Rede des Bundesministers des Innern, Dr. Thomas de Maizière,

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Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren!

Beim Thema Flüchtlinge erleben wir in unserem Land eine breite, tiefe Bandbreite von Stimmungen und Gefühlen, ja vielleicht eine Spaltung zwischen Optimismus und Ernüchterung, Tatendrang und Müdigkeit, Mit- und Gegeneinander, Akzeptanz und Ablehnung, Gewalt und Versöhnung, schwierigem Abwägen und einfachen Parolen, Hoffnung auf Europa und Enttäuschung über Europa. All das ist kein bloßes Beiwerk zu der großen Aufgabe, an deren Lösung wir seit Monaten beharrlich arbeiten; es ist für uns alle Anstoß und Mahnung. Wir werden unsere Verantwortung nach außen nur wahrnehmen können, wenn wir in unserem Land und in unserer Gesellschaft den Zusammenhalt nach innen erhalten. Die Bundesregierung tut alles dafür, diese Situation national, europäisch und international zu bewältigen – unter Achtung unserer eigenen Interessen und mit Achtung gegenüber den zu uns kommenden Menschen.

Lassen Sie mich ein paar Beispiele von vielen nennen. Allein in den vier Monaten seit Oktober haben wir die Zugangszahlen der Menschen aus dem Westbalkan drastisch reduziert. Insgesamt sind die Zahlen der Flüchtlinge zurückgegangen. Das reicht noch nicht; aber die Richtung stimmt. Wir haben die Digitalisierung des Asylverfahrens geschaffen und geben seit kurzem einheitliche Ankunftsausweise aus. Damit erhalten wir Klarheit über die, die zu uns kommen, wo sie hingehören und was sie können. Doppelzählungen hören auf und Selbstzuweisungen an einen Ort eigener Wahl auch. All das ist auch für die Sicherheit unseres Landes wichtig.

Wir haben über den Bundeshaushalt massiv in Integration investiert. Auch hier ein Beispiel: In kürzester Zeit haben wir 8.000 weitere Lehrkräfte für Integrationskurse zugesagt.

Wir haben das Personal beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aufgestockt. Seit Oktober wurden dort 300.000 Nachregistrierungen durchgeführt sowie Rückstände aus rund 130.000 Altverfahren abgebaut. Mit fast 50.000 Entscheidungen im BAMF allein im Januar wurde eine neue Rekordzahl erreicht. Ich weiß, auch hier ist noch viel zu tun und zu verbessern, aber auch hier stimmt die Richtung.

Meine Damen und Herren, mit dem heute vorliegenden Gesetzespaket verbinde ich drei Botschaften:

Die erste richtet sich direkt an die Menschen in unserem Land.

Ihnen sage ich heute Folgendes: Wir arbeiten hart dafür, den Flüchtlingszustrom in unser Land zu begrenzen und zu verringern, vorneweg die Bundeskanzlerin. Die Wahrnehmung von internationaler Verantwortung und das Eintreten für eine europäische Lösung liegen in unserem nationalen Interesse.

Wir wissen, dass Ihre Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen auch davon abhängt, wie schnell über Straftäter, Wirtschaftsflüchtlinge und andere Nichtschutzbedürftige entschieden wird und dass diese wieder in ihre Heimat zurückgeführt werden. Ja, wir werden mit den Menschen härter umgehen, die nur behaupten, Schutz zu brauchen, aber in Wahrheit aus anderen Gründen nach Deutschland kommen oder mit Tricks oder falschen Angaben ihren Aufenthalt in Deutschland zu verlängern versuchen.

Wir begegnen allen Menschen, die zu uns kommen, mit Respekt, aber ohne Naivität. Wir regeln ein faires Asylverfahren und eine schnellere Abschiebung der Menschen, die keinen Anspruch auf Schutz haben.

Die vorliegenden Maßnahmen bilden einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Interesse an Begrenzung und unseren selbstverständlichen Verpflichtungen gegenüber Menschen, die Schutz brauchen. Es liegt in der Verantwortung und im Interesse unseres Landes, so lange wie möglich an Schengen festzuhalten. Das heißt: Schutz der Außengrenzen und möglichst wenige Kontrollen innerhalb Europas.

Wir werden weiterhin für einen europäischen Weg aus der Flüchtlingskrise kämpfen, solange er auch bei der Verringerung der Flüchtlingszahlen Erfolg verspricht. Falls aber einige Länder versuchen sollten, das gemeinsame Problem einseitig und zusätzlich auf den Rücken Deutschlands zu verlagern, so wäre das inakzeptabel und würde von uns auf Dauer nicht ohne Folgen hingenommen.

Meine zweite Botschaft richtet sich an die Menschen, die in den letzten Monaten in unser Land gekommen sind.

Auch an Sie wende ich mich direkt. Für die große Mehrheit von Ihnen ist es selbstverständlich, sich in Deutschland, in dem Land, das Sie aufnimmt, anständig und rechtstreu zu verhalten. Das ist gut, und das müssen wir alle auch laut gemeinsam sagen.

Sie erhalten hier ein faires Asylverfahren, und die Behörden werden so schnell wie möglich prüfen, ob Sie in unserem Land bleiben können. Wenn Sie aber aus asylfremden Gründen nach Deutschland kommen oder versuchen, ohne Aussicht auf Erfolg einen Aufenthalt zu begründen oder zu verlängern, werden Sie dieses Ziel nicht erreichen. Wenn Sie versuchen, sich einem geregelten Verfahren an dem Ort zu entziehen, wohin Sie verteilt werden, oder wenn Sie Ihre Chancen durch Täuschung verbessern wollen, wird Ihnen das nicht gelingen. Wenn Sie im Asylverfahren nicht mitwirkungsbereit sind, führt das zu Nachteilen in Ihren Verfahren.

