Rede des Bundesministers für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt,

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Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Sehr geehrter Herr Krischer,

2,5 Millionen VW-Fahrzeuge befinden sich gerade im verpflichtenden Rückruf, 680.000 Fahrzeuge anderer Hersteller in Deutschland stehen im Rahmen der Serviceaktion zur Umrüstung an. Und Sie reden hier davon, dass nichts getan wird. Das ist pure Heuchelei, weil Sie nicht wissen, wie man mit der ganzen Affäre umgeht. Sie haben keinen Plan, was notwendig ist, weil Sie dafür vernünftig in Richtung Brüssel blicken müssten.

Ich habe bereits im letzten Jahr vor dem Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments klargestellt, was notwendig ist, damit wir in Zukunft in der Tat mehr Kontrolle und bessere Prüfungen haben, damit solche Manipulationen, wie wir sie erlebt haben, vermieden werden.

Erster und bedeutendster Punkt dabei ist, dass wir natürlich das Recht verändern. Heute steht aufgrund der europäischen Richtlinie ein Scheunentor offen. In dieser Situation ist man für Manipulationen anfällig. Wir haben heute eine Richtlinie, die auf der einen Seite besagt, dass Abschalteinrichtungen verboten sind, und auf der anderen Seite besagt, dass es eine ganze Vielzahl von Ausnahmen gibt, die sich die Hersteller zunutze machen können. "Motorschutz" ist an dieser Stelle das Schlüsselwort, auf das sich nach europäischem Recht jeder berufen kann, um am Schluss in die Motorsteuerung einzugreifen, wenn es um die Emissionsstrategien geht. Das ist natürlich falsch. Das muss verändert werden. Ansonsten bekommen wir diese manipulationsanfällige Regelung nicht in den Griff.

Deswegen habe ich bereits im letzten Jahr gegenüber der Europäischen Kommission, im Untersuchungsausschuss und übrigens auch am 7. Juni 2016 im Verkehrsministerrat gesagt: Wir haben nur eine Möglichkeit durch Veränderung des europäischen Rechts. Wir müssen dafür sorgen, dass sich Hersteller, dass sich Ingenieure nicht mehr darauf berufen können, dass ihr Motor nicht leistungsfähig genug sei, um auf Dauer eine ordentliche Abgasstrategie zu verfolgen. Ich kann dies sehr plakativ formulieren: Heute ist nach europäischem Recht möglich, dass der schlechteste Ingenieur, dass der schlechteste Motor, dass die unausgereiftesten und unterdimensioniertesten Motoren für sich die meisten Ausnahmen in Anspruch nehmen und dann die meisten Schadstoffe ausstoßen. Das ist grundfalsch und muss geändert werden. Im Gesetz müssen der Stand der Technik und die modernsten Technologien vorgeschrieben sein. Dann vermeiden wir in Zukunft solche Manipulationen.

Herr Kollege Krischer, dabei geht es überhaupt nicht um EU-Bashing – das ist der Vorwurf, den Sie machen, anstatt sich mit der Sache auseinanderzusetzen –, sondern es geht darum, dass das, was vor vielen Jahren festgelegt wurde, überholt ist. Die Richtlinie ist von 2007. Das heißt, 2004 wurde begonnen, darüber zu diskutieren. Damals hat man über Motorengenerationen geredet, bei denen gar nicht vorstellbar war, was durch Digitalisierung, was durch Technisierung an Eingriffen möglich sein wird. Dass diese Richtlinie natürlich irgendwann verändert werden muss, dass das Recht natürlich den technischen Möglichkeiten folgen muss – das, was jetzt möglich ist, muss sich in der rechtlichen Konstruktion wiederfinden –, ist doch geradezu logisch. Das ist kein Vorwurf an diejenigen, die damals dieses Recht geschaffen haben. Aber das ist ein Vorwurf an diejenigen, die sich heute verweigern, dieses Recht zu ändern. Es ist in unserem Interesse, das Recht zu ändern.

Übrigens ist die EU-Kommission an der Stelle gar nicht so unwillig, unseren Vorschlägen zu folgen. Sie hat am 26. Januar dieses Jahres Leitlinien herausgegeben, wie man die europäische Verordnung 715/2007 zu interpretieren hat. Interessanterweise schreibt sie genau das in die Leitlinien, was wir an Rechtsänderungen einfordern: Wenn es andere Technologien gibt, die am Markt verfügbar sind, wenn es moderne Technologien gibt, die das Risiko beseitigen, dass der Motor einen Schaden nimmt, dann sollten sie, soweit technisch möglich, verwendet werden. Das schreibt jetzt die Kommission in ihren Leitlinien. Das ist ein Weg in die richtige Richtung. Das ist ein Zugehen auf unsere Forderungen. Das Problem ist nur: Diese Leitlinien sind für die Mitgliedstaaten nicht rechtlich verpflichtend. Wir gehen viel weiter, als es die Kommission vorschlägt. Wir wollen, dass es rechtlich verpflichtend wird, die modernsten Technologien einzusetzen. Das muss jetzt in Brüssel entschieden werden.

