Rede des Bundesministers der Justiz und für Verbraucherschutz, Heiko Maas,

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Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Ich will gleich zum Verbraucherschutz kommen und möchte Sie an einen Artikel erinnern, der am Sonntag in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ stand. Er war überschrieben mit den Worten „Verschenkte Millionen“, und der Untertitel lautete: Der Verbraucherschutz in Deutschland bekommt immer mehr Geld. – Das, was ich jetzt hier zum Verbraucherschutz gehört habe, lässt vor diesem Hintergrund wirklich nur auf eine sehr eingeschränkte Wahrnehmungsfähigkeit derer schließen, die das hier so gesagt haben.

Deshalb will ich noch einmal – zumindest in aller Kürze – in Erinnerung rufen, was im Verbraucherschutz sowohl in den letzten Haushalten als auch in diesem Haushalt auf den Weg gebracht worden ist.

Es gibt in Deutschland nicht mehr nur einen Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Es gibt mittlerweile auch einen Sachverständigenrat für Verbraucherfragen. Der Finanzmarktwächter und der Marktwächter Digitale Welt haben nicht nur ihre Arbeit aufgenommen, sondern sie arbeiten und funktionieren hervorragend. Das wird die Architektur des Verbraucherschutzes in diesen beiden Bereichen ganz wesentlich verändern.

Wir haben nicht nur das Kleinanlegerschutzgesetz als Reaktion auf die Prokon-Pleite gemacht, sondern wir haben es auch geschafft, den Verbraucherschutz als Aufgabe und Ziel bei der BaFin hereinzuschreiben. Auch das ist eine strukturelle Veränderung. Wir wissen, dass bei den Finanzdienstleistungen der Verbraucherschutz in den kommenden Jahren immer wichtiger werden wird.

Wir wollen – das steht unmittelbar bevor, wie ich hoffe – ein Verbandsklagerecht bei Datenschutzverstößen einführen, damit auch da die Rechtsdurchsetzung verbessert wird.

Wir haben die Mietpreisbremse eingeführt und das Bestellerprinzip im Maklerrecht. Das war zwar schon früher im Justizministerium ressortiert, aber ist doch nichts anders als auch eine Maßnahme für Verbraucherinnen und Verbraucher.

Und wir haben, wie schon erwähnt – Herr Kauder, ich bitte Sie, da vielleicht die Kollegen aus der Opposition noch einmal ins Bild zu setzen –, für die Stiftung Warentest zehn Millionen Euro im Haushalt vorgesehen und noch einmal 90 Millionen im Rahmen einer Verpflichtungsermächtigung, um das Stiftungskapital zu erhöhen und damit dafür zu sorgen, dass die Arbeit in der Stiftung Warentest auch in Zukunft, und zwar sehr eigenständig, fortgeführt werden kann.

Wir haben also, liebe Frau Künast, nicht nur viel getan, sondern wir haben auch die Strukturen im Verbraucherschutz weiterentwickelt.

Im Übrigen wird auch dem wirtschaftlichen Verbraucherschutz – der Hinweis sei erlaubt – in diesem Haushalt mehr Geld zur Verfügung gestellt, und zwar inflationsbereinigt mehr, als er unter Rot-Grün je bekommen hat. Ich glaube, da wird doch durchaus deutlich, wie ernst wir den Verbraucherschutz nehmen.

Zur Rechtspolitik. Da komme ich nicht umhin, auch noch einmal auf die Ereignisse zurückzukommen, die eben auch im Innenressort schon eine große Rolle gespielt haben: Die furchtbaren Terroranschläge in Paris – in den letzten Tagen und Wochen allerdings nicht nur in Paris, sondern auch an vielen anderen Stellen unserer Welt – haben uns nicht nur erschüttert, sondern sie bewegen auch die Rechtspolitik. Ich kann Ihnen sagen: Justiz und Sicherheitsbehörden arbeiten derzeit – und nicht erst aktuell – eng zusammen mit dem Ziel, Anschläge zu verhindern, Verdächtige zu fassen. Dies gilt national, aber dies gilt auch international vor allen Dingen zurzeit mit den Partnern in Frankreich und mittlerweile auch in Belgien. Allein der Generalbundesanwalt führt im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg in Syrien bereits 120 Ermittlungsverfahren gegen fast 200 Beschuldigte, die sogenannten Dschihadisten – Tendenz stark steigend.

