Heute ist die Bundesrepublik Deutschland nach den USA der größte Unterstützer der Ukraine. Wir werden das auch so fortsetzen, so lange, wie das notwendig ist, und so lange, wie die Ukraine sich verteidigen muss. Das tun wir, wie Sie wissen, doch sehr intensiv und haben sogar sehr weitreichende Entscheidungen getroffen, dass wir zum Beispiel die gelieferten Waffen auch relativ schnell repariert bekommen, indem wir entsprechende Reparaturhubs in Rumänien und in der Slowakei eingerichtet haben. Wir stehen kurz davor, das auch in Polen hinzubekommen. Das wird der Verteidigungsminister vielleicht noch vertiefen können. Das ist aktuell wichtig.

Für die Zukunft ist es notwendig, dass wir über Sicherheitsgarantien für die Ukraine diskutieren. Deshalb haben wir dieses Gespräch mit unseren allerwichtigsten Verbündeten, die auch über entsprechende Stärke verfügen, schon lange aufgenommen und intensivieren es auch immer wieder mit der Ukraine. Darin geht es natürlich darum, vorzubereiten, wie wir Sicherheit auch in einer Situation gewährleisten können, in der der Krieg zu Ende ist.

Vielleicht noch ein Satz dazu. Für uns ist ganz klar, dass es nicht darum geht, dass der Krieg, wie einige es manchmal fordern, irgendwie eingefroren wird und dass der russische Raubzug dort legitimiert wird. Sie können … (akustisch unverständlich) Denn mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine ist ja deshalb eine Zeitenwende verbunden, weil die Verständigung in Europa, dass Grenzen nicht mit Gewalt verschoben werden, aufgekündigt worden ist. Erkennbar will sich der russische Präsident einen Teil seiner Nachbarschaft einverleiben. Bei der Ukraine ist das sein Plan. Auch bei Belarus ist das ganz offensichtlich sein Plan. Auf andere Weise verfolgt er das mit größter Intensität. Deshalb ist es so wichtig, dass wir die Ukraine unterstützen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir ein ganz konkretes Gespräch über Sicherheitsgarantien führen. Deshalb ist die klare Aussage wichtig: Wir werden die Ukraine so lange unterstützen, wie es notwendig ist, und wir werden keinen Diktatfrieden akzeptieren. Russland muss Truppen zurückziehen.

BM Pistorius: Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist deutlich geworden, dass die Zeit von 30 Jahren vermuteten und tatsächlich gelebten Friedens ohne Gefährdung vorbei ist. Die Neuausrichtung der Bundeswehr, die Wiederherstellung der Fähigkeit zur Bündnis- und Landesverteidigung steht damit im Vordergrund. Das heißt eben auch Zwei-Prozent-Ziel, technische Aufrüstung und, dafür zu sorgen, dass wir unseren Beitrag zur neuen Nato-Strategie leisten können. Das müssen wir als größte Nation in Europa, in besonderer Verantwortung für die Ostflanke stehend, nämlich. Natürlich werden wir über die Ukraine - - - Ich bin mit meinen Verteidigungsministerkollegen in regelmäßigem Austausch. Wir halten uns ständig auf dem Laufenden, was Bedarfe angeht. Jeder weiß, dass nicht alles befriedigt werden kann, jedenfalls nicht sofort.

Über die Frage, was passiert, wenn der Krieg vorbei ist, zu Bedingungen, mit denen die Ukraine leben kann, wird dann zu reden sein.

Zusatz : Meine Frage war, welche Sicherheitsgarantien Deutschland der Ukraine zu geben bereit ist.

BK Scholz: Sie wissen, dass darüber eine sehr intensive Diskussion stattfindet und wir das auch mit unseren Verbündeten aufgenommen haben. Dabei geht es auch um die Frage, wie man sicherstellen kann, dass die Ukraine über eine ausreichend starke Landesverteidigung verfügt. Dabei wird es um Waffenlieferungen gehen. Aber es geht bei dem, was diskutiert wird, um viel mehr. Das sind aber sehr vertrauliche Gespräche, die wir auch sehr intensiv führen. Wir hoffen, dass wir zum richtigen Zeitpunkt gemeinsame Überzeugungen zwischen der Ukraine und den Ländern haben, die die Garantien mit ihrer eigenen Kraft abgeben wollen.

Frage: Wir reden über Sicherheit. Aber Deutschland ist nicht sicher, speziell wenn es um ballistische Raketen außerhalb der Atmosphäre geht. Ich spreche natürlich den Arrow-3-Deal an. Heute wird der Bundestag 560 Millionen Euro für diesen Deal genehmigen. Trotzdem hat Amerika noch nicht den ganzen Deal genehmigt.

Herr Bundeskanzler, Sie waren in Washington und haben mit Präsident Joe Biden auch darüber gesprochen. Hat er Ihnen signalisiert, dass wir grünes Licht bekommen? Denn sonst machte es keinen Sinn 560 Millionen Euro zu genehmigen. Wünschen Sie sich, vielleicht zum Geburtstag, dass die Amerikaner es schneller genehmigen, damit wir dieses System in Deutschland bis 2025 bekommen?

BK Scholz: Der Verteidigungsminister wird gleich ein paar Details dazu sagen können. Aber ich will sagen: Wir sind aus diesen Gesprächen ganz zuversichtlich, dass wir unsere ganzen Vorhaben, die im Rahmen dieser European Sky Shield Initiative von uns vorangetrieben worden sind, umsetzen können. Das ist ein großes Projekt, das sich nicht nur auf Deutschland selbst bezieht. Wir entwickeln ja, welche Systeme wir einsetzen wollen. Dabei geht es um vier Schichten, um die Sicherheit des Luftraums insgesamt gewährleisten zu können. Bei diesem Thema können wir übrigens aus der Situation in der Ukraine genau lernen, wie wichtig das ist. Dass wir die Ukraine mit Patriot-Systemen, mit IRIS-T, mit dem Flakpanzer Gepard unterstützen können, ist ein ganz wichtiger Beitrag zur Landesverteidigung der Ukraine, übrigens auch jetzt im Hinblick auf die Offensive.

So haben wir unser eigenes System mit vier Layern konstituiert. Das geht jetzt Stück für Stück voran. Wir glauben, dass alles genehmigt wird, wenn ich das so sagen darf.

BM Pistorius: Ich teile die Zuversicht des Bundeskanzlers absolut. In der Tat ist ESSI elementar für die „air-defence“-Frage, die wir gerade in der Ukraine wieder als essenziell, als geradezu existenziell erleben. Natürlich geht es um die verschiedenen Dimensionen und Distanzen dessen, was abzuwehren ist. ESSI ist ein wesentliches Element davon.

Übrigens sind inzwischen 18 Nationen mit Letters of Intent beigetreten und machen sich mit uns gemeinsam auf den Weg. Das zeigt nicht nur - wie soll ich es sagen? - die Akzeptanz des Projekts, sondern auch dessen Qualität. Die Überzeugung der Partner, dabei mitmachen zu wollen, spricht eben auch dafür. Von daher teile ich die Zuversicht. Es dürfte sich in Kürze entsprechend ergeben. Davon gehe ich jedenfalls aus.

Frage: Ich habe eine Nachfrage an den Finanzminister und vielleicht auch an den Verteidigungsminister. Sie hatten gesagt, die Finanzplanung ab dem nächsten Jahr solle das Zwei-Prozent-Ziel erreichen. Sie meinen aber nicht, dass der Haushalt im nächsten Jahr zwei Prozent des BIP für Verteidigung ausgeben wird. Könnten Sie das noch spezifizieren? Vielleicht können Sie auch noch die Zahlen des derzeitigen Einzelplans 14 und dessen, was Sie für das nächste Jahr geplant haben, dazusagen.

Eine Frage an den Bundeskanzler, an die Außenministerin und auch an Herrn Lindner: Sie haben gesagt, Frau Baerbock, dass auch andere Nationen sehr stark auf die Nationale Sicherheitsstrategie gewartet haben. Sie sollte im Februar präsentiert werden. Was war aus Ihrer Sicht das Problem?

BM Lindner: Zu Ihrer Haushaltsfrage kann ich bestätigen, dass wir die politische Absicht haben, im nächsten Jahr zwei Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung für Zwecke, die auf das Nato-Ziel angerechnet werden können, zu verausgaben. Dabei werden wir den Einzelplan 14 und natürlich das Sonderprogramm für die Bundeswehr summieren. Das heißt, dass der Einzelplan 14 allein nicht geeignet ist, das Nato-Ziel zu erfüllen. Das wäre nicht darstellbar. Dieses Ziel haben wir uns für die nächsten Jahre vorgenommen, für die Zeit nach der Nutzung des Sonderprogramms. Der Bundeskanzler hat darauf hingewiesen.

Die Größenordnung einzelner Etats kann ich heute natürlich nicht nennen. Wir finalisieren im Bundeskabinett gerade unseren Haushaltsentwurf. Der Bundeskanzler hat eben das Wort geprägt, dass das eine andere Pressekonferenz sei. Diese wird bald stattfinden, wie der Bundeskanzler ebenfalls schon unterstrichen hat.

BK Scholz: Wenn die Frage noch offen ist: Ganz einfach, wir haben doch klasse Arbeit geleistet, und wir sind jetzt fertig.

