Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, Wolfgang Clement,

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"Zukunft braucht Kohle"

I. Rahmenbedingungen für die Energiewirtschaft

Die Bundesregierung hat in den zurückliegenden Jahren Rahmenbedingungen geschaffen, die notwendig sind, damit Deutschland ein starker und interessanter Stand-ort für die Energiewirtschaft bleibt.

Dieser Standort Deutschland muss für die Energieerzeugung gesichert und ausgebaut werden. Denn die Energiewirtschaft ist der Motor unserer Volkswirtschaft und zugleich einer ihrer wichtigsten Investoren. Sie stellt qualifizierte Arbeitsplätze bereit und sie hat im internationalen Vergleich einen sehr hohen technologischen Stand.

Es stellt unserer Politik der zurückliegenden Jahre nicht das schlechteste Zeugnis aus, wenn wir heute feststellen können, dass die Unternehmen inzwischen daran gehen, einen gewissen "Investitionsstau" aufzulösen. Bereits jetzt sind Investitionen in Kraftwerke und Netze bis 2010 in einer Höhe von fast 20 Milliarden Euro geplant. Das ist das größte mir derzeit bekannte Investitionsprogramm in Deutschland. Und das ist erst der Anfang.

Das jüngst verabschiedete Energiewirtschaftsgesetz bringt erkennbar Schwung in die Modernisierung unseres Kraftwerksparks und unserer Leitungsinfrastruktur. Denn es signalisiert den Energieversorgern, dass sie in Deutschland ein wettbewerbsfreundliches Umfeld mit einem fairen und diskriminierungsfreien Netzzugang finden. Wichtig für die Unternehmen, die in die Energiewirtschaft investieren wollen, ist der Energiemix, den wir wollen.

Dabei geht die amtierende Bundesregierung von diesen Gegebenheiten aus:

  • Mit der Braunkohle steht uns ein wettbewerbsfähiger – absolut subventionsfreier – heimischer Primärenergieträger zur Verfügung, der zu rund 26 Prozent zu unserer Stromproduktion beiträgt.
  • Auch die Verstromung von Steinkohle muss weiterhin einen wichtigen Beitrag zur Stromversorgung in Deutschland leisten. Rund zehn Prozent unserer Stromversorgung basieren gegenwärtig auf heimischer Steinkohle.
  • Die Finanzierung der Steinkohle, das Erneuerbare-Energien-Gesetz, der Emissionshandel und das Energiewirtschaftsgesetz sind weitere Eckpunkte der Rahmenbedingungen, die wir den Unternehmen in den zurückliegenden Jahren zur Verfügung gestellt haben.

Hocheffiziente und damit klimaverträgliche fossile Energien und erneuerbare Energien bilden nach unseren Vorstellungen den Energiemix der Zukunft.

Die Kernerenergie gehört längerfristig nicht mehr dazu. Das wurde vor fünf Jahren beschlossen und ich sehe keine Notwendigkeit, daran grundsätzlich etwas zu ändern, was eine Überprüfung der individuellen Laufzeiten der Kraftwerke meines Erachtens nicht ausschließt.

Richtig ist aber vor allem aus meiner Sicht,

  • dass wir endlich zu einer Klärung der Entsorgungsfrage für unser Land kommen müssen,
  • dass wir die nukleare Sicherheitsforschung in Deutschland erhalten sollten,
  • dass wir unseren Unternehmen nicht die Möglichkeit verschließen dürfen, am Aufbau oder Ausbau ziviler Kernkraftnutzung in den Ländern teilzunehmen, die dies wollen und bei denen eine militärische Nutzung ausgeschlossen werden kann.

Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung in unserem Land ist derweil im ersten Halbjahr 2005 nach Schätzungen des Verbandes der Elektrizitätswirtschaft auf elf Prozent gestiegen. Wir wollen und sollten diesen Anteil nach meiner Ansicht noch weiter erhöhen und stehen damit auch im internationalen Vergleich sehr gut da.

