Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel,

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Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Im Ihnen vorgelegten Bundeshaushalt werden wichtige wirtschaftliche und politische Weichenstellungen getroffen. Wir sorgen in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs und hoher Steuereinnahmen dafür, dass die staatlichen Defizite nicht weiter an-steigen. Man kann dem Bundesfinanzminister zu diesem Bundeshaushalt nur gratulieren und sozusagen in sozialdemokratischer Freundlichkeit sagen: Sie sind wirklich ein wahrer Keynesianer. – Denn der Gedanke „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“ steckt hinter dem Ganzen. Ich finde es wirklich ein großartiges Zeichen für unser Land, dass wir es schaffen, ausgeglichene Haushalte aufzustellen. Ich glaube, das sollte alle hier im Parlament freuen.

Angesichts dessen, dass man dem Finanzminister zu diesem großen Erfolg wirklich gratulieren muss, möchte ich anmerken, dass die Grundlagen zu diesem Haushalt viele gelegt haben – die Bundeskanzlerin hat gestern schon darauf hingewiesen: Es sind vor allem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die mit ihrer Leistungsfähigkeit den wirtschaftlichen Aufschwung tragen, der uns zu diesen hohen Steuereinnahmen verhilft. Ohne die wirtschaftlichen Bemühungen, ohne das Engagement von Industrie und verarbeitendem Gewerbe, von Dienstleistungen, von Mittelstand, von kleinen Unternehmen und ohne den Tourismus nach Deutschland, der übrigens immer stärker wächst, wäre dies überhaupt nicht erreichbar.

Aber auch die Politik hat richtige Rahmenbedingungen gesetzt. Es begann unter SPD und Grünen, als sie den verhängnisvollen Weg anderer europäischer Länder, zu glauben, man müsse nur noch auf Finanzmärkte und Internet setzen und könne verarbeitendes und produzierendes Gewerbe und Industrie vernachlässigen, nicht mitgegangen sind. Das ist der Grund, warum wir heute in Deutschland besser dastehen als viele andere Länder in Europa. Wir sind ein Land, das nicht über Reindustrialisierung reden muss. Das ist die Grundlage unseres wirtschaftlichen Erfolges.

Aber auch andere Koalitionen haben mit ihrer Politik eine Menge dafür getan. Dass wir gemeinschaftlich in der letzten großen Koalition den Vorschlag einer Schuldenbremse des damaligen Finanzministers in die Verfassung aufgenommen haben, war richtig. Es zeigt sich, dass wir diese auch brauchen, um allen Versuchungen zu widerstehen. Auch die letzte Bundesregierung hat diesen Konsolidierungskurs und die Schuldenbremse im Blick gehabt und das Land wirtschaftlich leistungsfähig organisiert. Noch einmal: Es ist ein Ergebnis vieler unterschiedlicher Partner in Wirtschaft, Gesellschaft, Gewerkschaften und auch hier im Hause. Deswegen sollte das Haus insgesamt, wie ich finde, stolz darauf sein, dass dieses Land diesen Konsolidierungskurs eingehalten hat.

Ganz nebenbei: Es ist weder wirtschaftlich vernünftig noch sozial gerecht, wenn hart erarbeitete Steuergelder zu einem immer größeren Teil für Zinsen aufgewandt werden müssen. Wir konsolidieren den Haushalt aber nicht nur, sondern fahren zugleich die Investitionen hoch. Dass wir da noch besser sein könnten, ist völlig unstrittig – viel besser; das ist keine Frage, Herr Kollege Bartsch –, aber dass wir in dieser Legislaturperiode fünf Milliarden Euro zur Stärkung der Verkehrsinfrastruktur und neun Milliarden Euro mehr für Bildung und Wissenschaft zur Verfügung zu stellen, ist jedenfalls keine Kleinigkeit. Auch das ist, wie ich finde, bemerkenswert an diesem Haushalt.

Mit den politischen Entscheidungen dieser Koalition sichern wir die Energiewende und schützen zugleich industrielle Arbeitsplätze. Wir beleben mit dem Bundeshaushalt die Binnennachfrage und stärken die Tarifautonomie. Gute Löhne sind kein Zeichen der Schwäche, sondern sind ein Zeichen der Stärke unseres Landes. Wer Menschen nach jahrzehntelanger Arbeit ohne Rentenkürzung in die Rente gehen lässt, der gefährdet nicht künftige Generationen, sondern benimmt sich schlicht anständig gegenüber den eigenen Eltern. Weder gute Löhne noch gute Renten sind etwas, für das sich das Land schämen muss. Sie sind Zeichen des Zusammenhalts und der Gerechtigkeit in unserem Land.

