Rede von Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier

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Heute vor 50 Jahren kniete Willy Brandt in Warschau vor dem Denkmal für den Aufstand im jüdischen Getto. Ein Bild, das um die Welt ging.

Als der deutsche Bundeskanzler damals nach Warschau kam, waren die Wunden der Vergangenheit noch frisch: der Überfall auf Polen, der mit entsetzlicher Grausamkeit von Deutschland geführte Vernichtungskrieg, der Terror und die polnischen Opfer der deutschen Besatzung, der Völkermord an den Juden. Auch Flucht und Vertreibung der deutschen Zivilbevölkerung lasteten auf den Beziehungen.

Fünf Jahre zuvor hatten die polnischen Bischöfe ihren deutschen Amtsbrüdern die Hand zur Versöhnung ausgestreckt. In ihrer neuen Ostpolitik nahm die damalige Bundesregierung die gesellschaftlichen Impulse der Verständigung auf. Der Abschluss des deutsch-polnischen Vertrages sollte den Frieden in Europa sicherer machen und die Hinterlassenschaften des Zweiten Weltkrieges ordnen – einschließlich Gewaltverzicht und der Anerkennung bestehender Grenzen. Harte und schmerzhafte Debatten folgten, aber am Ende stand die demokratische Zustimmung eines frei gewählten deutschen Parlaments zum Warschauer Vertrag.

Der Emigrant und Widerstandskämpfer, der selbst ohne Schuld war, bekannte mit seinem Kniefall deutsche Schuld und bat um Vergebung. Darin lag die Größe dieser Geste Willy Brandts.

Seither haben Deutschland und Polen gemeinsam den demokratischen Aufbruch des Jahres 1989 erlebt, wobei Polen mit der Solidarność mutig voranging. Wir haben den Fall des Eisernen Vorhangs in Europa gefeiert, wir profitieren von offenen Grenzen und arbeiten als gute Nachbarn in der Europäischen Union zusammen.

Der Deutsche Bundestag hat vor Kurzem beschlossen, in Berlin an prominenter Stelle ein Denkmal zu errichten, um an die polnischen Opfer des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Besatzung zu erinnern und sie zu würdigen.

Ich begrüße diese Entscheidung. Dieses Denkmal setzt ein sichtbares Zeichen gegen das Vergessen. Es soll uns zugleich ständige Mahnung für eine bessere Zukunft sein.

Die Herausforderungen unserer Zeit können wir nur gemeinsam meistern. Die Partnerschaft zwischen Deutschland und Polen ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Zukunft. Aber wir werden auch die Vergangenheit nicht vergessen. Nicht das Leid der Menschen in Polen, nicht den historischen Mut zur Versöhnung und auch nicht einen Kniefall, der uns an all das erinnert.