Rede der Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung, Ulla Schmidt,

  • Bundesregierung ⏐ Startseite
  • Bulletin

  • Schwerpunkte

  • Themen   

  • Bundeskanzler

  • Bundesregierung

  • Aktuelles

  • Mediathek

  • Service

Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Gesundheitsreform wirkt. Sie verbessert die Qualität, die Transparenz und die Wirtschaftlichkeit der Gesundheitsversorgung. Die gesetzliche Krankenversicherung schreibt wieder schwarze Zahlen. Wir haben viele Veränderungen auf den Weg gebracht, um die Strukturen im Gesundheitswesen zu verbessern. Es werden Verträge zur besseren Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Krankenhäusern, zur besseren Versorgung chronisch kranker Menschen und zur Stärkung der hausärztlichen Versorgung geschlossen. Dies haben wir gemeinsam auf den Weg gebracht.

Vor einem Jahr haben wir auch entschieden, den Zahnersatz künftig – wahlweise privat oder gesetzlich – über eine Minikopfpauschale abzusichern. Sie erinnern sich daran, dass das Frau Merkels Vorbedingung für Ihre Zustimmung zu unserem Kompromiss war. Schon damals war allen Insidern klar, dass dieses Vorhaben schwierig wird. Wir haben daran gearbeitet, wie es umgesetzt werden kann. Dabei stellte sich heraus, dass es extrem bürokratisch und zu teuer ist, in einem System, das wie die gesetzliche Krankenversicherung einkommensabhängig finanziert ist, eine Minikopfpauschale einzuführen. Zudem ist es den Versicherten nicht zuzumuten, pro Monat zwei Euro nur für Bürokratie zu bezahlen.

Das wissen auch Sie. Deswegen haben wir seit Wochen über diese Frage gesprochen und über eine versichertenfreundliche, unbürokratische und sozialverträgliche Regelung verhandelt. Die Zeit drängt. Die Versicherten wollen Klarheit. Auch die Krankenkassen brauchen Klarheit; denn Wartezeit kostet Geld. Deswegen haben wir entschieden: Wir belassen den Zahnersatz im Leistungskatalog der Kassen und wir senken den durchschnittlichen Beitragssatz der Krankenkassen für ihre Mitglieder und die Lohnnebenkosten für die Betriebe.

Vielleicht ist Folgendes für Herrn Storm interessant: Am gemeinsam vereinbarten Leistungskatalog und Leistungsumfang beim Zahnersatz mit mehr Wahlmöglichkeiten für die Versicherten ab 1. Januar 2005 halten wir fest. Wir ändern nichts. Wir regeln nur die Finanzierung neu, und zwar einkommensabhängig und sozialverträglich. Indem die Versicherten diesen Sonderbeitrag zukünftig allein tragen müssen, entlasten wir die Lohnnebenkosten. Außerdem verpflichten wir die Krankenkassen, ihren allgemeinen Beitragssatz in gleichem Umfang zu senken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und CSU – Sie spreche ich ganz besonders an –, es grenzt manchmal schon an ein Stück aus dem Tollhaus: In all den Wochen machen Sie keinen einzigen Vorschlag, wie wir zu einer unbürokratischen Lösung kommen können. Hinter vorgehaltener Hand hört man aus Ihren Reihen immer wieder, dass die von uns vorgeschlagene Lösung eigentlich die beste sei. Dann wird stets gesagt: Springen täten wir gern, aber können dürfen wir nicht.

Auf der einen Seite überbieten Sie sich tagtäglich mit immer neuen Privatisierungsorgien – ich nenne nur einige –: 70-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich, die völlige Streichung des Kündigungsschutzes, eine Kopfpauschale im Gesundheitswesen, die dazu führt, dass die Krankenschwester den gleichen Beitrag wie der Manager zahlt, und die Privatisierung der Unfallversicherung, die Herr Storm kürzlich vorgeschlagen hat.

Auf der anderen Seite, wenn es um eine einzige Entscheidung geht, die Lohnnebenkosten zu senken und beim Sonderbeitrag für Zahnersatz die Parität um 0,45 Prozent zu verschieben, drücken Sie sich vor der Verantwortung und schlagen sich in die Büsche. Wem es in der Küche zu heiß ist, der sollte die Küche meiden. Wer die Küche schon beim Kochen eines kleinen Gerichts verlassen muss, der hat gar kein Rückgrat, um in diesem Land in schwierigen Situationen Verantwortung zu übernehmen.

Die gemeinsam verabschiedete Gesundheitsreform verlangt nicht nur Entschlusskraft, sondern auch Standfestigkeit. Sie stehen ja nicht einmal mehr zu der Minikopfpauschale. Ich kenne niemanden aus Ihren Reihen, der die Beibehaltung dieser Kopfpauschale fordert und der auch dazu steht, dass man den Rentnerinnen mit einer Rente von 500 Euro klipp und klar sagt, sie müssten nicht, wie bei Frau Schmidt, einen Euro, sondern 7,50 Euro mehr bezahlen. Ich kenne niemanden, der demjenigen, der monatlich 1.000 Euro Einkommen hat, sagt, er müsse nicht wie bei Frau Schmidt zwei Euro, sondern 6,50 Euro mehr bezahlen. Dass Sie dazu stehen und dafür streiten, das erwarte ich von Ihnen hier und heute.

Unser Vorschlag hält an dem gemeinsamen Kompromiss fest. Er hält an den Zielen fest, auch was den Leistungsumfang angeht. Wenn sich aber im Laufe eines Verfahrens herausstellt, dass die beschlossene Lösung zu bürokratisch ist und zu Belastungen der Versicherten führt, die man sich angesichts der Situation im Gesundheitswesen nicht erlauben kann, dann muss man den Mut haben, zu bekennen, dass die Entscheidung falsch gewesen sei. Heute treffen wir eine Entscheidung, die, im Interesse der Versicherten, sozialverträglich und unbürokratisch ist. Es wäre gut, wenn Sie dabei mitmachten. Dies zeigte, dass Sie auch das tun dürfen, was Sie tun müssen, und in der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen.