Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Edelgard Bulmahn,

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"Bildung und Forschung 2010 – die Chancen der Föderalismusreform nutzen"

Sehr geehrter Herr Professor Schwintowski,
meine sehr geehrten Herren und Damen,

das Humboldt-Forum ist ein Ort des Dialogs, der gesellschaftliche Diskussion anstoßen soll und politisches Handeln vorbereiten und begleiten kann. Ich würde gerne mit Ihnen über das Thema "Bildung und Forschung 2010 – die Chancen der Föderalismusreform nutzen" diskutieren. Die Überlegungen, die ich hier vortragen möchte, stellen die Frage, wie wir die Innovationskraft Deutschlands erhöhen können, in den Mittelpunkt.

Innovationen sind das Lebenselixier unserer Gesellschaft. Sie sind zentrale Triebfedern wirtschaftlicher Dynamik und gesellschaftlicher Entwicklungen. Nur mit Innovationen schaffen wir dauerhaftes Wachstum und Beschäftigung. Und nur dann können wir auch unseren Wohlstand, Teilhabe und soziale Gerechtigkeit in unserem Land erhalten.

Die wichtigste Voraussetzung für Innovationen ist ein Bildungs- und Forschungssystem, das sich den Herausforderungen unserer Zeit stellt und den Vergleich mit den Besten der Welt nicht scheut. Wir wollen in Deutschland schneller, besser und innovationsfähiger und vor allem auch internationaler werden! Dafür müssen wir bürokratischen Ballast über Bord werfen, Verantwortlichkeiten klarer trennen und Entscheidungsstrukturen effizienter und transparenter gestalten. Und genau hier liegt die Chance einer Föderalismusreform! Wenn wir diesen Prozess so gestalten, dass wir durch eine ehrliche, mutige und uneitle Diskussion am Ende ein Ergebnis haben, das zur Entbürokratisierung und zur Effizienz beiträgt, dann ist ein wichtiger Schritt getan!

Es besteht Konsens in den Zielen, dass Deutschland

  • seine Position im globalen Wettbewerb verbessern,
  • europatauglicher werden und
  • auch national wieder mehr politische Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit gewinnen muss.

Bundestag und Bundesrat haben deshalb im Oktober 2003 beschlossen, eine gemeinsame Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung einzusetzen.

Nach dem Einsetzungsbeschluss soll die Föderalismuskommission insbesondere

  • die Zuordnung von Gesetzgebungszuständigkeiten auf Bund und Länder,
  • die Zuständigkeiten und Mitwirkungsrechte der Länder in der Bundesgesetzgebung und
  • die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern

überprüfen. Mit dem Hochschulrahmenrecht, und den in Artikel 91 a und b geregelten Gemeinschaftsaufgaben ist der Bildungs- und Forschungsbereich in besonderer Weise von der Neuordnung der bundesstaatlichen Ordnung betroffen.

Die Föderalismuskommission will ihre Vorschläge bereits in der zweiten Hälfte dieses Jahres vorstellen. Mir geht es heute darum, Ihnen meine Auffassung einer modernisierten bundesstaatlichen Ordnung im Bereich von Bildung und Forschung vorzustellen. Wer heute reformieren will, darf nicht an den Erfahrungen der Vergangenheit vorbeigehen, aber er darf auch nicht die Herausforderungen der Zukunft ignorieren - eine Zukunft, die geprägt sein wird von einer starken internationalen Zusammenarbeit wie auch Konkurrenz. Erlauben Sie mir deshalb zunächst einen Blick zurück in die Geschichte des Zusammenwirkens von Bund und Ländern in den Bereichen der Bildung und Forschung.

Nach Artikel 79 Abs. 3 GG steht die Gliederung des Bundes in Länder und deren Mitwirkung an der Gesetzgebung unter der so genannten Ewigkeitsgarantie. Diese Regelung trägt der deutschen Geschichte und den unbestreitbaren Vorzügen des Föderalismus Rechnung. So garantiert der Bundesstaat im Gegensatz zu einem Einheitsstaat Machtverteilung, Bürgernähe und kulturelle Vielfalt.

