Rede der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Svenja Schulze,

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Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben heute hier im Haus viel darüber diskutiert, dass wir die Demokratie stärken müssen, dass wir antidemokratischen Kräften entgegenwirken müssen und dass uns das als Demokratinnen und Demokraten hier im Haus verbindet. Und zur Demokratie gehört auch, dass man den Bürgerinnen und Bürgern schwierige politische Entscheidungen gut erklärt. Der Haushalt 2024 ist das Ergebnis von sehr schwierigen, ja, von sehr schmerzhaften Entscheidungen.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts war sehr klar, dass ressortübergreifend gespart werden muss. Herr Gröhe, ich habe Ihren Appell jetzt so verstanden, dass Sie doch noch mal mit uns an der Schuldenbremse arbeiten möchten; denn Sie möchten ja wieder so viel Geld haben wie in den früheren Zeiten. Da war die Schuldenbremse aufgehoben.

Dieser Haushalt ist das Ergebnis dessen, dass wir sparen müssen, und ich habe dem Haushalt wirklich schweren Herzens zugestimmt; das war nicht einfach für mich. Wir haben im Einzelplan 23 für dieses Jahr jetzt nur noch rund elf Milliarden Euro, und wir tragen als Haus damit sehr umfangreich zu den Haushaltskonsolidierungen bei.

Die Auswirkungen dieser Kürzungen werden wir in Deutschland spüren. Wir übernehmen hier Verantwortung in wirklich schwierigen Zeiten. Sie haben es ja offensichtlich schon vergessen; aber wir sind gestartet mit Corona, wir haben den Krieg Russlands gegen die Ukraine, mit Inflation, mit den Folgen für die Energieversorgung. Wir sehen die zunehmende Erderhitzung und den Verlust von Biodiversität. Das sind keine normalen Zeiten; das sind schwierige Zeiten, in denen wir hier versuchen, etwas voranzubringen. Ich bin davon überzeugt: In solchen Zeiten brauchen wir mehr Entwicklungspolitik und nicht weniger.

Mich besorgen diese populistischen Rufe, dieses Sich-abgrenzen, dieses Sich-wieder-ins-Nationale-zurückziehen-Wollen, dieses Sich-ins-Schneckenhaus-zurückziehen-Wollen. Damit lösen wir keines dieser weltweiten Probleme; nein, wir verschärfen die Probleme sogar.

Mich besorgt, dass jetzt sogar Unionspolitikerinnen und -politiker diese AfD-Rhetorik in Teilen übernommen haben. Ich halte das für eine sehr gefährliche Entwicklung und will das deshalb hier noch ansprechen. Dass Sie Vorhaben, die von Ihnen selber auf den Weg gebracht worden sind, jetzt sozusagen skandalisieren, ist wirklich etwas, was einen besorgen muss als Demokratin oder als Demokrat. In 16 Jahren Merkel-Regierung war immer klar, dass Deutschland sich für internationale Zusammenarbeit starkmacht; das war immer klar. Und diese Klarheit möchte ich jedenfalls bewahren und gegen die rechte Seite hier verteidigen.

Nicht die internationale Gemeinschaft braucht mehr Entwicklungspolitik – darum geht es hier gar nicht –; wir brauchen hier in Deutschland mehr Entwicklungspolitik. Und warum? Weil eben erfolgreiche Politik für die Zukunft internationale Zusammenarbeit und strategischen Weitblick braucht, weil die internationale Zusammenarbeit eben dazu führt, dass wir gemeinsame Probleme, die wir auf der Welt haben, auch gemeinsam lösen.

Der Klimawandel, die Kriege, die Konflikte, die Migration, die Ungleichheit, die Lieferketten, die Pandemien – all damit verbundene Probleme lassen sich nicht ohne internationale Zusammenarbeit lösen. Ohne das kommen wir in diesen Themen schlichtweg nicht weiter.

Wie sehr wir die internationale Zusammenarbeit brauchen, das zeigt sich auch an der Entwicklung im Nahen Osten – ich will das ausdrücklich noch mal aufgreifen; das war eben schon mal Thema bei Annalena Baerbock und der Außenpolitik; aber wir sind da sehr eng miteinander abgestimmt –: Der brutale Angriff der Hamas auf Israel war ein Einschnitt auch für uns hier in Deutschland. Und seit diesem Tag bemüht sich diese Bundesregierung noch intensiver darum, dass die Lage dort befriedet wird, dass die Probleme sich nicht auf den ganzen Nahen Osten ausweiten.

Dabei können wir die entwicklungspolitische Arbeit und die Projekte, die wir dort haben, im Moment nicht machen; das geht erst wieder nach den Kriegshandlungen. Natürlich steht das humanitäre Engagement aus dem Außenministerium da jetzt im Vordergrund.

