Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Michael Glos,

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Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen!

Es ist unbestritten: Der wirtschaftliche Aufschwung ist da. Er ist so robust wie lange nicht mehr. Wir haben wieder gute Wachstumsraten. Wir sind wieder in die Mitte Europas gerückt, was das Wachstum anbelangt. Deutschland ist der Wachstumsmotor Europas. Nachdem der Motor in Deutschland, als er noch mit rot-grünem Sprit betrieben wurde, so lange gestottert hat, ist es höchste Zeit, dass Deutschland und Europa wieder nach vorne kommen.

Der Investitionsstau löst sich auf. Die zehnjährige Krise in der Bauwirtschaft ist vorbei. Unsere Wirtschaft steht wieder auf zwei Beinen: dem außenwirtschaftlichen und dem binnenwirtschaftlichen Bein. Die Verbraucher fassen wieder Vertrauen. Auf dem Arbeitsmarkt ist die Trendwende geschafft. Es gibt hier sicherlich noch ungeheuer viel zu tun; dazu komme ich noch. Aber der Trend der zunehmenden Arbeitslosigkeit ist gebrochen. Wir haben fast eine halbe Million Arbeitslose weniger als vor Jahresfrist. Vieles spricht dafür, dass die vorsichtige Wachstumsprognose der Bundesregierung von rund anderthalb Prozent deutlich übertroffen wird. Das Prognosespektrum reicht übrigens bis zu 2,4 Prozent. Ich mache mir das als vorsichtiger Kaufmann selbstverständlich noch nicht zu Eigen. Wir werden sehen, was hinten herauskommt. Ich bin aber überzeugt, dass es besser wird.

Die Politik der Bundesregierung – die Bundesregierung wird getragen von einer großen Koalition – hat wesentlich zu dieser positiven Entwicklung beigetragen. Mit der guten Entwicklung in diesem Jahr schaffen wir eine feste Basis dafür, dass der Aufschwung auch im nächsten Jahr weitergeht. Alle Unkenrufe, das alles werde im nächsten Jahr wegen unserer Konsolidierungsmaßnahmen zusammenbrechen, werden sich nicht bewahrheiten. Deutschlands Unternehmungen wollen in den kommenden zwölf Monaten ihre Investitionen noch einmal deutlich erhöhen – das ist eine sehr gute Nachricht – und ihre Belegschaften ausbauen. In diesem Zusammenhang appelliere ich, dass man dabei auch an die Älteren und Erfahrenen denkt und sie wieder in die Betriebe zurückholt.

Nun stellt sich wieder die Frage, wann der richtige Zeitpunkt zum Konsolidieren ist. Ich bin der Meinung, dass Aufschwungsphasen zur Konsolidierung genutzt werden müssen. Es macht keinen Sinn, jetzt darüber nachzudenken, ob die Steuereinnahmen, die höher als prognostiziert sind, in Sonderprogramme gesteckt werden sollen. Die Konsolidierung erfolgt am besten, indem man künftige Belastungen vermeidet und die Mehreinnahmen zum zusätzlichen Schuldenabbau verwendet. – Ich freue mich, dass ich so viel Zustimmung von unseren engagierten Haushältern bekomme.

Das gibt mir Gelegenheit, Sie zu bitten, zusammen mit dem Finanzminister intensiv über die staatlichen Verschuldungsgrenzen nachzudenken. Ich möchte nicht, dass wir mehr Schulden machen. Ich sage Ihnen gleich, was ich meine: Das Nebeneinander von Maastricht-Kriterien, die für uns bindend sind – wir sollten uns sehr eng daran halten –, und den Vorgaben des Artikels 115 des Grundgesetzes ist weder ökonomisch noch finanzpolitisch sinnvoll.

Sinnvoll wäre eine nationale Regelung, die zu der europäischen Vorgabe passgenau hinzugefügt wird. Sie darf nicht weicher, sondern sie muss eigentlich härter sein als die bisherige grundgesetzliche Schranke, die, wie wir ja wissen, trotz entsprechender Vorgaben über viele Jahre nicht eingehalten worden ist.

– Das, was wir wollen – ich erläutere es Ihnen gern noch einmal kurz –, muss natürlich mit dem europäischen Regime verzahnt sein. Das Ziel, die Verschuldung auf null zurückzuführen, muss darin deutlich definiert sein. Das ist ehrgeizig, aber, wie andere Länder zeigen, nicht unmöglich. Diese neue Regelung darf auch keinen Anlass mehr zu haushalterischen Notoperationen geben – da bin ich wieder bei den Haushältern –, wie sie diese Regierung vornehmen muss. Wir haben uns vorgenommen, das, was im Gesetz steht, einzuhalten. Echte Konsolidierung braucht harte Ausgabenkürzungen, gegebenenfalls Einnahmeverbesserungen. Das ist unser Weg.

