Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Johanna Wanka,

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Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!

Am Mittwoch, also vorgestern, war Weltwassertag; ein Tag, der uns daran erinnern soll – und erinnert hat –, dass als sechstes Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen angestrebt wird, dass alle Menschen auf der Welt sauberes Trinkwasser haben. Das ist eine gigantische Aufgabe. Wenn man sich die Zahlen anschaut, weiß man, wie schlimm es darum bestellt ist. Eine solche Aufgabe kann man nur international, in Kooperation, lösen.

Ich will das große Projekt der Bundesregierung zum Wasserressourcenmanagement in Jordanien als Beispiel nennen. Es handelt sich um eine Region mit sehr wenig Wasser und großen Problemen. In diesem Projekt arbeiten jordanische, deutsche, palästinensische und israelische Wissenschaftler, Wirtschaftsvertreter, NGO-Vertreter und Behördenvertreter zusammen. Dort geht es auch um Brücken zwischen Ländern und Menschen, die sonst kaum miteinander reden.

Ich bleibe beim Thema Wasser. Wir haben in Deutschland zu diesem Thema eine hohe Expertise, weil wir seit Jahren Grundlagenforschung betreiben. Unsere Expertise ist gefragt. Wasserprojekte gibt es in Israel, Indien, Afrika und China. Das heißt, die Lösung der globalen Probleme gehen wir an. Wer kommt denn auf die Idee, zu sagen, wir machen keine Grundlagenforschung? Genau das machen wir. Wir machen aber nicht nur Grundlagenforschung. Vielmehr versuchen wir auch, direkt die Lebensbedingungen der Menschen in den jeweiligen Regionen positiv zu beeinflussen, zum Beispiel mit den beiden Klimainitiativen SASSCAL im südlichen Afrika und WASCAL im westlichen Afrika, dem Forschungsnetzwerk zu Gesundheitsinnovationen in Afrika, oder der PRIMA-Initiative, bei der es um den Mittelmeerraum geht. In diesem Bereich gehören wir zu den Ländern, die sich weltweit am stärksten engagieren.

Frau Hein, Sie haben die Formulierung gewählt: "Fusionsforschung kostet viel Geld." Dazu kann ich nur sagen: Das ist ein Egoismus sondergleichen. Da wird mir schlecht. Natürlich kommen wir in Deutschland damit aus, unsere Energie aus Kohle – und was weiß ich nicht noch – zu beziehen, und das auch noch in 30 Jahren. Aber das gilt nicht für die Megacitys der Welt.

Wir müssen dort forschen. Die Länder können es zum Teil nicht. Aber gerade deswegen ist das international und nicht egoistisch. Es ist genau das Gegenteil von egoistisch. Forschung für Nachhaltige Entwicklung (FONA) ist das große Programm für nachhaltige Entwicklung. Mit 2,1 Milliarden Euro werden dort beträchtliche Summen eingesetzt. Ich habe mir den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen angeschaut. Das, was Sie fordern, machen wir schon. Man kann natürlich immer noch mehr verlangen. Noch mehr ist immer gut, aber das ist nicht das Problem dabei.

Die Bundesregierung hat 2008 erstmals eine Internationalisierungsstrategie entwickelt. Diese Internationalisierungsstrategie hatte vier Schwerpunkte. Der erste: Lösung der globalen Probleme der Welt. Der zweite: Zusammenarbeit mit den Besten und Leistungsstärksten der Welt. Der dritte: international Innovationspotenziale erschließen. Der vierte: Schwellen- und Entwicklungsländer stützen und stärken. Diese Schwerpunkte gelten immer noch, und zwar unvermindert. Das sind ganz entscheidende Ziele.

Aber die Welt hat sich gedreht, sie hat sich verändert. Es müssen neue Dinge hinzukommen und neue Schwerpunkte gesetzt werden. Ich will einige wenige nennen:

Ein Schwerpunkt ist Europa – den globalen Schwerpunkt habe ich eben genannt – und der europäische Forschungsraum. Wir haben null Chance, wenn wir denken, uns als Deutschland, vielleicht noch mit Frankreich und ein, zwei anderen Ländern zusammen, gegen die großen Zentren in Amerika und in China behaupten zu können. Das geht nur mit einem europäischen Forschungsraum.

Wir haben vor kurzem als allererstes Land in Europa eine Strategie vorgelegt, in der wir nicht nur darlegen, wie wir uns vorstellen, was die anderen machen sollen, sondern vor allen Dingen, was wir selbst dazu machen sollen. Es geht gerade darum – da sind wir oft alleine in Europa –, dass wir uns engagieren. Es geht dabei nicht nur darum, wie viel Geld wir oder andere zurückwollen, sondern darum, wie wir in den Ländern in Europa, die nicht so leistungsstark sind, exzellente Forschung ankurbeln können. Deswegen ist das ganz entscheidend.

Der zweite Punkt: internationale Mobilität. Die Studentenzahlen in diesem Bereich sind bestens. Wie kommen Sie denn auf die Idee, zu behaupten, dass wir in dieser Hinsicht nicht besonders gut seien? Haben Sie sich einmal irgendwelche Zahlen angeschaut?

Bei uns gehen 37 Prozent aller Studenten einmal ins Ausland. Die Niederlande, ein kleines und international vernetztes Land, streben in den nächsten Jahren einen Anteil von 20 Prozent an. Wir hingegen marschieren in Richtung 50 Prozent. Wie kann man da sagen, das sei nicht besonders gut? Das ist klasse.

