studium im ausland - rede von bundesminister prof. dr. Ortleb in bonn

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der bundesminister fuer bildung und wissenschaft,
prof. dr. rainer ortleb, hielt anlaesslich des internationalen
studententages des bundesverbandes liberaler hochschulgruppen
zum thema: "studieren im ausland"
am 4. juni 1993 in bonn folgende rede:

i.
ein studium im ausland kann unter sehr unterschiedlichen
rahmenbedingungen erfolgen und unterschiedlich erlebt
werden. im gelungenen fall bedeutet es das erlebnis
des sich durchsetzens in einer teilweise fremden
welt, interessante neue erfahrungen und kontakte
und vielleicht einen hauch von abenteuer ausserhalb
des alltagslebens. studieren im ausland kann aber
im einzelfall auch bedeuten, dass man sich isoliert
und unverstanden in der fremde durchschlagen muss,
weil man in seiner heimat keinen studienplatz findet
oder zu einer verfolgten minderheit gehoert.
im folgenden moechte ich zum einen auf die situation
der auslaendischen studenten in deutschland eingehen.
welche erfahrungen haben sie an deutschen hochschulen
gesammelt, aus welchen motiven und mit welchen erwartungen
sind sie nach deutschland gekommen. wie gehen die
deutschen hochschulen mit ihren auslaendischen studenten
um.
angesichts der beschaemenden auslaenderfeindlichen
ausschreitungen in deutschland ist die frage, wie
wir zu unseren auslaendischen mitbuergern stehen,
von einer bestuerzenden aktualitaet. in dieser situation
sind auch die deutschen hochschulen - studierende
und hochschullehrer - besonders gefordert, an stelle
von gleichgueltigkeit oder gar von intoleranz der
uebrigen gesellschaft vielmehr ein vorbild fuer eine
geglueckte einbeziehung der auslaendischen mitbuerger
zu bieten.
in diesem sinne begruesse ich auch den vielfach
veroeffentlichten gemeinsamen aufruf der grossen wissenschafts-
und mittlerorganisationen vom november 1992. dieser aufruf
ist zum beispiel beim daad auch als poster beziehungsweise
plakat erhaeltlich. ich kann seinem wortlaut nur
zustimmen und ihn zur weiten verbreitung und beachtung
empfehlen.
ich moechte auch darauf eingehen, was ein studium
im ausland fuer deutsche studenten bedeutet. beide
aspekte haengen eng zusammen. der auslaendische student
in deutschland findet leichter kontakt und fuehlt
sich weniger fremd, wenn er auf deutsche kommilitonen
oder hochschullehrer trifft, die sein heimatland
selber kennen oder einen aufenthalt dort vorbereiten
und sich fuer das land interessieren. der student,
der ins ausland kommt, wird sehr viel leichter integriert,
wenn er an der gasthochschule auf personen trifft,
die bereits internationale kontakte haben und die
aus eigener erfahrung wissen, was es bedeutet, sich
in einem fremden land einrichten und behaupten zu
muessen.

ii.
die bundesregierung hat zu den internationalen hochschulbeziehungen
und zum auslandsstudium vor einigen jahren gegenueber
dem deutschen bundestag erklaert: "das studium von
auslaendern in der bundesrepublik deutschland ist
- ebenso wie das studium deutscher studenten im
ausland, der wissenschaftleraustausch und die internationale
zusammenarbeit der hochschulen - wesentliches element
der internationalen hochschulbeziehungen und ausdruck
der weltoffenheit des deutschen hochschulsystems
..."

aehnliche aussagen finden sich in den regelmaessigen
stellungnahmen der hochschulrektorenkonferenz zur
entwicklung der internationalen hochschulbeziehungen
oder in den empfehlungen des wissenschaftsrats zu
den internationalen wissenschaftsbeziehungen. tatsaechlich
haben im allgemeinen die internationalen beziehungen
in den letzten jahrzehnten kontinuierlich an bedeutung
innerhalb der hochschulen gewonnen.

