Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz

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Frau Präsidentin!

Ich habe hier in diesem Bundestag von einer Zeitenwende gesprochen, die mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verbunden ist. Wir entnehmen jeden Tag aus den Nachrichten all die Informationen, die zeigen: So ist es wirklich. Das ist eine dramatische Gefährdung der Friedensordnung in Europa, ja der ganzen Welt, dass ein Land seinen Nachbarn überfällt und versucht, Territorium zu erobern. Das ist gegen alle Grundsätze, auf die wir uns in den letzten Jahrzehnten verständigt haben.

Gleichzeitig ist es so, dass diese Zeitenwende auch eine Herausforderung für die Politik darstellt. Und diese Fragen sind verhandelt worden in vielen Gesprächen, die wir in Europa, mit vielen verbündeten Staaten in der Welt und auch bei der Nato geführt haben. In der Europäischen Union, im Europäischen Rat haben wir diskutiert über die Perspektiven der Ukraine, auch von Moldau, die europäischen Perspektiven vieler Länder, die sich auf unser Projekt einer Gemeinschaft demokratischer Staaten selber beziehen wollen, die dazugehören wollen. Und es ist etwas sehr, sehr Bemerkenswertes, dass es tatsächlich gelungen ist, dass 27-mal Ja gesagt wurde zu der Beitrittsperspektive der Ukraine, dass sie sich jetzt auf diesen schwierigen Weg machen kann, zusammen auch mit Moldau. Und gleichzeitig haben wir nicht vergessen, dass wir es auch den Staaten des westlichen Balkans endlich ermöglichen müssen, dass ihr fast 20 Jahre alter Beitrittsprozess jetzt endlich final wird und zu einem Ergebnis kommt. Alles das ist bei diesem Europäischen Rat vorangegangen.

Gleichzeitig haben wir über die notwendige Solidarität mit der Ukraine und wie wir sie gemeinsam organisieren – finanziell, humanitär, aber auch mit Waffenlieferungen – gesprochen. Das ist auch ein großes Thema gewesen, als die starken wirtschaftlichen Demokratien, die G7, in Elmau in Deutschland zusammengekommen sind, wo wir ebenfalls wieder über die Frage „Wie reagieren wir auf diesen brutalen Krieg, den Russland gegen die Ukraine vom Zaun gebrochen hat?“ gesprochen haben. Und wir haben es sehr sorgfältig getan und diese Solidarität gemeinsam organisiert.

Wir haben das nicht alleine diskutiert, sondern mit vielen anderen Ländern der Welt. Eingeladen waren auch die Staats- und Regierungschefs von Indonesien, von Indien, von Südafrika, von Senegal und Argentinien, um zu zeigen: Es stimmt nicht, was Putin erzählt, dass dies ein Krieg und ein Konflikt zwischen dem globalen Westen und dem Rest sei, sondern die demokratischen Staaten der Welt – nicht nur die, die sich als G7 verstehen, sondern auch die in Asien, in Afrika und im Süden Amerikas – sind einhellig der Meinung, dass diese Art von Politik nicht verfolgt werden kann, auch wenn die einzelnen Perspektiven unterschiedlich sind. Es waren gute Gespräche auf Augenhöhe für eine Welt, die multipolar, aber auch multilateral ist.

In Elmau haben wir uns auch mit den Konsequenzen dieses Krieges beschäftigt und gemeinsam ein globales Bündnis für Ernährungssicherheit geschaffen, mit dem wir dazu beitragen wollen, dass nicht als Folge des Krieges Millionen Menschen auf der Welt Hunger leiden müssen.

Wir haben auch ansonsten Solidarität organisiert, wenn es etwa um das Thema der ja noch immer nicht beendeten Covid-19-Pandemie in der Welt geht. Wir haben über die Resilienz von Demokratien gesprochen und natürlich auch darüber, wie wir den menschengemachten Klimawandel aufhalten können – ein großes, wichtiges Thema, das nur untergehakt zwischen den Staaten der Welt gut funktionieren kann. Deshalb ist es ein großer Fortschritt, einen Klimaklub der gleichgerichteten Staaten – derjenigen, die bis zur Mitte dieses Jahrzehnts klimaneutrale Industrieländer sein wollen – zu schaffen. Dass dieser Vorschlag Unterstützung gefunden hat, das ist ein weiteres gutes Ergebnis aus diesem G7-Treffen in Deutschland.

