Rede der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles,

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Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In puncto Arbeitsmarkt stehen wir in Deutschland hervorragend da. Die Beschäftigung ist auf Rekordniveau. Nie in den letzten 25 Jahren war die Arbeitslosigkeit so niedrig. Die soziale Sicherung ist für dieses und auch das nächste Jahrzehnt fest und verlässlich aufgestellt.

– Ich muss sagen: Dass Sie schon das Ansehen der Wahrheit aufregt, sollte Ihnen zu denken geben. Sie haben offensichtlich ein schräges Bild von unserem Land. Denn ich habe hier nichts als die Wahrheit gesagt. Das heißt ja nicht, dass wir nichts zu tun hätten. Wir ruhen uns darauf nicht aus; das ist nicht unser Selbstverständnis. Wir gehen die Zukunftsaufgaben an, damit wir auch weiter in Wohlstand und sozialem Frieden leben, damit in Zukunft alle – ich betone: alle, auch die, die jetzt noch nicht die Chance dazu haben – am Arbeitsmarkt teilhaben können. Das ist das Herzstück des Haushalts, den wir heute vorlegen, sein Charakter. Mit rund 138 Milliarden Euro setzen wir einen erheblichen Teil des Gesamthaushalts dafür ein, das Leben der Menschen zu verbessern.

Es ist geradezu ein Witz, wenn Sie, Frau Lötzsch, einfach mal den Rentenzuschuss herausrechnen. Sollen wir den jetzt ein Jahr lang nicht auszahlen, oder was meinen Sie? Das ist doch ein ganz wesentlicher Punkt des Haushalts, der die soziale Sicherheit in diesem Land gewährleistet. Deswegen ist es gut, dass wir so viel Geld in die Hand nehmen. Das sorgt gerade bei den Kernversprechen des Sozialstaates, nämlich bei der Rente und bei der Integration derjenigen, die zurzeit noch nicht die volle Teilhabe genießen können, für Verlässlichkeit.

Es ist uns gelungen, gerade die Mittel, die wir für das Programm „Soziale Teilhabe“ ausgeben, das gezielt für die besonders Benachteiligten am deutschen Arbeitsmarkt eingesetzt wird, noch einmal massiv aufzustocken. Darüber freue ich mich ganz persönlich. Das wird vielen Menschen eine echte Chance geben.

Mehr und bessere Arbeit, das ist unser Ziel. Die Digitalisierung bietet uns auch Chancen dazu. Das ist für mich die eigentliche Zukunftsaufgabe, auch im Hinblick auf die Rente. Da, wo die Wirtschaft Arbeit schafft, wo die guten Löhne entstehen müssen, damit wir am Ende auch gute Renten auszahlen können, spielt jetzt eine Menge Musik, die wir in Dur begleiten müssen und nicht in Moll.

Ich sage Ihnen ganz klar: Das Weißbuch „Arbeiten 4.0“, das ich in der nächsten Woche vorlegen werde, nach einem langen Dialogprozess, der mit dem Grünbuch begonnen hat, in dem wir viele Fragen gestellt haben, wird vielleicht wegweisende Antworten darauf geben. Eine der wegweisenden Antworten ist, massiv in die Qualifizierung und die Weiterbildung der Menschen in diesem Land zu investieren.

Es ist gut, dass es uns gelungen ist, Frau Wanka und mir, durch die Bildungsketten genau an dieser Stelle, auch in den Schulen schon für eine ordentliche Berufsorientierung zu sorgen. Darauf müssen wir weiter aufbauen. Wir brauchen eine umfassende Weiterbildungsstrategie für dieses Land, um den Transformationsprozess „Arbeiten 4.0“ erfolgreich zu gestalten.

Das zweite große Thema, das sich in diesem Dialogprozess zu „Arbeiten 4.0“ herauskristallisiert hat, ist die Arbeitszeit. Wie kommen wir da eigentlich zu Arrangements, die einerseits die Flexibilisierungsbedürfnisse in den Unternehmen, die vorhanden sind, die in der globalisierten arbeitsteiligen Welt auch erwartbar sind, mit mehr selbstbestimmter Zeit für die Beschäftigten andererseits verbinden? Die Beschäftigten haben nämlich auch andere Arbeitszeitwünsche als in der Vergangenheit. Das erkennen wir insbesondere, wenn wir uns angucken, wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Familien im Alltag gemanagt wird. Deswegen – das will ich an dieser Stelle klar sagen – brauchen wir mehr selbstbestimmte Zeit, brauchen wir auch das Gesetz zur Rückkehr aus Teilzeit in Vollzeit; das werde ich hier in Kürze vorlegen.

Wir wollen gemeinsam gesellschaftliche Anstrengungen für mehr Weiterbildung unternehmen; das ist gar keine Frage. Übrigens: Da machen wir schon vieles. Man wundert sich manchmal, dass es kaum Beachtung findet. Das AWStG – so hieß das Gesetz in schönster Abkürzung – haben wir hier mal eben so durchgeschoben. Es gibt jetzt eine Weiterbildungsprämie. Da haben wir eine sehr wichtige Sache miteinander verabredet, nämlich dass die Bundesagentur jetzt auch fördern kann, wenn die berufliche Weiterbildung außerhalb der Arbeitszeit erfolgt. Das war für den Mittelstand eine ganz wichtige Verabredung. Sie sehen also: Wir kündigen nicht nur für die Zukunft an; wir haben hier auch schon einiges beschlossen. Darüber freue ich mich.

