Philipp Kohl aus Mannheim, Empfänger einer Integrationsmedaille

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Philipp Kohl, Träger der Integrationsmedaille

Philipp Kohl, Träger der Integrationsmedaille

Foto: IB

Transnationalmannschaft: Ein Fußball- und zugleich ein Heimatfilm

Das Sommermärchen 2006: Philipp Kohl erlebt, wie das Fußballfieber während der WM sein ganzes Stadtviertel erfasst. „Die Stimmung hat mich fasziniert“, beschreibt der Jungregisseur den Moment, als die Idee für seinen Dokumentarfilm entstand. „Ich habe die Begeisterung gespürt und gesehen, wie so viele Menschen für die deutsche Nationalmannschaft gejubelt haben. Egal ob jemand nun griechische oder türkische Wurzeln hatte – mitgefiebert haben sie alle.“ Das will sich der damalige Ethnologie-Student näher anschauen, er will wissen: Was bedeutet „Heimat“ für die Bewohner von Mannheim-Jungbusch, von denen über 60 Prozent ausländische Wurzeln haben? Wo sind sie zuhause, wo fühlen sie sich zugehörig? Und brennt die Leidenschaft nun eher für die deutsche oder doch für die türkische Mannschaft?

Vier Jahre später ist der Film "Transnationalmannschaft" über die Fußballweltmeisterschaft 2010 entstanden, der die Stimmung von damals noch einmal lebendig werden lässt – ein Fußballfilm, der aber gleichzeitig ein ganz anderes Thema transportiert: In 95 Minuten erzählen die Bewohner von Mannheim-Jungbusch, wie es ist, hier zu leben. Der Gastronom Saki kommt zu Wort und der Trainer Mustafa, Bashir, der Gemischtwarenhändler und Suzanna, die Polizistin. „Der Film spricht über Integration, ohne das Wort zu nennen“, beschreibt Kohl das Ergebnis. „Er zeigt, wie die Realität in vielen deutschen Großstädten aussieht und wie das Lebensgefühl in solchen gemischten Stadtvierteln ist.“

Stadtteil als Identitätsanker

Dass der Film auf so gute Resonanz stößt, liegt vor allem daran, dass die Protagonisten sich authentisch wiedergegeben fühlen. Vielleicht, weil Philipp Kohl nicht nur seit neun Jahren selbst in Mannheim-Jungbusch lebt und den Gemüsehändler, bei dem er selber einkauft, gefilmt hat. Sondern vielleicht auch, weil er die Dokumentation mit einem kulturell gemischten Team produziert hat. Alle im Team haben dabei Unmengen an privater Zeit und Mittel in den Film gesteckt, der – als Low Budget-Produktion – kaum finanziert war. Sogar die Musik hat Kohl zum Großteil selbst komponiert und mit Mannheimern Musikern produziert, um die Stimmung des Films zu verstärken: „Wir wollten vor allem die verbindenden Elemente hervorheben und zeigen, wie sich die Protagonisten einbringen, wie sie denken, was sie bewegt und wo ihr Herz schlägt“, sagt der 29-jährige Filmemacher. Zwar kämen auch unterschwellig kritische Aspekte vor – zum Beispiel, wenn der Zuschauer Neunjährige im Interview sieht, die so schlecht Deutsch sprechen, dass er um ihre Zukunft bangt – aber im Vordergrund stünde das verbindende Element. Und das ist – neben dem Fußball, versteht sich – Mannheim-Jungbusch. Auch wenn die meisten der Befragten zwei Welten in sich vereinen, in einem Punkt sind sich alle einig: Mit ihrem Stadtteil identifizieren sie sich, in Mannheim sind sie zuhause. „Der Stadtteil ist für sie der Identitätsanker“, fasst Kohl zusammen.

Diskussion mit Schülern und Lehrern

Dass gerade die deutsche Nationalmannschaft Aufhänger für seinen „Heimatfilm“ geworden ist, ist für den 29-Jährigen mehr als schlüssig: Hier spielen ein Özil, ein Boateng und ein Podolski neben einem Müller und einem Lahm – und „sie repräsentieren eigentlich besser als alle anderen öffentliche Organe, wie die deutsche Gesellschaft aussieht“, sagt er. Und wenn im Film auf die Frage „Wer war heute der beste Deutsche“ ein Mannheimer „Özil“ ins Mikrophon brüllt, dann funktioniert der Film auch andersherum: Man merkt, dass die Vielfalt der Nationalmannschaft in der Bevölkerung akzeptiert und angekommen ist.

Heute, nachdem er den Film produziert und in dem ganzen Trubel auch sein Examen gemacht hat, geht Philipp Kohl mit der Dokumentation in Schulen, diskutiert mit Schülern und Lehrern, und führt nach den Kinovorstellungen Gespräche mit den Zuschauern. Das macht er gerne, denn er merkt, dass der Film in den Zuschauern etwas bewegt: „Es ist spannend, welche Fragen entstehen, wie sich die Sichtweisen manchmal ändern und wie manch einer auch mutig ist, seine Vorurteile einfach rauszuhauen“, erzählt Kohl. Und auch dass er seinen Gemüsehändler durch den Film besser kennen gelernt hat, findet er einen kleinen, angenehmen Nebeneffekt: „Jetzt macht es noch mehr Spaß, in Mannheim-Jungbusch zu wohnen.“