Rede von Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier

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Dies Wenn der Dezember beginnt, schauen wir ein wenig anders auf die Welt. Adventszeit!

Diese ganz besondere Mischung aus Glanz und Lichtern und festlicher Vorfreude einerseits und Bilanz und Rückschau andererseits, diese Mischung ist es, die diese Zeit besonders ausmacht.

Für uns alle gemeinsam war es sicher ein schwieriges Jahr, ein Jahr mit vielen schlechten Nachrichten: die aus der Ukraine und aus Israel. Aber auch aus unserem eigenen Land hören wir mehr von Sorgen und Problemen, von Konflikten und Schwierigkeiten. Richtig gute Nachrichten, so scheint es, sind selten geworden.

An einen bedeutenden Lichtblick der Weltpolitik erinnern wir uns allerdings in diesen Tagen: Gestern vor 75 Jahren wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedet. Wir können wahrhaftig nicht sagen, dass sie seitdem immer verwirklicht wurden, auch nicht in allen der vielen Staaten, die sie unterzeichnet haben. Aber wie die großen Feste im Leben uns Kraft geben, die Mühen des Alltags zu bestehen, so geben die Menschenrechte ein politisches Ziel vor. Sie sind auch in dunklen Zeiten ein Licht der Orientierung, ein positives, erstrebenswertes Ideal, das zum Handeln herausfordert und ermutigt.

Als ermutigend empfinde ich immer wieder das Wirken des West-Eastern Divan Orchestra, vor mehr als zwanzig Jahren von Daniel Barenboim und Edward Said gegründet. Hier herrschen gegenseitige Akzeptanz und Respekt – ein im wahrsten Sinne des Wortes harmonisches Miteinander der sowohl aus Israel als auch aus arabischen Staaten stammenden Orchestermitglieder. Beim gemeinsamen Arbeiten und Musizieren werden Brücken von Mensch zu Mensch gebaut, die besonders in schweren Zeiten wie diesen wichtig sind. Einige der Musikerinnen und Musiker dieses so besonderen Orchesters wie auch Absolventen der Barenboim-Said Akademie sind heute als Gäste unter uns. Gerade weil wir mit so viel Sorge auf Ihre Heimatregion schauen: ein herzliches Willkommen Ihnen allen!

Ermutigt habe ich mich auch gefühlt, als ich vor wenigen Tagen, genau hier, in diesem Saal, Menschen mit dem auszeichnen durfte: Frauen und Männer, Ältere und auch Jüngere. Sie alle machen auf ihre Weise durch ihr ehrenamtliches Wirken die Welt ein bisschen heller. Es sind Menschen, die nicht zu Hause in der bequemen Sofaecke sitzen bleiben und über andere und die böse Welt schimpfen, sondern die die Ärmel aufkrempeln. Die nicht alles besser wissen, die aber dort, wo Not ist, wo Hilfe gebraucht wird, einfach etwas tun. Die helfen, unsere Gesellschaft zusammenzuhalten. All denen können wir gar nicht genug danken.

Aber wir richten in diesen Tagen unseren Blick auch auf unser eigenes, persönliches Leben.

Auch hier, im Leben jedes einzelnen, jeder einzelnen Familie, jeder Partnerschaft, jeder Freundschaft wird es, wie es im Leben eben geht, schwierige Situationen und Krisen, Momente der Traurigkeit, ja der Verzweiflung gegeben haben. Ob durch Krankheit oder Tod eines lieben Menschen, ob durch Lieblosigkeit, Streit oder Trennung.

Aber in jedem Leben gibt es auch Lichtblicke, Freude; in jedem Leben gibt es, zum Glück, Heiterkeit und schöne Überraschungen, gibt es Begegnungen, die uns innerlich reicher machen, gibt es neue oder erneuerte Freundschaften, gibt es die Freude, die Kinder wachsen zu sehen, gibt es immer wieder Momente der Freundlichkeit, eine unerwartete Aufmerksamkeit, die uns durch einen ganzen Tag tragen kann, kurz: In jedem Leben gibt es – zum Glück – auch Momente des Glücks!