Zusatzfrage: Was war das? „Klasse Arbeit“? Wir verstehen Sie hier kaum.

BK Scholz: Wir haben doch klasse Arbeit geleistet, wie Sie sehen, wenn Sie in den Text gucken. Das war die Mühe schon wert. Deshalb sind wir jetzt fertig.

Zuruf: Entschuldigung! Die Außenministerin und der Finanzminister? Es waren ja drei daran beteiligt.

BK Scholz: Nein, eine Bundesregierung ist daran beteiligt.

BM’in Baerbock: Und alle haben daran mitgewirkt. Und wie der Kanzler gesagt hat: Fertig sind wir, wenn wir fertig sind. - Im Februar waren wir offensichtlich noch nicht fertig, und jetzt sind wir fertig.

Frage: Zur Sicherheit in dem von Außenministerin Baerbock definierten weiten Rahmen gehören kritische Infrastruktur und sicherlich auch Energieversorgung. Meine Frage geht an den Bundeskanzler. Es häufen sich Veröffentlichungen von Dokumenten, aus denen hervorgeht, dass die Bundesregierung seit ungefähr einem Jahr darüber informiert worden oder informiert gewesen sei, dass es in der Ukraine mindestens Planungsdiskussionen über Anschläge auf Pipelines gegeben habe. Es gibt Berichte, die direkt auch die Person von Präsident Selensky mit einbeziehen.

Haben Sie in den vergangenen Monaten jemals mit Wolodymyr Selensky über diese geheimdienstlichen Erkenntnisse gesprochen, oder planen Sie, dies zu tun?

BK Scholz: Zunächst einmal: Geheimdienstliche Erkenntnisse sind geheim. Wenn es gut läuft, dann bleiben sie es auch. Das gelingt vor allem dann, wenn man nicht viele Leute mit seinen eigenen Erkenntnissen konfrontiert.

Aber ich will Ihnen gern sagen, dass wir eine sehr frühe Entscheidung getroffen haben, um alles auf den Weg zu bringen, damit aufgeklärt wird, wie sich die Dinge zugetragen haben. Das haben wir in enger Zusammenarbeit mit unseren Sicherheitsdiensten, unseren internationalen Partnern und dem Generalbundesanwalt getan. Dieser gibt Ihnen Auskünfte zu diesen Fragen.

Zusatzfrage: Das habe ich zur Kenntnis genommen. In dem Wording, dass Sie sich zu einem frühen Zeitpunkt entschieden hätten, sehe ich mindestens eine indirekte Bestätigung dessen, dass diese Kenntnisse frühzeitig zu Ihnen gelangt sind. Umso mehr bleibt - - -

BK Scholz: Sie sollten nicht so viel spekulieren. Ich kann Ihnen nur sagen: Unser Aufklärungsinteresse ist sehr groß. Ich bin sehr dankbar für die sehr gute Arbeit des Generalbundesanwalts. Alles, was Sie wissen wollen, können Sie bei ihm erfragen.

Zusatzfrage: Meine Nachfrage war: Diese Dokumente sind ja nicht irgendetwas, sondern tatsächlich Dokumente nicht nur der USA, sondern auch kontinentaleuropäischer Dienste. Es ist in der Welt; es ist im Diskurs. Sehen Sie nicht die Gefahr, dass irgendwann die Mauer des Schweigens - so nenne ich es einmal -, die Sie errichten, dazu führt, dass die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung im Hinblick auf Aufklärungswillen, Transparenzschaffung und damit auch Wissenssicherheit geschwächt wird?

BK Scholz: Frau Faeser wird gleich noch etwas dazu sagen. Aber ich will Ihnen ganz ausdrücklich sagen: Es schadet der Glaubwürdigkeit, wenn man gewissermaßen Ermittlungen behindert, weil man glaubt, man müsste ständig irgendwelche öffentlichen Erklärungen über Ermittlungsarbeiten abgeben. Das wäre ein großer Fehler. - Ich will noch einmal unterstreichen: Soweit wir es beobachten können, arbeitet der Generalbundesanwalt hochprofessionell und mit größter Qualität an der Sache.

BM’in Faeser: Ich kann das nur bestätigen. Es gibt keine Mauer des Schweigens, sondern es gibt Ermittlungen des Generalbundesanwaltes. Nur ihm obliegen diese und keinem unserer Häuser. Insofern ist es dort richtig aufgehoben. Wenn der Generalbundesanwalt die entsprechenden Erkenntnisse hat, dann wird man auch öffentlich darüber diskutieren können.

Frage : Frau Ministerin Baerbock, wenn die Welt auf dieses Papier gewartet hat, dann wird man in Washington und in Paris jetzt vielleicht etwas enttäuscht davon sein, dass vieles noch sehr genereller Natur ist.

