Rede der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Svenja Schulze,

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Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete!

Wir leben in aufgeladenen Zeiten. Wir sind wirklich geprägt durch politisch-rhetorische Seltsamkeiten, auch in der umweltpolitischen Debatte. Der Spannungsbogen ist sehr breit; das haben wir im Sommer wieder gesehen. Für die einen gibt es menschengemachte Umweltprobleme überhaupt gar nicht. Selbst in einem Sommer wie diesem sonnen sie sich noch in ihrer faktenignorierenden Ideologie. Für die anderen kann die Wirklichkeit gar nicht drastisch genug dargestellt werden. Sie reduzieren Politik darauf, das wissenschaftlich Richtige umzusetzen, und blenden die gesellschaftliche Komplexität einfach aus.

Damit einher geht eine Eskalation der Sprache. Das ist umso bedauerlicher, da Umweltpolitik eigentlich Mut machen muss angesichts der Erfolge, die wir in diesem Themenfeld haben, da Umweltpolitik eigentlich eine Querschnittsaufgabe ist und Menschen, Politiker und Politikfelder wirklich gewinnen kann und da sich Umweltpolitik auf verlässliche wissenschaftliche Fakten stützen kann, was doch ein enormer Gewinn für die Diskussion ist.

All das spiegelt der Haushalt 2019 wider. Er wächst um rund 15 Prozent und zeigt damit, dass Umweltpolitik eine sehr hohe Priorität genießt. Er legt drauf bei Forschung, beim internationalen Klimaschutz und bei der Artenvielfalt und er schafft die Basis für den von vielen erwarteten Wildnisfonds. Der Haushalt unterlegt vor allem auch die Aufräumarbeiten nach dem Atomausstieg, bei der Zwischen- und bei der Endlagerung sowie beim Standortauswahlverfahren. Und er setzt neue Akzente, zum Beispiel mit einem Titel zur Umrüstung unserer Industrie auf treibhausgasneutrale Produktionsverfahren. Erste Eckpunkte für ein solches Förderprogramm haben wir bereits vorgelegt. Dafür haben wir einen Branchendialog mit der besonders energieintensiven Industrie begonnen. Der Start des Programms soll 2020 erfolgen.

Mit diesem Haushalt kann das Bundesumweltministerium die aktuellen umweltpolitischen Herausforderungen bestehen und kann Begonnenes auch konsequent weiterführen. Ich will nur ganz wenige Beispiele nennen.

Erstens: Das Insektensterben ist etwas, was viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Land wirklich bewegt. Die Erkenntnis, dass wir auf keine Kreatur verzichten können, ist inzwischen weit verbreitet. Sie ist so weit verbreitet, weil auch klar ist, dass wir uns sonst selbst gefährden. Deswegen habe ich direkt nach Amtsantritt Eckpunkte für einen Aktionsplan Insektenschutz vorgelegt. Den werden wir jetzt – natürlich in einem gesellschaftlichen Austausch – mit Maßnahmen unterlegen. Deswegen stärken wir auch das Bundesamt für Naturschutz mit dem Haushalt 2019, weil es eine ganz wichtige Rolle beim Aufbau des Zentrums für Biodiversität einnehmen soll.

Ein zweites ganz wichtiges Beispiel: Wir hatten jahrzehntelang politische Kämpfe im Land um die Atomenergie. Den Ausstieg haben wir im Konsens beschlossen und damit gezeigt, dass demokratische Politik erfolgreich sein kann, dass sie sehr erfolgreich sein kann, dass die Kraft zum Konsens eine große Stärke unserer Demokratie ist. Jetzt wird es in den nächsten Jahrzehnten darum gehen, die nuklearen Hinterlassenschaften sicher zwischen- und schließlich endzulagern. Daran arbeiten sehr viele Expertinnen und Experten jeden Tag in den neu geschaffenen Strukturen. Mit diesem Haushalt stärken wir ihre Arbeit und stärken auch das Vertrauen, das sie brauchen.

Ein drittes Beispiel, das ich hier nennen will, ist die Digitalisierung. Sie erfasst alle Bereiche unseres Lebens. Sie kann auch ein ganz wichtiges Instrument im Umwelt- und Naturschutz sein, sie kann dort wichtige Weichen stellen, wenn wir ein paar Schritte im Voraus denken. Umweltfreundliche Mobilität ist ohne Digitalisierung nicht denkbar. Aber wir müssen sie natürlich so gestalten, dass sich die Staus nicht noch verlängern. Unsere Energiewende ist eine digital gestützte Energiewende. Aber es muss vollkommen klar sein: Wer beim Ausbau der erneuerbaren Energien bremst, wird bei den elektrifizierten digitalen Verkehren nicht vorankommen. Es zeigt sich auch an dieser Stelle, dass Umweltpolitik angesichts der Digitalisierung wirklich Zukunftspolitik ist. Daran arbeitet das BMU, daran arbeitet der gesamte Geschäftsbereich. Wir wollen eine nachhaltige Digitalisierungsstrategie vorlegen, und der Haushalt unterstützt uns in diesem Anliegen.

Ich will an dieser Stelle einmal sagen: Es ist auch gut, dass wir auf europäischer Ebene, im europäischen Umweltausschuss, jetzt eine Diskussion zu den CO2-Grenzwerten für Neuwagen hatten und da ein ganzes Stück vorangekommen sind. Der Kompromiss im Umweltausschuss des EU-Parlaments ist eine sehr gute Basis für die weiteren Verhandlungen. Ein niedriger CO2-Ausstoß nutzt dem Klima – natürlich –, er nutzt den Verbraucherinnen und Verbrauchern, die dann weniger Sprit für die Autos brauchen. Er ist aber auch eine ganz wichtige Basis für die Modernisierung und Erneuerung der Automobilindustrie. Und die brauchen wir auch.