Im vergangenen Jahr haben wir dazu das EEG novelliert, um die Förderung effizienter zu gestalten. Ich bin sicher, dass hier noch weitere gesetzgeberische Feinarbeit zu leisten ist.

SPD und CDU haben in den laufenden Koalitionsverhandlungen die im Erneuerbaren-Energien-Gesetz für 2007 vorgesehene Überprüfung der Vergütungssätze bestätigt, und zwar mit dem Ziel einer Anpassung an die wirtschaftlichen Gegebenheiten der einzelnen erneuerbaren Energieträger. Ich rechne daher mit einer teilweisen Absenkung der Vergütungssätze.

Für stromintensive Industrien soll – darauf hat sich jedenfalls die wirtschaftspolitische Verhandlungsgruppe der sich anbahnenden Koalition verständigt – die Härtefallregelung entscheidend verbessert werden. Wenn es so kommt, wäre ich darüber sehr froh.

Die erneuerbaren Energien leisten einen bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz. Sie müssen sich aber auch an den Kriterien der Sicherheit und Wirtschaftlichkeit der Energieversorgung messen lassen.

Unter den Erneuerbaren spielt bei uns die Windenergie die größte Rolle. Unsere Hoffnungen setzen wir heute auf den Ausbau von Windkraftanlagen auf dem offenen Meer. Aber weder ist der Ausbau der Windkraft ein Selbstläufer noch passen deren charakteristische Eigenschaften ideal zu unseren Ansprüchen an die Stabilität von Stromversorgung. Das führt schon heute, insbesondere an windstarken Tagen, zu Beeinträchtigungen unserer Netzsicherheit – und nicht nur die unsere ist betroffen, sondern auch der europäische Stromverbund.

Die Dena-Netzstudie zeigt nun – zunächst bis 2015 – Wege, wie wir bei weiter zunehmendem Ausbau der Windenergie die Integration des Windstroms in unser elektrisches Verbundsystem hinbekommen und gleichzeitig unser gewohnt hohes Maß an Netzzuverlässigkeit aufrechterhalten können. Dazu gehören im ersten Schritt die technische Nachrüstung von Altanlagen und – ganz wichtig – ein beschleunigter Ausbau unserer Stromnetze. Bereits bis 2015 brauchen wir eine Erweiterung des deutschen Verbundnetzes um rund 850 Kilometer. Die Kosten für diesen Netzausbau werden bei rund 1,1 Milliarden Euro liegen. Dieser durch die Windenergie verursachte Netzausbau steht dann auch dem Stromhandel im liberalisierten EU-Binnenmarkt zur Verfügung.

Dazu brauchen wir ein Planungsrecht, das mit der Dynamik dieser Zahlen Schritt halten kann. Wie Sie wissen, haben wir auch ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht, das jetzt dem Bundesrat vorliegt. Ich hoffe, dass der neue Bundestag das Gesetzgebungsverfahren fortsetzt.

Und eine gemeinsame Systemverantwortung gehört auch dazu – das heißt, die zeitweilige Rücknahme der Windstromeinspeisung, wenn es die Versorgungssicherheit und die Systemstabilität erfordern.

Sie sehen – die Aufgabe ist anspruchsvoll, aber lösbar. Das ist die Aussage der Dena-Studie. Jetzt kommt es auf das Zusammenwirken aller Beteiligten an: auf die Hersteller, die Anlagenbetreiber, die Netzbetreiber und die Politik – sie alle müssen ihren Beitrag leisten. Der Part der Politik wird dabei in der Rahmensetzung liegen, wozu auch gehört, das Erneuerbare-Energien-Gesetz auf die gemeinsame Systemverantwortung hin zu justieren.

Neben dem Gesetz zur Förderung der erneuerbaren Energien halten wir auch mit dem CO2-Emissionshandel ein hochsensibles Instrument in den Händen, das auf weit mehr wirkt als nur auf unser Klima. Es geht auch um unsere zukünftige Energieversorgungsstruktur. Und es geht damit auch um die Einwirkung des Emissionshandels auf die Energiepreise.

