Rede des Bundesministers für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil,

  • Bundesregierung ⏐ Startseite
  • Bulletin

  • Schwerpunkte

  • Themen   

  • Bundeskanzler

  • Bundesregierung

  • Aktuelles

  • Mediathek

  • Service

Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!

Vor ziemlich genau zwei Jahren habe ich an diesem Rednerpult am Beginn der Coronakrise für die damalige Bundesregierung – das gilt aber auch für die heutige Bundesregierung – deutlich gemacht, was unser Ziel am Arbeitsmarkt ist. Unser Ziel ist es, den deutschen Arbeitsmarkt stabil und robust durch die Coronakrise – die tiefste Gesundheitskrise, aber auch die tiefste Wirtschaftskrise unserer Generation – zu bringen.

Ich kann feststellen: Vieles hat nicht geklappt in dieser Pandemie. Aber es ist mit vereinten Kräften gelungen, den deutschen Arbeitsmarkt vor allen Dingen mit dem Instrument der Kurzarbeit stabil zu halten. Die Kurzarbeit war und ist die stabilste Brücke über ein tiefes wirtschaftliches Tal. Ich bin dankbar, dass dieses Parlament diese Regelung getroffen hat.

Ich habe das auch an anderer Stelle erwähnt: Ich war vor einem Jahr eingeladen – digital, muss man leider sagen – in Amerika, in Harvard. Die hatten einen Austausch mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über Krisenreaktionen am Arbeitsmarkt in Amerika und den USA auf der einen Seite und Deutschland auf der anderen Seite. Ich habe festgestellt, dass der Begriff „the kurzarbeit“ im angelsächsischen Raum inzwischen ein Lehnwort geworden ist, ähnlich wie das schöne deutsche Wort „the kindergarten“. Er steht als Chiffre für gutes Krisenmanagement.

Denn Kurzarbeit hilft uns zum einen, Arbeitsplätze zu sichern. Wir haben in der Coronakrise über drei Millionen Arbeitsplätze gesichert. Wir hatten insgesamt acht Millionen Anträge zu Kurzarbeit. Es hilft zum anderen volkswirtschaftlich, die gesamte wirtschaftliche Nachfrage zu stabilisieren. Es hilft auch Unternehmen, nach der Krise mit Fachkräften an Bord wieder durchstarten zu können. Deshalb sage ich an dieser Stelle – das dürfen wir nie vergessen –: Es waren nicht nur Wirtschaftshilfen, sondern es war der deutsche Sozialstaat, der mitgeholfen hat, dieses Land stabil durch diese schwierigen Zeiten zu bringen.

Ja, Kurzarbeit war und ist für unseren Sozialstaat sehr, sehr teuer. Wir hatten am Beginn der Krise 26 Milliarden Euro Rücklagen bei der Bundesagentur für Arbeit aus den guten Zeiten; wir haben sie voll eingesetzt. Wir haben dann mit Steuermitteln nachgeholfen, damit die Bundesagentur für Arbeit stets handlungsfähig geblieben ist. Ich sage Ihnen aber auch deutlich: In solchen Krisen muss man unterscheiden. Kurzarbeit war teuer, aber die Rückkehr von Massenarbeitslosigkeit zuzulassen, wäre für Deutschland wirtschaftlich und sozial viel, viel teurer gewesen. Deshalb war das der richtige Weg, und wir setzen ihn heute fort.

Ich will aber auch für die Bundesregierung erklären, dass unser Ziel nicht ist „Kurzarbeit forever“, sondern wir bauen Brücken und wollen das andere Ufer erreichen. Wir haben die Hoffnung, dass wir im Sommer in einer anderen Situation sind. Aber wir haben nach wie vor Branchen, die schwer getroffen sind, vor allen Dingen im Veranstaltungsgewerbe, im Messebau, in der Gastronomie. Diese Unternehmen und ihre Beschäftigten brauchen jetzt die Kurzarbeit. Im industriellen Bereich haben wir auch hin und wieder mit Problemen zu tun, obwohl die Industrie sehr gut läuft, Stichwort „Lieferkettenprobleme“.

Deshalb bin ich dankbar, dass der Deutsche Bundestag heute diese Brücke weiter verlängert. Ich bin übrigens auch der Opposition, der vernünftigen Opposition, dankbar, dass sie der Fristverkürzung zugestimmt hat und offensichtlich heute auch mitmachen will. Es ist wichtig, dass wir diesen Weg gehen.

Im Einzelnen: Wir verlängern die Bezugsdauer von 24 auf 28 Monate. Denn 24 Monate sind seit Beginn der Krise vergangen. Das würde für viele Beschäftigte jetzt zu einer Abbruchkante führen. Wir haben die Hoffnung, dass wir im Sommer in einer besseren Situation sind. Wir verlängern die sogenannte Treppe für diejenigen, die ganz lange in Kurzarbeit sind. Aufgrund der Tatsache, dass in vielen Bereichen keine Aufschläge gezahlt werden, sind 60 oder 67 Prozent für Familien mit geringem Einkommen oft eine ziemlich harte Nummer. Deshalb ist es richtig, dass wir dafür sorgen, dass es für diejenigen, die lange drin sind, einen Puffer gibt bis hin zu 80, 87 Prozent.

Richtig ist auch, dass wir uns eine Verordnungsermächtigung gewünscht haben. Ich bin dem Parlament sehr dankbar, dass Sie das unterstützen. Im Fall der Fälle, dass es im Sommer nicht gut läuft – aus welchen Gründen auch immer; wir haben ja eine Pandemie; die ist unkalkulierbar –, können wir auch kurzfristig noch reagieren. Ich hoffe allerdings, dass wir davon nicht Gebrauch machen müssen.

Wir haben einen Schritt gemacht, der in einigen Bereichen kritisiert wurde: Wir haben die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge schon zum 1. Januar 2022 von 100 auf 50 Prozent herabgesetzt. Wir gehen jetzt von 50 auf 0 Prozent. Ich halte das für vertretbar, zumal wir Wirtschaftshilfen haben, auch aus dem Bereich des Kollegen Habeck. Außerdem kann man als Unternehmen 50 Prozent erhalten, wenn man Kurzarbeit mit Qualifizierung und Weiterbildung verknüpft. Ich will auch sagen: Wir müssen auch ein bisschen auf die Kassenlage gucken, denn die Bundesagentur für Arbeit muss Rücklagen aufbauen für spätere Krisensituationen und die großen Aufgaben der Transformation in Bezug auf die Qualifizierung.

Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie diesen Weg heute gehen, auch mit den Fristverkürzungen. Sie helfen damit vielen Beschäftigten in Deutschland, Sie helfen Unternehmen.

Bei allem, was nicht läuft: Wir können in Deutschland vielleicht auch mal stolz auf die Dinge sein, die funktionieren. Die Kurzarbeit hat funktioniert. Das ist nicht allein das Verdienst der Bundesregierung, meines Ministeriums oder dieses Parlaments, sondern es ist vor allen Dingen das Verdienst der fleißigen Kolleginnen und Kollegen der Bundesagentur für Arbeit, die die Regelungen die ganze Zeit über vorbildlich umgesetzt haben. Deshalb gilt mein Gruß den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Jobcentern und bei der Bundesagentur für Arbeit, die Deutschland wirklich durch diese Krise geholfen haben. Herzlichen Dank.