Können Sie ausführen, wie sich diese Strategie auf ein konkretes Thema auswirken wird?

Um noch einmal auf China zurückzukommen: Was wird sich dabei praktisch ändern? Wie wird diese Strategie greifen, wenn Peking zum Beispiel den Export kritischer Rohstoffe an Länder, dessen Repräsentanten Taiwan besuchen, verbietet oder Dual-Use-Exporte nach Russland erlaubt?

BM’in Baerbock: Die Welt hat ein Interesse daran, aber sie haben sicherlich auch andere große Interessen und haben jetzt nicht genau geguckt, wann heute unsere Pressekonferenz sein wird. Aber natürlich, weil wir es mit der Welt gemeinsam besprechen, gibt es daran ein großes Interesse. Nur: Dokumente liest keiner, wenn sie 2000 Seiten haben, sondern eine Strategie hat dann Sinn, wenn sie die Leitlinien - deswegen ist sie ja eine Strategie - formuliert, aus denen dann Ressorts ihre Zuständigkeitsbereiche ableiten und das entsprechend umsetzen.

Wie ich bereits im Eingangsstatement gesagt habe, haben wir das in etlichen Bereichen bereits getan, insbesondere auch mit Blick auf China, insbesondere auch mit der Ableitung des Russlandkrieges, insbesondere auch mit Blick auf die Frage von dem Kollegen vorhin zur Sicherheit von weltweiten Liefer- und Handelsketten, weil das ja nicht nur eine Frage ist, die im Zuge des Russlandkrieges aufgekommen ist, sondern bei Corona haben wir auch gesehen, dass unsere Sicherheit, nämlich unsere gesundheitliche Sicherheit, maximal gefährdet ist, wenn wir uns nicht darauf verlassen können, dass Medikamente, die für uns essenziell sind, sicher nach Europa kommen können. Deswegen haben wir hier in dieser Sicherheitsstrategie genau dieses Thema der Sicherheit von Handels- und Lieferketten als einen zentralen Maßstab für unsere Sicherheit mit drin. Deswegen haben wir die Gesundheitsfrage mit drin, und deswegen haben wir auch die Frage mit drin: „Was bedeutet es, wenn wir uns auf bisherige Handels- und Wirtschaftspartner nicht mehr verlassen können“, weil wir auf brutale Art und Weise erleben mussten, wie die Auswirkungen im Energiebereich gewesen sind, wo wir immer darauf vertraut haben: Am Ende sind unsere wirtschaftlichen Beziehungen der beste Schutz. – Aber wir mussten erleben, dass das leider nicht der Fall ist. Deswegen ist die Ableitung, die in dieser Nationalen Sicherheitsstrategie steht, noch viel stärker in der Chinastrategie ausgeweitet, weil es in der Chinastrategie ja nur um das Thema geht, wie wir uns weltweit – der Kanzler hat es ja eben schon gesagt – nicht „decouplen“, entkoppeln.

Wir denken auch noch mal an Russland mit Blick auf die Sanktionen. Auch hier ist nicht alles schwarz und weiß. Wir haben zum Beispiel die große Lehre gezogen, Lebensmittel und „fertilizer“, also auf Düngemittel, keine Sanktionen aufzuerlegen, weil die Auswirkungen dessen für die Welt fatal gewesen wären.

Genauso ist es mit Blick auf China. Wir haben gesagt: In den Bereichen, wo wir maximal verwundbar sind, weil wir einseitige Abhängigkeiten hatten, hätten oder haben werden, müssen wir uns anschauen, ob das unsere Sicherheit gefährdet.

Zu Ihrer Frage hinsichtlich der Rohstoffe: Deswegen heißt es in der Strategie: Wir müssen uns alle Rohstoffe anschauen, die für unsere Sicherheit relevant sind. Da ist eben die Frage: Können wir Solaranlagen bauen? Können wir Windräder bauen? Wie ist es mit Blick auf unsere Telekommunikationsnetze? Wie ist es mit Blick auf unsere Medikamente? Zum Glück macht diese Arbeit nicht nur die deutsche Bundesregierung, sondern die EU-Kommission hat eine hervorragende Vorarbeit geleistet. Sie hat nämlich eine ellenlange Liste von allen Rohstoffen erstellt, die es so gibt. Das hat eine positive Seite, dass man feststellt: Viele der Rohstoffe werden gar nicht in China abgebaut oder verarbeitet. Mit den Ländern wollen wir unsere Zusammenarbeit ausweiten. Dann gibt es Rohstoffe wie Lithium, die wir dringend brauchen - das hat der Bundeskanzler schon angesprochen -, die gar nicht prioritär aus China kommen, dort aber weiter verarbeitet werden. Wenn wir also mit den Ländern stärker kooperieren, wo die Rohstoffe herkommen, die Wertschöpfung dorthin verlagern, was im Interesse dieses Landes ist - zum Beispiel Chile -, dann werden wir dort für Wertschöpfung sorgen und auf der anderen Seite für uns mehr Sicherheit schaffen, weil wir bei einem so kritischen Rohstoff nicht allein von China in der Weiterverarbeitung abhängig sind. Das ist die Sicherheit unserer Lieferketten. Das bedeutet auch die Sicherheit mit Blick auf China.

