Rede des Bundesministers für Justiz und Verbraucherschutz, Heiko Maas,

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Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Heute steht nicht nur ein neuer Bundesjustizminister vor Ihnen, sondern zum ersten Mal liegt auch die Verantwortung für Justiz und Verbraucherschutz in einer Hand. Ich finde, das ist eine gute Nachricht für Stromkunden, für Internetnutzer, für Käufer und Kleinanleger. Für den Verbraucherschutz in Recht und Wirtschaft gilt nämlich, wie ich finde, schon lange: Die Zeit der Appelle ist vorbei; auch den Schwachen soll die Stärke des Rechts zuteilwerden. Deshalb ist der Verbraucherschutz im Justizministerium gut aufgehoben.

Wie notwendig das ist, liegt auf der Hand. Wer in den letzten Monaten in Berlin oder in anderen Großstädten unterwegs gewesen ist, der konnte einer Reklame kaum entkommen. Da warb ein Unternehmen um Anleger, indem es das Zeichen für atomare Strahlung schrittweise in ein grünes Windrad verwandelte. Gutes tun und dabei Gewinn machen, das war das subtile Versprechen, dem dann 75.000 Bürgerinnen und Bürger geglaubt haben. Inzwischen hat das Unternehmen Prokon Insolvenz angemeldet, und viele Menschen bangen um ihr Erspartes, das sie dort angelegt haben.

Keine Frage, zur Marktwirtschaft gehört auch das Risiko; aber Risiken müssen offengelegt werden, damit Anleger abwägen können, ob sie diese Risiken wirklich eingehen wollen. Das war bisher nicht immer der Fall.

Dieses Beispiel zeigt, dass es beim Grauen Kapitalmarkt nicht unerheblichen Handlungsbedarf gibt. Wir werden deshalb zusammen mit dem Bundesfinanzministerium demnächst Vorschläge machen, wie wir die Irreführung von Anlegerinnen und Anlegern etwa durch Werbung verhindern können. Wir wollen dazu auch die Zuständigkeiten der BaFin erweitern. Die Finanzaufsicht und deren Zielkatalog soll nicht nur die Stabilität des Marktes im Blick haben, sie muss sich auch um den kollektiven Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher kümmern. Das ist ein erster Punkt, wo wir als Verbraucherschutzministerium in den kommenden Tagen aktiv werden wollen.

Der Verbraucherschutz hat viele Facetten. Eine, die besonders viele Menschen betrifft, ist das Mietrecht. Dieses Thema war ja auch bisher im Justizministerium ressortiert. Heute werden die Mieten vor allem bei Wiedervermietungen zum Teil drastisch erhöht. In München betragen die Steigerungen in einzelnen Stadtteilen 40 Prozent und mehr, und selbst in Berlin muss man bei neuen Mietverträgen oft 20 bis 30 Prozent mehr zahlen als bei laufenden Verträgen für vergleichbare Wohnungen. Ich meine, auch gegen diese unverhältnismäßige Dynamik bei den Mieten müssen wir etwas tun.

Auch in Großstädten muss das Wohnen bezahlbar bleiben. Wir wollen keine Gentrifizierung. Unsere Städte leben von der Vielfalt in den Wohnquartieren und nicht von der Separierung nach Einkommensgruppen.

Deshalb werden wir noch im März einen Entwurf für eine wirksame Mietpreisbremse vorlegen. In Zukunft sollen die Länder Gebiete festlegen können, in denen bei Wiedervermietung die Mietsteigerung auf maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete begrenzt wird.

Das ist ein Beitrag für mehr bezahlbare Mieten und Wohnungen auch in Ballungsgebieten.

Ein zweiter Teil der Vorlage, die wir machen werden, wird beinhalten, dass wir bei den Kosten für die Makler das Bestellerprinzip einführen. Wer bestellt, bezahlt.

Dieses Prinzip der Marktwirtschaft soll in Zukunft auch für die Maklerrechnung gelten. Eigentlich ist dies nichts anderes als eine überfällige Selbstverständlichkeit. Dem werden wir nachkommen.

Rechtspolitik ist immer auch Gesellschaftspolitik. Unser Ideal ist eine moderne Gesellschaft, in der alle Menschen selbstbestimmt leben können ohne Privilegien und ohne Benachteiligungen aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität. Für zu viele Menschen in unserer Gesellschaft ist das aber noch immer Utopie, zum Beispiel für Frauen in deutschen Unternehmen. Trotz hervorragender Qualifikationen gibt es immer noch viel zu wenige Frauen in Führungspositionen.

