Nicht abschalten - sondern umwandeln

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Forschung konkret Nicht abschalten - sondern umwandeln

Wind- oder Solaranlagen liefern mal mehr und mal weniger Strom. Inzwischen produzieren sie aber so viel, dass eine Überlastung der Stromnetze droht. Um das zu verhindern, müssen einige sogar zeitweise abgeschaltet werden. Nicht genutzte Energie bedeutet jedoch verschenkte Energie.

4 Min. Lesedauer

Energieforschung am Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg

Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg

Foto: ZSW

Diese Verluste können wir uns für eine sichere und bezahlbare Energieversorgung nicht leisten. Die Bundesregierung fördert deshalb mehrere Forschungsprojekte zur Erprobung der Power-to-Gas-Technologie ("Strom zu Gas"). Sie bietet die Möglichkeit, überschüssige Erneuerbare Energie in Gas umzuwandeln und so zu speichern.

Wasserstoff und Methan aus Erneuerbaren Energien

Das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) entwickelte eine Versuchsanlage, um die neue Technologie für die industrielle Nutzung vorzubereiten. In der Anlage wird zunächst elektrische in chemische Energie umgewandelt. Ein elektro-chemisches Verfahren (Elektrolyse) spaltet Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff auf. Der zeitweise nicht benötigte Strom aus Erneuerbaren Energien deckt den Strombedarf für diesen Vorgang.

In einem zweiten Schritt, der so genannten Methanisierung, wird zum Wasserstoff Kohlendioxid (CO2) zugeführt und es entsteht synthetisches Erdgas (Methan). Sowohl Wasserstoff als auch Methan sind Gase, die gut gespeichert und transportiert werden können.

Mit dem Projekt bieten die Forscher zwei Lösungsansätze für bisher ungelöste Probleme: Neben einer für die Wirtschaft nutzbaren Form zur Speicherung Erneuerbarer Energie entwickeln sie eine Methode, um Kohlenstoffdioxid sinnvoll zu nutzen. Sie verwenden das klimaschädliche Gas für die Herstellung von Methan.

Die Grafik zeigt, wie aus ungenutzter Erneuerbarer Energie Gas gewonnen wird.

Die Power-to-Gas-Technologie

Foto: ZSW

Das aus Erneuerbaren Energien erzeugte Methan kann vielseitig eingesetzt werden: als Kraftstoff für Erdgasautos, zur Wärmeerzeugung oder bei Bedarf wieder zur Stromerzeugung. Methan ist der Hauptbestandteil von Erdgas. Daher kann es im bestehenden Erdgasnetz ohne zusätzlichen Aufwand gespeichert und bei Bedarf auch wieder verstromt werden. Es bleibt am Ende Strom aus Erneuerbaren Energien.

Auf dem Weg in die Praxis

Die Power-to-Gas-Technologie selbst erfordert weder nennenswerte Investitionen in die bestehende Infrastruktur noch Eingriffe in die Landschaft. Es läuft nahezu geräuschlos ab und stößt keinen Rauch aus. Seit 2009 läuft am ZSW erfolgreich eine erste Demonstrationsanlage mit 25 Kilowatt elektrischer Anschlussleistung.

Eine wichtige Hürde auf dem Weg zur Marktfähigkeit der Power-to-Gas-Technologie wurde im Oktober 2012 überwunden. Das ZSW weihte eine größere Forschungsanlage mit einer elektrischen Anschlussleistung von 250 Kilowatt ein. Mit einer möglichen Methanproduktion von bis zu 300 Kubikmetern pro Tag ist sie zehnmal leistungsstärker als die drei Jahre zuvor entstandene Versuchsanlage.

Die produzierte Gasmenge würde ausreichen, um damit 80 gut wärmegedämmte Einfamilienhäuser ein Jahr lang zu beheizen oder rund 1,5 Millionen Kilometer mit einem Erdgasfahrzeug zurückzulegen. Würde die Gasmenge wieder in Strom umgewandelt (Rückverstromung), könnte damit der tägliche Strombedarf von circa 180 Familien gedeckt werden.