In der bundesstaatlichen Theorie ist der Gesamtstaat für die übergeordneten Angelegenheiten zuständig. Die übrigen Angelegenheiten regeln die Gliedstaaten, also die Länder. In der Theorie können also die Zuständigkeiten von Bund und Ländern streng getrennt werden. So bestimmt Artikel 30 GG, dass die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben Sache der Länder ist, soweit die Verfassung keine andere Regelung trifft oder zulässt.

Die 1949 vorgenommene ursprüngliche Kompetenzzuweisung folgte diesem strengen Prinzip eines dualistischen Staatsaufbaus. Dementsprechend stand dem Bund lediglich eine konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis für die - außerschulische - berufliche Bildung zu. Zudem repräsentierte er die deutschen kultur- und bildungspolitischen Interessen im Ausland.

Bereits in den 50er Jahren zeigten sich jedoch die Nachteile dieser strengen Aufgabenspaltung. Die technologische und ökonomische Entwicklung wie auch die internationale Verflechtung der Bundesrepublik ließen eine strikte Trennung der Aufgaben von Bund und Ländern nicht zu. Auch im Bereich von Bildung und Wissenschaft wurde ein starkes Bedürfnis nach überregional koordinierten Regelungen deutlich.

Gelöst wurde dieses Problem zunächst durch die sukzessive Einrichtung verschiedener Gremien, die die notwendige Abstimmung und Harmonisierung gewährleisten sollten. Den Anfang machte bereits 1948 - also noch vor der Gründung der Bundesrepublik - die KMK, die Kultusministerkonferenz der Länder, in der dem Bund später ein Gastrecht eingeräumt wurde. 1952 erfolgte die Einrichtung des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen, 1957 wurde der Wissenschaftsrat ins Leben gerufen, da zunehmend deutlich wurde, dass es Aufgaben von überregionaler Bedeutung gibt, die ein Land allein nicht bewältigen kann.

In einem 1964 abgeschlossenen Verwaltungsabkommen vereinbarten Bund und Länder deshalb,

  • ihre gemeinsamen Bemühungen um den weiteren Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen fortzusetzen und
  • den jährlichen allgemeinen Zuschussbedarf der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft je zur Hälfte zu tragen.

Ende der 60er Jahre schließlich wurden auch bundeseinheitliche Regelungen im Hochschulwesen als notwendig erachtet. Bundesgesetzliche Vorgaben sollten insbesondere die Aufgaben der Hochschulen, die Zulassung zum Studium, das Auswahlverfahren bei Studiengängen mit Numerus clausus, die Rechtsstellung der Mitglieder sowie die Organisation und Verwaltung betreffen. Auch das Verlangen nach einer bundesgesetzlichen Regelung der individuellen Ausbildungsförderung wurde immer größer.

Die Finanzverfassungsreform von 1969 griff diese Forderungen auf. Verfassungsrechtlich verankert wurden die Gemeinschaftsaufgaben

  • Aus- und Neubau von Hochschulen - Artikel 91a GG - sowie
  • Bildungsplanung und Forschungsförderung - Artikel 91b GG.

Artikel 91a GG verpflichtet Bund und Länder zur Zusammenarbeit beim Hochschulbau, ohne dem Bund entsprechend seinem Finanzierungsanteil ein Aufsichtsrecht oder eine Richtlinienkompetenz einzuräumen. Artikel 91b GG ermöglicht eine freiwillige Zusammenarbeit, deren Ausgestaltung im Einzelnen zu vereinbaren ist.

Zudem erhielt der Bund durch die Ergänzung des Artikels 74 Nr. 13 GG die Gesetzgebungskompetenz für die "Regelung der Ausbildungsbeihilfen" und in Artikel 75 Nr. 1a GG eine Rahmengesetzgebungskompetenz für das Hochschulwesen.