Mit Blick auf die Finanzfragen haben wir auch bereits Dinge umgesetzt - das wissen Sie ja auch -, die in dieser Strategie enthalten sind oder in der Chinastrategie stehen werden. Mit Blick auf Exportkredite zum Beispiel - wenn wir reflektieren müssen, dass wir einmal ein Bail-out von riesigen deutschen Industrieunternehmen haben, kann sich das die Bundesrepublik Deutschland nicht alle paar Jahre leisten – haben wir im Rahmen dieser Sicherheitsstrategie reflektiert: Was würde es bedeuten, wenn wir in Bezug auf andere Großunternehmen, die das Rückgrat des deutschen Industriestandorts sind, am Ende auch ein Bail-out machen müssten? Das könnten wir nicht. Deswegen haben wir – der Kanzler und auch ich, als ich dort war - zum Beispiel gerade mit den Unternehmen, die in China tätig sind, intensive Gespräche geführt und haben mit Industrievertretern darüber gesprochen, welche Schlüsse sie eigentlich aus dieser Zeitenwende ziehen. Das Gute ist da wieder, dass deutsche Wirtschaftsunternehmen ähnliche Schlüsse wie die deutsche Bundesregierung ziehen, dass nämlich China für die Produktion eine ganz andere Rolle spielt als noch vor ein paar Jahren, als es hieß: Wir produzieren vor allen Dingen in China für den europäischen Markt.

Es ist auch wieder der Mehrwert dieser Strategie - Sie kennen ja auch die Papiere des BDI an dieser Stelle -, dass wir nur gemeinsam stark sind, aber die Analyse der derzeitigen Situation dazu führt – das ist wieder die Realität dieses Angriffskriegs –, dass wir alle relativ geschlossen zu den gleichen Handlungsschlüssen kommen, uns nicht in der Welt zu entkoppeln - das können wir von niemanden -, uns aber breiter aufzustellen, damit wir für unsere eigene Sicherheit sorgen können.

Frage: Eine Frage an den Bundeskanzler und die Außenministerin. Das Thema wurde schon einmal gestreift, nämlich der Nationale Sicherheitsrat. Könnten Sie uns beide bitte noch einmal konkreter erläutern, weshalb Sie dieses Instrument verworfen haben und die Beweggründe erläutern? Schließlich war das nicht nur ein Vorschlag der FDP, sondern ist auch vielen Außen- und Sicherheitspolitikern in der Union wichtig. Annalena Baerbock hat vor einigen Minuten gesagt: Eine Strategie lebt davon, dass sie von allen getragen wird. - Das müsste doch vielleicht für Sie auch bedeuten, dass Sie die größte Oppositionspartei, die Union, mitdenken, denn Sie wollen ja sicherlich die Nationale Sicherheitsstrategie nicht nur für den Rest der Legislatur aufsetzen.

BK Scholz: Wir wollen auch noch die nächste Legislaturperiode gemeinsam gestalten.

Zusatz: Das weiß ich. Aber ich glaube, Sie haben meine Frage verstanden.

BK Scholz: Ja, nur damit da kein Missverständnis aufkommt.

Wir haben das getan, was man macht, wenn man eine solche Strategie entwickelt, nämlich den Mehrwert der verschiedenen Vorstellungen, die diskutiert werden, sorgfältig erwogen und einen größeren Mehrwert nicht erkannt. Wir haben den Bundessicherheitsrat, der zusammenkommt und Entscheidungen trifft. Wir haben uns, wenn es darum ging, strategische Entscheidungen zum Beispiel bei der Frage zu treffen, wie wir die Unterstützung für die Ukraine organisieren und wie wir die Lage beurteilen, zusammengefunden und getroffen. Während wir praktisch jeden Tag Sicherheitsfragen gelöst haben, haben wir die Frage „Was ist der Unterschied, der jetzt entsteht, wenn wir noch ein weiteres Gremium institutionell schaffen?“ immer weniger wichtig gefunden. Das finden Sie dann letztendlich in der Tatsache wieder, dass das in dieser Nationalen Sicherheitsstrategie nicht drinsteht. So ist es.