iii.
wenden wir uns zunaechst einigen aspekten des studiums
deutscher studenten im ausland zu. die eben erwaehnte
bedeutung, die die bundesregierung dem auslandstudium
beimisst, hat ihren niederschlag in einer breiten
palette von foerderungsmoeglichkeiten gefunden. ich
nenne vor allem die bafoeg-auslandsfoerderung, die
ueberwiegend aus bundesmitteln finanzierten auslandsstipendien
fuer deutsche studenten des daad und anderer organisationen
sowie last not least die erasmus-stipendien der
europaeischen gemeinschaft.
diese foerderungsmoeglichkeiten haben dazu beigetragen,
dass die zahl der deutschen studenten im ausland
in den letzten jahrzehnten deutlich gestiegen ist.
waehrend es in der alten bundesrepublik 1975 etwas
ueber 10000 studenten im ausland gab, stieg diese
zahl fuer die alten laender bis 1990 auf etwa 33000.
zusammen mit den studenten aus den neuen laendern
duerften inzwischen etwa 35000 bis 40000 deutsche
studenten im ausland studieren.
diese wachsende zahl von studenten mit auslandserfahrung
spiegelt sich auch in einem langsam steigenden prozentualen
anteil der hochschulabsolventen, die bei ihrem examen
auslandserfahrungen besitzen. dies traf 1989 immerhin
bei 7,1 prozent der universitaetsabsolventen zu.
bei den fachhochschulabsolventen ist der anteil
der absolventen mit auslandserfahrung allerdings
zur zeit noch etwas niedriger.
die ueberwiegende mehrzahl der deutschen studenten
im ausland ist nicht deshalb im ausland, weil sie
zu hause keinen studienplatz gefunden haben, sondern
moechte fuer einen begrenzten studienabschnitt vor
der rueckkehr an die deutsche heimatuniversitaet im
ausland zusaetzliche erfahrungen sammeln. diese bereitschaft
zur mobilitaet ist nicht selbstverstaendlich. wir
wissen etwa aus den bewerbungen bei der zentralen
deutschen zulassungsstelle, der zvs, dass der ueberwiegende
teil der studienbewerber einen studienplatz in der
raeumlichen naehe der elterlichen wohnung anstrebt
und diesen studienplatz bis zum ende das studiums
beibehaelt. wer aber bis zum abschluss des studiums
raeumliche mobilitaet nie ausprobiert und stets nur
im dunstkreis seines geburtsortes gelebt hat, wird
sich spaeter in der im wachsenden umfang erforderlichen
beruflichen mobilitaet schwer tun.
die eg-kommission haelt die mobilitaet junger menschen,
die gelegenheit, eine andere kulturelle tradition
und vielleicht auch einen anderen stil im akademischen
unterricht kennenzulernen, zu recht fuer ein wichtiges
mittel fuer die weitere europaeische integration.
aus diesem grund hat die eg-kommission die erfolgreichen
mobilitaetsprogramme, darunter vor allem das erasmus-programm
im hochschulbereich, geschaffen.
die europaeische entwicklung stellt zusaetzliche anforderungen
in die ausbildung der heutigen studenten, die sich
spaeter auf einem uebernationalen europaeischen arbeitsmarkt
behaupten muessen. sie benoetigen in ihrer hochschulausbildung
unter anderem mehr kenntnisse ueber die sozialen
und kulturellen realitaeten ihrer partnerlaender.
viele studiengaenge muessen sich inhaltlich auf die
europaeische oder weltweite dimension einstellen.
das fach volkswirtschaftslehre zum beispiel, das
frueher einmal die bezeichnung nationaloekonomie fuehrte,
hat es laengst mit den gesetzen groesserer wirtschaftsraeume
als dem nationalen zu tun.