– Dass es Menschen gibt, deren Renten nicht ausreichen, ist kein Argument dafür, Herr Strengmann-Kuhn, dass Ihre Fraktion dagegen stimmt, Menschen nach 45 Versicherungsjahren ohne Abzüge in die Rente gehen zu lassen. Eigentlich müssten Sie dafür sein. Wir beide können ja einmal Leute besuchen, die 45 Jahre Schichtarbeit hinter sich haben, und Sie erklären ihnen, warum Sie Rentenabzüge für gerechtfertigt halten. Das können wir einmal machen. – Die Erwerbsminderungsrente verbessern wir in diesem Haushalt übrigens auch.

Sie scheinen sich ja getroffen zu fühlen, Frau Göring-Eckardt. Das verstehe ich. Aber Sie brauchen einfach nur zuzustimmen, dann nimmt die Betroffenheit ab.

Etwas mehr als 100 Tage nach dem Amtsantritt beweist die Bundesregierung mit diesem Haushalt Handlungsfähigkeit. Noch wichtiger ist: Die Menschen stehen hinter den zentralen Projekten dieser Regierung. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes wollen solide Haushalte und abnehmende Verschuldung. Die Bürgerinnen und Bürger stehen mit überwältigender Mehrheit hinter dem Mindestlohn, ebenso hinter der abschlagsfreien Rente nach 45 Beitragsjahren. Sie stehen ebenso hinter der Anerkennung von Erziehungsleistungen der Mütter bei der Rente, wie sie es richtig finden, dass wir mehr Geld für Kindertagesstätten, Bildung und Hochschulen ausgeben. Unsere Bürgerinnen und Bürger wollen auch eine bessere Finanzausstattung der Kommunen. Sie wollen die Energiewende, aber eine Energiewende, die nicht mehr im Treibsand politischer Verantwortungslosigkeit versinkt und nicht mehr im Nebeneinander und Gegeneinander von Interessen- und Lobbyistengruppen feststeckt, sondern politisch vorangetrieben wird, eine Energiewende, die uns wieder Planungs- und Versorgungs-sicherheit gibt und bei der Kostenexplosionen nicht ignoriert werden.

Alle diese Forderungen der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes finden Sie in der Politik dieser Regierung während der ersten drei Monate und auch im Bundeshaushalt wieder. Sicher: Viele Fragen sind noch offen, nicht alles ist fertig. Wie sollte es das auch sein? Aber nach etwas mehr als 100 Tagen im Amt hat diese Regierung inzwischen mehr geleistet als andere Regierungen in einer vollen Legislaturperiode.

Der Kompass, der uns leitet, ist die soziale Marktwirtschaft, nicht eine angeblich neu definierte, sondern die alte und immer noch aktuelle Idee, dass sich Arbeit für alle lohnen soll, dass Leistung und Solidarität ebenso zusammengehören wie Freiheit und Verantwortung. Nach mehr als zwei Jahrzehnten öffentlicher Diskreditierung hat sich die soziale Marktwirtschaft wieder als das eigentliche deutsche Erfolgsmodell herausgestellt. Jetzt wollen wir dafür sorgen, dass diese soziale Marktwirtschaft für die Menschen in unserem Land wieder etwas bedeutet. Wir wollen Rahmenbedingungen schaffen, unter denen sich unternehmerisches Engagement und Selbstständigkeit lohnen, damit der Mittelstand seine Innovationskraft und Flexibilität erhalten und die Globalisierung nutzen kann. Deshalb wollen wir starke Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, die gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen aushandeln. Aber weil das in den letzten Jahrzehnten oft anders war, wollen wir Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, auch vor Altersarmut in einem reichen Land schützen.

Die soziale Marktwirtschaft Ludwig Erhards und Karl Schillers ist unsere eigentliche Stärke. Wer sie unter dem Etikett „neu“ abschaffen will, der wird, glaube ich, in unserem Land scheitern.

Die wirtschaftlichen Prognosen für unser Land sind gut. Die Zunahme der Ausrüstungsinvestitionen und eine deutlich gestiegene Binnennachfrage sind dafür verantwortlich. Mit den im Haushalt des Wirtschaftsministeriums veranlagten Programmen wie dem Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand oder der Aufstockung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ fördern wir diese Entwicklung. Beide Programme beinhalten übrigens nach wie vor einen starken Förderanteil für die ostdeutsche Wirtschaft, was angesichts der immer noch existierenden Strukturschwäche der ostdeutschen Bundesländer auch wichtig ist.

