Rede des Bundesministers für Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung,

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Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Die Bundesregierung hat entschieden, der Bitte der Nato zu entsprechen und die Lücke hinsichtlich der Fähigkeiten zur Luftaufklärung in Afghanistan zu schließen, und sie bittet das Parlament, diese Entscheidung mit großer Zustimmung mitzutragen.

Was ist der Sinn und Zweck, diese Aufklärungslücke zu schließen? Tatsache ist, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan im letzten Jahr verschlechtert hat. Es ist eine erhebliche Zunahme der Zahl der Selbstmordanschläge und Angriffe auf unsere Soldaten – sei es mit Panzerfäusten oder anderen Geschossen – zu verzeichnen. Ich habe deshalb schon im letzten Jahr entschieden, dass der Schutz unserer Soldaten erhöht wird, und zwar durch geschützte Fahrzeuge, aber auch durch unsere Aufklärungsdrohne LUNA, die der Aufklärung in einem Radius von 40 Kilometern dient.

Jetzt geht es darum, die Aufklärungslücke für Gesamtafghanistan zu schließen, auch im Interesse des Schutzes unserer Soldaten, der Soldaten von ISAF, der Wiederaufbauteams, aber auch der zivilen Bevölkerung. Dies entspricht der Bitte der Nato, und es ist der Grund, warum wir um Zustimmung für dieses Mandat nachsuchen.

Wir haben mit der Nato abgestimmt, wie wir die Verantwortung wahrnehmen. Daran hat sich auch trotz der einen oder anderen Irritation, die sich in der letzten Woche vielleicht ergeben hat, nichts geändert. Tatsache ist: Wir haben zunächst im Norden die Verantwortung übernommen. Dann haben die Italiener im Westen die Verantwortung übernommen, die Briten, Kanadier und Niederländer im Süden, die Amerikaner im Osten und die Franzosen in Kabul.

Die Ausweitung auf den Süden ist im Juli letzten Jahres und auf den Osten im Oktober des letzten Jahres abgeschlossen worden. Das hatte zur Folge, dass jetzt auch die Amerikaner und die Briten dem ISAF-Mandat und damit auch der Nato-Kommandoführung unterworfen sind und dass wir eine Gesamtverantwortung für Sicherheit und Wiederaufbau in Afghanistan haben.

Das hat auch etwas damit zu tun, wie sich nunmehr die Verantwortung unserer Soldaten in den Kommandostrukturen darstellt. Manchmal wird argumentiert, die Kommandostruktur sei einseitig durch die Vereinigten Staaten von Amerika geprägt. Dies ist nicht zutreffend. Tatsache ist: Wir haben heute eine Kommandostruktur mit dem Nato-Oberbefehlshaber, General Craddock – einem Amerikaner –, aber in der Nato-Kommandostruktur in Brunssum ist unser General Ramms für Afghanistan verantwortlich. In der unmittelbaren Kommandostruktur in Afghanistan ist General McNeil, ein Amerikaner, zuständig, aber Stabschef im Hauptquartier der ISAF ist unser General Kasdorf.

Ich will damit deutlich machen, was für die Umsetzung, die militärische Verantwortung und die Gesamtstrategie, die wir für notwendig erachten – ich komme gleich darauf zurück –, nämlich militärische Sicherheit zu gewährleisten, aber auch den Wiederaufbau voranzutreiben, gilt: ohne Sicherheit keine Entwicklung, aber ohne Entwicklung auch keine Sicherheit. Das ist die Philosophie, die sicherstellt, dass wir in Afghanistan erfolgreich sein werden.

Unsere Tornados haben hervorragende Fähigkeiten; der Außenminister hat darauf hingewiesen. Sie können bei der Tagaufklärung in einer Höhe von bis zu 8,5 Kilometern auch bei schlechtem Wetter und einer Geschwindigkeit von über 1.000 km/h exakte Bilder liefern und Nachtaufklärung durch Infrarot betreiben. Sie gewährleisten damit, dass Schutzfunktionen verhältnismäßiger und angemessener wahrgenommen und dass damit Risiken im Vorfeld beseitigt werden können. Das macht den Schutz deutlich, den die Tornados gewährleisten.

