Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz

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Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Söder,
sehr geehrte Frau Bundesministerin Stark-Watzinger, liebe Bettina,
Minister Schulz,
sehr geehrte Staatsminister Aiwanger, Glauber und Blume,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Müller, – aus eigener Tradition muss ich sagen: Erster Bürgermeister –,
Mister Redfern,
sehr geehrter Herr Mölk,
meine Damen und Herren!

300 Kilometer nördlich von hier, in Windisch-Eschenbach, haben Geologinnen und Geologen in den 80er Jahren ein neun Kilometer tiefes Loch in den bayerischen Boden gebohrt. Das war das Kontinentale Tiefbohrprogramm der Bundesrepublik Deutschland. Und es drang so weit in die Erdschichten vor wie noch niemand zuvor in Deutschland. Was man allerdings auch dazu sagen muss: Die Ingenieurinnen und Forscher wollten damals eigentlich genau senkrecht nach unten in die Erde bohren. Nach getaner Arbeit aber lag das Ende dieser Bohrung um 300 Meter zur Seite verschoben. Je tiefer es ging, desto heißer wurde es da unten, und das elektronische Vertikalbohrsystem hat irgendwann nicht mehr funktioniert.

Ich erwähne diese Geschichte, weil ich eines verdeutlichen möchte: Das ist eine technische Meisterleistung, die Sie sich mit diesem Projekt hier in Geretsried vorgenommen haben. Denn hier geht es ja nicht nur in die Tiefe. Sie müssen auch unter der Erde ziemlich genau dort rauskommen, wo Sie hinwollen. Wenn dieser Versuch gelingt, wäre das nicht nur ein großes Stück Ingenieurskunst, sondern ein noch größerer Fortschritt für unsere Wärmewende. Denn dann könnte man Geothermie unabhängig vom Thermalwasser an sehr vielen Orten nutzen, wo das bislang noch nicht geht, und auch in größeren Mengen.

Das hieße: Mehr saubere Wärmeversorgung, und die bringt uns näher an unsere Klimaziele. Dafür – das ist klar – reicht business as usual nicht aus. Dafür muss man sich auch mal etwas trauen und neuen, hochinnovativen Technologien eine Chance geben, und genau das tun Sie. Dafür von Herzen Erfolg!

Ich finde das richtig und wichtig; denn Erdwärme bringt die ganze Energiewende voran. Sie sollte eine viel bedeutendere Rolle spielen, als sie das bisher tut. Die Idee, die Wärme unter der Erde als Energie auch über der Erde zu nutzen, ist so naheliegend, weil diese Wärme ja immer da ist – unabhängig von Wind und Wetter, unabhängig von den Jahreszeiten. Deshalb haben sie übrigens schon die Römer eine ganze Weile vor uns genutzt, im ersten Jahrhundert. Damals heizten sie ihre Häuser und ihre Thermen mit heißem Quellwasser – auch hier in Bayern, zumindest südlich des Limes. Denn hier gibt es eine ganze Menge heißes Wasser unter der Erde. Deshalb liegt hier ein bedeutender Teil der 42 Projekte der tiefen Geothermie, die in Deutschland in Betrieb sind.

Aber auch anderswo nimmt das Interesse an dieser Form der Geothermie zu: 12 Anlagen werden neu gebaut. Erst im April habe ich eine davon eingeweiht – in Schwerin, im hohen Norden. Weitere 82 sind deutschlandweit in Planung. Das läuft also ganz gut. Und trotzdem geht da eben noch viel mehr.

Forscherinnen und Forscher der Geothermie-Allianz Bayern haben gezeigt, dass die Geothermie einen Großteil der Wärmeversorgung in Deutschland abdecken könnte. Und Expertinnen und Experten des Geoforschungszentrums GFZ in meinem Wohnort Potsdam haben vergangenes Jahr eine Roadmap für die Entwicklung der Tiefen Geothermie in Deutschland vorgestellt. Ihr Fazit: Geothermie kann Wärmewende.