Wir wissen gerade in solchen Situationen, dass Freiheit und Sicherheit kein Gegensatz sind, sondern zwei Seiten einer Medaille. Nur wer sicher ist, kann auch frei und selbstbestimmt leben. Und deshalb will ich aufgrund der Diskussionen, die es gibt, und mit Blick auf den Terror in Paris und an anderen Orten dieser Welt ganz klar sagen: Ja, wir müssen einen kühlen Kopf bewahren, aber wir müssen dort, wo es notwendig ist, überlegt handeln. Es gibt Dinge, die wir tun sollten, und es gibt Dinge, die wir nicht tun sollten.

Das hat zunächst einmal etwas damit zu tun, wie wir auf das reagieren, was dort geschehen ist. Ich bin sehr froh darüber, dass auch in der öffentlichen Debatte sehr verantwortlich mit der Diskussion umgegangen wird. Es geht darum, die Werte, die diese Gesellschaft zusammenhalten, auch zu bewahren, sich nicht zu Hass und zu Angst verleiten zu lassen. Das heißt dann auch – das will ich an dieser Stelle noch einmal in aller Deutlichkeit sagen – für unsere Gesellschaft und für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft: Wir dürfen jetzt auf keinen Fall alle Muslime unter Generalverdacht stellen. In unserer Hilfe für Flüchtlinge aus Syrien werden wir nicht nachlassen – in dem Bewusstsein, dass diese Menschen auch Opfer sind. Sie fliehen vor dem gleichen Terror, der in Paris gemordet hat. Auch das muss in dieser Diskussion immer wieder deutlich gemacht werden.

Hass und Hetze finden in diesem Zusammenhang in Deutschland in vielfacher Hinsicht statt, in der Vergangenheit immer stärker auch in den sozialen Medien. Deshalb haben wir uns vor einigen Wochen zur Aufgabe gemacht, hier zu deutlichen Verbesserungen zu kommen. Wie Sie wissen, arbeiten wir mit Twitter, Facebook und Google in einer Taskforce zusammen. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, dass Facebook heute bekannt gegeben hat, dass es in der Praxis seiner Plattform etwas verändern will. In Zusammenarbeit mit dem Verein Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter hat der Konzern heute bekannt gegeben, dass Posts, die die Androhung von physischer Gewalt enthalten, künftig grundsätzlich als glaubhafte Drohung eingeschätzt werden und deshalb alle von Facebook aus dem Netz entfernt werden. Eigentlich ist das eine Selbstverständlichkeit. Trotzdem bin in froh, dass der Druck, den wir alle gemacht haben, jetzt wirkt und sich Facebook endlich zu dieser überfälligen Maßnahme entschlossen hat.

Es gilt, auch weiterhin keine Angst zu haben und die Werte in einer freien Gesellschaft so zu leben, wie wir es in der Vergangenheit gemacht haben: im ganz alltäglichen Leben, in Restaurants, in Konzerten und in Fußballstadien. Wir dürfen auch nicht der Rhetorik der Terroristen auf den Leim gehen. Lasst sie doch vom Krieg reden, vom Kampf der Kulturen und der Religionen. Wir wissen es besser. Es gibt keinen Krieg zwischen dem Christentum und dem Islam, keinen Krieg zwischen Okzident und Orient. Die Terroristen morden überall – in Paris und in Beirut –, und sie töten Muslime genauso, wie sie Christen und Juden töten.

Diese Attentäter sind keine Soldaten, schon gar keine Gotteskrieger, sondern sie sind nichts anderes als Mörder. Gegen Kriminelle führen wir keinen Krieg, sondern wir bekämpfen das Verbrechen.

