Rede der Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries,

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Meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Frau Kollegin Deligöz, Ihr letzter Ansatz war leider falsch. Wenn wir es schaffen könnten, mit einem Gesetz 100 Prozent der Kinderpornografie im Internet zu verhindern, dann wäre ich weiß Gott glücklich. Aber auch mit einem Gesetz werden wir das nicht schaffen. Das muss man einfach wissen.

Wovon reden wir denn? Dass Kinderpornografie ein fürchterliches Verbrechen ist, darüber sind wir uns alle einig, und es ist oft genug gesagt worden. Deshalb wiederhole ich es nicht noch einmal. Aber auch wenn es um die Bekämpfung von fürchterlichen Verbrechen geht, kann doch der Rechtsstaat nicht vor der Tür bleiben. Wir können nicht einfach so tun, als bräuchten wir da keine Regeln, als wäre die Tatsache der Fürchterlichkeit des Verbrechens alleine Grund genug, alles zu rechtfertigen, was man meint, tun zu müssen. Das geht nicht.

Wir bekämpfen Kinderpornografie seit vielen Jahren. Eine der Maßnahmen, die seit vielen Jahren existiert und für die allen Providern in Deutschland Dank gebührt, ist, dass von allen Seiten, die in Deutschland gehostet werden, rechtswidrige Inhalte immer sofort heruntergenommen werden. Das gilt nicht nur für Kinderpornografie, sondern zum Beispiel auch für Rechtsextremismus. Man muss nur mitteilen, dass jemand rechtswidrige Inhalte deponiert hat, dann werden diese vom Provider entfernt. Das läuft seit vielen Jahren so.

Wir reden nicht über Server, die in Deutschland gehostet werden, sondern über solche, die im Ausland gehostet werden. Da besteht nun einmal – leider oder auch zum Glück – die Schwierigkeit, dass wir dort keine Vorschriften machen können. – Deswegen wollen Sie sperren; das ist eine Überlegung, die durchaus richtig ist. Sie wollen die Möglichkeit sperren, dass ein Internetuser in Deutschland einen bestimmten Weg auf der Datenautobahn zu einem Server zum Beispiel in Australien geht. Das können Sie aber nur, wenn Sie sehen, wohin er geht. Das heißt, Sie müssen den Internetverkehr filtern. Das ist ein Eingriff in die Grundrechte, und deshalb brauchen wir ein Gesetz.

Darum bin ich froh, dass wir gestern im Kabinett die Eckpunkte für einen Gesetzentwurf beschlossen haben, den wir hier gemeinsam verabschieden werden. Das ist so verabredet, und das ist wichtig und richtig. Es ist nichts dagegen zu sagen, dass man versucht, das, was man für falsch hält, mit allen Mitteln zu bekämpfen. Es zeichnet dieses Hohe Haus aus, dass immer sehr intensiv darüber diskutiert wird, welche Weiterungen und Folgerungen das hat und was wir real bewirken können. Darüber muss man sich immer im Klaren sein. Deswegen ist es wichtig und richtig, dass, wie beispielsweise von der FDP, gesagt wird, wo die Probleme mit den Internetprovidern liegen, wo Haftungsprobleme gesehen werden. Davor kann man die Augen nicht verschließen. Das heißt aber nicht, dass wir die Kinderpornografie nicht bekämpfen wollten. Selbstverständlich wollen wir das. Aber man muss das auf einer klaren, realistischen, durchdachten Basis machen. Um nichts anderes geht es. Darüber können wir dann sicherlich sehr schnell Einigkeit erzielen.

Wir haben in den letzten Jahren eine Menge unternommen. Wir haben nicht nur die freiwillige Vereinbarung mit den Providern getroffen, dass von deutschen Servern alles, was rechtswidrig ist, heruntergenommen wird, sondern wir haben auch die Gesetze verändert. Wir haben das Herstellen, das Verbreiten und den Besitz von Kinderpornografie lückenlos unter Strafe gestellt. Es gibt nirgendwo mehr eine Gesetzeslücke. Schon der Versuch, sich im Internet kinderpornografisches Material herunterzuladen, ist eine Straftat. In diesem Bereich gibt es immer wieder großartige Ermittlungserfolge. Ich erwähne in diesem Zusammenhang nur die Operation "Himmel" der Behörden in Sachsen-Anhalt, die zur Feststellung von 12.000 Verdächtigen in Deutschland geführt hat. Es funktioniert also. Diese Leute kann man verfolgen, und man kann ihrer habhaft werden.