Was folgt hieraus? Meines Erachtens unterstreicht die Entwicklung unmissverständlich, dass allein eine horizontale Koordinierung zwischen den Ländern ebenso wenig ausreicht, wie die freiwillige Kooperation zwischen Bund und Ländern, wenn wir die Herausforderung der Zukunft bewältigen wollen.

Die Leistungsfähigkeit in Bildung und Forschung wird in Zukunft immer stärker über Zukunftschancen entscheiden. Das gilt sowohl für Staaten, den Einzelnen wie auch Gesellschaften. Exzellenz in Bildung und Forschung wird heute nicht mehr regional und national definiert, sondern international. Wie stark inzwischen die internationale Vernetzung oder der internationale Wettbewerb unser Bildungs- und Forschungssystem prägt, wird meines Erachtens in der öffentlichen Debatte unterschätzt.

Im Bereich Bildung und Forschung stehen wir vor extremen Herausforderungen! Spätestens durch die Ergebnisse der internationalen Vergleichsstudien PISA und IGLU wurde die Notwendigkeit einer großen Bildungsreform deutlich.

Wir stehen heute am Anfang dieser Reform, über deren Ziele weitgehend Konsens besteht:

  • Es bedarf einer gezielten Qualitätsentwicklung und -steigerung, um unser Bildungssystem in einem absehbaren Zeitraum wieder an die Weltspitze heranzuführen.
  • Die Korrelation zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg, die uns PISA drastisch vor Augen gehalten hat, muss aufgebrochen und schrittweise abgebaut werden.

Voraussetzung für das Gelingen dieser Reform ist ein radikales Umdenken von einem traditionell stark auslesenden Bildungssystem zu einem mehr und mehr fördernden System. Dieses Umdenken vom Auslesen zum Fördern muss auf allen Ebenen vollzogen werden: Bei denen, die die politischen und administrativen Rahmenbedingungen setzen, genauso wie bei denen, die Bildung vor Ort gestalten. Wir brauchen eine neue Kultur des Bildungsoptimismus. Vorbild kann das finnische Motto sein: "Jedes Kind kann es schaffen, vorausgesetzt wir sind gut genug, um es entsprechend zu fördern."

Bildung ist dabei nicht allein auf die Schule begrenzt. Sie beginnt im Elternhaus, setzt sich über Kindergarten, Schule, berufliche Bildung und Hochschule fort, und sollte uns schließlich lebenslang begleiten.

Wir brauchen deshalb dringend eine institutionelle Dauerbeobachtung des gesamten Bildungswesens. Wir alle müssen wissen, wo unser gesamtes Bildungssystem steht – wo sind seine Schwächen und wo sind seine Stärken! Eine Vogel-Strauss-Politik in diesem Bereich ist unverantwortlich und bringt uns nicht weiter!

Es geht also darum, unsere Bildungslandschaft vom Kopf auf die Füße zu stellen. Das ist eine große Aufgabe für uns alle. Die Frage ist, wie schaffen wir das? Welches Ausmaß von Auseinanderentwicklung ist in einem Bundesstaat hinnehmbar? Gibt es in der Einheit Grenzen für die Vielfalt?

Fragen, über die man sicherlich lange diskutieren kann – fest steht aber, Bund und Länder haben eine gemeinsame Verantwortung, wenn es um die Bildungsbiographie jedes Einzelnen geht.