im uebrigen moechte ich daran erinnern, dass die mobilitaet
von studenten nicht etwa eine erfindung unseres
technischen zeitalters ist. im gegenteil. zur zeit
der gruendung unserer aelteren universitaeten - im
spaeten mittelalter und der fruehen neuzeit - war
ein studium im ausland vielfach ueblich und in mancher
hinsicht einfacher als heutzutage zu realisieren. es gab
noch keine unterschiedlichen nationalen ausbildungsordnungen
und -abschluesse, es gab noch nicht die "leistungsfaehige"
genehmigungs- und anerkennungsbuerokratie. es gab
vor allem kein sprachproblem, da die einheitliche
wissenschaftssprache an allen universitaeten in europa
lateinisch war.
natuerlich gibt es keinen weg zurueck in die welt
des mittelalterlichen studentenlebens. wir wollen
auch die gewachsenen unterschiedlichen nationalen
ausbildungstraditionen nicht durch einen buerokratischen
bruesseler konformismus ersetzen. es ist aber durchaus
moeglich, unter beachtung der nationalen besonderheiten
pragmatisch studiengaenge zwischen europaeischen hochschulen
so aufeinander abzustimmen, dass der studentenaustausch
erleichtert wird.
die foerderung derartiger absprachen zwischen hochschulen
aus verschiedenen staaten ueber bestimmte studienangebote
fuer gaststudenten der partnerhochschule ist das
wesentliche erfolgsgeheimnis des erasmus-programms
der europaeischen gemeinschaft. in diesem programm
werden zur zeit fast 2200 kooperationsvereinbarungen
zwischen europaeischen hochschulen gefoerdert, an
denen deutsche hochschulen beteiligt sind. im idealfall
sind die vereinbarungen ueber den studentenaustausch
eingebettet in eine fruchtbare zusammenarbeit der
beteiligten hochschullehrer in der forschung und
im akademischen unterricht.
das modell des integrierten auslandsstudiums hat
im letzten jahrzehnt staendig an beliebtheit gewonnen,
weil der student bei einer funktionierenden kooperation
zumindest im idealfall an seiner heimathochschule
sprachlich und landeskundlich auf den auslandsaufenthalt
vorbereitet wird, weil er an der gasthochschule
ein auf seine beduerfnisse abgestelltes studienangebot
vorfindet und auch eine gewisse betreuung erfaehrt.
darueber hinaus ist es wuenschenswert, dass der auslandsaufenthalt
von studenten durch staerkere internationale elemente
in der ausbildung an der heimathochschule ergaenzt
wird. dazu koennen regelmaessige vortragsveranstaltungen
im rahmen der auswaertigen partnerschaften, aber
auch die verstaerkte berufung auslaendischer gastdozenten
gehoeren.
im rahmen des in den letzten jahren aufgebauten
europaeischen hochschulnetzes - wie die kooperationsvereinbarungen
zwischen den hochschulen in der sprache des erasmus-programms
genannt werden - werden im studienjahr 1993/94 voraussichtlich
etwa 80000 europaeische studenten mit der foerderung
eines studienaufenthaltes in einem anderen europaeischen
staat rechnen koennen, darunter sind ueber 12400 deutsche
studenten, die im rahmen des programms fuer zwei
semester ins ausland gehen, und etwa 11800 auslaendische
studenten, die in dieser zeit nach deutschland kommen.
ein weiterer quantitativer ausbau der studentenmobilitaet
wird in der europaeischen gemeinschaft in den naechsten
jahren an finanzielle grenzen im haushalt der eg
und in den haushalten der mitgliedstaaten stossen.
ich werde mich in der eg bei den bevorstehenden
beratungen ueber die dritte phase des erasmus-programms
jedoch nachdruecklich dafuer einsetzen, dass dieses
erfolgreiche programm auch kuenftig in seinem kern
erhalten bleibt.