Umweltpolitik hat vielfach eine Doppelrolle. Das erleben Sie hier im Parlament immer wieder. Wir müssen Treiberin von Innnovation und Fortschritt sein. Wir müssen zum Beispiel unsere Automobilhersteller antreiben, in Zukunftstechnologien zu investieren, anstatt verbindliche Zielvorgaben beim Klimaschutz abzuwehren. Zugleich müssen wir in der Umweltpolitik aber auch immer die sozialen und die ökonomischen Konsequenzen mitdenken. Es mag langweilig sein, es mag vielleicht auch ein wenig reißerisch klingen, aber Umweltpolitik muss versöhnen und sollte nicht spalten – übrigens an beiden Enden des Spektrums. Das gilt für mächtige Konzerne ebenso wie für ihre Gegner. Die einen sollten um des politischen Prozesses willen die Hand von der Kettensäge nehmen, und die anderen sollten von den Bäumen steigen und sich dem politischen Kompromiss öffnen. Wir brauchen diese gemeinsame Diskussion.

Damit bin ich bei der Klimaschutzpolitik, die mit fast 540 Millionen Euro auch im Haushalt 2019 wieder den zweitstärksten Block darstellt. Wir alle haben diesen Jahrhundertsommer erlebt. Das ist der zweitheißeste Sommer seit Aufzeichnung der Klimadaten und der fünfte Jahrhundertsommer innerhalb von acht Jahren. Das macht deutlich, dass der Klimawandel schon lange im Gange ist. Die Klimawissenschaft hat uns das prognostiziert. Die Wissenschaftler haben gesagt, dass die Extremwetterereignisse zunehmen werden, und das tun sie jetzt. Daraus erwachsen hier in Deutschland Probleme. Das sind aber im Vergleich zu den internationalen Problemen eigentlich kleine. In anderen Teilen der Welt sind es existenzielle Sorgen. Sie treiben Menschen in die Flucht, und sie veranlassen Regierungen, Evakuierungspläne für ihre Bevölkerung zu entwickeln. Umso wichtiger war und ist die Verabredung der Weltgemeinschaft, die Erderwärmung zu begrenzen. Für mich sind da drei Aspekte wirklich handlungsleitend:

Erstens. Klimapolitik muss berechenbar sein. Sie muss in allen Bereichen mit nachvollziehbaren Kriterien ausgestattet sein und alle in die Pflicht nehmen. Nur dann können sich die Menschen wirklich darauf einstellen und solch eine Politik auch als gerecht empfinden. Diese Verlässlichkeit wird sich im Klimaschutzgesetz abbilden, das wir ja in Angriff genommen haben.

Zweitens. Umweltpolitik muss den Klimaschutz und soziale Anliegen in einen fairen Ausgleich bringen. Dafür hat sich auf der internationalen Ebene der Begriff „Just Transition“ geprägt, also „gerechte Veränderung“, „gerechte Transformation“. Bei uns hier ganz konkret ist es die Strukturwandelkommission, mit der wir als Bundesregierung zeigen werden, wie Kohleausstieg und regionale Strukturförderung zusammengehen können.

Drittens. Umwelt- und Klimaschutzpolitik ist für mich eine ökologische Innovationspolitik, die auch Arbeitsplätze schafft. Längst drängen in den ersten energieintensiven Branchen die Finanzvorstände auf Innovationen, weil sie sonst eben Nachteile am Kapitalmarkt fürchten. Wir hatten gestern gerade erst wieder eine spannende Diskussion über GreenTech und Green Finance. Das bietet eine große Chance auch für uns in Deutschland.

Ein Schlüssel ist sicherlich auch das Effort Sharing, was wir ja ab 2020 erleben werden. Das heißt nichts anderes, als dass jeder einzelne Politikbereich jetzt vor seiner eigenen Haustür zu kehren hat. Alle sind in der Pflicht. Wir werden die Minderungsanteile für die Bereiche Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft nur dann erfüllen, wenn wirklich alle dazu beitragen, ihre CO2-Minderung nach vorne zu bringen, und wir keine CO2-Zertifikate kaufen müssen.

All das werden wir im Klimaschutzgesetz verbindlich festlegen. Wir werden alle Ressorts verpflichten, ihre Ziele einzuhalten, und wir werden das erste Mal beschreiben, wie dieser Weg ganz konkret funktioniert und wie wir das nach vorne bringen wollen. Wir stehen jetzt gemeinsam vor den bislang wohl größten Herausforderungen, nämlich nicht nur Ziele zu beschreiben, sondern auch zu sagen, wie wir es tun, wie wir den Klimawandel wirklich bekämpfen. Wir werden vieles anders machen müssen. Das gilt für die Wirtschaft, die Landwirtschaft, den Verkehr, das Wohnen und unsere Lebensweise. Zugleich haben wir – übrigens auch mit der Digitalisierung – alle Bausteine zusammen, um daraus auch wirklich ein klimaneutrales Haus zu bauen.

Ich finde, dass der Haushaltsentwurf 2019 ein gelungener Beitrag zur Verwirklichung dieses Bauplans ist, und freue mich auf die gemeinsame Diskussion mit Ihnen über diesen Haushalt.