Bei der Nato haben wir an Finnland und Schweden die Einladung ausgesprochen, dass sie Mitglieder unseres Verteidigungsbündnisses werden können – ein großer, wichtiger Schritt für das Verteidigungsbündnis, für die Sicherheit im transatlantischen Raum und ganz besonders in Europa, aber auch ein wichtiger Schritt, weil er verbunden ist mit weiteren Entscheidungen zur Stärkung unserer Ostflanke innerhalb des Nato-Bündnisses, aber auch zur Stärkung der militärischen Bereitschaft, die dann 300.000 Soldatinnen und Soldaten umfassen soll. Das ist ein wichtiger Weg nach vorne für ein Bündnis, das sich mehr rüstet für eine Gefahr, die von der russischen Aggression in der Ukraine ausgeht, und mehr rüstet dafür, dass das eigene Territorium und alle Mitglieder der Nato verteidigt werden können, wenn sie angegriffen werden - ein guter Fortschritt.

Die Themen, die auf diesen drei Gipfeln verhandelt worden sind, spielen natürlich gleichzeitig in Brüssel und auch hier eine Rolle. Deshalb bin ich sehr froh, dass wir mit dem „Fit for 55“-Paket in den Europäischen Räten weitergekommen sind, dass wir aber gleichzeitig in dieser Woche im Deutschen Bundestag auch die Pakete verhandeln, mit denen die Bundesregierung Beschleunigung beim Ausbau der erneuerbaren Energien zustande bringen will. Deutschland will tatsächlich, so wie international vereinbart, bis zur Mitte dieses Jahrhunderts klimaneutral werden; bis 2045 wollen wir das als Land schaffen. Deshalb brauchen wir Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Auch das bringen wir jetzt voran.

Aber es geht nicht nur darum, dass wir diese internationalen Verabredungen treffen, dass wir bei dem wichtigen Vorhaben, klimaneutrales Industrieland zu werden, so schnell vorankommen, dass wir uns auf die Gefahren vorbereiten, die aus der Möglichkeit herrühren, dass die Energieversorgung nicht gesichert ist, wenn Russland den Transit zum Beispiel von Gas beeinträchtigt; wir sehen ja die angeblich technischen Gründe uns gegenwärtig schon beeinträchtigen. Sondern es geht auch darum, dass wir die Folgen für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes klar im Blick haben. Deshalb ist es ein guter Schritt, dass wir an eine wichtige Tradition in Deutschland anknüpfen: die Sozialpartnerschaft in Zusammenarbeit zwischen Staat, Gewerkschaften, Arbeitgeber- und Unternehmensverbänden, dass wir zusammen mit Bundesbank und Sachverständigenrat darüber diskutieren: Was ist zu tun, damit wir die Bürgerinnen und Bürger vor den dramatischen Preissteigerungen in ihrem persönlichen Leben schützen können?

Die Konzertierte Aktion hat diese Woche am Montag das erste Mal getagt. Sie wird fortgesetzt werden. Es ist eine gute Kooperation, und aus ihr heraus werden wir die nächsten Schritte entwickeln. 30 Milliarden Euro haben wir als Entlastungspakete für die Bürgerinnen und Bürger auf den Weg gebracht: mit der Anhebung des Grundfreibetrags; mit der Arbeitnehmerpauschale, die wir angehoben haben; mit den verbesserten Möglichkeiten für die Pendlerpauschale; mit einem Heizkostenzuschuss für diejenigen, die Wohngeld bekommen; mit 200 Euro für die Empfänger von Grundsicherung; mit der Möglichkeit, dass wir monatlich 20 Euro für die Kinder zahlen, die in armen Haushalten leben, dass für alle Kinder 100 Euro gezahlt werden, dass wir ein Energiegeld zahlen und dass wir die EEG-Umlage abgeschafft haben.

Aber das wird nicht reichen. Was wir jetzt brauchen, ist, dass wir uns unterhaken, und das ist der Weg, den die Konzertierte Aktion beschreitet – ein guter Weg für unser Land.