BM’in Baerbock: Dem kann ich mich nur anschließen. Vorhin wurde gefragt: Warum wurde so lange diskutiert? Unter anderem, weil wir viele, viele Runden im Parlament hatten, ich im Auswärtigen Ausschuss beziehungsweise die anderen Ministerinnen- und Ministerkollegen in ihren Ausschüssen. Dort haben wir auch mit der Union über die Frage Sicherheitsrat diskutiert. Das Hauptargument war ja immer, dass es das zum Beispiel in Amerika gibt, dass wir ein anderes System und eben kein Präsidialsystem haben. Wie würde das eigentlich ausgestaltet sein? Wenn Sie jetzt mal bei der Union ein paar Stimmen einholen, die sich im Rahmen der Nationalen Sicherheitsstrategie auch mit der Frage beschäftigt haben, glaube ich, dass es da ähnliche Reflektionen gibt, dass der Prozess der Diskussion ein absoluter Mehrwert war, weil man sich nämlich gefragt hat: Was ist das effizienteste Gremium? Wie der Bundeskanzler beschrieben hat, sind wir zu dem Schluss gekommen, dass in unserem Regierungssystem in der derzeitigen Lage das System, das wir jetzt gewählt haben, das ist, was am besten trägt.

Es gibt morgen die parlamentarische Debatte im Deutschen Bundestag. Ich glaube, dort wird deutlich werden, dass die Nationale Sicherheitsstrategie, auch wenn Regierung und Opposition immer ihre Rollen unterschiedlich definieren, sehr, sehr viele Mütter und Väter hat, weil in dieser Strategie nicht nur ganz, ganz viele kluge Gedanken von sehr, sehr vielen unterschiedlichen Parteien, Parlamentariern, Ministerinnen und Ministern stecken, sondern auch viele kluge Ideen aus Wissenschaft, Gesellschaft, Universitäten und Unternehmen. Und das trägt diese Strategie.

Zusatzfrage: Dann hätte ich doch die Nachfrage an den FDP-Koalitionspartner, hier vertreten durch Herrn Lindner, den Finanzminister: Ist das jetzt für Sie eine Kröte, die Sie schlucken mussten - Sie waren ja für den Nationalen Sicherheitsrat –, oder konnten Sie da mitgehen und das ist für Sie jetzt vollkommen okay?

BM Lindner: Es gibt immer alternative Handlungsoptionen. Innerhalb einer Regierung bildet man sich aber dann eine gemeinsame Auffassung, auch hinsichtlich der Methode der Zusammenarbeit. Und das ist hier passiert.

Vorsitzender Szent-Iványi: Ich war so leichtsinnig, zu glauben, wir könnten noch andere Themen bearbeiten. Aber ich habe allein für dieses Thema noch zehn Fragesteller auf meiner Liste. Das können wir in den nächsten fünf Minuten unmöglich schaffen.

BM Lindner: Wir können uns auch kurzfassen.

Frage : Herr Lindner, in dieser Strategie sind viele Vorhaben aufgelistet, so die Erweiterung und Stärkung von Diensten oder die Cyber- und Weltraumsicherheit, also wirklich ganz viele Vorhaben. Das kostet natürlich Geld. Sie haben kurz angedeutet, dass Sie keine weiteren Steuererhöhungen in Betracht ziehen wollen. Wie viel Geld, wie viele Milliarden haben Sie reserviert? Ich glaube, die Bürger in Deutschland würden das gerne wissen.

Aber auch, wenn es um die Aufstockung von Personal geht, müsste man natürlich auch sagen, wie viele tausende extra Stellen und wie viel Geld benötigt wird, um diese Vorhaben umzusetzen.

BM Lindner: In der Frage, wie Sie sie angelegt haben, steckt die von mir eingangs schon angesprochene Herausforderung. Die Sicherheitssituation Deutschlands hat sich verändert. Wir haben über eine lange Zeit von einer Friedensdividende gut gelebt. Wir müssen jetzt aus der Zeit der Friedensdividende in die Zeit der Freiheits- und Friedensinvestitionen wechseln. Das bedeutet, dass sich die Proportion des Bundeshaushalts in den kommenden Jahren verändern wird. Wir werden uns diese neuen Schwerpunkte über die nächsten Jahre, im Laufe der 20er-Jahre, erarbeiten müssen. Das Sonderprogramm für die Bundeswehr in der Wehrverfassung des Grundgesetzes ist der erste Schritt, dem viele weitere folgen werden.

Zusatzfrage : Die Frage war, ob Sie dafür wahrscheinlich Rahmen reserviert haben.