Um das zu ändern, um zumindest einen ersten Schritt zu tun, werden wir zusammen mit der Frauenministerin Manuela Schwesig das Aktienrecht reformieren. Wir werden dafür sorgen, dass in den Aufsichtsräten der größten Unternehmen zukünftig eine verbindliche Frauenquote gilt. Es kann nicht sein, dass es sich um einen statistischen Fehler handelt, dass wir mittlerweile die bestausgebildete Generation an Frauen haben, sich das in den Führungsetagen der deutschen Wirtschaft aber immer noch nicht niederschlägt.

Selbstbestimmt zu leben, das bedeutet auch, dass der Staat zwar die Solidarität unter den Menschen fördern soll, ihnen aber nicht vorschreibt, wie sie zu leben haben. Ich setze mich deshalb dafür ein, dass wir alle Benachteiligungen von eingetragenen Lebenspartnerschaften, die unser Recht noch immer kennt, endlich beseitigen.

Im Adoptionsrecht haben wir damit bereits angefangen. Der Entwurf eines Gesetzes, das die Sukzessivadoption für Lebenspartner ermöglicht, ist fertig und wird derzeit innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Auf dem langen Weg zur rechtlichen Gleichstellung ist das, wie ich finde, ein wichtiger Schritt.

Die dritte große Aufgabe unserer Politik sehe ich vor allem im Schutz der Freiheit und der Bürgerrechte. Ihnen drohen heute viele Gefahren, sogar von denen, die vorgeben, sie zu schützen. Der Fall des massenhaften Abgreifens persönlicher Daten durch fremde Geheimdienste ist für mich nicht erledigt.

Um gegenseitiges Vertrauen wiederherzustellen, dürfen wir nichts unversucht lassen, die Daten unserer Bürger – übrigens nicht nur die der Regierungsmitglieder – besser zu schützen.

Präsident Obama hat zumindest erste Schritte angekündigt. Dennoch sind wir uns einig – ich bin froh, dass die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung klare Worte dazu gefunden hat –: Die NSA sollte nicht mehr ungebremst Daten sammeln können. Gerade in den USA gibt es längst Hinweise, dass die enormen Datenmassen gar nicht ausgewertet werden können und daher auch keinen Beitrag zum Schutz vor Terroranschlägen leisten.

Bei der schwierigen Suche nach der Balance zwischen Freiheit und Sicherheit können wir den Anspruch der Bürgerinnen und Bürger auf ein Leben in Sicherheit nicht ignorieren. Genauso wenig können wir ignorieren, dass immer häufiger lediglich vermeintliche Sicherheitsinteressen dazu dienen sollen, Bürgerrechte unverhältnismäßig einzuschränken. Das ist nicht der richtige Weg für eine ausreichende Balance zwischen Freiheit und Sicherheit.

Wenn mitten in Deutschland Menschen wegen ihrer Herkunft oder ihrer Hautfarbe verfolgt, ja ermordet werden, dann ist das der schlimmste Angriff auf Freiheit und Sicherheit, den man sich vor-stellen kann. Der rechtsextreme Terror des NSU war ein Schock für unsere gesamte Gesellschaft. Ich weiß, dass sich der Deutsche Bundestag sehr intensiv mit diesen Verbrechen beschäftigt hat. Deshalb sage ich Ihnen zu: Die Empfehlungen des Untersuchungsausschusses werden wir zügig umsetzen.

Wir werden, Herr Binninger, zum Beispiel die Rolle des Generalbundesanwaltes stärken. Es ist sinnvoll, dass der Generalbundesanwalt in Zukunft eine größere Entscheidungskompetenz erhält für den Fall, dass sich die Staatsanwaltschaften der Länder nicht über Verfahrensabgaben einigen können. Wir stellen auch sicher, dass Rassismus als Motiv einer Tat zukünftig stärker berücksichtigt wird. Bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus werden Sie uns an Ihrer Seite haben.

Das waren nur einige wenige Punkte aus unserem Arbeitsprogramm. Wir haben uns viel vorgenommen. Dazu gehören auch der Kampf gegen Menschenhandel und die rasche Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie oder die Einrichtung des Sachverständigenrates für Verbraucherfragen. Auch beim Urheberrecht sind wichtige Entscheidungen nicht länger aufschiebbar.

Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.