Wirtschaftlich macht es keinen Sinn, wenn Forderungsverkäufe – "Manipulationen" mit dem ERP-Sondervermögen – zugunsten einer staatlichen Förderbank, die damit immer mächtiger wird, allein wegen Artikel 115 des Grundgesetzes vorgenommen werden. Ich könnte Ihnen noch ein paar andere Beispiele bringen, die belegen, dass diese Forderungsverkäufe keine echten Konsolidierungsmaßnahmen sind, sondern lediglich erzwungene Umbuchungen. Ich glaube, dass eine große Koalition eine Basis bieten würde, um das besser zu regeln.

Gleichzeitig müssen wir die Föderalismusdebatte zu einer Föderalismusreform II führen, in der klargestellt wird, dass die Verantwortlichkeiten für die Ausgaben den Ländern und Kommunen klar angelastet werden, indem man die Einnahmen selbst festsetzt – was nicht immer zur Freude des Publikums ist. Das ist etwas, was unbedingt notwendig ist.

Die Überschüsse der Bundesanstalt für Arbeit, die es Gott sei Dank wieder gibt, gehören meiner Meinung nach den Beitragszahlern. Deswegen plädiere ich für eine Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung auf vier Prozent.

Um die Wachstumsdynamik zu stärken, müssen wir auch die steuerlichen Rahmenbedingungen verbessern. Darüber wurde viel diskutiert und das ist natürlich auch notwendig. Aber eines muss ganz sicher sein: Die Wettbewerbsfähigkeit unseres Steuersystems für den Unternehmensstandort Deutschland – damit meine ich auch die Unternehmenszentralen – muss deutlich verbessert werden. Wir stehen hier in einem gewaltigen Wettbewerb mit europäischen und auch anderen Partnern in der Welt.

Wenn die Welt immer globaler, immer kleiner wird, dann können wir das beklagen. Aber wir müssen unsere Bedingungen so setzen, dass sie Deutschland nutzen und dass man die Sonderregelungen nicht zulasten unseres Steuersubstrates ausnutzen kann. Deswegen ist es meiner Ansicht nach unabdingbar, dass unser Steuersatz für Körperschaften – das muss natürlich einen entsprechenden Niederschlag bei den Personengesellschaften finden – international wettbewerbsfähig ist. Da müssen wir hinkommen.

Gerade erst – ich komme zu einem weiteren Punkt – hat eine Studie der Weltbank die Wirtschaftsfreundlichkeit staatlicher Regulierungssysteme festgestellt. In vielen Punkten sind wir gut dabei, aber bei einem entscheidenden Punkt liegen wir auf Platz 129 unter 175 Ländern. Sicherlich sind unter den 175 erfassten Staaten auch ein paar Exoten wie San Marino. Aber diesmal ging es nicht um Fußball, sondern um die Flexibilität der Arbeitsmärkte. In diesem Bereich müssen wir mehr tun. Wir brauchen einen funktionierenden so genannten Niedriglohnbereich.

Das zeigt auch die Expertise des Sachverständigenrates, die heute dem Kollegen Müntefering und mir vorliegt. Wir haben die bei den Fünf Weisen, den Sachverständigen bestellt.

Auch das ist wieder so ein kleines Berliner Wunder: Diese Studie wird erst heute vorgelegt, aber der Bundestag debattiert darüber schon die ganze Woche. Das zeigt, dass wir unserer Zeit voraus sind. Offensichtlich ist auf wundersame Weise schon vorher herausgekommen, was in diesem Gutachten steht. Ich will nur darum bitten, dieses Gutachten möglichst vorurteilsfrei zu diskutieren und nicht von vornherein einzelne Punkte, die vielleicht der einen oder anderen Seite nicht gefallen, zum Tabu zu erklären.

Der Sachverständigenrat empfiehlt, die Leistungen der Grundsicherung enger mit der Arbeitsbereitschaft zu verknüpfen; das halte ich für richtig. Dieser Ansatz ist in vielen Ländern selbstverständlich. Natürlich muss die Zahl der angebotenen Arbeitsplätze steigen. Soweit keine Bereitschaft, zu arbeiten, besteht – das ist entscheidend –, ist die Absenkung der Hilfen bei Nichterwerbstätigkeit der richtige Weg. – Ich vermisse etwas den Beifall unseres Koalitionspartners.

