staatsbesuch des bundespraesidenten der republik oesterreich

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der bundespraesident der republik oesterreich, herr
dr. thomas klestil und frau edith-maria klestil statteten
der bundesrepublik deutschland in der zeit vom 13.
bis 15. dezember 1993 einen staatsbesuch ab.

empfang beim bundespraesidenten

bundespraesident richard von weizsaecker hielt bei einem
abendessen zu ehren des oesterreichischen bundespraesidenten
dr. thomas klestil und frau edith-maria
klestil im gaestehaus petersberg bei bonn am 13.
dezember 1993 folgende ansprache:

ich heisse sie, ihre verehrte frau und ihre delegation
auf das herzlichste in der bundesrepublik deutschland
willkommen. wir freuen uns sehr, einen guten nachbarn
und freund als gast bei uns zu haben.
mit freude denke ich an unsere erste begegnung in
lindau am bodensee vor einem jahr und an ihre warme
gastfreundschaft in diesem sommer in salzburg. der
fuer mich wertvolle austausch von erfahrungen und
gedanken hat mich mit ihnen rasch und vertrauensvoll
verbunden. fuer eine so aufgeschlossene nachbarschaft
kann man nur dankbar sein.
jahrhunderte gemeinsam durchlebter wechselvoller
geschichte bilden, bei allen hoehen und tiefen, die
gute grundlage fuer das herzliche verhaeltnis zwischen
der republik oesterreich und der bundesrepublik deutschland.
ihr land ist mit uns nicht nur durch geschichte
und geist, sondern auch durch die dichte der menschlichen
bindungen wie kein anderes nah und eng verknuepft.
wir verstehen uns schon gut genug, auch wenn der
herrliche karl kraus in seiner unnachahmlichen art
ja bekanntlich dekretiert hatte, das einzige, was
deutsche und oesterreicher voneinander trenne, sei
die sprache.
die weiterentwicklung der europaeischen integration
wird unseren beziehungen eine wegweisende neue dimension
hinzufuegen. fuer uns deutsche laesst sich die sorgenvolle
frage von friedrich schiller "deutschland, aber
wo liegt es?" zu unserer grossen freude heute klar
beantworten. fuer oesterreich werden mir meine landsleute,
die ihr land kennen- und schaetzengelernt haben,
gerne beipflichten, wenn ich mit den worten desselben
dichters sage: "der oesterreicher hat ein vaterland
und liebt"s, und hat auch ursach", es zu lieben".
wir wollen kein europa, in dem die identitaet seiner
glieder verschwimmt, sondern eines, mit dem sich
jeder vertraut fuehlt,
weil er zugleich stolz sein kann auf seinen unverwechselbaren
heimatlichen beitrag zur vielfalt des groesseren europaeischen
mosaiks.
wir deutschen haben uns von anfang an fuer die jetzt
anstehende erweiterung der europaeischen union eingesetzt.
dabei stand ihr land, das bereits 1989 seinen beitrittsantrag
uebergeben hatte, stets ganz im vordergrund unseres
denkens und handelns. der beitritt oesterreichs wird
den politischen erfahrungshorizont der union erweitern,
sie oekonomisch staerken und kulturell bereichern.
die bundesrepublik deutschland wird sich weiterhin
fuer zuegige beitrittsverhandlungen einsetzen. ein
rascher erfolg soll die einigungs- und handlungsfaehigkeit
europas erweisen und den buergerinnen und buergern
ihres landes die zustimmung zum europaeischen einigungswerk
erleichtern. dies scheint mir besonders wichtig
in einer zeit, in der auch zweifel an der europaeischen
idee vernehmbar geaeussert werden.
ihr land, herr bundespraesident, ist durch die entwicklung
der letzten jahre wieder in die mitte unseres kontinents
gerueckt, die ihm gebuehrt. mit ihrer jahrhundertealten
erfahrung in einer vielschichtigen gesellschaft
sind sie in besonderem masse praedestiniert, die benachbarten
reformstaaten mittel- und suedosteuropas beim aufbau