Das ist zunächst einmal eine Frage, die das Kartellamt und die Netzagentur zu beschäftigen hat. Es ist aber unsere Aufgabe, vor dem Einstieg in die nächste Emissionshandelsperiode deren bisherige Auswirkungen auf die Energieversorgungsstrukturen unter die Lupe zu nehmen. Auf die Dauer jedenfalls ist meines Erachtens ein Nebeneinander des Wettbewerbstreibers Emissionshandel und der Angebots- und Nachfragesteuerung durch gesetzgebundene Eingriffe wie das EEG nicht sinnvoll. Darauf hat der Wissenschaftliche Beirat des bisher von mir verantworteten Ministeriums vor einiger Zeit zu Recht hingewiesen.

Wir haben bei der Einführung des Emissionshandels sehr genau darauf geachtet, dass die Wettbewerbschancen der fossilen Energieträger erhalten bleiben. Auf die fossilen Energien, insbesondere auf die Kohle, werden wir noch sehr lange nicht verzichten können. Mit Hilfe modernster Kraftwerkstechnik wird die Kohle noch lange das Fundament unserer Stromversorgung sein müssen. Dass dies nicht nur ein Lippenbekenntnis ist, können Sie an der Entscheidung der bisherigen Bundesregierung zur Fortführung der Unterstützung für den deutschen Steinkohlebergbau bis 2012 ablesen.

II. Renaissance der Kohle

Kohle ist und bleibt als Energiequelle weltweit unverzichtbar. In der internationalen Stromerzeugung ist sie Energieträger Nummer eins. Zu etwa 38 Prozent wird Strom aus Kohle gewonnen. Daran wird sich in absehbarer Zeit nichts grundlegend ändern. Kohleverbrauch und Kohleförderung werden ähnlich dynamisch wachsen wie der Strombedarf.

In langfristigen Prognosen gehen zum Beispiel sowohl die EU-Kommission als auch die Internationale Energieagentur davon aus, dass der Kohleverbrauch weltweit in hohem Tempo zunehmen wird. Während die IEA zwischen 2000 und 2030 mit einem Wachstum des Kohleverbrauchs um mehr als 50 Prozent rechnet, erwartet die EU-Kommission sogar eine Verdoppelung.

Die höchsten Zuwächse dürfte es dabei in den Entwicklungsländern Asiens geben. Sie verfügen – wie zum Beispiel China und Indien – über gewaltige Kohlevorkommen, aber kaum über eigene Erdöllagerstätten. Gerade die starke Nachfrage aus diesen Ländern hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass die Kohle international wieder mehr Aufmerksamkeit genießt.

Man könnte geradezu von einer "Kohlerenaissance" sprechen, zu der auch noch einige andere Entwicklungen beigetragen haben:

  • Etwa die enormen Preissteigerungen für das Erdöl in den letzten Jahren, die die Notwendigkeit einer ausgewogenen Diversifizierung beim Energieträgermix deutlich gemacht haben.
  • Außerdem werden mittlerweile – und nicht zuletzt bei uns in Deutschland – erhebliche Anstrengungen unternommen, um Clean-Coal-Technologien zu entwickeln, die die CO2-Freisetzung bei der Kohleverbrennung nachhaltig verringern. Ein aktuelles Beispiel ist die Realisierung einer Komponententestanlage in Gelsenkirchen-Scholven. Ziel ist der Bau eines Steinkohledemonstrations-Kraftwerkes schon im Jahre 2010, das Wirkungsgrade um 50 Prozent erreichen soll. Auch das gänzlich "CO2 – freie Kraftwerk" ist ein Ziel, das wir anstreben. Die erste Generation solcher Kraftwerke wird etwa um das Jahr 2020 ans Netz gehen können.
  • Diese Zielsetzung verfolgen auch die USA, die ihre Energieversorgung durch den Neubau zahlreicher Kohlekraftwerke verbessern wollen.
III.        Energieversorgungssicherheit