Damit rücken die Wissenschaftler aus Stuttgart unmittelbar an die industrielle Anwendung der neuen Stromspeicher-Technologie heran. Mit den Ergebnissen aus der Versuchsanlage wird auch die erste Anlage industriellen Maßstabs im niedersächsischen Werlte (6 Megawatt) verbessert.

Dynamisch und am Bedarf orientiert

Auch die 250-Kilowatt-Anlage besteht aus einer Elektrolyse, in der Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. Dabei kommt die überschüssige elektrische Energie zum Einsatz. Weiterhin gehören eine Methanisierungseinheit sowie das Prozessleitsystem für die Steuerung und Regelung dazu.

"Unsere Forschungsanlage arbeitet dynamisch und bedarfsorientiert. Im Gegensatz zur ersten Anlage kann sie flexibel auf das rasch wechselnde Stromangebot aus Wind und Sonne und auf plötzliche Unterbrechungen reagieren", erklärt Michael Specht, Leiter des ZSW-Fachgebiets Regenerative Energieträger und Verfahren. Er ist einer der "Väter" der neuen Technologie.

Deren Wirkungsgrad beträgt derzeit 60 Prozent, das heißt: nur 60 Prozent der im Strom gebundenen Energie lässt sich in Methan speichern. Eine erneute Verstromung senkt den Wirkungsgrad von Strom zu Strom auf 35 Prozent. Doch wird die überschüssige Energie aus Sonne und Wind nicht genutzt, wäre sie völlig verloren.

Außerdem geht die Suche nach intelligenten Konzepten weiter, die eine Nutzung der Prozesswärme ermöglichen, die bei der Methanerzeugung anfällt. Dies erhöht den Gesamtnutzungsgrad deutlich und verringert den Verlust auf wenige Prozentpunkte.

Kombination mit Biogasanlagen

Woher kommt das Kohlendioxid für den Prozess? Nutzbar ist zum Beispiel das CO2 aus der Bioethanol-Herstellung, aus der chemischen Industrie oder allen anderen Prozessen, bei denen CO2 in größerer Menge entsteht und ausgeschieden wird.

Welche CO2-Quellen am besten geeignet sind hinsichtlich Verfügbarkeit, Erzeugungspotenzial, Wirtschaftlichkeit und Kosten ist ebenfalls Gegenstand aktueller Forschungsarbeit. Das ZSW legt besonderen Wert auf Kohlendioxid aus biogenen Quellen, um am Ende umweltfreundliches, sprich CO2-neutrales Methan erzeugen zu können.

Mit den bisher vorliegenden Forschungsergebnissen könnte die Power-to-Gas-Technologie ein Baustein auf dem Weg ins Energiezeitalter nach 2020 sein.

Verbundprojekt "Power-to-Gas": Ziel ist Errichtung und Betrieb einer Forschungsanlage zur Speicherung von erneuerbarem Strom als erneuerbares Methan im Maßstab 250 Kilowatt elektrische Leistung. Diese ist die Vorstufe für industrielle Anlagen im Bereich von 1 bis 20 Megawatt elektrische Leistung.

Projektpartner und Aufgaben
Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW):
• Planung und Aufbau der Power-to-Gas-Forschungsanlage,
• Versuchsbetrieb der Anlage; Anlagen- und Betriebsoptimierung.

Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES:
• Technische, volkswirtschaftliche und ökologische Analyse und Bewertung der Power-to-Gas-Technologie.

SolarFuel GmbH:
• Wirtschaftlichkeitsanalysen für Power-to-Gas-Anlagen in heutigen und zukünftigen Energie-Szenarien.

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit fördert das Projekt mit rund 3,3 Millionen Euro über eine Laufzeit von April 2011 bis März 2014.