in der weiteren entwicklung des auslandsstudiums
sollte in den naechsten jahren gerade auch bei engerem
finanzrahmen die sicherung der qualitaet vorrang
vor weiteren raschen quantitativen erweiterungen
haben. dazu rechne ich auch, dass die infrastruktur
fuer die unterbringung und betreuung der auswaertigen
studenten sowohl an den deutschen hochschulen wie
an den auslaendischen partnerhochschulen verbessert
werden muss. eine moeglichkeit dafuer bieten die 600
millionen dm, die bund und laender im hochschulsonderprogramm
ii fuer die staerkung der europaeischen zusammenarbeit
bereitgestellt haben.
zu den qualitativen verbesserungen moechte ich auch
rechnen, wenn sich etwas mehr deutsche studenten
trotz der sprachlichen schwierigkeiten fuer einen
aufenthalt in den kleineren europaeischen staaten
entschliessen wuerden. daneben sollte in den naechsten
jahren vorrangig das angebot an studiengaengen, die
einen erweiterten studienanteil an einer auslaendischen
partnerhochschule und einen in zwei staaten anerkannten
doppelten abschluss vorsehen, ausgebaut werden. derartige
integrierte studiengaenge sind zunaechst vor allem
in der betriebswirtschaftslehre entwickelt worden.
auf die einrichtung weiterer integrierter studiengaenge
in verschiedenen faechern hat sich beispielhaft das
deutsch-franzoesische hochschulkolleg konzentriert.

iv.
lassen sie mich jetzt auf einige aspekte des studiums
von auslaendern in deutschland eingehen. unter den
100000 auslaendischen studenten, die die offizielle
statistik 1990 fuer die alte bundesrepublik ausweist,
waren circa 35000 studenten bildungsinlaender, das
heisst: wir haben in deutschland etwa 65000 "echte"
auslaendische studenten, die aus dem ausland zum
studium nach deutschland gekommen sind (relativ
gesehen deutlich weniger als etwa in frankreich
oder den niederlanden).
eine aufgliederung nach herkunftslaendern zeigt,
dass die groesste gruppe auslaendischer studenten aus
der tuerkei stammt, gefolgt von den iranischen und
den griechischen studenten. die zugrundeliegenden
zahlen enthalten allerdings auch die bildungsinlaender,
weil es eine gesonderte aufgliederung allein fuer
die echten auslaender nicht gibt. relativ hoch sind
die anteile der koreanischen, der indonesischen
und der chinesischen studenten in deutschland. insgesamt
kommt etwa die haelfte aller auslaendischen studenten
aus laendern der dritten welt. die in juengster zeit
steigenden studentenzahlen aus mittel- und osteuropaeischen
staaten sind in der leider mit erheblicher zeitlicher
verzoegerung arbeitenden amtlichen statistik noch
nicht mit aktuellen zahlen ausgewiesen.
die auslaendischen studenten lassen sich zwei unterschiedlichen
gruppen zuordnen: zum einen die studenten, die einen
vollen studiengang, grund- und hauptstudium, in
deutschland absolvieren wollen, zum anderen die
wachsende zahl auslaendischer studenten, die fuer
einen begrenzten studienabschnitt waehrend des hauptstudiums
oder zu einem haeufig auf
ihre besonderen beduerfnisse zugeschnittenen aufbaustudium
von vergleichsweise kuerzerer dauer nach deutschland
kommt.
es liegt auf der hand, dass ein student, der etwa
im rahmen einer hochschulkooperation des erasmus-programms
oder einer kooperation zwischen einer deutschen
hochschule und einer hochschule in der dritten welt
zu einem zwischen den hochschulen abgesprochenen
aufenthalt nach deutschland kommt, sich in vieler
hinsicht in einer anderen situation befindet als
ein studienbewerber aus der dritten welt, der noch
ohne eigene hochschulerfahrung und vielleicht auch
ohne endgueltige klare vorstellungen ueber sein studienfach
sich um einen studienplatz in deutschland bewirbt.
der anteil der studenten, die einen vollen studiengang
in deutschland studieren wollen, an der gesamtzahl
der echten auslaendischen studenten kann nur ungefaehr
geschaetzt werden. studenten aus westeuropa und den
usa sind ueberwiegend fuer begrenzte studienabschnitte
in deutschland. das gleiche gilt fuer die rund 7000
auslaendischen daad-stipendiaten, die nicht aus europa
oder den usa stammen. die uebrigen studenten aus
der dritten welt, die nicht als stipendiaten nach
deutschland gekommen sind, planen dagegen zu einem
erheblichen teil ein volles studium in deutschland.