Das Thema Energieversorgungssicherheit wird im Zeitalter der Rohstoffverknappung weltweit sehr ernst genommen. Auch in der Europäischen Kommission zeigt man sich angesichts der Preiskapriolen an den Energiemärkten zunehmend besorgt. Das schlägt sich unter anderem auch in einem stärkeren Bekenntnis zur Kohle nieder. Der neue Energiekommissar Andris Piebalgs sagte erst kürzlich, dass die Kohle aus Gründen der Versorgungssicherheit und -vielfalt weiterhin eine Rolle im Energieträgermix Europas spielen müsse, und zwar eine wichtige Rolle.

Das kann ich aus Sicht der amtierenden Bundesregierung und im Interesse der internationalen Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft nur voll unterstreichen. Ziel unserer Energiepolitik ist es, eine sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung für unser Land zu gewährleisten. Dies ist eine elementare Voraussetzung für weiteres Wachstum am Standort Deutschland. Wir sind in Deutschland bekanntlich in hohem Maße von Energieimporten und damit von der Entwicklung des Weltmarktes abhängig. Das haben wir erst kürzlich beim Thema Koks erfahren. Der Grad der Versorgung mit Koks aus eigenen Kokereien liegt in Deutschland heute bei nur etwa 50 Prozent.

Im Vergleich dazu verfügen fast alle anderen großen Stahlproduzentenländer über deutlich größere Kokereikapazitäten und können sich zum Teil bis zu 100 Prozent mit eigenem Koks versorgen. Als der Stahlboom in China im Jahre 2004 zu einer Verknappung von Koks auf dem Weltmarkt führte, kam es geradezu zu einer Explosion der Kokspreise auf dem Spotmarkt. Chinesischer Koks kostete plötzlich nicht mehr zwischen 50 und 80 US-Dollar pro Tonne wie in den Jahren zuvor, sondern mehr als 400 US-Dollar pro Tonne. Heute bewegen sich die chinesischen Kokspreise immer noch oberhalb von 200 US-Dollar pro Tonne.

Die Folgen der Koksverknappung und -verteuerung bekamen sowohl die Stahlproduzenten als auch die Stahlverarbeiter hierzulande zu spüren. Die Produzenten konnten ihre Kapazitäten nicht voll nutzen, die Verarbeiter konnten die höheren Stahlpreise nicht gänzlich an ihre Kunden weitergeben. Seitens der Stahlindustrie sind inzwischen aus der angespannten Versorgungssituation Konsequenzen gezogen worden. ThyssenKrupp wird seine Kokerei im Duisburger Süden erweitern. Der Ausbau um eine weitere Batterie ist im Juni beantragt worden. Bei Kohle beträgt die Importabhängigkeit unseres Landes jetzt rund 60 Prozent, beim Erdgas 80 Prozent und beim Erdöl 97 Prozent.

Gegen eventuelle Versorgungsstörungen, die etwa aus nicht vorhersehbaren politischen, militärischen oder terroristischen  Ereignissen resultieren können, gibt es bei Öl und Gas eine entsprechende Bevorratung. Und daran wollen wir auch festhalten.

Bei der Kohle trägt die einheimische Förderung zur Energieversorgungssicherheit bei. Kohle ist der einzige Energieträger, über den Deutschland in nennenswertem Umfang selbst verfügen kann. Rund 90 Prozent der Energiereserven Deutschlands entfallen auf Kohle, rund zwei Drittel hiervon sind Steinkohlevorräte. Auf heimischer Steinkohle basieren – wie gesagt – gegenwärtig etwa zehn Prozent der Stromerzeugung in Deutschland. Die Aufrechterhaltung eines Steinkohlebergbaus in Deutschland ist deshalb aus Gründen der Energieversorgungssicherheit sinnvoll.