Die Soldaten der Bundeswehr operieren mit einem Mandat der Vereinten Nationen, und zwar sowohl im Rahmen von ISAF als auch im Rahmen von OEF. Wir operieren auf der Grundlage des Völkerrechtes. Andere Darstellungen entsprechen nicht der Wahrheit; diese will ich hier deutlich zurückweisen.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat entschieden, dass selbstverständlich beide Mandate unterstützt werden; denn die Operation "Enduring Freedom", die der Terrorismusbekämpfung dient, zielt genauso auf die Gewährleistung der Sicherheit, die Stabilisierung und den Wiederaufbau ab wie das ISAF-Mandat. Deshalb haben wir klar und deutlich gemacht, dass die Anforderung der Tornados durch ISAF erfolgt, dass aber dann, wenn es notwendig ist – so ist die Formulierung im Operationsplan –, die entsprechenden Daten an die OEF weitergegeben werden. Nur so kann Sicherheit im gesamten Umfeld hergestellt werden und die ISAF zusätzliche Sicherheit gewährleisten.

Es ist ein entscheidender Punkt, dass nicht nur die Regierungschefs in Riga, sondern auch die Außen- und die Verteidigungsminister die Bedeutung dieser Gesamtstrategie für die praktische Umsetzung deutlich unterstrichen haben und dass sich alle sehr nachdrücklich dazu bekannt haben. Wenn sich nun in Afghanistan die zivile und die militärische Seite mit der dortigen Regierung beispielsweise in einem wöchentlichen Rhythmus treffen, um Maßnahmen abzustimmen, dann halte ich das für den richtigen Weg; denn entscheidend ist, dass wir nicht nur Sicherheit herstellen, sondern auch den Wiederaufbau vorantreiben, um so die Herzen der Menschen zu gewinnen. Nur so werden wir bei unserem Versuch erfolgreich sein, Afghanistan zu stabilisieren und in eine positive Zukunft zu führen.

Die Bundeswehr hat bereits 630 Projekte in Angriff genommen, von Schulen, Kindergärten über den Straßenbau und die Wasserversorgung bis hin zu Krankenhäusern. Wir planen seitens der Bundesregierung, bis zum Jahr 2010 insgesamt 900 Millionen Euro hier zu investieren. Die Entwicklungsministerin hat nun einen Betrag von 20 Millionen Euro hinzugefügt. Es ist notwendig und wichtig, dass wir in einem sicheren Umfeld die Wiederaufbaumaßnahmen vorantreiben, um dafür zu sorgen, dass Afghanistan in der Lage ist, seine Sicherheit selber zu gewährleisten. Selbstverständlich helfen wir mit, Streitkräfte und Polizeistrukturen in Afghanistan aufzubauen. Durch gemeinsame Operationen von ISAF sowie afghanischen Streitkräften und afghanischer Polizei wird der Aufbau einer Sicherheitsphilosophie gewährleistet, die letztlich zu einer selbsttragenden Sicherheit führt; das ist unser Ziel. Wir wollen, dass dieses Land, das nun eine demokratisch gewählte Regierung und ein demokratisch gewähltes Parlament hat und das sich in einer Entwicklungsphase befindet, die dadurch gekennzeichnet ist, dass immerhin wieder sieben Millionen Kinder zur Schule gehen und dass 80 Prozent der Bevölkerung basismedizinisch versorgt werden – Erfolge sind also durchaus festzustellen –, in Zukunft in der Lage ist, für seine Sicherheit selber zu sorgen und einen eigenen Weg in eine gute Zukunft zu gehen.

Deshalb bitte ich Sie, diese Entscheidung der Bundesregierung zu unterstützen. Ich halte das auch im Hinblick auf unsere Soldatinnen und Soldaten für notwendig. Ich will noch einmal unterstreichen: Der Tornado hat zwei Fähigkeiten. Er hat die Aufklärungsfähigkeit, und er hat die Kampffähigkeit. Es wird jetzt eindeutig die Aufklärungsfähigkeit nachgefragt. Selbstverständlich ist der Selbstschutz gegeben. Aber ich will auch deutlich sagen: Der Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan ist mit Risiken verbunden. Er ist mit Risiken auch für Leib und Leben unserer Soldaten verbunden. Sie machen dies im Interesse unserer Sicherheit und einer Entwicklung, die dazu beiträgt, dass Afghanistan nicht wieder zu einem Ausbildungszentrum für Terroristen wird. Um all das und um eine positive Entwicklung zu gewährleisten – dazu dient jetzt unsere Entscheidung, mit der Aufklärungsfähigkeit eine Lücke zu schließen. Deshalb bitte ich Sie um Ihre Zustimmung.