v.
vom bundesministerium fuer bildung und wissenschaft
gefoerderte untersuchungen an kleineren gruppen auslaendischer
studenten deuten darauf hin, dass viele auslaendische
studenten aus der dritten welt, die unvorbereitet
ausserhalb von programmen an deutsche hochschulen
kommen, eine reihe von typischen schwierigkeiten
zu ueberwinden haben. die situation der studienanfaenger
aus der dritten welt in deutschland unterscheidet
sich in einigen punkten erheblich von der situation
der meisten dritten-welt-studenten in frankreich
oder in den angelsaechsischen laendern.
fuer den jungen nordafrikaner, der in frankreich
studiert, bestehen zunaechst einmal keine oder zumindest
keine wesentlichen sprachprobleme, weil er in der
regel fliessend franzoesisch spricht. wichtiger noch:
ihm sind franzoesische lebensweisen und denkgewohnheiten
sowie franzoesische lerntraditionen nicht ganz fremd,
weil sie in den meisten ehemaligen kolonialgebieten
vielfaeltig nachwirken. entsprechendes gilt fuer das
verhaeltnis der ehemaligen britischen kolonien zu
england. demgegenueber ist der auslaendische studienanfaenger
in deutschland vor einer haeufig viel schwierigeren
situation:
der auslaendische studienanfaenger muss zu beginn seines
studiums haeufig noch sprachliche defizite in der
deutschen umgangssprache und in der fachsprache
des von ihm gewaehlten studienfachs ausgleichen.
er muss sich insbesondere an die im deutschen hochschulsystem
traditionell uebliche wesentlich groessere "freiheit"
und eigenverantwortung des studenten bei der organisation
seines studiums, bei der auswahl der lehrveranstaltungen
und der zu aneignung des wissensstoffes erforderlichen
literatur gewoehnen.
bei vielen deutschen hochschullehrern wird die ausbildungstaetigkeit
weniger wichtig als die forschung genommen. studenten
bleiben vielfach sich selbst ueberlassen. infrastrukturen
fuer die betreuung der studenten und fuer aktive hilfen
bei der aneignung des wissensstoffes sind im vergleich
zu manchen auslaendischen systemen weniger entwickelt.
die anpassung an diese eigenheiten unserer hochschulausbildung
faellt gerade studenten aus entwicklungslaendern aufgrund
ihrer andersartigen lerntradition schwer. sie sind
in ihren schulen darauf wenig vorbereitet worden.
in einer untersuchung ueber indonesische studenten
in deutschland wird festgestellt, dass die mehrzahl
der befragten studenten offenbar auch nach einigen
semestern universitaetserfahrung noch immer das gefuehl
hatten, nicht sicher zu wissen, wie sie ihr studium
angehen und organisieren muessen. ich moechte betonen,
dass hier nicht irgendwelche stoffdefizite in der
vorbildung der studienbewerber gemeint sind, sondern
dass es um unterschiedliche lerntraditionen geht,
die auch gelegentlich westeuropaeischen gaststudenten
in deutschland eingewoehnungsprobleme bereiten.