Um es deutlicher zu sagen: In dieser Zeit der Rohstoffverknappung, in der sich alle Volkswirtschaften bemühen, ihre Versorgungssicherheit zu gewährleisten, erscheint mir der Gedanke an einen Ausstieg aus der heimischen Steinkohle abwegig. Nirgendwo auf der Welt wird derzeit – soweit ich sehen kann – darüber nachgedacht, eine vorhandene nationale Energiequelle abzudrehen; wir sollten das auch nicht tun!

IV. Kohlepolitik der Bundesregierung

Dazu ist klar, dass wir die Umstrukturierung des deutschen Steinkohlebergbaus konsequent fortsetzen. In diesem Jahr endet jene Vereinbarung, die allgemein als Kohlekompromiss von 1997 bekannt ist. Dieses von allen Seiten getragene Finanzpaket haben wir ohne Abstriche umgesetzt. Noch ausstehende finanzielle Verpflichtungen aus der Kohlevereinbarung von 1997 werden im nächsten Jahr bedient werden. Für die Jahre 1998 bis 2005 wird der Bund dann insgesamt fast 26 Milliarden Euro an Beihilfemitteln aufgewendet haben, um den Umstrukturierungsprozess zu flankieren.

Zwischen 1997 und 2005 haben sich Förderung und Beschäftigung annähernd halbiert. Dieser tiefe Einschnitt konnte sozialverträglich bewältigt werden. Wenn es dabei bisher nicht zu ernsthafteren Friktionen kam, dann lag dies sowohl an der Personalpolitik des betroffenen Unternehmens – der RAG –, als auch an der Mitwirkung der Arbeitnehmervertreter. Dieser Anpassungsprozess muss weiter gehen, und zwar – wie schon in der Vergangenheit – in einer sozialverträglichen Art und Weise.

Diesen Eckpunkten – Degression der Steinkohlebeihilfen und Sozialverträglichkeit des notwendigen Personalabbaus – wird die im vorletzten Jahr von der Bundesregierung mit dem Unternehmen und der zuständigen Gewerkschaft IG BCE vereinbarte Lösung für die Anschlussfinanzierung ab 2006 gerecht. Sie gibt der deutschen Steinkohle die notwendige Planungssicherheit für die vor uns liegenden Jahre.

Die Unterstützung des Bergbaus soll danach zunächst bis 2012 fortgeführt werden. Dabei ist vorgesehen, die Förderung von gegenwärtig etwa 26 Millionen Tonnen auf 16 Millionen Tonnen im Jahre 2012 zurückzufahren. Ich selbst bin entschieden der Meinung, dass der Steinkohlebergbau in unserem Land danach nicht auslaufen, sondern auf dem sodann noch vorhandenen Minimalsockel von vier bis fünf Schachtanlagen weitergeführt werden sollte.

Für die Jahre 2006 bis 2008 hat der Bund bereits einen Betrag von rund 5,7 Milliarden Euro zugesagt. Nordrhein-Westfalen hat sich zur Zahlung von 1,62 Milliarden Euro verpflichtet. Der Zuwendungsbescheid für diesen Zeitraum ist bereits im Dezember 2004 – im Einvernehmen mit dem Land Nordrhein-Westfalen – ergangen. Damit ist nicht nur der Bund, sondern auch das Land Nordrhein-Westfalen gebunden.

Was den Zeitraum ab 2009 angeht, so trete ich nach wie vor für die im Jahre 2003 gefundene Lösung ein. Ich sehe keinen anderen sozialverträglichen Weg. Dies sage ich auch mit Blick auf die Einigung der Koalitionspartner vom vergangenen Freitag. Wer glaubt, dass im Bergbau noch finanzielle Spielräume vorhanden sind, um eine sozialverträgliche Anpassung mit weniger Geld als bisher vorgesehen, hinzubekommen, der mag den Beweis dafür antreten. Wenn die Daten, die uns der Bergbau 2003 für die Anschlussregelung vorgelegt hat, zutreffend waren, dann sehe ich diese Spielräume nicht.