Ich bin der festen Überzeugung – darüber müssen wir aber noch innerhalb der Regierung sprechen –, dass die Leute, die versuchen, sich von ausländischen Servern Material herunterzuladen, und die ermittelt werden, natürlich auch strafrechtlich verfolgt werden müssen.

Wir können nicht sagen "Stopp! Tu das nie wieder!", sondern da müssen wir klare Kante zeigen. Entweder wir haben ein Gesetz, das den Versuch unter Strafe stellt – in diesem Fall muss es auch vollzogen werden –, oder wir müssen das Gesetz ändern. Beides auf einmal können wir nicht machen. Davor würde ich warnen; denn damit würden wir uns als Gesetzgeber lächerlich machen.

Die Maßnahmen, die wir in der Vergangenheit auf den Weg gebracht haben, zeigen Wirkung. Wir haben viel erreicht. Die Zahl von fast 15.000 Verurteilungen im Jahre 2006 wurde schon genannt.

Wir haben auch international eine Menge erreicht. Interpol führt seit Jahren einen bewundernswerten und sehr erfolgreichen Kampf gegen die Hersteller dieser Fotos. Da macht der Generalsekretär von Interpol, Noble, eine ausgesprochen gute Arbeit, die man nur loben kann. Während unserer Ratspräsidentschaft saßen Staatsanwälte aus Deutschland, Experten aus allen EU-Staaten und Herr Noble an einem Tisch und haben ganz klar gesagt: Nationale Lösungen machen keinen Sinn. Wir müssen sehen, dass wir auf internationaler Ebene gemeinsam und geschlossen vorgehen. Das Netz ist international, also müssen auch die Handlungen international sein.

Es ist uns wichtig, mit dem Gesetz die rechtlichen Regelungen dafür zu treffen, dass wir ein Access-Blocking machen können. Ich würde noch weitergehen und nicht nur die DNS, also die allgemeinen Domänennamen, berücksichtigen. Wir müssen auch auf die Ebene darunter gehen, sonst erreichen wir viel zu wenig. Es ist möglich, auf dieser Ebene das Surfverhalten zu verfolgen. Dann können wir sagen: Wer immer versucht, auf die Seite dieses oder jenes Anbieters zu gehen oder auf diese oder jene Inhalte zuzugreifen, wird erstens gestoppt – Ihr Vorschlag – und zweitens strafrechtlich verfolgt. Denn in Deutschland sind diese Handlungen strafbar. Dann sind wir auf einem guten Weg.

Ich freue mich, dass der Kollege zu Guttenberg gestern angekündigt hat, sich an einem Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen. Es gab schon einmal Versuche, die allerdings nicht so erfolgreich waren. Es wäre super, wenn es jetzt schneller gehen würde.

Die SPD-Fraktion wird im Übrigen einen Gesetzentwurf nach der Osterpause vorlegen, wie wir heute von Frau Humme gehört haben. Es spricht also alles dafür, dass wir bis spätestens Anfang Mai eine Anhörung im Deutschen Bundestag durchführen können. Wir können dann gemeinsam mit den Sachverständigen die bis dahin vorliegenden Entwürfe durchsehen und zu vernünftigen Ergebnissen kommen. Ich denke, unser gemeinsames Ziel ist es, möglichst viel zu erreichen. Es geht nicht um plakative Maßnahmen, sondern es geht darum, bei der Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet einen Schritt weiter zu gehen.

Dem Dank von Frau von der Leyen an die Provider schließe ich mich an. Ich finde es gut, dass die Provider bereit sind, etwas zu machen. Wir wissen von ihnen, dass es drei bis sechs Monate dauert, bis sie die technischen Voraussetzungen geschaffen haben, um das machen zu können, was wir von ihnen wollen, nämlich das Access-Blocking zu realisieren. Auch das bestärkt mich in meiner Annahme, dass wir im Sommer – ich werde mich sehr stark dafür einsetzen – ein entsprechendes Gesetz haben. Bis dahin haben die Internetprovider die technischen Voraussetzungen geschaffen, um die Regelungen dieses Gesetzes umsetzen zu können.