beim Großen Zapfenstreich am 2. Dezember 2021 in Berlin:
- Bulletin 145-2
- 2. Dezember 2021
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
sehr geehrte Frau Bundestagspräsidentin,
Exzellenzen,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger,
wenn ich heute hier vor Ihnen stehe, dann empfinde ich vor allem dieses: Dankbarkeit und Demut – Demut vor dem Amt, das ich so lange ausüben durfte; Dankbarkeit für das Vertrauen, das ich erfahren durfte. Vertrauen, dessen war ich mir immer bewusst, ist das wichtigste Kapital in der Politik. Es ist alles andere als selbstverständlich. Und dafür danke ich von ganzem Herzen.
Mein Dank gilt auch Ihnen, Frau Bundesministerin, liebe Annegret, und der Bundeswehr für die Ausrichtung des Großen Zapfenstreichs – noch dazu an diesem in unserer Geschichte so bedeutsamen Ort des Bendlerblocks. Mein Dank gilt auch dem Stabsmusikkorps der Bundeswehr für die musikalische Begleitung – alles unter den so erschwerten Bedingungen der Pandemie.
Besonders möchte ich deshalb zu Beginn auch an die denken, die sich zeitgleich mit all ihrer Kraft der vierten Welle der Pandemie entgegenstemmen, die alles geben, um Leben zu retten und zu schützen: die Ärztinnen und Ärzte, die Pflegerinnen und Pfleger in den Krankenhäusern, die Impfteams, die helfenden Hände in der Bundeswehr und in den Hilfsorganisationen. Ihnen allen gebühren mein und unser aller besonderer Dank und höchste Anerkennung.
Heute am Tage habe ich mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder noch in einer weiteren Pandemieberatung zusammengesessen. Jetzt, wenige Stunden später, darf ich mich in diesem feierlichen Rahmen nach 16 Jahren als Bundeskanzlerin von Ihnen verabschieden. Wenig zeigt so sehr wie diese Abfolge, in welch unglaublicher Zeit wir derzeit leben.
Die 16 Jahre als Bundeskanzlerin waren ereignisreiche und oft sehr herausfordernde Jahre. Sie haben mich politisch und menschlich gefordert; und zugleich haben sie mich immer auch erfüllt. Ganz besonders die vergangenen zwei Jahre der Pandemie haben wie in einem Brennglas gezeigt, von welch großer Bedeutung das Vertrauen in Politik, Wissenschaft und den gesellschaftlichen Diskurs ist, aber auch, wie fragil das sein kann.
Unsere Demokratie lebt von der Fähigkeit zur kritischen Auseinandersetzung und zur Selbstkorrektur. Sie lebt vom steten Ausgleich der Interessen und vom Respekt voreinander. Sie lebt von Solidarität und Vertrauen, im Übrigen auch von dem Vertrauen in Fakten und davon, dass überall da, wo wissenschaftliche Erkenntnis geleugnet und Verschwörungstheorien und Hetze verbreitet werden, Widerspruch laut werden muss. Unsere Demokratie lebt auch davon, dass überall da, wo Hass und Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung eigener Interessen erachtet werden, unsere Toleranz als Demokratinnen und Demokraten ihre Grenze finden muss.
Die vielfältigen Herausforderungen im Innern spiegeln sich auch im außenpolitischen Handeln wider, und zwar nicht erst seit der Pandemie. Denn schon die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 und die vielen Zuflucht suchenden Menschen 2015 haben deutlich gemacht, wie sehr wir auf Zusammenarbeit über nationale Grenzen hinweg angewiesen sind und wie unverzichtbar internationale Institutionen und multilaterale Instrumente sind, um die großen Herausforderungen unserer Zeit bewältigen zu können: den Klimawandel, die Digitalisierung, Flucht und Migration. Ich möchte dazu ermutigen, auch zukünftig die Welt immer auch mit den Augen des anderen zu sehen, also auch die manchmal unbequemen und gegensätzlichen Perspektiven des Gegenübers wahrzunehmen, sich für den Ausgleich der Interessen einzusetzen.
Meine politische Arbeit wäre ohne die vielfältige Unterstützung politischer Weggefährten, national wie international, nicht möglich gewesen. Ihnen allen gilt mein großer Dank. Ich danke den Kolleginnen und Kollegen in der Bundesregierung, im Deutschen Bundestag und im deutschen Bundesrat für unsere Zusammenarbeit. Ich danke auch für eine politische Streitkultur, um die uns viele andere Nationen beneiden. Einen ganz besonderen, herausgehobenen Dank schulde ich meinen engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Danke für alle Hilfe und alle Unterstützung; und das gilt auch für meine Familie.
Nun wird es an der nachfolgenden Regierung liegen, Antworten auf die vor uns liegenden Herausforderungen zu finden und unsere Zukunft zu gestalten. Hierfür wünsche ich Ihnen, lieber Olaf Scholz, und der von Ihnen geführten Bundesregierung alles, alles Gute, eine glückliche Hand und viel Erfolg. Ich bin überzeugt, dass wir die Zukunft auch weiterhin gut gestalten können, wenn wir uns nicht mit Missmut, mit Missgunst, mit Pessimismus, sondern, wie ich vor drei Jahren in einem anderen Rahmen gesagt habe, mit Fröhlichkeit im Herzen an die Arbeit machen. So jedenfalls habe ich es immer für mich gehalten, in meinem Leben in der DDR und erst recht und umso mehr unter den Bedingungen der Freiheit. Es ist diese Fröhlichkeit im Herzen, die ich uns allen und im übertragenen Sinne unserem Land auch für die Zukunft wünsche.
Ich danke Ihnen von Herzen.