Rede der Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries,

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Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren!

In dem Ziel der Sache, um die es hier geht, sind sich Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung einig. Wir alle wollen die Rechte psychisch kranker oder behinderter Menschen erhalten und gegebenenfalls weiter stärken. Mit dem Betreuungsrecht, über das wir hier reden, unterstützen wir psychisch kranke oder behinderte Menschen dabei, ein selbstbestimmtes Leben zu führen – so gut es eben geht.

Im Zuge der jetzt vom Bundesrat aufgekommenen Initiativen zur Veränderung des Betreuungsrechts wurde teilweise die Behauptung aufgestellt, dass das Betreuungsrecht ein schlechtes Gesetz sei und dass es erhebliche Missstände gebe. Diese Aussage würde ich gerne zurückweisen und ihr widersprechen. Ich meine nicht, dass das geltende Betreuungsrecht ein schlechtes Gesetz ist.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Zahl der Betreuten in den letzten Jahren sehr stark gestiegen ist. Das zeigt auf der einen Seite, dass es ein gutes Gesetz ist, weil es angewandt wird. Auf der anderen Seite führt dies aber auch dazu, dass die Haushalte der Bundesländer stärker belastet werden. Von daher habe ich vollstes Verständnis dafür, dass die Länder hier Veränderungen vornehmen wollen und dieses Gesetz, wie man auf Neudeutsch sagt, evaluieren wollen.

Ich glaube, die stetig steigenden Betreuungskosten kann man unter anderem auf zwei Gründe zurückführen.

Erstens stehen die amtlich bestellten Betreuer nicht nur für die ihnen obliegenden Aufgaben, also für die rechtliche Betreuung, zur Verfügung, sondern sie nehmen darüber hinaus zahlreiche andere Aufgaben wahr, die eigentlich nicht zur rechtlichen Betreuung gehören. Diese rechnen sie aber gleichwohl ab. Das kann man unter mitmenschlichen Gesichtspunkten gut verstehen.

Allerdings habe ich aber, wie gesagt, Verständnis für das Interesse der Länder, die die Berufsbetreuung auf die erforderliche rechtliche Betreuung zurückführen wollen. Das, was im Sinne der Menschen darüber hinaus geleistet werden muss, muss in anderer Form sichergestellt werden. Ich glaube, das schulden wir denjenigen, die für ihre Betreuungskosten selbst aufkommen müssen, genauso wie denjenigen, die ihre Betreuungskosten durch die Staatskasse erstattet bekommen.

Der zweite Gesichtspunkt ist, dass das jetzt geltende Betreuungsrecht einen erheblichen bürokratischen Aufwand vorsieht; denn jede Tätigkeit eines Betreuers muss einzeln dokumentiert und abgerechnet werden. Das erscheint schon auf den ersten Blick nicht sonderlich vernünftig. Von daher glaube ich schon, dass die unnötige Bürokratie ruhig zurückgeführt werden kann, wenn man den Grundprinzipien des Betreuungsrechts treu bleibt, also dem Wohl und dem Erhalt größtmöglicher Selbstbestimmung der Betroffenen.

Einen wesentlichen Ansatz im Gesetzentwurf des Bundesrates halte ich für richtig, nämlich die Stärkung der Vorsorgevollmacht, ein Thema, dem sich das Bundesministerium der Justiz schon längere Zeit widmet. Wir werben schon immer dafür, dass diese Vorsorgevollmacht stärker in Anspruch genommen wird. Wir haben ein einheitliches Muster entwickelt, das von möglichst allen benutzt werden sollte, damit der Wirrwarr mit verschiedenen Mustervollmachten aufhört.

Das gilt auch für die vorgesehene Entbürokratisierung und Verfahrensvereinfachung im Betreuungswesen. Ich habe es schon angesprochen: Es macht eindeutig Sinn, zu einer Pauschalierung der Vergütung und des Aufwendungsersatzes für Berufsbetreuer zu kommen. Das ist von einer Arbeitsgruppe sorgfältig berechnet worden. Ich verspreche mir davon, dass durch den Wegfall von aufwendigen Abrechnungen für die Betreuer und mühsamer Überprüfung für die in der Justizverwaltung dafür Zuständigen auf beiden Seiten Kapazitäten frei werden, die für Sinnvolleres genutzt werden können.

Nun ist es nicht überraschend, dass sich insbesondere die betroffenen Berufsbetreuer und Betreuungsvereine sehr dagegen wehren, von der Spitzabrechnung hin zu einer Pauschalierung zu kommen. Ich möchte ihnen ungern unterstellen, dass sie dies nur aus Besitzstandsdenken heraus tun und sich weigern, sachgerechten Veränderungen zuzustimmen. Wir sollten uns in den Beratungen im Ausschuss sehr sorgfältig anschauen, welches die Kritikpunkte der Berufsbetreuer und Vereine sind, um darauf gegebenenfalls eingehen zu können. Mir ist schon aufgefallen, dass nicht alle Beanstandungen von der Hand zu weisen sind.

Ein anderer Punkt, bei dem ich mit dem Gesetzentwurf der Länder Probleme habe, betrifft die Einführung einer gesetzlichen Vertretungsmacht für Ehegatten und Lebenspartner im Bereich der Vermögensvorsorge. Das ist ein schwieriges Thema, dem wir uns in der Diskussion stellen müssen. Es ist sicherlich schon in der sozialen Wirklichkeit problematisch, generell eine Vollmacht für Ehepartner einzuführen, um dann festzustellen, dass nur 13 Prozent der Betreuten verheiratet sind. Ich glaube, der Anlass und das Ergebnis der Regelung sind auch aus verfassungsrechtlichen Gründen problematisch. Diese gesetzliche Vertretungsmacht in Vermögensangelegenheiten widerspricht zudem dem Grundprinzip der selbstständigen Vermögensverwaltung. Man muss sich auch die Frage stellen: Warum haben sich Ehepartner nicht während ihrer Ehe gegenseitig eine Vollmacht über ihre Konten erteilt? Wenn sie es nicht gewollt haben, dann muss man dies auch zu einem Zeitpunkt respektieren, zu dem sie darüber nicht mehr selbstständig entscheiden können.

All das müssen wir uns sorgfältig ansehen. Wie gesagt, in dem Grundansatz der Länder, die Kosten zu senken, unnötige Bürokratie zu vermeiden und Vereinfachungen zu suchen, sind wir uns einig. Wir müssen aber sehen, dass wir alles im Rahmen der erforderlichen rechtsstaatlichen und persönlichkeitswahrenden Grundsätze regeln.

Dazu gehört im Übrigen auch, dass die vorgeschlagene zwangsweise Zuführung zur ambulanten ärztlichen Heilbehandlung aufgrund richterlicher Genehmigung für meine Begriffe besser gestrichen werden sollte. Die Bundesregierung hat hier ganz erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Wir sollten sehen, dass wir zu einer anderen Regelung kommen. Es gibt hier hinreichend andere Möglichkeiten, um zu sachgerechten Entscheidungen zu kommen.

Zusammenfassend: Die Bundesregierung wird die vorgeschlagenen Verfahrensvereinfachungen und Entbürokratisierungen mittragen, soweit dies das Betreuungsrecht wirklich stärkt und die Rechte der betroffenen Menschen wahrt.