Alle Bildungsbereiche vom Kindergarten, Schule, berufliche Bildung und Hochschule müssen sinnvoll miteinander verzahnt sein. Die einzelnen Bildungsbereiche können nicht isoliert voneinander betrachtet werden – sie sind keine Aneinanderreihung von einzelnen abgeschlossenen Bildungsphasen, sondern beziehen sich aufeinander. Die Auflösung der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) vorzuschlagen, würde bedeuten, die einzig vorhandene Schnittstelle zwischen diesen Bereichen abzuschaffen. Das wäre genau der falsche Schritt! Der Bund wird sich nicht aus der gemeinsamen Verantwortung verabschieden, auch wenn das manch einem vielleicht lieb wäre! Im Gegenteil, ich gehe davon aus, dass die Kooperation zwischen Bund und Ländern in Zukunft noch enger gestaltet werden muss. Es wird darum gehen, die bereits vorhandenen Möglichkeiten der Zusammenarbeit effizienter und unbürokratischer zu gestalten, also nicht um die Abschaffung, sondern die Modernisierung der BLK!

Ziel einer Modernisierung sollen also nicht neue Zuständigkeiten für den Bund sein, nicht eine Gleichförmigkeit durch Steuerung "von oben". Es geht vielmehr um ein konstruktives Miteinander im gesamtstaatlichen Interesse. Gerade an den Schnittflächen, wie zum Beispiel zwischen schulischer und beruflicher Bildung bedarf es der Abstimmung in den übergeordneten Zielen. Berufsbildungspolitik kann zum Beispiel nicht erfolgreich umgesetzt werden, wenn Schulpolitik zum Ergebnis hat, das rund 25 Prozent der 15-Jährigen völlig unzureichende Kenntnisse in den Grundfertigkeitsbereichen haben. Mir geht es um ein gemeinsames und abgestimmtes Vorgehen aller Verantwortungsträger zur Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung da, wo die Leistungsfähigkeit des gesamten Bildungswesens dies erfordert.

Gerade um eine qualitative Verbesserung und eine Stärkung der Leistungsfähigkeit muss es auch bei den Hochschulen in unserem Land gehen. Auch hier gilt es, die Reform des Föderalismus als Chance zu verstehen, um einen großen Schritt nach vorne zu wagen!

Die Bundesregierung setzt in der Hochschulpolitik auf größtmögliche Autonomie, auf Wettbewerb, auf Exzellenz und auf eigenständige Profilbildung der Hochschulen, statt auf staatliche Bevormundung. Ich bin bereit, das Hochschulrahmengesetz grundsätzlich zu entrümpeln. Es muss nur noch das bleiben, was länderübergreifender Regelungen bedarf. Dies sind die Bereiche Zulassung, Abschlüsse, Dienstrecht und Qualitätssicherung. Wenn wir es klug anfangen, dann reichen hier zwei bis drei Seiten Gesetzestext völlig aus.

Eines geht allerdings nicht. Der Bund nimmt die Regelungsdichte zurück und die Länder füllen diesen Spielraum sofort wieder aus. Die Länder müssen die Hochschulen in die Freiheit entlassen. Nur autonome Hochschulen können ein eigenes, unverwechselbares Profil entwickeln. Ein gutes Hochschulmanagement weiß besser als eine Ministerialbürokratie, welches Profil sich eine Hochschule geben und wie sie dieses im Wettbewerb entwickeln will. Letztlich müssen wir dahin kommen, dass die deutschen Hochschulen unmittelbar miteinander im Wettbewerb stehen, nicht aber die Hochschulsysteme einzelner Länder.

Über drei Jahrzehnte nach dem Inkrafttreten des Hochschulbauförderungsgesetzes und über ein Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung ist die mit der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau ursprünglich verbundene Zielsetzung im Wesentlichen erreicht worden. Das HBFG hat zu einem beachtlichen Ausbau der deutschen Hochschullandschaft in der Breite geführt. Es hat sich zugleich bei der Sanierung und der Weiterentwicklung der ostdeutschen Hochschullandschaft bewährt.