Aber es gibt auch Risiken für unsere wirtschaftliche Entwicklung. Eines davon ist natürlich der Konflikt um die Ukraine. Ich jedenfalls glaube, dass es richtig ist, der russischen Regierung und dem russischen Präsidenten klarzumachen, dass Europa mehr ist als irgendeine ökonomische Zweckgemeinschaft. Aber ich finde es genauso richtig, dass die Bundeskanzlerin und allen voran der Bundesaußenminister sich darum bemühen, jede Möglichkeit zur Deeskalation zu nutzen.

Das Gegenteil, Spekulieren über Militärstärke oder ständiges Rufen nach Wirtschafts-sanktionen, befördert jedenfalls weder die Entwicklung des Friedens in Europa noch die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes und im Rest Europas. Ich finde, es ist eine kluge Politik, auf der einen Seite zu zeigen, dass wir uns unsere Werte nicht abkaufen lassen, und auf der anderen Seite immer wieder Einladungen, zu Verhandlungen zurückzukehren, auszusprechen.

In unserem Land stehen wir aber auch vor genügend Schwierigkeiten und Herausforderungen. Das ist der Fachkräftemangel, und das ist die Energiepolitik. Wir haben in Deutschland ein weltweit einmaliges Experiment begonnen, nämlich die Transformation unserer Energieversorgung vom fossilen und nuklearen Zeitalter in das Zeitalter erneuerbarer Energien. Keine Frage, wir sind mit 25 Prozent Anteil an erneuerbaren Energien auf dem Strommarkt und Hunderttausenden neuen Arbeitsplätzen in diesem Bereich sehr erfolgreich auf dem Weg. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir die Komplexität der Herausforderungen unterschätzt haben.

Dass alle Parteien, die dafür waren, die Erneuerbaren auszubauen – dazu gehört Ihre Partei genauso wie meine, Herr Hofreiter –, „je schneller, desto besser“ und nicht „je planbarer, desto besser“ als Leitmotiv hatten, war ein Fehler in der Vergangenheit. Das sollten wir auch offen sagen. Nicht „je schneller, desto besser“ ist richtig, sondern „je planbarer und berechenbarer, desto besser“. Diese Bundesregierung hat die Politik der letzten Jahre nur zum Teil zu verantworten. Wenn wir heute feststellen, dass die Stabilität der Netze von den Übertragungsnetzbetreibern unter Hinzurechnung von Kernkraftwerken im Ausland, die wir seit Jahren abgeschaltet sehen wollen, sichergestellt wird, dann müssen wir zugeben, dass es ein Problem in der Art unserer Energiewende gibt. Wer da wegschaut und erklärt: „Alle anderen sind schuld“, und nicht erkennt, dass er selber einen Teil zur Neustrukturierung beitragen muss, wird für Planbarkeit und Berechenbarkeit nicht sorgen.

Das zu ändern, dem dient das neue Erneuerbare-Energien-Gesetz mit berechenbaren Ausbaukorridoren, neu justierter und durchaus auch gekürzter Förderung und Schritten hin zur Marktintegration auf dem Weg zu Ausschreibungen. Ich bin sehr froh, dass alle Bundesländer, unabhängig von der jeweiligen politischen Konstellation, also nicht nur die Länder, die von Parteien regiert werden, die die Bundesregierung tragen, erklärt haben, dass sie diesen Weg für richtig halten und dieses Gesetz im Bundesrat nicht aufhalten werden. Das ist ein großer Fortschritt.

Dass wir zeitgleich die Gespräche mit der EU-Kommission zu einem erfolgreichen Abschluss bringen und die deutsche Wirtschaft vor unzumutbaren Belastungen schützen konnten, ist nicht irgendein Nebeneffekt, sondern die Voraussetzung dafür, dass wir die Unterstützung in der Bevölkerung für die Energiewende behalten. Wer glaubt, die Gefährdung Hunderttausender Industriearbeitsplätze habe keine Auswirkungen auf die Unterstützung der Energiewende, irrt sich gewaltig. Nur wenn wir zeigen, dass industrieller Erfolg, Klimaschutz und Energiewende zusammenpassen, erhalten wir in unserer Bevölkerung die Zustimmung. Nur dann bekommen wir im Ausland Unterstützung für unseren Weg. Wir wollten doch beispielhaft sein und keinen deutschen Sonderweg gehen.