Die Tiefengeothermie ist vor allem für unsere Kommunen und ihre Wärmeversorgung interessant. Bei der herkömmlichen Technologie liegt die größte Herausforderung darin, geeignete heiße Quellen zu finden, das so genannte Fündigkeitsrisiko. Im vergangenen Jahr haben wir als Bund deshalb eine Initiative gestartet, mit der wir Explorationsprojekte fördern, Risiken abfedern und untersuchen, wo sich Geothermie besonders lohnt. Unser Ziel ist, so viel Erdwärme wie möglich bis 2030 zu erschließen und zehnmal so viel Erdwärme ins Wärmenetz einzuspeisen wie heute. Das ist ambitioniert. Aber eine sichere und vor allem bezahlbare Versorgung mit erneuerbarer Energie ist ein Vorteil nicht nur für unsere Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für unsere Wirtschaft ganz entscheidend – für Standortentscheidungen und für Investitionen.

Wir sind dabei, Deutschland bis 2045 zu einem der ersten klimaneutralen Industrieländer der Welt zu machen. Wir räumen unnötige Bürokratie aus dem Weg, setzen die Ausschreibungsvolumina hoch und beschleunigen Planungsverfahren deutlich. Dabei setzen wir auf alle erneuerbaren Energien. Denn wer nur auf eine Sache setzt, der macht sicherlich etwas falsch.

Bei den Photovoltaikanlagen hat sich der Zubau in Deutschland innerhalb des vergangenen Jahres fast verdoppelt, von 17 auf mehr als 30 Fußballfelder an Photovoltaikanlagen, wohlgemerkt pro Tag. Wir haben letzte Woche im Kabinett ein Solarpaket beschlossen, mit dem wir den Ausbau der Solarenergie beschleunigen, und es geht darum, selbst erzeugten Sonnenstrom besser zu nutzen.

Auch bei der Windkraft hat sich in den vergangenen zwölf Monaten Entscheidendes getan. Allein im Monat Juni dieses Jahres wurden mehr als 200 neue Windräder genehmigt. Das sind mehr als doppelt so viele wie im Jahr zuvor, mehr als sechs pro Tag, und jetzt schon mehr als die vier bis fünf, die wir pro Tag bauen wollen, um unser Ziel im Jahr 2030 zu erreichen!

Das sind gute Nachrichten auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland und für Investorinnen und Investoren. Zahlreiche Unternehmen planen gerade Großinvestitionen in Deutschland – in neue Batteriefabriken, in Halbleiterfabriken, in neue Netze und Anlagen. Erst vor wenigen Wochen waren der Ministerpräsident und ich in Erlangen. Denn Siemens investiert eine Milliarde Euro in Deutschland, unter anderem in einen Campus für Hightech und in hochautomatisierte Fabriken. Insgesamt reden wir über Investitionen von rund 80 Milliarden Euro, die da innerhalb weniger Monate zusammengekommen sind. Daran werden Zehntausende gute Arbeitsplätze hängen, auch bei Zulieferern und lokalen Handwerksunternehmen, im klassischen deutschen Mittelstand.

Was all diese Investoren interessiert, ist, ob in der Zukunft vor Ort genügend bezahlbare erneuerbare Energie vorhanden sein wird. Auch deshalb freue ich mich über den Pioniergeist von Ihnen. Mit heißer Erde für warme Wohnungen sorgen, uns weniger abhängig machen von Energieimporten und auch noch das Klima schützen! Wenn wir neuen Ideen und Projekten wie diesem eine Chance geben, kann daraus neuer Wohlstand erwachsen. Deshalb wünsche ich Ihnen und uns allen, dass Deutschland das erste Land in Europa wird, in dem der Eavor-Loop in nennenswertem Maßstab funktioniert. Alles Gute für dieses Vorhaben!

Übrigens: Das tiefe Loch in Windisch-Eschenbach gibt es immer noch. Dort untersuchen Forscherinnen und Forscher bis heute die Gesteinsschichten und was man sonst noch alles so aus Bohrkernen herauslesen kann. Falls Sie am Wochenende also noch nichts vorhaben: Man kann es auch besichtigen.

Schönen Dank und viel Erfolg!