Gleichwohl ist die Gemeinschaftsaufgabe dringend reformbedürftig. Es macht schlichtweg keinen Sinn, den Hochschulbau in der Fläche einem aufwendigen und komplizierten, an mehrere Tausend Einzelvorhaben orientierten Verfahren zu unterwerfen. 16 Landesminister, die Bundesbildungsministerin und der Wissenschaftsrat müssen sich nicht mit dem Sanierungsbedarf von Dachstühlen an Gebäuden der Humboldt-Universität befassen. Es ist auch nicht vertretbar, wenn von der ersten Bedarfsanmeldung bis zur Inbetriebnahme acht und mehr Jahre verstreichen können.

Notwendig ist eine klare Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern. Die Zuständigkeit für den Hochschulbau sollte deshalb auf die Länder übergehen. Unabdingbare Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Länder in die Lage versetzt werden, die Finanzierung mindestens auf dem bisherigen Niveau fortzuführen. Zum Ausgleich bieten sich hierfür Entlastungen der Länder im Bereich der Forschungsförderung sowie im Rahmen der Finanzverfassungsreform an.

Entgegen den Vorschlägen der Regierungschefs der Länder will sich der Bund nicht aus der Hochschulförderung zurückziehen. Wir sollten die Hochschulförderung des Bundes allerdings auf bedeutsame Vorhaben der Spitzenforschung und Lehre, auf die Förderung des internationalen Austausches und des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie auf die Ausbildungsförderung konzentrieren.

Die Frage, ob jemand studieren kann, darf auch künftig weder vom eigenen Geldbeutel noch vom Wohnort abhängen. Ausschlaggebend sind allein Studier- und Leistungsfähigkeit. Die Übertragung der Ausbildungsförderung auf die Länder – wie teilweise vorgeschlagen – macht im Sinne der Gewährleistung von Chancengleichheit und Freizügigkeit im Bundesgebiet keinen Sinn. Wir sollten deshalb hier am bisherigen Verfahren festhalten.

Deutschland wird nur dann einer der weltweit führenden Wissenschafts- und Forschungsstandorte bleiben, wenn wir sowohl in der Breite als auch in der Spitze erstklassig sind. Der Anreiz, sich positiv abzuheben, muss verstärkt werden. Die deutschen Hochschulen müssen in die Lage versetzt werden, zusammen mit den weltweit anerkannten Spitzenhochschulen von Harvard, Stanford oder Oxford in Forschung und Lehre zu konkurrieren. Die Diskussionen der letzten Tage zu dem Thema "Spitzenuniversitäten" haben Sie sicher alle mitverfolgt. Ich will dazu jetzt nicht ins Detail gehen. Wir haben nachher ja Zeit, auch zu diesem Punkt miteinander zu diskutieren. Aber: Universitäten, wie zum Beispiel die RWTH Aachen oder die Universität München oder auch die Humboldt-Universität, müssen sich nicht allein an Universitäten in Berlin, Bayern oder Deutschland messen, sondern sie müssen sich mit den besten Universitäten weltweit messen. Kein Land der Welt leistet es sich, auf eine nationale Strategie für die Entwicklung ihrer Wissenschaftslandschaft zu verzichten.

Ich möchte auch in aller Deutlichkeit unterstreichen: Eine Spitzenuniversität entwickelt sich nicht aufgrund einer Verordnung, sondern im Wettbewerb durch erbrachte Leistungen. Die Idee, dass der Bund eine eigene Universität erwirbt und diese dann zur "Eliteuniversität" erklärt, ist absurd!

Wissenschaft und Forschung sind Motoren für Fortschritt und wirtschaftliche Stabilität. Nur durch sie entstehen neue Produkte und Verfahren, die Märkte sichern oder erobern. Nur durch ständige Innovationen schaffen wir in Deutschland neue zukunftssichere Arbeitsplätze und weiteren Wohlstand.

Wichtig ist für uns, dass wir beispielsweise in der Nanotechnologie und im Maschinenbau, in der Entwicklungsbiologie und in der Krebsforschung an der Spitze liegen. Ein Hochlohnland, wie Deutschland, ist zur Sicherung seines wirtschaftlichen Wohlstands und seiner sozialen Sicherheit darauf angewiesen, dass es mehr Hochtechnologie aus- als einführt.