Die Vorwürfe, dass UN-Beschäftigte an dem grausamen Angriff der Hamas beteiligt sein sollen, wiegen schwer. Das ist wirklich schockierend; so was darf nicht passieren. Deswegen war es richtig, dass diese Mitarbeiter erst mal fristlos entlassen wurden. Aber ich erwarte eine umfassende, eine gründliche, eine transparente Untersuchung der Vorwürfe, damit der palästinensischen Zivilbevölkerung auch weiterhin geholfen werden kann, damit sie weiter versorgt werden kann. Denn darum geht es in der jetzigen Zeit: die palästinensische Bevölkerung – nicht nur in Gaza, sondern auch im Westjordanland, im Libanon, in Jordanien, in Syrien – nicht alleine zu lassen, ihr zu helfen. Ich glaube, das ist auch unsere Verantwortung, und das leistet im Moment vor allen Dingen das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten.

Wie sehr wir diese internationale Zusammenarbeit brauchen, sehen wir aber auch beim internationalen Klimaschutz. Das will ich hier ausdrücklich betonen: Der Klimawandel ist längst hier in Deutschland angekommen. Wir sehen die Dürren; wir sehen Starkregen, Hochwasser. Dieser Klimawandel bedroht unsere Städte, unsere Gemeinden; er bedroht die Landwirtschaft in Deutschland.

Ich verstehe absolut nicht, warum die Union glaubt, dass die beste Strategie dagegen sei, Geld aus der internationalen Klimafinanzierung abzuziehen und davon etwas anderes zu finanzieren. Sie haben diese Kürzungen hier gefordert. Reden Sie mit Herrn Habeck! Reden Sie mit ihm! 80 Prozent der Mittel, die in Deutschland für internationalen Klimaschutz investiert werden, kommen aus dem Etat des Entwicklungsministeriums.

Und nicht nur beim Klimaschutz, sondern auch bei Gesundheit, bei Migration und bei Armutsbekämpfung gilt: Der Entwicklungsetat ist eine Investition, die auch den Menschen in Deutschland nützt. Daher müssen wir Kürzungen vermeiden. Wir müssen auch die Menschen in Deutschland vor Starkregen, vor Hitze und Weiterem schützen. Dazu gehört der Klimaschutz.

Das bringt mich zum zweiten Aspekt erfolgreicher Politik: strategische Weitsicht. Ich weiß, einige Abgeordnete hier hätten den Etat für die Entwicklungspolitik gerne noch stärker gekürzt. Ich bin dankbar, dass so viele Kolleginnen und Kollegen aus den verschiedensten Fraktionen das gemeinsam mit mir verhindert haben. Denn das wäre wirklich fatal gewesen für Deutschland als viertgrößte und global vernetzte Volkswirtschaft.

Denn unser Wohlstand hier kommt nicht von ungefähr. Unser Wohlstand beruht auf Weltoffenheit. Jeder zweite Euro in Deutschland wird im Export verdient. Entwicklungspolitik schafft dafür die Voraussetzung. Sie ist ein wichtiger Türöffner, auch für die deutsche Wirtschaft. Meine Herren hier vorne von der AfD: Wir lassen uns unsere Wirtschaft, unser Erfolgsmodell, unser Wohlstandsmodell von Ihnen nicht kaputtmachen. Uns geht es um kluge Investitionen in die Zukunft der Menschen.

Deswegen will ich hier noch mal ausdrücklich sagen: Es ist klug, in die Menschen in anderen Ländern zu investieren. Wir haben Zentren für Migration und Entwicklung auf den Weg gebracht. Ich habe letzte Woche in Marokko zum Beispiel Mohammed kennengelernt. Er ist eine ausgewiesene Fachkraft im Bereich Klima- und Gewerbekälte. Er hat über zehn Jahre Erfahrung in dem Bereich, einem Bereich, wo uns Fachkräfte fehlen. Dass wir es jetzt schaffen, durch eine gute Beratung in den Zentren für Migration solche Menschen dabei zu unterstützen, dass sie Deutsch lernen und eine Perspektive für sich in Deutschland sehen, ist auch ein Erfolg von entwicklungspolitischer Zusammenarbeit.

Das ist ein Erfolg für diesen jungen Menschen, der eine Perspektive hat und eben nicht arbeitslos ist. Das ist ein Erfolg für Marokko, ein Land, mit dem wir das gemeinsam erarbeitet haben. Denn Marokko hat eine hohe Jugendarbeitslosigkeit und ist froh, wenn Menschen im Ausland Geld verdienen und durch Rücküberweisung in Marokko wiederum helfen. Und es ist ein Gewinn für uns; denn uns fehlen die Fachkräfte. Wir brauchen diese Menschen, die uns in unserer Wirtschaft unterstützen. Dieser Paradigmenwechsel, den wir in der Migrationspolitik mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz und dem Staatsangehörigkeitsgesetz gemacht haben, ist etwas, für das diese Koalition steht und was uns wirklich nach vorne bringt.

Entwicklungspolitik ist ein unerlässlicher Teil einer wirksamen deutschen Politik für die Zukunft. Sie ist ein Gebot der Menschlichkeit. Sie ist im deutschen Interesse. Deutschlands Zukunft wird auch jenseits unserer Landesgrenzen gestaltet. Daran muss man, glaube ich, den einen oder anderen hier ab und zu mal wieder erinnern.

Herzlichen Dank.