Regierungserklärung der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan,

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Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren!

Mit der Hightech-Strategie für Deutschland legt die Bundesregierung ihre Ziele, Instrumente und Strategien in der Forschungs- und Innovationspolitik der kommenden Jahre vor. Wir stellen uns dem weltweiten Innovationswettbewerb und wir konkretisieren damit eine Leitlinie unserer Politik, die die Bundeskanzlerin genannt hat: die Zukunft nicht zu verbrauchen, sondern verantwortungsbewusst Talente zu nutzen, Technologien weiterzuentwickeln und die Rahmenbedingungen so zu modernisieren, dass eine gute Zukunft für künftige Generationen eröffnet werden kann.

Wo stehen wir heute in diesem Wettbewerb? Mit einem Anteil für Forschung und Entwicklung von rund 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegt Deutschland international auf Platz neun, hinter Ländern wie den USA und Japan, aber auch hinter Ländern wie Israel, Korea oder Schweden. Mit 8,4 Prozent der weltweit anerkannten Fachpublikationen in den Natur-, Ingenieur- und Medizinwissenschaften, mit zwölf Prozent aller weltweit relevanten Patente und mit 16,5 Prozent der OECD-Exporte an Technologiegütern sind die Ergebnisse des deutschen Innovationssystems beachtlich. Sie machen Deutschland gar zum Exportweltmeister von Technologiegütern.

Unser Land ist führend im Maschinenbau, erstklassig im Fahrzeugbau und in der Umwelttechnik sowie Schrittmacher in vielen Bereichen der erneuerbaren Energien, der Laser-, Nano- und Medizintechnologie. Diese Leistungskraft wird durch eine exzellente Forschungslandschaft gefördert und von rund 170.000 innovativen Unternehmen getragen.

Die Hightech-Strategie für Deutschland ist erstmals eine gemeinsame Strategie aller Ministerien, die ihren Beitrag zur Innovationspolitik leisten. Sie ist verbunden mit einem konsequenten Fokus auf Wege der Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Sie ist verbunden mit einer Betrachtung von technologischen Entwicklungsprozessen und Rahmenbedingungen, mit für jeden technologischen Bereich klar formulierten Zielen auf der Grundlage einer Stärken-Schwächen-Analyse und mit Anreizen für strategische Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Vor allem ist sie verbunden mit einem deutlich erhöhten finanziellen Einsatz von insgesamt rund 15 Milliarden Euro bis zum Jahr 2010.

Diese Bundesregierung macht also Ernst mit einer umfassenden und neuen Strategie, die die Innovationskraft unseres Landes stärken wird. Damit verbunden ist die Aufforderung an die Länder, jetzt ihre Innovationsstrategien vorzulegen, über die im Dezember zwischen der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten beraten wird.

Hinter der Hightech-Strategie für Deutschland steckt ein ungewöhnlich hohes Potenzial: Damit können wir das Drei-Prozent-Ziel im Bereich Forschung und Entwicklung erreichen, das die Mitgliedsländer der Europäischen Union für das Jahr 2010 innerhalb der Lissabon-Strategie als Zielvorgabe gesetzt haben; damit können wir den lange eingeforderten besseren Technologietransfer in neue Produkte, Dienstleistungen und Verfahren erreichen; wenn alle 17 Innovationsstrategien konsequent und mit dem entsprechenden finanziellen Einsatz der Unternehmen umgesetzt werden, können damit viele neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Wenn ich sage, dass 1,5 Millionen neue Arbeitsplätze entstehen können, ist das nicht übertrieben, sondern eher untertrieben. In vielen Analysen steckt nämlich folgender Zusammenhang: Im Bereich von Forschung und Entwicklung brauchen wir in den nächsten Jahren rund 90.000 Arbeitsplätze mehr; davon sind circa 60.000 in den Unternehmen anzusiedeln, die – laut Prognosen – je 30 industrielle Arbeitsplätze nach sich ziehen. Damit kämen wir auf 1,8 Millionen neue Arbeitsplätze. Weil wir bescheiden sind, sagen wir: 1,5 Millionen neue Arbeitsplätze.

Innovationspolitik, die über Ressortgrenzen hinweg als roter Faden unseres Regierungshandelns angelegt ist, bringt Deutschland voran. Es gibt keine wirksame Alternative, die den geistigen und materiellen Wohlstand unseres Landes künftig sichern könnte. Wir verbinden mit dieser Strategie die Vision von einem Land, das Leistung in Wissenschaft und Wirtschaft würdigt und anerkennt. Wir wollen Talente und Begabungen in allen Bereichen fördern, Kräfte bündeln und unsere Konzepte so optimieren, dass aus Deutschland eine der forschungsfreudigsten und im Blick auf den Technologietransfer erfolgreichsten Nationen der Welt wird. Wir spekulieren nicht über Zukunft, wir sorgen vor.