neben der gewoehnung an besonderheiten des deutschen
hochschulsystems bedeutet die eingewoehnung in eine ganz
andersartige kulturelle umwelt fuer viele junge studienanfaenger
eine schwierige herausforderung. der junge auslaender
ist in der regel erstmalig aus der sozialen gruppe
herausgerissen, in deren verhaltensnormen er bisher
aufgewachsen ist. er muss manche gegenueber seiner
heimatgesellschaft andere verhaltensweisen zunaechst
lernen, um sich gegenueber seinen deutschen kommilitonen
und professoren behaupten und durchsetzen zu koennen.
ich moechte aber diese aufzaehlung von einigen problemen
der auslaendischen studenten nicht beenden, ohne
zu erwaehnen, dass eine reihe auslaendischer studenten
weniger mit den schwierigkeiten des deutschen hochschulsystems
als mit handfesten materiellen problemen der finanzierung
ihres studiums zu kaempfen hat.
die bundesrepublik verfuegt ueber ein beachtliches
angebot an stipendien fuer auslaendische studenten.
allein der deutsche akademische austauschdienst
foerdert jaehrlich etwa 15000 auslaendische stipendiaten.
daneben gibt es stipendienangebote anderer einrichtungen,
zum beispiel der politischen stiftungen und von
kirchlichen einrichtungen. mit ausnahme eines kleinen
programms im fachhochschulbereich handelt es sich
dabei jedoch um stipendien fuer studenten im hauptstudium
oder nach einem ersten hochschulabschluss. es gibt
also anders als in der frueheren ddr fast keine stipendien
fuer ein volles studium in deutschland.
dennoch erscheint vielen studienbewerbern ein studium
in deutschland auch ohne stipendium attraktiv, weil
in deutschland keine studiengebuehren erhoben werden.
dabei wird die hoehe der lebenshaltungskosten in
deutschland oder die schwierigkeit, wohnraum zu
erhalten, von manchen studienbewerbern zunaechst
unterschaetzt. in der bundesrepublik gibt es anders
als in der frueheren ddr keine stipendien fuer ein
volles studium von auslaendern in deutschland.

vi.
nach dieser knappen analyse der situation der auslaendischen
studenten in deutschland moechte ich einige ueberlegungen
zu der frage anschliessen, was in den naechsten jahren
zur verbesserung des auslaenderstudiums geschehen
sollte. ganz generell meine ich, dass in der gegenwaertigen
phase zunaechst einmal qualitative massnahmen zur
verbesserung der effizienz des studiums vorrang
vor einer rascheren weiteren erhoehung der zahl der
auslaendischen studenten haben muessen. in aehnlicher
weise hat die hochschulrektorenkonferenz in einer
stellungnahme zu internationalen hochschulbeziehungen
festgestellt, dass die strukturen des auslaenderstudiums
verbessert werden muessten.
ich meine, dass in erster linie die hochschulen selbst
aufgerufen sind, sich der belange ihrer auslaendischen
studenten mit noch groesserer aufgeschlossenheit anzunehmen.
das faengt bei der beratung der jungen studienbewerber
an. kaum ein hochschullehrer nimmt sich die zeit,
mit angehenden studenten ein gespraech ueber studienziel
und motivation zu fuehren. das gilt fuer deutsche
wie fuer auslaendische studienanfaenger. es waere viel
erreicht, wenn in jedem studiengang ein beauftragter
hochschullehrer als ansprechpartner fuer die auslaendischen
studenten zu problemen ihres studiums zur verfuegung
stuende. diese aufgabe sollte nicht nur auf einige
in der regel ueberlastete mitarbeiter der studienberatung
delegiert werden.
zum zweiten wuensche ich mir, dass gerade die fuer
die beduerfnisse von auslaendischen studenten abgestellten
qualifizierten ausbildungsangebote weiterentwickelt
werden. dabei koennte ich mir zum beispiel vorstellen,
dass sich einzelne fachbereiche auf die zusammenarbeit
mit bestimmten regionen oder bestimmten hochschulen
im ausland konzentrieren.