Wir haben also, jeder für sich, aber ich glaube, auch wir gemeinsam, gute Gründe, am Ende des Jahres auch mit Dankbarkeit zurückzuschauen.

Einen speziellen Dank möchte ich deswegen an diese Stelle setzen. Nach einer nun schon langen Tradition werden zum Adventskonzert des Bundespräsidenten, nicht ausschließlich aber doch besonders solche Gäste eingeladen, die im Laufe des vergangenen Jahres dem Bundespräsidenten, also mir, oder seiner Gattin, also meiner Frau, oder auch der ein oder anderen Arbeitseinheit im Bundespräsidialamt bei der Erfüllung unserer Aufgaben auf ganz unterschiedliche Weise geholfen haben.

Wir sind darauf angewiesen und wir sind darüber sehr froh und wir hoffen, Ihnen mit der Einladung zu diesem Konzert eine kleine Freude gemacht zu haben. Noch einmal: Großen Dank! Ich freue mich auf die Gespräche mit Ihnen nach dem Konzert.

Danken will ich auch den Musikerinnen und Musikern des Stegreif-Orchesters, das dieses Adventskonzert 2023 gestalten wird. Für die meisten von Ihnen, liebe Gäste, wird das, was Sie hier zu hören und sehen bekommen, neu sein. Für mich auch. Das Stegreif-Orchester wurde vor noch nicht einmal zehn Jahren gegründet; nämlich 2015. Es ist also ein bisschen jünger als zum Beispiel der Thomanerchor, der vor einigen Jahren an dieser Stelle gesungen hat.

Das Orchester geht neue Wege bei der Präsentation von Musik. Lassen Sie sich überraschen. Vor allem hat es, was mir sehr sympathisch ist, keine Scheu, die verschiedenen Zeitalter und Stilrichtungen von Musik zu mischen. Wir entdecken also nachher sowohl das Weihnachtsoratorium von Bach wieder, als auch weihnachtliche Volkslieder aus unterschiedlichen Regionen – und wir entdecken, wie gut es jeweils dazu passen kann, wenn hier selbstkomponierte oder improvisierte Elemente, stark vom Jazz geprägt, dazukommen. Eine vorweihnachtliche musikalische Wundertüte sozusagen, die das Stegreif-Orchester uns heute Abend auspacken wird – und ich kann mir vorstellen, dass uns in dieser Musik und in der Art, wie sie uns präsentiert wird, Heiterkeit und Trost beschert werden. Dafür dem Orchester schon jetzt vielen Dank.

Heiterkeit und Trost, das sind schöne Stichworte für die Advents- und Weihnachtszeit – für Seelenzustände, die uns, wie heute Abend, oft durch Musik geschenkt werden. Wie keine andere Zeit im Jahr ist gerade diese durch Musik geprägt, ja, von Musik erfüllt, wenn wir nur an die ganzen alten Advents- und Weihnachtslieder denken, die uns schon seit Kinderzeiten vertraut sind.

Ich weiß, dass in unserer säkularen und von unterschiedlichsten Glaubensrichtungen und Kulturen mitgeprägten Gesellschaft die christlichen Inhalte dieser Lieder längst nicht mehr von allen nachvollzogen werden. Das ist auch nicht zu erwarten. Diese Lieder und Musikstücke erfüllen keinen Missionsauftrag. Auch heute Abend nicht.

Aber diese Lieder – und auch die mit Weihnachten verbundenen Bräuche und Gesten treffen oft so tiefe allgemein menschliche Sehnsüchte nach Frieden, nach Sinn, nach Geborgenheit, dass sie auch heute, auch in unserer Gegenwart Zuversicht und Trost zum Ausdruck bringen können. Es sind Sehnsüchte, die wir alle haben, unabhängig von Glauben und Herkunft.

Ich wünsche Ihnen, liebe Gäste, eine solche mit Sinn und Hoffnung erfüllte Advents- und Weihnachtszeit, Augenblicke des Glücks mit Ihren Lieben und vielleicht auch den ein oder anderen Moment der Besinnung.

Uns allen aber jetzt ein schönes, heiteres Adventskonzert mit dem Stegreif-Orchester. Viel Freude!