Des Weiteren ist auch der Vorwurf von Ihnen, wir würden uns dem entziehen wollen, dass es mehr Kompetenzen auf europäischer Ebene gibt, vollkommen falsch. Wir haben bereits im letzten Jahr gegenüber der Kommission, im Rat am 7. Juni und im Untersuchungsausschuss in Brüssel wie auch im Untersuchungsausschuss hier im Bundestag klargemacht, dass wir eine Clearingstelle in Europa brauchen. Wir haben aktuell die Situation, dass die Zulassungsbehörden der Länder und vielleicht auch die Länder zu einer unterschiedlichen Bewertung darüber kommen, was im Rahmen des geltenden Gesetzes an Abgasstrategie zulässig ist oder nicht.

Genau solche Diskussionen gibt es aktuell auch zwischen den Zulassungsbehörden in Deutschland und Italien und übrigens auch zwischen den Ministerien in Deutschland und Italien hinsichtlich des Falles Fiat. Wenn man zu unterschiedlichen Bewertungen kommt, braucht man logischerweise einen Schiedsrichter, der in der Lage ist, erstens selber zu prüfen, zweitens auch fachlich zu bewerten und drittens zu einer Entscheidung zu kommen, wer recht hat. Sind es die einen, die sagen: "Ja, da ist wahrscheinlich etwas, was sich außerhalb des Rechts bewegt", oder haben die anderen recht, die sagen: "Nein, es ist alles in Ordnung"? Solch eine Entscheidungsstelle, eine Clearingstelle wird von uns gefordert. Sie muss in Brüsseler Kompetenz liegen. Wir wollen nicht, dass die Brüsseler nur moderieren und sagen: Wir wissen auch nicht, ob die Deutschen oder die Italiener recht haben. Sie müssen zum Schluss entscheiden, wer recht hat, ob hier Manipulation stattfindet oder nicht. Auch das ist unsere Forderung ans europäische Recht.

Es ist unser Auftrag, dafür zu sorgen, dass diese Kompetenz in Europa geschaffen wird. Aber die Europäer müssen sie auch wollen. Leider ist diese Clearingstelle in dem, was bisher aus Europa gekommen ist, so nicht vorgesehen. Wir fordern sie aber von Brüssel ein. Wenn wir nicht wollen, dass es zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu ähnlichen Debatten kommt, dann werden wir die Gesetze ändern müssen. Wenn wir nicht wollen, dass zu einem späteren Zeitpunkt die Frage gestellt wird: "Wieso konnte man das wieder nicht verhindern?", dann müssen wir jetzt an das europäische Recht heran. Die Prüfmechanismen haben wir verbessert. Wir wenden in Zukunft die RDE-Verfahren, die realistischeren Prüfverfahren, an. "Real Driving Emission" heißt, wir nehmen die Messungen auf der Straße vor – wir gehen also weg von der Rolle – und passen sie stärker an das Fahrverhalten der Bürger an. Das ist schon entschieden und wird in diesem Jahr, übrigens auf Druck der Bundesregierung, umgesetzt. Wir erwarten davon natürlich, dass deutlich realistischere Ergebnisse erkennbar werden.

Wir haben auch Dopingtests eingeführt und fordern, dass dies in ganz Europa geschieht. Fahrzeuge müssen auch während ihrer Lebenszykluszeit daraufhin überprüft werden, ob sie noch den Regeln entsprechen. Dafür haben wir portable Messgeräte angeschafft, und wir schaffen beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) eigene Test- und Prüfanlagen an.

Außerdem gehen wir – das ist eine Beratungsleistung, die mit vom Verkehrsausschuss erbracht worden ist – bei den Abgasuntersuchungen wieder auf Endrohrmessungen über. Denn es geht nicht nur um werksseitige Manipulationen, sondern auch darum, dass es im Laufe des Lebenszyklus eines Fahrzeugs natürlich auch zu Veränderungen kommen kann, die nicht dem Recht entsprechen. Das können wir bei den Abgasuntersuchungen zukünftig durch Endrohrmessungen überprüfen und feststellen und es gegebenenfalls auch ahnden.

Das ist ein Teil der Maßnahmen, die wir ergriffen haben, um dafür zu sorgen, dass solche Manipulationen zukünftig nicht mehr möglich sind. Jetzt ist die Aufgabe, daran zu arbeiten, dass in Europa die Weichen richtig gestellt werden, damit wir solche Manipulationen in Zukunft verhindern können.