Für diejenigen unter Ihnen, die aus sicheren Herkunftsstaaten kommen oder sich einem ordentlichen Verfahren verweigern, führen wir ein beschleunigtes Verfahren ein, das mit weiteren Auflagen verbunden ist und nach Ablehnung Ihres Antrags in einer raschen Rückführung enden wird.

Die vollen Asylbewerberleistungen erhalten Sie künftig nur dann, wenn Sie registriert sind und in der Ihnen zugewiesenen Unterkunft wohnen. Wer sich an die Regeln hält, hat das schnell erreicht. Das gilt – ich wiederhole es – für die große Mehrheit der Asylsuchenden in unserem Land. Für Sie ändert sich durch das neue Gesetz eigentlich ziemlich wenig. Wenn Ihr Asylantrag aber rechtskräftig abgelehnt worden ist und es keinen wirklichen Duldungsgrund gibt, müssen Sie unser Land verlassen. Gehen Sie nicht freiwillig, werden die Behörden Ihre Ausreisepflicht durchsetzen.

Rückführungsversuche scheitern oft daran, dass medizinische Gründe vorgebracht werden. Häufig wird geltend gemacht, dass die medizinische Versorgung im Herkunftsland eine Rückführung ausschließt, weil sie nicht dem deutschen Standard entspricht. Auch manche medizinischen Atteste scheinen nicht wirklich begründet zu sein, vor allem sogenannte Vorratsatteste. Wir regeln jetzt, dass es für eine Abschiebung eine solide medizinische Versorgung im Zielstaat geben muss, ausreichend und angemessen. Das hohe Niveau der medizinischen Versorgung in Deutschland muss aber nicht erfüllt werden.

Die medizinischen Standards in den Herkunftsländern müssen so sein, dass den Menschen auch nach der Rückkehr gut geholfen werden kann. Gleichheit mit deutschen Standards können und werden wir aber nicht gewährleisten. Das ist ehrlich, und das ist auch angemessen.

Der Gesetzentwurf sieht außerdem eine Änderung beim Recht auf den Familiennachzug vor; darüber haben wir ja seit einigen Wochen sehr heftig diskutiert. Die Einschränkung des Familiennachzugs mag hart erscheinen. – Sie ist hart, einverstanden. – Sie ist aber notwendig, um eine Überlastung der Aufnahmesysteme in unserem Land zu verhindern.- Hören Sie gut zu! Der nächste Satz wird Sie vielleicht noch mehr ärgern; aber ich halte ihn trotzdem für richtig. – Wir wollen nicht, dass Eltern ihre Kinder vorschicken, teilweise einer Lebensgefahr aussetzen, um anschließend selbst nachzukommen. Das wollen wir nicht.

Trotzdem gilt: Wenn es Härtefälle gibt, dann werden wir sie auch weiterhin besonders berücksichtigen. Das war ein wesentliches Ergebnis der Gespräche, die der Kollege Maas und ich, um das Asylpaket II insgesamt auf den Weg zu bringen, geführt haben. Das Außenministerium und das Innenministerium werden im Einvernehmen die entsprechenden Entscheidungen treffen.

Mit der dritten Botschaft richte ich mich an die Straftäter der Silvesternacht, die Asylbewerber sind.

Ihnen sage ich heute klipp und klar: Für Sie ist kein Platz in Deutschland. Es gibt keinen dauerhaften Schutz in unserem Land für die, die hier erhebliche Straftaten oder bestimmte Straftaten in Serie begehen. Ich sage Ihnen auch: Sie haben Ihre eigenen Landsleute und Ihre wunderbaren Herkunftsländer in Misskredit gebracht. Sie haben dem Ansehen der Flüchtlinge geschadet. Sie haben auch die in Deutschland schon lange lebenden Zuwanderer insgesamt der Gefahr eines Generalverdachts ausgesetzt, was wir jeden Tag auf den Straßen erleben. Und Sie haben den Populisten, Demagogen und anderen Scharfmachern Futter für ihre einfachen Denkmuster gegeben. All das haben diese Straftäter erreicht.

Wir haben Ihre Taten jetzt zum Anlass genommen, das Ausweisungs- und Asylrecht gegenüber kriminellen Ausländern zu verschärfen. Wir begründen ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse früher als bisher. Wir werden auch die Anerkennung als Flüchtling, den Flüchtlingsstatus, bei der Erreichung bestimmter Strafbarkeitsschwellen leichter versagen als bisher. All das ist eine deutliche Botschaft, nicht nur an die Straftäter in der Silvesternacht, sondern das ist auch für all die Menschen mit ausländischen Wurzeln und die vielen Flüchtlinge wichtig, die sich hier anständig verhalten und die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen. Auch diese Menschen sind mittelbar Opfer der Neujahrsnacht. Auch ihnen gegenüber tragen wir eine Verantwortung, die wir mit diesem Gesetzespaket jetzt übernehmen.

Das Asylpaket II und der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur erleichterten Ausweisung sind ein harter und wichtiger Schritt eines langen Weges. Ja, es ist eine Verschärfung des Asylrechts; da muss man gar nicht darum herumreden. Aber diese Verschärfung ist nötig, und sie ist angemessen. Dieser Gesetzentwurf löst nicht alle Probleme – das hat auch niemand behauptet –, aber einige wichtige.

Vor uns liegen weitere Aufgaben, vor allem die Reduzierung der Flüchtlingszahlen. Wir brauchen dafür Zusammenhalt, Ausdauer und Augenmaß. Deutschland bleibt ein Land mit Herz und ein Land mit Regeln.