Rede des Bundesministers des Auswärtigen, Heiko Maas,

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Wer still steht, verliert an Boden. Das gilt vor allem auch für das Thema Menschenrechte. Jeden Tag sehen wir aufs Neue, dass Menschenrechte keine Selbstverständlichkeit sind: Vielerorts werden Journalisten und Aktivisten ihrer kritischen Äußerungen wegen inhaftiert. Wir erleben Diskriminierung und Verfolgung aus ethnischen, religiösen oder geschlechtsspezifischen Gründen. Weltweit verletzen Parteien in bewaffneten Konflikten tagtäglich die Menschenrechte.

Die Mitglieder dieses Rates wurden gewählt, um sich solch gefährlichen Entwicklungen entgegenzustellen. Wenn wir bei den Menschenrechten keine Standhaftigkeit beweisen, werden wir den Boden verlieren, auf dem unsere internationale Staatengemeinschaft steht.

Dieser Einsatz für Menschenrechte beginnt zuhause – für jeden von uns. In Deutschland haben wir unsere Anstrengungen im Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit verstärkt. Doch bis eine wirklich inklusive, faire und gerechte Gesellschaft für all unsere Bürgerinnen und Bürger entsteht, bleibt noch viel zu tun.

Und in der Europäischen Union haben wir vor Kurzem ein Menschenrechtssanktionsregime verabschiedet. Denn jene, die Menschenrechte mit Füßen treten, haben nicht das Recht, Urlaub in europäischen Hauptstädten zu genießen oder ihr Geld in unseren Banken zu deponieren.

Standhaft bei den Menschenrechten zu bleiben heißt auch, mit neuen Herausforderungen Schritt zu halten: Der Klimawandel bedroht zunehmend die Menschenrechte. Dieses Problem gehen wir daher in allen Gremien der Vereinten Nationen und in der Allianz für den Multilateralismus an.

Die digitale Revolution und neue Technologien bringen die Menschheit voran – aber sie bergen auch Risiken. Hassrede führt zu Gewalt. Künstliche Intelligenz kann Diskriminierung verschärfen. Der Schutz von Redefreiheit, Menschenwürde und Privatsphäre im digitalen Zeitalter muss daher weiter ganz oben auf unserer Tagesordnung stehen.

Diese Herausforderungen bewältigen wir nur durch eine stärkere Menschenrechtsarchitektur der Vereinten Nationen – mit dem Menschenrechtsrat im Zentrum. Das gilt besonders in Zeiten einer globalen Pandemie, die ihrerseits eine Gefahr für die Menschenrechte darstellt. Daher wird Deutschland seine freiwilligen Beiträge an das Amt des Hohen Kommissars für Menschenrechte (OHCHR) in diesem Jahr um fast 50 Prozent auf 11,5 Millionen US-Dollar aufstocken.

Wir treten auch weiterhin für eine engere Verbindung zwischen dem Menschenrechtsrat und dem Sicherheitsrat ein. Tragfähiger Frieden braucht die Achtung der Menschenrechte. Und wir begrüßen das erneute Bekenntnis der Vereinigten Staaten zum Menschenrechtsrat.

Nach der Wahl im letzten Jahr gab es viel Kritik an der Zusammensetzung des Menschenrechtsrats. Unterschiedliche Sichtweisen befeuern Debatten und führen zu besseren Ergebnissen. Und eine diverse Mitgliedschaft von Staaten stärkt die Glaubwürdigkeit des Rates.

Aber lassen Sie mich klar sagen: Unterschiedliche kulturelle Hintergründe oder nationale Sichtweisen können kein Vorwand dafür sein, dass Mitgliedstaaten die Arbeit des Rates behindern. „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Jeder Staat – allen voran Menschenrechtsratsmitglieder – ist an die Verteidigung dieser Verpflichtung gebunden – ebenso wie an die der übrigen 29 Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Deswegen war es richtig, dass dieser Rat klare Worte zum Umsturz einer demokratisch gewählten Regierung in Myanmar gefunden hat.

Unser Bekenntnis zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte lässt auch keinen Raum für die willkürliche Internierung ethnischer Minderheiten wie der Uiguren in Xinjiang oder Chinas hartes Vorgehen gegen bürgerliche Freiheitsrechte in Hongkong. Wir müssen Stellung beziehen gegen schwerwiegende Eingriffe in bürgerliche Freiheitsrechte in Ländern wie Nordkorea und Syrien. Wir müssen auf die immer stärkeren Einschränkungen hinweisen, die der Zivilgesellschaft auferlegt werden, sei es in Iran, Venezuela oder andernorts. Wir werden nicht schweigen, wenn friedlich Demonstrierende und führende Vertreter der Opposition angegriffen und eingesperrt werden, wie es in Belarus oder Russland geschieht.

Schutz der Menschenrechte bedeutet, jene, die Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind, in den Mittelpunkt unseres Handelns zu stellen. Daher haben wir ein Programm ins Leben gerufen, mit dem Kurzaufenthalte für Menschenrechtsverteidiger in Deutschland und anderen Ländern gefördert werden. So können sie – zumindest vorübergehend – aus der Schusslinie genommen werden.

Als Mitglied des Sicherheitsrats haben wir in den zurückliegenden beiden Jahren eine nie dagewesene Zahl von Berichterstattern aus der Zivilgesellschaft eingeladen, die meisten von ihnen Frauen. Sie haben den Rat mit ihren Erfahrungen von Konflikt und Gewalt aus erster Hand konfrontiert. Und wir setzen uns dafür ein, dass ihre Stimmen auch im Menschenrechtsrat Gehör finden.

Frau Präsidentin, Deutschland freut sich darauf, mit Ihnen und mit allen anderen Mitgliedern dieses Rates zusammenzuarbeiten. Um neue Herausforderungen anzugehen, um die Menschenrechte voranzubringen – und um Standhaftigkeit zu beweisen.

Vielen Dank.