Damit deutlich wird, dass wir hier nicht über Industrielobbyismus von irgendwelchen Großkonzernen reden, sondern über das Überleben vieler Mittelständler, möchte ich ein paar Beispiele nennen. Eine Papierfabrik mit 250 Mitarbeitern zahlte bisher 65.000 Euro an EEG-Umlage. Nach Auffassung der EU-Kommission hätte das auf über 400.000 Euro steigen sollen. Ein Unternehmen der Verpackungsindustrie zahlte bisher 135.000 Euro und sollte nun 1,5 Millionen Euro zahlen. Beide Unternehmen hätten ihre Finanzkraft in den kommenden Jahren nicht mehr in die Entwicklung ihrer Unternehmen und erst recht nicht in gute Löhne stecken können, sondern wären gezwungen gewesen, Programme zur massiven Kostensenkung aufzulegen. Die Zeche hätten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Unternehmen gezahlt. Diese wären uns für die Energiewende mit Sicherheit verloren gegangen.

Auch in der Industrie sieht es nicht anders aus. Ein Chemieunternehmen zahlte bisher bereits 735.000 Euro EEG-Umlage und sollte nach Auf-fassung der EU-Kommission in Zukunft 15 Millionen Euro jährlich zahlen. Das Unternehmen hätte schlicht das Land verlassen müssen, wenn es nicht seine wirtschaftliche Existenz hätte einstellen wollen. Nur diese wenigen Beispiele – von denen gibt es Dutzende; nach den ersten Vorschlägen der Kommission hätte es Hunderte davon gegeben – machen deutlich: Was wir hier geschafft haben, ist nicht die Sicherung von nur ein paar großen Unternehmen, sondern von vielen Hundert mittelständischen Unternehmen in unserem Land. Das war dringend geboten.

Was in den 80er- und 90er-Jahren die Arbeitskosten waren, sind in Zukunft Energie- und Rohstoffkosten. Diese bestimmen die Wettbewerbsfähigkeit dieses Landes. Das war der Grund, warum wir monatelang um den Erhalt der Arbeitsplätze gerungen haben. Ich danke ausdrücklich – ich sage es einmal in der umgekehrten protokollarischen Reihenfolge – dem nicht anwesenden Chef des Bundeskanzleramts, Peter Altmaier, und der deutschen Bundeskanzlerin, dass sie uns nachdrücklich und von Anfang an unterstützt und begleitet haben. Ohne die Zusammenarbeit in der Regierung wäre das mit Sicherheit nicht gelungen.

Jetzt wird eingewandt, den Preis dafür zahle der Verbraucher. Dazu muss man wissen, dass von den 450.000 deutschen Unternehmen gerade 2.000 eine teilweise oder völlige Befreiung erhalten. Die Wirtschaft insgesamt trägt mit mehr als sieben Milliarden Euro fast genauso viel zur EEG-Umlage bei wie die privaten Verbraucher. Wenn wir nun die gesamte Befreiung für die deutsche Wirtschaft aufgegeben hätten – manche haben das gefordert –, würde sich die Entlastung eines Dreipersonenhaushalts bei circa 40 Euro im Jahr bewegen. Einmal abgesehen davon, dass Sie hier in Berlin im Zweifel weit mehr sparen können, indem Sie den Stromanbieter wechseln: Was hilft es uns eigentlich, wenn wir 40 Euro pro Haushalt sparen, aber diejenigen, die den Haushalt durch ihr Erwerbseinkommen finanzieren, zu Hunderttausenden ihren Arbeitsplatz in Deutschland verlieren?

Außerdem lenkt die Debatte von dem eigentlichen Problem ab. Die Debatte über die Verteilung der EEG-Umlage lenkt von dem Problem ab, dass sie inzwischen zu einer massiven Belastung geworden ist. Wir können doch nicht so tun, als ob die Steigerung der EEG-Umlage in den letzten Jahren kein Problem gewesen wäre. Das hat vielmehr etwas mit mangelnder Berechenbarkeit zu tun, und das hat etwas mit mangelnder Planung zu tun. Deswegen glaube ich nicht, dass die Industriebefreiungen das Problem sind, sondern eine in den letzten Jahren drastisch gestiegene EEG-Umlage. Deswegen müssen wir diese Entwicklung jetzt durchbrechen, und die ersten Schritte dafür haben wir getan.

Sicher, vieles fehlt noch. Der Netzausbau geht zu langsam voran, der Emissionshandel in Europa liegt am Boden. Deswegen haben wir in Deutschland viel zu hohe Braunkohleemissionen. Wir brauchen ein neues Strommarktdesign, und wir müssen dringend die Frage nach der Zukunft des konventionellen Kraftwerksparks und der Stadtwerke beantworten. All das steht jetzt auf der Tagesordnung.

