Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Michael Glos,

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Herr Präsident!
Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Als Erstes möchte ich die Angriffe der Frau Kollegin Scheel auf die SPD in Bayern mit Nachdruck zurückweisen. Wirtschaft ist nicht Selbstzweck, erst recht nicht Wirtschaftspolitik. Sie muss den Menschen dienen. Wir freuen uns, dass unsere Wirtschaftspolitik auch dazu geführt hat, dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland nun auf dem niedrigsten Stand seit 14 Jahren ist.

Mich freut ganz besonders, dass es aufgrund der besseren Wirtschaftslage gelungen ist, mehr jungen Leuten einen Ausbildungsplatz zu vermitteln. Dafür möchte ich mich bei der Wirtschaft ganz herzlich bedanken. Die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist im Oktober 2007 um 9,4 Prozent im Vergleich zu Oktober 2006 gestiegen. Ich meine, das ist ein großartiger Erfolg.

Ich verstehe die Opposition. Sie haben es bei den Mehrheitsverhältnissen in diesem Hause nicht leicht. Aber ich kann Sie beruhigen: Wir sind ein Stück weit mit uns selber befasst, um uns zu koordinieren. Insofern machen wir manchmal Opposition in der Koalition, weil wir sogar das besser können als Sie.

Auch wenn es immer geleugnet wird: Der Aufschwung ist inzwischen bei den Menschen angekommen. Die Reallöhne werden steigen genauso wie die Zahl der Arbeitsplätze. Beides schafft Nachfrage und stützt Wachstum. Daran wird sich nichts ändern. Es wird beklagt – das ging durch die Zeitungen –, dass wir vorübergehend leider einen – wie ich meine: nur kurzfristig wirkenden – stärkeren Preisanstieg von drei Prozent zu verzeichnen haben. Das wird sich wieder normalisieren, insbesondere im nächsten Jahr, wenn der Basiseffekt der Mehrwertsteuererhöhung, die einen Preisanstieg um ein Prozent bedingt hat, wegfällt. Dann werden wir wieder zu einer Preissteigerungsrate kommen, die leichter verkraftbar ist. Die momentane Entwicklung ist auf einen statistischen Effekt zurückzuführen.

Hinzu kommt, dass die gefühlte Preissteigerung höher ist, insbesondere bei Nahrungsmitteln – allerdings betrifft das nur einzelne Produkte –, obwohl diese von der Mehrwertsteuererhöhung gar nicht betroffen sind. Die Menschen fühlen die Preissteigerung besonders stark bei den Energiepreisen. Die Öl- und Gaspreise sind hoch. Wir werden in der nächsten Woche im Kabinett ein Energiepaket verabschieden – das werden wir dann in den Bundestag einbringen –, das uns längerfristig von Energieimporten unabhängiger machen soll und das die Energieeffizienz verbessern soll. Aber machen wir uns nichts vor: All das ist natürlich nicht umsonst oder zum Nulltarif zu haben.

Die Weltwirtschaft birgt natürlich Risiken, die auch uns betreffen. Das will ich in keiner Weise bagatellisieren. Die Turbulenzen auf den internationalen Finanzmärkten sind aber nicht allein der amerikanischen Hypothekenbankkrise geschuldet. Auch die IKB in Deutschland steckt in einer Krise. Davon ist unsere Förderbank, die KfW, als Haupteignerin betroffen. Bei den Geschäften der IKB gab es sträflichen Leichtsinn.

Wir werden das alles genau zu untersuchen haben. Wir haben heute eine Sondersitzung des Aufsichtsrates. Ich kann nur sagen: Bevor man die modernen Finanzinstrumente anwendet, muss man deren Wirkung genau kennen. Ich hoffe, dass die großen deutschen Geschäftsbanken und Landesbanken die Wirkungen genau gekannt haben, bevor sie solche Produkte angeboten haben.

Zu den Risiken will ich sagen: Die hohen Energiepreise, insbesondere der steigende Ölpreis, der sich allerdings in dieser Woche wieder etwas abgeflacht hat, sind ein latentes Dauerrisiko für unseren Aufschwung.

Zurück zu der Krise, die von den USA ausgeht: Sie geht mit einem sinkenden Dollar einher. Wir haben eine starke Aufwertung des Euro zu verkraften. Ich bin für stabile Währungen; es ist gut, wenn der Wert unserer Währung steigt. Aber wenn das zu rasch geschieht, dann gibt es Befürchtungen, dass der Export darunter leidet. Deswegen kann ich unseren Freunden in den Vereinigten Staaten nur sagen: Es bringt auf die Dauer nicht einmal der amerikanischen Volkswirtschaft etwas, wenn man den Dollarkurs zu sehr absacken lässt. Wenn der Boom nicht durch die notwendigen strukturellen Anpassungsmaßnahmen der US-Wirtschaft begleitet und das Erreichte nur durch die schwache Währung hervorgerufen wird, dann hat man letztlich mit Zitronen gehandelt.