Hinzu kommt: Was die Zukunft der Arbeit angeht, haben wir wahrscheinlich mit mehr Formen selbstständiger Arbeit zu tun, mit neuen Formen, die durch die Plattformisierung der Ökonomie entstehen, die die Konsumenten nutzen; darüber kann man klagen, wie man will. Airbnb ist auch in Deutschland eine Erfolgsgeschichte, Helpling und andere ebenso. Damit müssen wir uns auseinandersetzen. Ob wir das alles gut oder schlecht finden, ist erst die zweite Frage.

Es wird genutzt. Das bedeutet: Viele Arbeitnehmer müssen in dieser Form ihr Einkommen erzielen. Da gibt es Schutzlücken; das sage ich ganz klar. Wir brauchen deswegen für Selbstständige Zugänge zu einer anständigen Altersversorgung. Das werden wir auch vorschlagen. Da gibt es für mich noch eine Menge zu tun. Ich wäre froh, wenn wir an dieser Stelle in der Koalition noch gemeinsam etwas anpacken könnten.

Die Integration der Flüchtlinge wird in diesem Haushalt natürlich in zentraler Weise abgebildet. Wir haben ganz klar darauf gesetzt, dass wir den Spracherwerb verbessern und dass die Angebote, die Kapazitäten für die Sprachkurse nach oben gefahren werden. Das ist eine gemeinsame Anstrengung des BMI, das für die Integrationskurse zuständig ist, und des BMAS, das für die berufsbezogenen Sprachkurse zuständig ist. Das baut aufeinander auf. Ich will sagen: Wir sind hier schon enorm vorangekommen, aber wir sind noch nicht ganz am Ziel. Wir bauen weiter Kapazitäten auf. Es lohnt sich.

Es gibt zum ersten Mal seit langem eine valide Untersuchung des IAB. Die hat uns Fachleuten Hoffnung gemacht. Die Untersuchung hatte zum Ergebnis, dass viele, die zu uns gekommen sind, keinen formalen Abschluss, wie wir ihn hier gewohnt sind, aber Berufserfahrung haben. Hier können wir aufsetzen. Das tun wir auch. Es gibt zum Zweiten auch ganz viele junge Menschen, für die es sich allemal lohnt, eine Tür aufzustoßen, um hier eine ordentliche Ausbildung zu machen. Mit diesem Haushalt stellen wir die nötigen Mittel zur Verfügung. Das ist eine ganz wichtige Integrationsanstrengung, die in den nächsten Jahren vor uns liegt.

Es sei gesagt: Gemeinsam können wir das schultern, aber es ist nicht im Sprint zu schaffen. Deswegen werden auch die Passivleistungen in diesem Haushalt angehoben werden müssen; denn wir müssen die Leute unterstützen. Aber es ist eine Erkenntnis, dass wir wissen: Wir schaffen es, aber es dauert. Das ist ganz simpel. Das müssen wir ehrlich sagen. Es ist eine Anstrengung, die vor uns liegt. Aber ich mache mir, seitdem ich die Ergebnisse vom IAB gehört habe, große Hoffnung, dass uns das erfolgreich gelingen wird.

Wenn ich „uns“ sage, dann lassen Sie mich sagen: Damit ist nicht nur die politische Seite gemeint, sondern damit sind auch die Unternehmen, die Handwerkskammern, die Industrie- und Handelskammern, diejenigen, die vor Ort ehrenamtliche Patenschaften übernommen haben, und viele Sozialverbände, die sich kümmern, gemeint. Wir alle sehen, dass das nur gemeinsam zu schaffen ist.

In der nächsten Woche beraten wir das BTHG. Das ist ein großer Schritt hin zu mehr Teilhabe für Menschen mit Behinderung. An dieser Stelle ist auch zu diskutieren – hier müssen Sie sich keine Sorgen machen –, dass wir die parlamentarischen Wünsche, die noch in Arbeit sind, finanziell absichern müssen. Das ist ganz klar, das werden wir auch tun.

Schließlich ist die Rentenpolitik ein großes Thema. Morgen werde ich mein Gesamtkonzept vorstellen. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle nur sagen: Wir brauchen aus meiner Sicht Verlässlichkeit. Wir müssen etwas gegen Altersarmut tun. Wir müssen vor allem aber auch Verlässlichkeit bei den Beiträgen schaffen. Das ist genauso wichtig. Wir müssen auch Verlässlichkeit beim Sicherungsniveau schaffen. Das ist für alle wichtig. Deshalb spreche ich von einer doppelten Haltelinie und werde an dieser Stelle ganz konkrete Vorschläge unterbreiten, die wir dann selbstverständlich im parlamentarischen Raum diskutieren werden.

Sie sehen also, diese Bundesregierung legt mit diesem Haushalt gerade im Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik eine wesentliche Grundlage für eine verlässliche Sozialpolitik, für eine gute Integration der Menschen und vor allem für die Zukunft der Arbeit. Das ist für mich der Dreh- und Angelpunkt, damit wir eine ausgesprochen gute Arbeitsmarktlage, die wir jetzt haben, auch in Zukunft ermöglichen können. Daran machen sich dann auch verteilungspolitische Wünsche, die wir haben, fest. Das eine hängt mit dem anderen zusammen. Deswegen bin ich auch froh, anders als es bei vielen anderen Ländern der Welt ist, in denen es einen Arbeits- und einen Sozialminister gibt, dass ich das bei all den Schwierigkeiten in Kombination sein darf. Das passt und gehört zusammen. Mit diesem Haushalt legen wir für die Zukunft einen guten Grundstein.