Innovationskonzepte der Vergangenheit waren zu stark auf Forschung konzentriert. Jetzt ist unser Ziel, dass sich Forschungsideen auch auf den Märkten durchsetzen. Es sollen neue Märkte für Produkte, Dienstleistungen und Verfahren entstehen sowie bestehende Märkte zu Leitmärkten ausgebaut werden.

Die Hightech-Strategie für Deutschland setzt neue thematische Prioritäten in der Energieforschung, der Gesundheitsforschung, der Nanotechnologie sowie der Informations- und Kommunikationstechnologie und schließlich der Sicherheitsforschung. Zur Neuausrichtung der Projektförderung werden Innovationsplattformen eingerichtet. Seitens des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wird der Prozess der Strategiebildung auf der Ebene der Plattformen unterstützt.

Deutschland, das Land der Ideen, wird zum Land der Taten. Dafür müssen die Wege von der Entwicklung zum Markt kürzer und schneller werden. Mit der Hightech-Strategie für Deutschland werden Forschungsförderung und Rahmenbedingungen erstmals konsequent gemeinsam betrachtet. Dazu nenne ich nur wenige Beispiele. Die Forschung im Rahmen der Grünen Gentechnik muss ein angemessenes Umfeld für ihre Anwendung erhalten. Wir werden in Kürze Vorschläge dazu vorlegen, die einerseits Kommunikation zur besseren Akzeptanz befördern und andererseits Sorge dafür tragen, dass Forscher nicht nur nicht behindert werden, sondern auch wirklich gut arbeiten können.

Ich nenne die Marktdurchdringung deutscher Technologieprodukte, die durch Normungs- und Standardisierungsprozesse unterstützt werden muss. Die Auswertung von Informations- und Kommunikationslösungen muss durch E-Government im Interesse der Bürgerinnen und Bürger beschleunigt werden. Die Prosperität der Zukunftsbranche Medizintechnik braucht geeignete Vergütungsregelungen für Innovationen im Gesundheitswesen. Die Zukunft der Informations- und Kommunikationsmärkte bedarf einer modernen Medienordnung.

Ein leuchtendes Beispiel der Hightech-Strategie ist die OLED-Initiative. Das BMBF fördert Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet organischer Leuchtdioden, so genannter OLED, in den nächsten Jahren mit 100 Millionen Euro. Gleichzeitig werden die beteiligten Unternehmen 500 Millionen Euro investieren. Das ist ein Beispiel für das, was für alle 17 Innovationsstrategien gelten muss: Wir mobilisieren mit öffentlichen Mitteln ein Mehrfaches an Mitteln aus der Wirtschaft. Ich bin davon überzeugt, dass dies eines von vielen positiven Beispielen sein wird, und rufe die Wirtschaft dazu auf, ihren Beitrag zu allen 17 Innovationsstrategien zu leisten.

Eine der zentralen Botschaften der Hightech-Strategie für Deutschland ist die neue Priorität für Innovationspolitik als Zentrum unseres Regierungshandelns. Wir unterstreichen diesen Aufbruch für einen neuen Stellenwert der Innovationspolitik durch die deutliche Erhöhung der Investitionen in Forschung und Entwicklung bis zum Ende dieser Legislaturperiode mit insgesamt zusätzlich sechs Milliarden Euro. Einen solchen Anstieg von Investitionen hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie gegeben. Wir investieren in die Zukunft unseres Landes.

Wir leisten eine Innovationspolitik aus einem Guss. Wir setzen Anreize für eine anwendungsorientierte Wissenschaft, eine forschungsfreundliche Wirtschaft und neue strategische Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Wir führen eine Forschungsprämie für Forschungsaufträge kleiner und mittlerer Unternehmen an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen ein. Sie soll die Wissenschaftseinrichtungen motivieren, sich stärker auf wirtschaftsrelevante Themen und Forschungsaufträge einzulassen. Die Prämie wird an die Hochschulen und Forschungseinrichtungen ausgezahlt.

Wir werden Deutschlands Spitzencluster in einem themenoffenen Wettbewerb – nach dem Grundsatz: Stärken stärken – prämieren und fördern. Durch diese Förderung sind die ausgewählten Cluster imstande, ihr Profil zu schärfen, Entwicklungshemmnisse zu überwinden und zu internationalen Anziehungspunkten zu werden. Auf diese Weise werden neue Märkte für deutsche Technologien, Produkte und Dienstleistungen erschlossen und mehr Forschungs- und Entwicklungs-Direktinvestitionen aus dem Ausland angezogen.