ein wichtiger schwerpunkt in den internationalen
hochschulbeziehungen bildet in den naechsten jahren
die weiterentwicklung der beziehungen zu den mittel-
und osteuropaeischen staaten. das bundesministerium
fuer bildung und wissenschaft hat hier zusaetzliche
mittel bereitgestellt, um insbesondere die beratung
unserer partner bei der reform ihres hochschulwesens,
die entwicklung kuerzerer praxisbezogener studiengaenge
nach dem modell unserer fachhochschulen, die entwicklung
von fernstudienangeboten sowie forschungskooperationen
foerdern zu koennen.
daneben bildet der austausch mit den mittel- und
osteuropaeischen staaten in den austauschprogrammen
des daad und der alexander von humboldt-stiftung
einen besonderen schwerpunkt. allein vom daad ist 1992
im rahmen verschiedener programme der deutschlandaufenthalt
von fast 8000 osteuropaeischen wissenschaftlern und
studenten gefoerdert worden.
diese deutschen aktivitaeten werden durch das tempus-
programm der eg ergaenzt, das unter anderem im rahmen
partnerschaftlicher zusammenarbeit mehrerer europaeischer
hochschulen auch die foerderung des auslandsaufenthalts
osteuropaeischer studenten vorsieht.
ein beispiel fuer eine hervorragende zusammenarbeit
mit hochschulen der dritten welt bietet professor
schulz von der hochschule fuer bildende kuenste in
braunschweig, einer der beiden diesjaehrigen preistraeger
des vom bundesministerium fuer bildung und wissenschaft
gestifteten preises fuer herausragende leistungen
in der internationalen hochschulzusammenarbeit.
die braunschweiger hochschule half tatkraeftig bei
der entwicklung und realisierung eines konzepts
zur ausbildung indonesischer studierender in der
druckgrafik und im design am technologieinstitut
in bandung. die kooperation zwischen der hochschule
in braunschweig und in bandung ermoeglicht eine grundausbildung
der indonesischen studierenden vor ort und ein anschliessendes
vertiefungsstudium in deutschland.
ich meine, dass in der zusammenarbeit mit staaten
der dritten welt in der jetzigen phase derartige
hilfeleistungen beim aufbau eines funktionierenden
hochschulsystems vor ort im vordergrund stehen sollten.
ich wuerde es begruessen, wenn in der zusammenarbeit
deutscher hochschulen mit hochschulen der dritten
welt die hilfe beim aufbau des hochschulsystems
vor ort und die zusammenarbeit in der forschung
auch in wachsender zahl durch vereinbarungen ueber
studentenaustausch ergaenzt werden koennte.
wenn ich mich hier fuer den ausbau des studentenaustausches
im hauptstudium und im aufbaustudium einsetze, so
bin ich mir doch bewusst, dass wir auch weiterhin
eine erhebliche zahl auslaendischer studienbewerber
in deutschland haben werden, die aus vielfaeltigen
gruenden ein vollstudium anstreben, weil es in ihrer
heimat noch keine ausreichend qualifizierten studienplaetze
gibt oder weil sie aus politischen gruenden an einem
studium in ihrer heimat gehindert werden.
fuer den auslaendischen studenten, der im rahmen derartiger
vereinbarungen zu einem studienabschnitt nach deutschland
kommt, haette dies den vorteil, dass er darauf vertrauen
kann, in deutschland an eine hochschule zu kommen,
die in seinem fach auf die ausbildung von studenten
seiner region eingestellt ist und in der er gleichsam
erwartet wird. eine staerkere regionale spezialisierung
in der zusammenarbeit wuerde auch eine qualifiziertere
beratung potentieller studienbewerber vor ort im
ausland erleichtern.
derartige initiativen sind die voraussetzung dafuer,
dass kuenftig in den beziehungen zu den hochschulen
der dritten welt zunehmend aehnliche formen der zusammenarbeit
auf partnerschaftlicher ebene und im beiderseitigen
interesse aufgebaut werden koennen wie mit den hochschulen
der industriestaaten.