Eine der großen Herausforderungen der Energiewende bleibt dabei die Steigerung der Energieeffizienz. Seit Jahren reden wir von ihrer Verdoppelung, und seit Jahren schaffen wir das nicht. Auch wenn der Energie- und Klimafonds in diesem Haushalt steht, er ist wegen des am Boden liegenden Emissionshandels unsicher und viel zu gering ausgestattet. Gerade im Bereich der Einsparung von Wärme, Raumwärme und Warmwasser, liegen eigentlich die großen Chancen für Verbraucher und Wirtschaft. Deshalb werden wir in den kommenden Jahren hier wesentlich mehr schaffen müssen. Investitionen in die Energieeffizienz sind genauso wichtig wie Zukunftsinvestitionen in die öffentliche Infrastruktur. Auch wenn wir in diesem Haushalt erste Schritte nach vorne machen – die Investitionen, die wir tätigen, gerade im Bereich der Energieeffizienz, sind wesentlich zu gering.

Wer diese Herausforderung kennt, ärgert sich übrigens vor allen Dingen über diejenigen, die sich der Solidarität in unserem Land für solche Aufgaben entziehen, indem sie zwar alles mitnehmen, was das Gemeinwesen zu bieten hat, aber für Steuergerechtigkeit nur Hohn und Spott übrig haben. Der erste Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit ist nicht die Erhöhung des Spitzensteuersatzes, sondern, dafür zu sorgen, dass die, die in diesem Land eigentlich Steuern zahlen müssten, es auch tatsächlich tun.

Damit das auch von meiner Seite aus einmal klar gesagt wird: In dieser Legislaturperiode wird es nicht nur, weil es in unserem Koalitionsvertrag steht, keine Steuererhöhung geben, sondern auch, weil es kein Mensch in Deutschland verstehen würde, wenn wir angesichts sprudelnder Steuereinnahmen öffentlich erklärten, wir hätten zu wenig und müssten die Staatseinnahmen erhöhen.

Was aber auch niemand versteht, ist, dass wir in einem Gemeinwesen wie Europa seit Jahren tatenlos zusehen, dass jeder Bäckermeister in Deutschland höhere Steuer-sätze zahlt als große multinationale Unternehmen, nur weil sie sich in Europa eine Steueroase aussuchen können. Mit Blick auf die kommende Europawahl sage ich: Ich glaube, dass eine zentrale Aufgabe ist, dem entgegenzuwirken.

– Herr Kauder, damit Ihnen Ihr Lachen bleibt, erspare ich Ihnen den Hinweis darauf, wie unterschiedlich sich die beiden Spitzenkandidaten zu dieser Frage positionieren. Der eine hat das Modell, das ich kritisiere, zum Geschäftsmodell seines Landes gemacht, und der andere will es verändern.

Wenn wir über Steuergerechtigkeit reden und wenn wir über mehr Mittel reden, die wir für die Infrastruktur, für Energieeffizienz und Bildung brauchen, dann müssen wir dafür sorgen, dass Schritt für Schritt dort, wo die Wertschöpfung entsteht, auch Steuern gezahlt werden, und wir müssen verhindern, dass große Konzerne durch Verschiebung ihres Sitzes in Steueroasen innerhalb der Europäischen Union nicht einmal zehn Prozent Steuern zahlen.

Wenn wir uns das vornehmen, dann werden wir es auch schaffen, die in allen Teilen des Hauses als problematisch angesehene kalte Progression auch wirklich zu beseitigen. Vor der Wahl haben Sie Vorschläge zur Beseitigung der kalten Progression gemacht. Wir haben gesagt: So etwas machen wir nur, wenn die Steuern erhöht werden. Jetzt haben wir sozusagen fast die umgekehrte Lage. Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir es nicht schafften, auch im Zusammenhang mit dieser Debatte in Europa nach Lösungen zu suchen, die berechtigte Kritik des DGB-Vorsitzenden an der kalten Progression aufzugreifen und dafür Sorge zu tragen, dass die Binnennachfrage gestärkt wird. Ich glaube, dass uns das im Laufe der Legislaturperiode gelingen muss. Wir werden dazu jedenfalls bereit sein.

Es bleibt also genug zu tun: Investitionen in die Infrastruktur, Fachkräftemangel, Energieeffizienz, Energiewende und immer wieder der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit auch in einer digitalen Ökonomie. Ich glaube, dass wir mit diesem Haushalt und auch mit den Debatten, die wir um solche schwierigen Themen wie Energieeffizienz, Steuer-gerechtigkeit und kalte Progression führen, in dieser Legislaturperiode einen ersten Schritt tun.