Die Förderung innovativer kleiner und mittlerer Unternehmen durch die Bundesregierung wird im Rahmen der Hightech-Strategie prioritär ausgebaut. Das gilt für Aktivitäten des Wirtschaftsministeriums und für mein Haus. Die Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen in der Spitzentechnologie über Fachprogramme hinaus wird einheitlich gestaltet und auf diesem Wege ausgebaut. Durch mehr Transparenz wird ein einfacherer Zugang zu den Programmen ermöglicht. Die Mittel zur Förderung von Forschung und Entwicklung der kleinen und mittleren Unternehmen werden bis 2009 um 40 Prozent auf 850 Millionen Euro steigen. Die Finanzierung von Forschungsvorhaben durch Banken und Investoren wird erleichtert. Die Bedingungen für Wagniskapital werden verbessert.

Dies alles betrifft das Stichwort Rahmenbedingungen. Wir wissen das und setzen es in dieser Strategie um.

Fachprogramme sind das eine, gute Rahmenbedingungen, um das, was in den Fachprogrammen an Potenzial steckt, umsetzen zu können, sind das andere.

Kleine und mittlere Unternehmen sind auch deshalb so stark im Fokus, weil wir wissen, dass sie nicht nur die meisten Jobs in Deutschland schaffen, sondern auch besonders kreativ sind. Unsere Strategie hilft den Unternehmen bei Kontakten zur Wissenschaft und bei der Umsetzung ihrer eigenen Forschung in Produkte; Existenzgründern wird der Weg in den Markt erleichtert.

Wissenschaftlichen Forschungsergebnissen fehlt oft die notwendige Reife für eine wirtschaftliche Verwertung. Zur Schließung dieser Lücke ist es notwendig, mögliche Anwendungen, die erfolgversprechend sind, im Blick auf ihre technische Machbarkeit zu prüfen. Hierzu wird ein einheitliches Förderkonzept in geeignete Fachprogramme eingebaut.

Die Umsetzung der Hightech-Strategie für Deutschland schließlich wird von der Forschungsunion Wirtschaft – Wissenschaft begleitet. Hier erarbeiten Vertreter der Wirtschaft und der Wissenschaft unter Beteiligung der jeweiligen Ressorts Empfehlungen für die weitere Ausgestaltung der Hightechstrategie, die in unsere unmittelbare Forschungspolitik einfließen. Ich halte es für ein sehr interessantes Zeichen, dass erstmals auch bei der Konkretisierung von Forschungsförderung Wirtschaft und Wissenschaft von Beginn an zusammenarbeiten. Das wird auch den Prozess der Mobilisierung von finanziellen Investitionen seitens der Wirtschaft befördern.

Die Forschungsunion ist ein deutliches Signal für eine neue Mentalität als Grundlage erfolgreicher Innovationspolitik. Wirtschaft und Wissenschaft haben klar definierte Ziele sowie einen klaren Zeitplan für die Umsetzung, der mit einem jährlichen Fortschrittsbericht verbunden ist, und tragen gemeinsam Verantwortung für einen beschleunigten Technologietransfer.

Mit der Hightech-Strategie für Deutschland leisten wir zugleich einen Beitrag zu einer europäischen und internationalen Innovationspolitik. Wir stellen die Weichen so, dass Deutschland ein starker Motor für den Forschungsstandort Europa sein kann. Die EU-Präsidentschaft im kommenden Jahr gibt uns Gelegenheit, wichtige Entscheidungen für den Forschungsstandort Europa zu verwirklichen: Der Europäische Forschungsrat wird seine Arbeit aufnehmen. Das siebte Forschungsrahmenprogramm tritt in Kraft. Wir stehen in den Vorbereitungen für einen möglichen europäischen Exzellenzwettbewerb über neue Wege zum Technologietransfer in Europa. Die Lissabon-Strategie ist das Herzstück der europäischen Innovationspolitik. Sie ist Voraussetzung, um im weltweiten Innovationswettbewerb stark zu werden. Sie ist der Motor für eine neue Dynamik in Europa. Hierbei nimmt die Hightech-Strategie für Deutschland eine Vorreiterrolle ein. Gewachsene Forschungs- und Innovationskompetenz in Deutschland steigert auch die Möglichkeiten europäischer und internationaler Kooperationen.

Die Hightech-Strategie für Deutschland ist auf eine überaus positive Resonanz in der Öffentlichkeit gestoßen. Sie ist das Ergebnis gelungener Kooperation zwischen den Ressorts und eines neuen Dialogs zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Sie ist ein Zeichen der Entschlossenheit der Bundesregierung, diese Legislaturperiode zu nutzen, um die Weichen auf Zukunft zu stellen und künftigen Generationen die Basis für geistigen und materiellen Wohlstand zu schaffen.

"Ideen zünden" steht für Kompetenz und Leidenschaft bei dieser wichtigen Zukunftsaufgabe. Ich danke allen Beteiligten für die hervorragende Arbeit der vergangenen Monate und bin zutiefst davon überzeugt, dass die Hightech-Strategie für Deutschland eine innovationspolitische Erfolgsgeschichte werden kann.