BM Lindner: Die Antwort darauf ist: Wir müssen uns das in den nächsten Jahren erarbeiten. Im Bundeshaushalt, wie er sich jetzt darstellt, und in der geltenden Finanzplanung sind natürlich Vorhaben abgebildet. Aber die Dimension, die sich aus der Nationalen Sicherheitsstrategie ohne das Sonderprogramm für die Bundeswehr ergibt, findet sich natürlich nicht im Bundeshaushalt. Wir werden uns das in den Haushaltsberatungen der Jahre 2025, 2026, 2027, 2028, 2029 jeweils neu erarbeiten müssen, indem auch wünschenswerte Vorhaben zurückgestellt werden, weil Vorhaben, die sich aus unseren Sicherheitserwägungen ergeben, Vorrang haben.

Frage: Ich habe eine Frage, die in die gleiche Richtung geht. Wie erklären Sie eigentlich den Widerspruch, dass Sie hier auf der einen Seite doch sehr konkret versprechen, Sie wollen sich in Richtung zwei Prozent bewegen, sich das aber überhaut nicht in der mittelfristigen Finanzplanung niederschlägt und Sie sozusagen gerade noch einmal klargemacht haben: Wir müssen uns eigentlich erst nach der nächsten Bundestagswahl kümmern, egal, ob Sie noch in der Regierung sind oder nicht. Das ist doch ein Widerspruch, der auch in gewisser Weise unglaubwürdig ist. Warum werden denn jetzt noch nicht die ersten Schritte gemacht, um sich in Richtung zwei Prozent im Einzelplan 14 zu bewegen?

BM Lindner: Sie nehmen vorweg, dass es angeblich im Einzelplan 14 keine Anpassung gäbe. Diese Vorwegnahme ist verfrüht.

Frage: Ich wollte auf ein Stichwort zurückkommen, das schon Frau Münstermann vorgebracht hat, nämlich die Suche nach der Schaltstelle im Bundeskanzleramt für diese Nationale Sicherheitsstrategie. Wer besorgt die in Personalunion? Die Herren Schmidt und Plötner gleich mit oder wird es eine Stellenausschreibung für einen Sherpa für diese, wie der Finanzminister gesagt hat, 360-Grad-Perspektive geben? Das ist ja ein ganzes Bündel von Dingen, die nun eine oder einer nicht alleine erledigen kann. Wie wird das aussehen, unabhängig von der Frage nach den Finanzen für eine solche neue Abteilung?

BK Scholz: Ich glaube, dass wir hier aufgeschrieben haben, wie wir vorgehen wollen. Da stehen keine Einzelstellenpläne drin. Habe ich nicht gefunden. Haben Sie das gesehen?

Zusatz: Ich habe es noch gar nicht gesehen.

BK Scholz: Ja, sehr gut. Da finden Sie es auch nicht.

BM’in Baerbock: Effizienz! Nicht finanzrelevant.

Frage: Tut mir leid, dass ich noch einmal auf China zurückkommen muss. Aber ich gehöre zu denen im Raum, die mit Ihren Antworten bisher noch nicht so zufrieden sind.

Wir haben jetzt viel davon gehört, dass die Welt megakomplex sei und es kein Schwarz und Weiß gebe. Aber die Idee einer Strategie ist ja, Orientierung zu bieten. Ich glaube, diese Orientierung suchen auch unsere Partner im Ausland. Deswegen wollte ich gerne fragen: Was lässt sich aus Sicht des Auslands, vielleicht auch speziell aus Sicht Amerikas, aus dieser Strategie herauslesen, wie sich Deutschland in dem zentralen Konflikt der Zukunft zwischen China und Amerika positionieren will? Wird es eher fest an der Seite Amerikas sein, oder sieht es sich eher in einer Mittelposition, so, wie Herr Macron das angedacht hat?

BM’in Baerbock: Auf einen Satz gebracht: kein „decoupling“, sondern ein „derisking“. Das haben nicht nur die Amerikaner sehr wohl verstanden, sondern andere auf der Welt auch. Das Gute ist, dass wir das als Deutschland nicht alleine machen, sondern gemeinsam mit unseren europäischen Partnern, der Europäischen Union, weil wir unseren Mehrwert, der wir als ein nicht ganz unerheblicher Binnenmarkt haben, gemeinsam nutzen wollen. Zugleich haben wir in dieser Sicherheitsstrategie verankert, was im Übrigen auch im Grundgesetz steht, im Rahmen der Europäischen Union und der internationalen Gemeinschaft dem Frieden in der Welt zu dienen und dass unsere Sicherheit im transatlantischen Bündnis verankert ist. Ich glaube, es sind sehr kurze, knappe Sätze. Den einen ist es zu lang, den anderen ist es zu kurz. Aber ich glaube, diese kurzen, knappen Sätze, die in unserer China-Positionierung und auch in unserer transatlantischen Verbundenheit stehen, verstehen alle sehr, sehr gut. Dann gibt es ja auch noch die Chinastrategie. Das ist dann der kleine Cliffhänger für die nächste Pressekonferenz.