Eine Bemerkung zum BAföG. In Ihrem Antrag steht, die Bearbeitungsdauer beim Auslands-BAföG sei zu lange und die armen Studenten müssten einen Vorschuss leisten. Sie wissen – davon gehe ich aus –, dass wir null Einfluss darauf haben und dass das reine Ländersache ist – Sie können Ihre Ministerin fragen –, wie BAföG verwaltet wird. Das heißt, wir können das nicht beeinflussen. Aber wir sehen natürlich, dass die Bearbeitung manchmal zu lange dauert. Deswegen hat die Bundesregierung im BAföG einen Passus verankert, dass wir einen Vorschuss zahlen, wenn die Bearbeitung zu lange dauert. Also: erfolgt, erledigt.

Bei der Mobilität geht es uns nicht nur um den Austausch, sondern es geht uns auch immer darum – Beispiel Ukraine –, die Wissenschaft in den Ländern zu stärken, damit die Wissenschaftler nicht alle weggehen, damit sie nur temporär bei uns sind und dann wieder zurückgehen. Oder sie sollen in ihrem Land gestärkt werden. Das ist unsere Strategie. Wir haben einige Programme aufgelegt. Die Philipp-Schwartz-Initiative ist genannt worden; ich nenne jetzt noch: Integra, das Stipendienprogramm Leadership for Syria et cetera. Wir haben aber auch Maßnahmen mit einem Volumen von 18 Millionen Euro für Integrations- und Migrationsforschung auf den Weg gebracht – der 1. März war Bewerbungsschluss für die aktuelle Ausschreibung –, denn wir brauchen viele Erkenntnisse in diesem Bereich. Auch das läuft.

Vorletzter Punkt: Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Da bin ich bei Jürgen Mlynek. Die Grundvoraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit ist Internationalisierung, ganz klar. Deswegen ist eine Einschränkung auf Wissenschaftseinrichtungen und bilaterale Hochschulabkommen falsch. Die 2+2-Projekte, die Frau Lücking-Michel erwähnt hat, sind richtig, ebenso Spitzencluster im Rahmen der Internationalisierung. Das heißt auch, Möglichkeiten über wirtschaftliche Kontakte zu nutzen.

Der letzte Punkt: 2008 war die Attraktivität der deutschen Berufsausbildung noch nicht das Thema. Die Wertschätzung dafür ist gestiegen. Kein Mensch glaubt – das finden Sie in keinem Papier –, dass wir das, was wir in Deutschland haben, eins zu eins in irgendein Land übertragen können. Das ist absoluter Blödsinn.

Es geht nur darum, dass wir Elemente, die gut sind, übertragen. Das ist schwierig genug. Der indische Ministerpräsident beispielsweise ist immer noch dafür, die gesamte Ausbildung staatlich zu organisieren, ohne die Wirtschaft. Das sind Dinge, über die wir diskutieren.

Für die berufliche Bildung in Deutschland ist Folgendes bei Erasmus wichtig: Dieses Programm ist bei vielen Studenten angekommen; das weiß jeder, es machen viele. Wir haben Gelder ohne Ende in der EU, das gilt auch für unseren Teil. Wichtig ist nun, dass wir diejenigen, die in der Berufsausbildung sind, auch ins Ausland schicken, zum Beispiel nach Italien, wenn sie Koch oder so etwas lernen. Wir müssen das nur noch mehr zur Nutzung bringen. Das Geld ist schließlich da; es ist keine Frage des Geldes.

Was den Transport von guten Elementen angeht, machen wir in diesem Sommer eine neue Förderung: Wir bieten den deutschen Bildungsanbietern, die die entsprechenden Voraussetzungen haben, Unterstützung durch öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) an, damit sie in anderen Ländern tätig sein können. Warum denn nicht? Diese Anbieter haben das nötige Know-how, und dieses Betätigungsfeld ist für sie eine Chance. Das funktioniert ab dem Sommer.

Eine kleine Nebenbemerkung. ÖPP-Projekte sind nicht per se gut – nein, das kann man nicht sagen –; sie sind aber auch nicht per se schlecht. Ein gutes Beispiel ist natürlich unser Haus. Schauen Sie es sich an: Sein Bau als ÖPP-Projekt blieb sowohl im Zeit- als auch im Kostenplan. Da, wo rote Landesregierungen sind – Stichwort "Flughafen"; kein ÖPP-Projekt –, dauert alles länger.

Ich glaube, mehr denn je brauchen wir eine freie Wissenschaft. Wissenschaftsfreiheit ist das A und O. Sie ist das wesentliche Element unserer Internationalisierungsstrategie. Wir brauchen eine Wissenschaft, die Grenzen überwindet, die kluge Köpfe verbindet und die international daran arbeitet, die großen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen. Ich denke, wir haben die Strategie dafür, und wir setzen sie um.

Zur Herrn Lenkerts Bemerkung zur Fusionsforschung: Ich will gar nicht über Forschungsfragen im Zusammenhang mit diesen Energien reden; das will ich jetzt gar nicht thematisieren. Aber die Frage "Wann ist Kernfusion einsatzbereit?" können wir alle nicht genau beantworten. Es dauert auf jeden Fall. Experten sprechen von einem Zeitraum von 30 Jahren. Das ist egal. Ich habe zwei Enkeltöchter. Auch ich bin dafür, dass wir Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Welt in Ordnung ist, wenn sie erwachsen sind.

Es ist gerade ein Ausdruck von Deutschlands Größe, dass wir nicht nur auf die kurzfristige Verwertbarkeit schauen. Das zu tun, ist völlig falsch. Deswegen gilt es, die Grundlagenforschung zu fördern, und dazu gehört die Fusionsforschung. Das ist ein Gebiet, in dem wir Weltspitze sind. Wenn die Chinesen sagen, sie wollten da jetzt Milliardensummen investieren, stelle ich fest: Wir investieren weniger Geld; aber wir machen es exzellent. Das lasse ich mir nicht unter dem Aspekt "Es passiert nicht gleich morgen" zerreden.