Der Euro bleibt eine Erfolgsgeschichte. Währungsrelationen müssen sich im Zeitablauf immer wieder anpassen können. Doch das, was im Moment abläuft, hat, wie gesagt, mit langsamer Wertkorrektur nichts zu tun. Wir müssen das alles einkalkulieren, wenn wir Wachstumsprognosen abgeben. Ich glaube, dass wir mit den zwei Prozent, die wir für das nächste Jahr angekündigt haben, immer noch auf der sicheren Seite sind.

Angesichts der Risiken für die Konjunktur gibt es nur eine Lehre: Statt den Reformkurs rückwärts abzuwickeln, brauchen wir weiterhin eine breite Schneise für Wachstum. Wir können uns nicht auf den Lorbeeren ausruhen.

Ich möchte keinen Rückbau, wie es so schön heißt, wenn man in die Straßen Stolperschwellen einbaut. Ich möchte keine Stolperschwellen auf dem Weg zu mehr Wachstum in Deutschland. Mit dem Aufschwung ist es so wie mit einer wertvollen Kristallvase: Wenn man sie fallen lässt, dann ist sie kaputt. Es wäre mühevoll, den Aufschwung wieder in Gang zu bringen.

Wir haben die Mahnungen des Sachverständigenrats, der uns berät und dessen Ratschläge wir ernst nehmen sollen – Frau Scheel, die Mitglieder des Sachverständigenrats sind immer noch dieselben, die in Zeiten einer anderen Regierung berufen worden sind; ich habe sie beibehalten, und insofern haben wir da eine Kontinuität –, ernster genommen, als das bei der Vorgängerregierung der Fall war.

Jedenfalls ermutigt uns der Sachverständigenrat in seinem neuen Gutachten, das den Titel "Das Erreichte nicht verspielen" trägt, an den richtigen Reformen, die gemacht worden sind, festzuhalten.

Ich meine, dass es ganz wichtig ist, dass der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung jetzt auf 3,3 Prozent abgesenkt worden ist. Das war von der Kassenlage der Bundesagentur für Arbeit her tragbar. Ich weise die Behauptung zurück, dass Müntefering nur zugestimmt habe, um seinen Nachfolger Scholz nicht in Versuchung zu führen, zu viele Maßnahmen mit den Überschüssen zu finanzieren. Die Senkung ist von den Zahlen her gedeckt. Aber was bedeutet das – da bin ich wieder bei den Verbrauchern – für die Kaufkraft im Land? Diese Absenkung gegenüber 2006 bedeutet, dass 11,5 Milliarden Euro weniger an Arbeitskosten für die Betriebe anfallen und 11,5 Milliarden Euro mehr netto direkt den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zur Verfügung stehen und deren Kaufkraft stärken.

Ich meine, dass man oft einfach darüber hinweggeht. Ich finde, man muss auch das hier nennen.

Die Arbeitskräfte und der Arbeitsmarkt sind angesprochen worden. Wir brauchen weiterhin einen Niedriglohnbereich.

Das gehört nach wie vor auf unsere Agenda. Mein Haus hat dazu ein entsprechendes Modell vorgelegt. Das hat vor allen Dingen den Vorteil, dass es vernünftige Arbeitsanreize setzt, Sprungstellen im Einkommensverlauf vermeidet und Mitnahmeeffekte weitgehend ausschließt. Vor allem lässt es sich einfach in das Hartz-IV-System integrieren. Ich glaube, wir müssen um diese Dinge miteinander ringen.

Um die Konjunktur zu stützen, brauchen wir auch weiterhin Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt. Deshalb halte ich es für falsch, die Zeitarbeit zu beenden oder so zu regeln, dass sie uninteressant wird, ohne auf der anderen Seite die Arbeitsgesetzgebung flexibel zu gestalten.

Ein Letztes: Die Aufgaben meines Hauses sind sehr vielfältig. Wenn ich sie alle schildern sollte, brauchte ich meine Redezeit allein dafür. Wir werden weiterhin sehr intensiv über die Energiepolitik diskutieren müssen, und zwar nicht nur wegen der hohen Preise, sondern auch wegen der Maßnahmen, die wir für den Klimaschutz ergreifen. Das muss so geschehen, dass diese Maßnahmen weiterhin Beschäftigung bringen, zum Beispiel für das Handwerk in der energetischen Gebäudesanierung. Das muss aber auch so geschehen, dass es für die Verbraucher bezahlbar bleibt. Wir haben die großen Energiekonzerne so hart angefasst, wie es noch nie eine Regierung getan hat. Herr Brüderle, insofern lagen Sie vollkommen daneben, als Sie mich als Paten der großen Energiekonzerne geziehen haben. Ich war bis jetzt die größte Enttäuschung der großen Energiekonzerne, weil noch niemand ein so hartes Kartellrecht auf den Weg gebracht hat. Ich bedanke mich dafür, dass es beschlossen worden ist, damit wir denen besser auf die Finger schauen können.

Ich kann nur wiederholt sagen: Energiekonzerne, lasst, was die angekündigten Preiserhöhungen anbelangt, die die Kirche im Dorf. Das muss nicht so sein.

Ich bedanke mich herzlich auch bei all denen, die geholfen haben, dass der Einzelplan 09 rund geworden ist.