Die mutmaßlichen Berliner Koalitionspartner haben hierzu einen Prüfauftrag formuliert, dem selbstverständlich Rechnung getragen werden muss. Einen festen Einsparbetrag von 750 Millionen Euro für die Jahre 2009 und 2010 – wie im Düsseldorfer Koalitionsvertrag angepeilt – vermute ich hier allerdings nicht.

Also: Ich halte ausdrücklich den erklärten Willen aller Beteiligten, zu einer sozialverträglichen Lösung zu kommen, fest, und füge der Klarheit halber hinzu: Dies bedeutet auch den künftigen Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen im deutschen Steinkohlebergbau. Vor diesem Hintergrund freue ich mich, dass es inzwischen jedenfalls gelungen ist, für das Anpassungsgeld die notwendige Verlängerung bis 2008 zu erreichen.

V. EU

Die Bundesregierung hat nicht nur national für eine klare Kohleperspektive gesorgt, sondern gleichermaßen auch auf der europäischen Ebene. In Brüssel sind die Signale für die Steinkohle zunächst bis 2010 auf Grün gestellt, bis dahin ist die Gewährung von Beihilfen weiter erlaubt worden.

Der Genehmigungsprozess für den von der Bundesregierung vorgelegten Umstrukturierungsplan für den deutschen Steinkohlebergbau hat sich übrigens über etwa ein Jahr hingezogen. Das zeigt, wie kritisch die EU-Kommission vorgegangen ist. Ich will offen sagen: Ich habe Zweifel, ob diese Herangehensweise noch angemessen ist. Auch in Brüssel muss meines Erachtens die europäische Steinkohlepolitik im Allgemeinen und damit die einschlägige Beihilfepolitik im Besonderen einer selbstkritischen Überprüfung unterzogen werden.

In einer Welt, in der gefährliche Zuspitzungen der Energieversorgungssicherheit nicht auszuschließen sind, halte ich die bisherige Brüsseler Kohlepolitik für nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Ungeachtet dessen: Der von der EU-Kommission akzeptierte Plan ist jedenfalls eine wichtige Basis für die jährlich anzumeldenden und zu genehmigenden Jahresbeträge der Beihilfen bis zum Jahr 2010.

VI. Börsengang der RAG

Die RAG hat einen tief greifenden Umstrukturierungsprozess durchlaufen, um sich für die Herausforderungen der Zukunft zu positionieren. Dieser Umbau wird vom Unternehmen als ein erster Schritt angesehen, um das Unternehmen an die Börse bringen zu können. Nur so könne der "weiße Bereich" der RAG seine Wachstumschancen nutzen.

Ich mache kein Hehl daraus, dass ich die Idee des Börsengangs unterstütze. Das tue ich auch deshalb, weil ich die sich daraus ergebenen industriepolitischen Chancen für das Land Nordrhein-Westfalen sehe. Vor allem Degussa und STEAG können zukunftssichere Arbeitslätze für Nordrhein-Westfalen bieten, wenn es gelingt, deren Potenziale voll auszuschöpfen.

Ich will deshalb deutlich sagen, dass Voraussetzung für einen solchen Börsengang das Zusammenwirken aller Beteiligter ist. Dreh- und Angelpunkt ist dabei der Umgang mit den technologischen und sozialen Risiken des Bergbaus, über die eine faire Verständigung gefunden werden muss. Das geht natürlich nur mit den Revierländern, von denen ich erwarte, dass sie zu ihrer Verantwortung stehen, ohne dass ihnen untragbare Risiken aufgebürdet werden sollen.

Ich bin zuversichtlich, dass eine befriedigende Lösung zwischen allen Beteiligten gefunden wird, aber ich will auch darauf hinweisen, dass nicht noch weitere Zeit verspielt werden sollte. Ich meine, dass es bis zum Frühjahr 2006 möglich sein müsste, eine einvernehmliche Lösung zu Wege zu bringen.

Das wünsche ich der RAG und vor allem den Beschäftigten dieses besonderen, dieses großen Unternehmens, dessen zukünftige Entfaltungsmöglichkeiten für unser Land von erheblicher Bedeutung sind. – Glückauf!