Die Forschungsförderung ist vor diesem Hintergrund in erster Linie eine gesamtstaatliche Aufgabe. Es ist daher eine logische Folge, wenn der Bund entsprechend den in der Föderalismusdebatte geforderten klaren Zuständigkeiten die Finanzierung und institutionelle Verantwortung der überregionalen Forschungsorganisationen Helmholtz-Gemeinschaft, Fraunhofer Gesellschaft, Max-Planck-Gesellschaft und Deutsche Forschungsgemeinschaft übernimmt.

Bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft könnte ich mir allerdings mit Blick auf ihre besondere Hochschulnähe eine Fortführung der Mischfinanzierung von Bund und Ländern vorstellen. Auch bei der Max-Planck-Gesellschaft bin ich unter Umständen gesprächsbereit.

Die wissenschaftliche Autonomie der Forschungseinrichtungen würde durch eine reine Bundesfinanzierung nicht beeinträchtigt. Sie ist wie bisher in Vereinbarungen gegebenenfalls auch gesetzlich zu garantieren.

Die aufmerksamen Zuhörer werden bemerkt haben, dass ich die Einrichtungen der Blauen Liste eben nicht mit aufgeführt habe. Hier möchte ich den Wissenschaftsrat bitten, Vorschläge für eine sachgerechte Zuordnung der 80 Forschungs- und Serviceeinrichtungen der "Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz" (WGL) zur HGF, FhG, MPG, den Ländern oder der Ressortforschung zu unterbreiten.

Eine Abstimmung der Forschungspolitik mit den Ländern halte ich auch künftig für unabdingbar, zum Beispiel um laufende Förderaktivitäten und neue Initiativen zu koordinieren, Lücken im Förderangebot aufzuspüren und Doppelungen zu vermeiden. Insofern sollte an der gemeinsamen Verantwortung für die außeruniversitäre Forschung festgehalten werden.

Lassen Sie mich zusammenfassen:

Erstens: Angesichts ihrer komplementären Zuständigkeiten müssen Bund und Länder auch künftig in den Bereichen Bildung und Forschung zusammenwirken. Der Bedarf an Koordination geht nicht zurück, sondern wächst, insbesondere auch, um eine starke Position in einem immer größer werdenden Europa zu behaupten. Der demographische Wandel und die zu erwartenden Strukturveränderungen auf dem Arbeitsmarkt unterstreichen die Notwendigkeit verstärkter und vertiefter Kooperation.

Zweitens: Die Notwendigkeit der Abstimmung zwischen Bund und Ländern bei der Fortentwicklung und Verzahnung des Bildungswesens und der Forschungsförderung bedarf einer entsprechenden Verankerung in der Verfassung

Drittens: Die Reform der bundesstaatlichen Ordnung muss dazu führen, dass die Verantwortlichkeiten von Bund und Ländern klarer zugeordnet und Mischfinanzierungen abgebaut werden. Ich bin dabei bereit, das Hochschulrahmengesetz gründlich zu entrümpeln und auf vier Bereiche zu konzentrieren. Zugleich sollten die Länder - bei Sicherstellung des Finanzvolumens - die Zuständigkeit für den Hochschulbau erhalten.

Viertens: Der Bund konzentriert sich im Hochschul- und Forschungsbereich auf solche Bereiche, die von überragendem gesamtstaatlichen Interesse sind, wie die Förderung von Spitzenforschung und -lehre, die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, die Ausbildungsförderung sowie die überregionale außeruniversitäre Forschung.

Fünftens: Klarere Zuständigkeiten und Verbesserung des Zusammenwirkens von Bund und Ländern sind kein Widerspruch, sondern zwei Seiten einer Medaille.

Ob der von mir vorgeschlagene Weg der richtige ist, darüber möchte ich im Folgenden gerne mit Ihnen diskutieren.