Ja, auch ich bin der Auffassung, dass man mit Rufen nach dem Einsatz der Bundeswehr im Innern vorsichtig sein sollte. Das Bundesverfassungsgericht hat 2012 klar entschieden, dies würde Ereignisse von katastrophischem Ausmaß und die völlige Überforderung von Polizei und Sicherheitsbehörden voraussetzen. Ich finde, wir sollten mit solchen Diskussionen im Moment gerade nicht solche Signale geben, dass Ereignisse katastrophischen Ausmaßes bevorstehen oder unsere Sicherheitsbehörden überfordert sind. Das sind sie nicht. Wir sorgen mit diesem Haushalt dafür, dass sie das auch in Zukunft nicht sein werden.

Wir haben in den vergangenen Monaten rechtlich vieles auf den Weg gebracht, was eigentlich nur konsequent angewandt werden muss. Wir sind in der internationalen Staatengemeinschaft eines der ersten Länder gewesen, die die UN-Resolution zu den Foreign Fighters umgesetzt hat. Wir haben die Ausreise für Leute unter Strafe gestellt, die sich von hier aus in Gebiete begeben wollen, in denen Terrorcamps sind, oder die sich an Kampfhandlungen des sogenannten „Islamischen Staates“ beteiligen wollen. Ich finde, das ist sehr verantwortlich; denn es gab auch im politischen Raum Stimmen, die sagten: Lasst sie doch ziehen, dann sind sie weg. – Nein, das können wir nicht zulassen; denn wir wissen, dass ein nicht unerheblicher Teil zurückkommt und dann noch stärker radikalisiert ist, als es schon vorher der Fall war. Erst dann werden die Dschihadisten zu einer konkreten Gefahr. Deshalb haben wir das Strafrecht an der Stelle bereits geändert.

Wir haben einen eigenen Straftatbestand der Terrorismusfinanzierung eingeführt. Denn in den unterschiedlichsten Behörden ist eine wichtige Aufgabe bei der Bekämpfung des Terrorismus in der Vergangenheit nicht nur bei uns etwas zu kurz gekommen, nämlich die Finanzquellen trockenzulegen, die es ermöglichen, bei uns Anschläge zu begehen. Auch das haben wir getan.

Auch das will ich gar nicht verschweigen, sondern in aller Deutlichkeit sagen: Ja, wir haben auch das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten beschlossen. Wir alle wissen, dass dieses Gesetz kein Allheilmittel ist und nicht jeden Anschlag verhindern kann. Aber wir haben in Frankreich auch gesehen, dass es mit den Mitteln, die dort zur Verfügung stehen, möglich ist, Personen, die sogenannte Resonanzstraftaten begehen könnten, sehr schnell aufzuspüren, sie festzusetzen und damit möglicherweise einen Anschlag zu verhindern. Ich sage Ihnen auch in aller Offenheit: Ich bin froh, dass wir diesen Beschluss schon gefasst haben; denn ich finde es allemal besser, über ein so kritisches Thema nicht unter dem unmittelbaren Eindruck eines Anschlages zu diskutieren. Ich bin mir nicht sicher, was dann in diesem Gesetz gestanden hätte. Auch deshalb war es gut, dass wir das sehr sachlich und rational besprochen und beschlossen haben.

Insofern sind wir sowohl auf der rechtlichen Ebene als auch, was die Ausstattung unserer Behörden angeht, gut für das aufgestellt, was uns noch lange beschäftigen wird und uns dort noch bevorsteht. Auch beim Generalbundesanwalt haben wir aufgrund der erhöhten Anzahl der Verfahren mit diesem und dem letzten Haushalt dafür gesorgt, dass Mittel für fast 20 Prozent mehr Personal in Karlsruhe zur Verfügung gestellt werden. Ich glaube, dass dieser Haushalt allen Anforderungen, denen wir im Moment ausgesetzt sind, in vollem Umfang gerecht wird.