stabiler demokratien und bei der heranfuehrung an
die weltwirtschaft zu beraten und zu unterstuetzen.
mit vielen dieser staaten ist oesterreich nicht nur
durch geschichtliche und kulturelle gemeinsamkeiten
verbunden, die ziele, die oesterreich, deutschland
und diese laender dabei im auge haben, stimmen ueberein:
stabilitaet in der region - und damit fuer ganz europa.
so wie oesterreich nach ihren worten, herr bundespraesident,
nach dem krieg ein "wachturm der freiheit am eisernen
vorhang" war, ist es heute ein hoffnungstraeger fuer
seine nachbarn.
mit besonderem engagement hat sich die republik oesterreich
um vermittlung und erleichterung im jugoslawien-konflikt
bemueht. die humanitaere hilfe, die sie und ihre landsleute
geleistet haben und noch leisten, die hohe anzahl von
fluechtlingen, die sie aufgenommen haben, und die privaten
hilfsleistungen an die geschaedigten gebiete sind
beispielhaft. die schweren konflikte und leiden
in ihrer unmittelbaren nachbarschaft haben ein gefuehl
der bedrohung der eigenen sicherheit mit sich gebracht.
dies hat dazu gefuehrt, das bewusstsein fuer die notwendigkeit
einer sicherheitspolitischen integration oesterreichs
in europaeische strukturen zu schaerfen. sie selbst,
ebenso wie alle anderen fuehrenden politiker ihres
landes, haben sich dazu bekannt, dass der aufbau
einer gemeinsamen sicherheitsordnung fuer europa
im vitalen sicherheitsinteresse oesterreichs liegt.
in welchem masse ihr land sich der friedenswahrung
in europa verpflichtet fuehlt, hat die aufnahme der
53 delegationen der konferenz fuer sicherheit und
zusammenarbeit in europa in wien ebenso gezeigt,
wie das von ihnen als gastgeber veranstaltete gipfeltreffen
des europarates im oktober dieses jahres. oesterreichs
weltweites engagement fuer den frieden findet auch
ausdruck bei vorbildlichen aktivitaeten im bereich
der vereinten nationen. als beispiel moechte ich
die zahlreichen beitraege bei friedensoperationen
der vereinten nationen ebenso erwaehnen, wie die
menschenrechts-weltkonferenz vom sommer in ihrer
hauptstadt.
sie setzen ihren besuch in deutschland morgen im
vereinten berlin fort. ich freue mich, dass sie damit
eindruecke von dem seit drei jahren vereinten land
gewinnen koennen. mit dankbarkeit erinnere ich mich
an die rolle oesterreichs bei der oeffnung der grenze
zu ungarn und der grossherzigen aufnahme, die sie
seinerzeit vielen fluechtlingen aus der ddr bereiteten.
dieser dank gilt nicht nur ihrem land, sondern ganz
besonders ihnen persoenlich, herr bundespraesident.
sie haben damals an zentraler stelle mut, entschlossenheit
und hilfsbereitschaft gezeigt.
heute unterstuetzt oesterreich durch unternehmerische
investitionen den wirtschaftlichen und sozialen
wiederaufbau in unseren oestlichen bundeslaendern.
mit investitionen von circa 2 milliarden dm hat
ihr land nahezu 35000 arbeitsplaetze geschaffen.
wir sind gewiss, dass ihr besuch dieser erfreulichen
entwicklung zusaetzliche impulse verleiht.
herr bundespraesident, sie haben ihrem amt nach innen
und aussen ein profil gegeben, das zum wohle ihres
landes gereicht und europa mit achtung erfuellt.
wir sehen ihrem weitsichtigen historischen verstaendnis
bei den europaeischen entscheidungen ihres landes
ebenso respektvoll entgegen wie ihrer grossen und
wuerdigen aufgabe als staatsoberhaupt bei der im
jahre 1996 bevorstehenden tausendjahrfeier oesterreichs.
ich erhebe mein glas auf ihr persoenliches wohl,
herr bundespraesident, auf das wohl von frau klestil,
auf die bewaehrte gute nachbarschaft unserer laender,
auf eine friedliche und glueckliche zukunft der republik
oesterreich und auf unser gemeinsames europa.