BM Lindner: Ich erlaube mir F-seitig im Kabinett eine Ergänzung: Die USA sind ein Wertepartner. China ist ein Handelspartner, aber Werterivale.

BK Scholz: Vielleicht noch eine Ergänzung von meiner Seite: Ich will aufgreifen, was wir vorhin schon diskutiert haben. Ich finde es einen großen Gewinn – die Außenministerin hat eben auch noch einmal darauf hingewiesen -, dass wir mit unseren besten Freunden eine gemeinsame Sprache haben. Wenn Sie sich die G7-Stellungnahme in Hiroshima einmal genau anschauen, stellen Sie eigentlich fest, dass dort im Laufe des letzten Jahres ein Prozess stattgefunden hat, in dem wir auch in dieser Hinsicht zusammen die Welt betrachten. Das ist schon sehr weitreichend, weil dort zum Beispiel diese Herausforderung genau beschrieben ist und sich auch gemeinsam vonseiten der G7-Staaten sehr klar gegen eine „decoupling“-Strategie und für „derisking“ als Konzept ausgesprochen wird. Das bedeutet natürlich, dass wir uns jetzt aufmachen müssen oder schon aufgemacht haben. Rohstoffketten so zu organisieren, dass man von niemandem abhängig ist, ist ja ein Prozess, den man nicht mit einem Text macht, sondern indem Investitionen getätigt werden, Verträge geschlossen werden, investiert wird, Minen erschlossen werden, Verarbeitungsstrukturen investiert werden. Das sind 5, 10, 15, 20 Jahre, in denen das eine Rolle spielt. Aber genau das wird auch wichtig sein.

Dass wir, wie die Außenministerin und auch der Finanzminister eben gesagt haben, sehr transatlantisch verankert sind, trägt diese Bundesregierung. Ich bin sehr froh darüber, dass die transatlantischen Beziehungen mit Präsident Biden eine Qualität und ein Niveau erreicht haben, wie wir uns das besser nicht wünschen können. Es ist für die Sicherheit in Europa und auch unsere eigene Sicherheit von allergrößter Bedeutung, dass wir, selbst wenn wir zum Beispiel in bestimmten Handelsfragen etwas miteinander zu regeln haben, uns als Demokratien erkennen, die zusammenhalten, um zum Beispiel den transatlantischen Raum zu verteidigen. Gleichzeitig ist es unsere Überzeugung, dass wir alles dafür tun müssen, dass die Welt aus der Multipolarität, die uns bevorsteht, einen Gewinn zieht. Es wird viele mächtige Länder in Asien geben. Da sind Südkorea, Japan, Vietnam, Indonesien, Malaysia, die Philippinen, Indien, Thailand, die von niemandem beherrscht werden wollen und ihre eigenen politischen Konzepte entwickeln. Es wird mächtige Länder in Afrika geben, die sehr viele Einwohner haben, mehr als manchmal die Europäische Union. Es wird entsprechend einflussreiche Länder im Süden Amerikas geben. Die große Herausforderung, vor der wir mit einer neuen Nord-Süd-Politik - so würde ich es einmal nennen - stehen, ist doch, dafür Sorge zu tragen, dass wir mit diesen Ländern auf Augenhöhe eine Gesprächsebene entwickeln, wo wir miteinander eine multilaterale Welt schaffen können, die auch funktioniert.

Das war übrigens der Ansatz hinter meiner Einladung von Indonesien, Indien, Südafrika, Senegal und Argentinien zum G7-Gipfel in Deutschland in Elmau. Ich bin sehr froh, dass dieser Ansatz von der japanischen G7-Präsidentschaft weiterverfolgt worden ist und von der nächsten Präsidentschaft mit größter Intensität weiterverfolgt wird. Da ist etwas Neues gelungen. Ich glaube, es ist von ganz, ganz großer Bedeutung, dass wir uns rechtzeitig auf die Welt, in der wir leben werden, einstellen. Es wird anders sein, als wir es gewohnt waren. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat natürlich auch etwas damit zu tun, dass auf diese brutale, furchtbare Weise der russische Präsident durch Ausweitung seines Imperiums gewissermaßen Macht in einer solchen multipolaren Welt für sich selber sichern wollte. Deshalb bleibt es so richtig, dass wir das zurückweisen, indem wir die Ukraine unterstützen. Ich glaube, dazu passt unsere Nationale Sicherheitsstrategie gut.

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