Ich bin davon überzeugt, dass ich den Beifall auch von dieser Seite des Hauses rasch bekomme, wenn ich ein paar Sätze des Parteivorsitzenden Beck aus einem Interview im "Stern" vorlese. Auf die Frage nach einer Leistungspflicht für Hartz-IV-Empfänger hat er geantwortet:

"Ich halte das generell für zumutbar. Ich war mal Bürgermeister einer Gemeinde mit 2.000 Einwohnern. Da wusste ich, wer Stütze bekam ... Aber diejenigen, von denen ich den Eindruck hatte, sie könnten, wenn sie wollten, habe ich Geländer streichen oder Treppen kehren lassen."

Ich finde, man darf einen Parteivorsitzenden nicht im Regen stehen lassen. Ich als CSU-Mann habe damit Erfahrung.

Ich will nicht, dass der Parteivorsitzende der SPD im Regen stehen bleibt. Er hat gesagt, seine Partei wolle sich stärker um die Leistungsträger kümmern, und er hat das auch definiert: Leistungsträger gibt es auf allen Stufen. Ich denke bei "Leistungsträger" jedenfalls am allerwenigsten an diejenigen, die sich jedes Jahr über Stock Options die Millionen zuschieben lassen, wenn gewisse Kennzahlen des Unternehmens eine Grenze überschritten haben. Ich denke vielmehr an diejenigen, die in der Lage sind, körperliche Arbeit zu leisten und somit im klassischen Niedriglohnsektor ihr Geld verdienen können. Hier können sie arbeiten, auch wenn sie dafür weniger Geld bekommen.

Ich komme wieder auf das Thema zurück. Alle, die zwar zur Arbeit bereit sind, aber dem Arbeitsmarkt aus gesundheitlichen und persönlichen Gründen nicht zur Verfügung stehen, erhalten nach den Vorschlägen des Sachverständigenrates weiterhin den vollen Regelsatz. Das wollen auch wir. Die Fünf Weisen sagen sehr deutlich: Die verbesserte Vermittlung und Aktivierung von Arbeitslosen muss Vorrang vor Einzelmaßnahmen haben. Der Bericht enthält auch eine klare Absage an die Einführung von Mindestlöhnen. Die nähere Begründung können Sie gerne nachlesen. Ich unterstreiche all das, was in diesem Bericht darüber steht.

Die Stromkonzerne müssen endlich ihren Ankündigungen Taten folgen lassen, indem sie in neue Kraftwerke investieren. Neue Anbieter auf dem Stromerzeugungsmarkt müssen einen fairen und raschen Zugang zu den Netzen erhalten. Herr Kuhn, das gilt nicht nur für die Betreiber von Windrädern, bei denen das sofort klappt. Aber wenn ein Stadtwerk für die eigene Energieerzeugung in ein neues Werk investiert, dann tun sich andere mit konventionellen Energien sehr schwer, Zugang zu den Netzen zu erhalten. Auch hier müssen wir eine entsprechende Verordnung umsetzen. Mir ist es nicht recht, wenn wir immer mehr regulierende Maßnahmen brauchen. Aber wenn Monopole oder Oligopole ihre Marktmacht ausnutzen, dann muss der Staat entsprechend gegensteuern.

Das ist ein Teil der Marktwirtschaft. Ich habe mich vor der Verleihung des Ludwig-Erhard-Preises, die gestern Abend stattgefunden hat, intensiv mit den Theorien von Ludwig Erhard auseinander gesetzt. Ein funktionierender Wettbewerb und eine Kartellgesetzgebung sind ungeheuer wichtig für den Wettbewerb.

Es gibt viele Dinge, über die wir lange diskutieren könnten. Ich nenne als Stichwort die Bundesnetzagentur. Wir werden das an anderer Stelle tun. Die Bundesnetzagentur hat meine volle Rückendeckung, wenn sie durchgreift, um die Kosten zu senken. Alles, was den Strompreis zusätzlich belastet, gehört auf den Prüfstand. Wir werden während der Haushaltsberatungen Gelegenheit haben, die Dinge zu prüfen und zu regeln. Ich freue mich auf eine faire Beratung durch den Haushaltsausschuss und das Parlament und bedanke mich schon jetzt dafür.