Rede des Bundesministers der Finanzen, Olaf Scholz,

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Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!

Wir sind gegenwärtig dabei, auf unterschiedlichsten Ebenen dafür zu sorgen, dass wir mit der großen Herausforderung zurechtkommen, die sich aus der Covid-19-Pandemie ergibt. Und eins ist ganz klar: Das ist etwas, was wir nicht nur mit all den Maßnahmen bewerkstelligen können, die wir auf nationaler Ebene ergreifen. Wir müssen alles dafür tun, dass das auch global und natürlich auch im europäischen Rahmen gut funktioniert.

Wer glaubt, dass eine solche Herausforderung bewältigt werden kann, indem er sich auf sich selber beschränkt, hat nicht verstanden, was für eine Bedrohung das Virus für uns alle ist. Es bedroht uns als Menschen; niemand kann gewissermaßen für sich sagen, er sei davon unberührt. Es bedroht uns aber auch als diejenigen, die insgesamt auf diesem Planeten leben. Deshalb ist Solidarität und miteinander gemeinsam Handeln das Gebot der Stunde.

Das gilt natürlich ganz besonders, wenn wir die Europäische Union betrachten mit all den Herausforderungen, die dort überall zu beobachten sind. Man muss nur in den Fernseher schauen, um zu sehen, welche dramatischen Auswirkungen die Virusinfektionen in manchen Ländern Europas gehabt haben. Ich glaube, wer die Bilder sieht und die Berichte liest, wer ein bisschen mit den Betroffenen gesprochen hat, der hat ein Gefühl dafür, dass wir niemanden alleinlassen dürfen und deshalb etwas machen müssen, was immer auch vor Ort hilft.

Das haben wir diskutiert in Europa, bei den europäischen Finanzministern und den europäischen Staats- und Regierungschefs, und haben Lösungen entwickelt. Eine ist zum Beispiel, dass wir ein großes Paket von über 500 Milliarden Euro geschnürt haben, um auf die konkrete Situation reagieren zu können: mit den Möglichkeiten der Europäischen Investitionsbank, die kleine und mittelständische Unternehmen unterstützen kann, mit den Möglichkeiten der Europäischen Union, die etwas tun will und tun wird für diejenigen, die zum Beispiel Kurzarbeit benötigen, und natürlich mit den Instrumenten des Europäischen Stabilitätsmechanismus, die wir neu wirksam gemacht haben. Alle diese Beschlüsse sind mittlerweile auf dem Weg. Wir haben es hinbekommen, Verständigung zu erreichen für alle diese drei Pakete.

Das, was wir heute diskutieren, ist das, was sich um Kurzarbeit dreht. Ich finde, es ist schon etwas Besonderes, über ein solches Thema diskutieren zu können, wenn man bedenkt, dass die Kurzarbeit eine Erfahrung der Sozialpartnerschaft aus Deutschland ist. Wir haben das als Allererste gemacht. Wir haben das seit Jahrzehnten miteinander entwickelt, und es hat uns in der letzten Krise 2008/2009 sehr geholfen. Viele sagen: Das ist genau das Richtige gewesen. Dass Deutschland durch die letzte Krise 2008/2009 so gut gekommen ist, hat ganz wesentlich an dem automatischen Stabilisator Kurzarbeit gelegen, der dazu geführt hat, dass nicht plötzlich Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verloren haben. International wird es gelobt: vom Internationalen Währungsfonds, von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), auch von der Europäischen Union schon immer in der Vergangenheit. Deshalb finde ich, es ist eine gute Botschaft, zu sagen: Alle wollen das jetzt auch machen. – Die noch bessere ist: Wir wollen ihnen dabei helfen, das in ihren Ländern auch zu können.

Ich bin auch sicher, dass die Möglichkeit genutzt werden wird. Es ist ja auch darüber diskutiert worden, ob das jetzt alles beschlossen wird und dann keiner davon Gebrauch macht. Da sollte sich keiner Sorgen machen. Sobald wir mit den ganzen Gesetzgebungsverfahren in den verschiedenen Parlamenten durch sind, wird es auch etwas werden.

Deshalb ist es für mich auch ein Grund, einen Ausblick zu wagen auf das, was wir noch vorhaben, wenn wir über die Zukunft Europas reden. Wir wollen ja dafür Sorge tragen, dass das richtig funktioniert. Es geht nicht nur darum, wie wir durch die Phase des Lockdowns und der großen Herausforderung, die damit verbunden ist, gehen, sondern wir wollen unbedingt auch erreichen, dass wir den Wiederaufbau unserer Europäischen Union wieder hinbekommen und dass Arbeitsplätze und Beschäftigung überall in Europa funktionieren. Und darum brauchen wir einen europäischen Wiederaufbaufonds.

Europa funktioniert, wie es sich für eine demokratische Gemeinschaft gehört, indem man von unterschiedlichen Positionen aus diskutiert, indem es gelingt, Mehrheiten zu bekommen im Europäischen Parlament, aber auch bei den 27 Mitgliedstaaten ein Einvernehmen herzustellen über das, was jetzt dringend erforderlich ist. Das gelingt natürlich dann am besten, wenn es keine ideologischen Kontroversen gibt, die gar geografisch aufgeteilt sind in Nord und Süd, Ost und West. Das heißt, das gelingt dann, wenn wir aus einer gemeinsamen europäischen Idee heraus politische Perspektiven entwickeln. Das ist gelungen mit dem Vorschlag, den Deutschland und Frankreich gemeinsam gemacht haben für einen solchen Wiederaufbaufonds. Es ist gelungen, weil die Debatte sich seitdem nur noch in einer konstruktiven Richtung bewegt. Man merkt richtig: Alle in Europa wollen jetzt daran mitwirken, dass wir eine Lösung zustande bekommen, und zwar schnell und nicht irgendwann, sondern jetzt, wo es in der Krise benötigt wird.

Die Kommissionspräsidentin und die Kommission haben einen Vorschlag gemacht. Er ist nicht eins zu eins das, was wir selber vorgeschlagen haben. Aber er wäre nicht denkbar gewesen ohne diese politische Initiative. Dass sich alle auch sicher sind, dass am Ende eine Verständigung nach langen Verhandlungen zustande kommen wird, ist schon ein sehr gutes Zeichen. Aus meiner Sicht sollte das auch bald der Fall sein; denn wir sind nicht nur in Deutschland am Ende des Lockdowns, sondern wir sind es auch in vielen anderen Ländern, manchmal noch zeitversetzt. Dann braucht man eine Situation, in der der Wiederaufbau und die Konjunkturprogramme greifen müssen.

Es wäre ganz wirkungslos, wenn wir in Deutschland Anfang Juni über ein Konjunkturprogramm diskutierten und nicht sicher wären, dass auch anderswo in Europa das Gleiche passierte, als gemeinschaftliche Anstrengung ohnehin; denn unsere Volkswirtschaft ist darauf angewiesen, nicht nur wegen der Zulieferer und Absatzmärkte, sondern auch, weil wir längst eine europäische Volkswirtschaft haben, die zusammenwirkt.

Deshalb mein Wunsch: Lassen Sie uns alle gemeinsam dieses Werk auch noch zustande bringen und zeigen, dass wir in der Lage sind, das Richtige zu tun, hierzulande, aber auch als Europäerinnen und Europäer.

Schönen Dank.