Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz

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Sehr geehrter Herr Hanebeck,
sehr geehrte Frau Kommissionspräsidentin,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
meine Damen und Herren,

schönen Dank für die Einladung nach Dresden. Ich bin sehr froh, heute bei diesem zukunftsweisenden Projektstart dabei zu sein. Denn es kann gar nicht eindringlich genug bekräftigt werden, warum die Infineon Smart Power Fab und weitere Investitionen in die Halbleiterindustrie so wichtig sind – hier bei uns in Deutschland, hier bei uns in Europa.

Halbleiter werden oft als das „Erdöl des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet, der eine Rohstoff sozusagen, von dem fast alles andere abhängt. Warum ist das so? Weil wir uns als Gesellschaft auf den Weg gemacht haben, von den fossilen Energieträgern des 19. und des 20. Jahrhunderts unabhängig zu werden – vom Öl, von der Kohle und vom Gas. Nur so werden wir die Grundlagen des Lebens auf unserem Planeten erhalten. Darum ist die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft die zentrale Aufgabe dieses Jahrhunderts.

Die Bundesregierung hat sich dafür ehrgeizige Ziele gesetzt: Bis 2030 wollen wir 80 Prozent der dann benötigten Energie aus erneuerbaren Quellen beziehen. Bis 2045 soll Deutschland vollständig klimaneutral sein.

Das schaffen wir nur mit Anstrengungen auf allen Gebieten unseres Lebens und Wirtschaftens. Das schaffen wir nur, wenn wir die Windkraft massiv ausbauen. Das schaffen wir nur, wenn wir die Photovoltaik massiv ausbauen. Das schaffen wir nur mit Wärmepumpen und mit Elektromobilität. Alle diese Bereiche haben eines gemeinsam: Sie brauchen Halbleiter, sehr viele Halbleiter, Halbleiter und nochmals Halbleiter!

Schon in einem einzigen modernen Elektroauto stecken rund 1.500 Chips. Das ist zunächst einmal gut für Infineon, das ist gut für Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aber wichtig ist auch, dass wir gerade hier bei uns in Deutschland und hier bei uns in Europa weiter in unsere Halbleiterkapazitäten investieren. Denn wenn wir so auf Halbleiter angewiesen sind, dann müssen wir aufpassen, dass wir beim Zugang zu diesen Halbleitern nicht allein von anderen Weltregionen abhängig sind. Das ist die strategische Dimension.

Dabei setzen wir nicht auf europäische Autarkie, nicht auf den Rückbau globaler Liefer- oder Wertschöpfungsketten, nicht auf die Abkoppelung von Wirtschaftsräumen – „decoupling“ wird das ja genannt. Das wäre ganz sicher der falsche Weg.

Eins aber brauchen wir. Das ist kluges, vorausschauendes „de-risking“ – so wie du das vor einigen Wochen unterstrichen hast, liebe Ursula. Das bedeutet, unsere Risiken zu verringern, unsere Bezugsquellen zu diversifizieren, unsere eigenen Kapazitäten hier bei uns in Europa strategisch auszubauen. Deshalb hat die EU-Kommission Deutschlands volle Unterstützung bei dem Ziel, bis 2030 20 Prozent der weltweiten Halbleiterproduktion in Europa zu haben. Wir begrüßen und unterstützen den European Chips Act nicht nur – wir erfüllen ihn auch mit Leben.

Dafür steht der heutige Tag. Es ist eine hervorragende Nachricht, dass Infineon mit dem Chips Act im Rücken die nötigen Anreize hat, weiter in Deutschland zu investieren. Denn die hier in Dresden gefertigten Chips sichern Arbeitsplätze, Wohlstand und Zukunft. Sie helfen mit, unsere Industrie widerstandsfähiger zu machen. Sie versorgen unsere Unternehmen – vom Mittelstand bis zum Großkonzern – mit genau den Bauteilen, die sie brauchen, um mit umweltfreundlichen Technologien weltweit erfolgreich zu sein.

Noch eine weitere Bedingung ist entscheidend, damit wir die Transformation erfolgreich meistern. Wir müssen schnell sein und noch schneller werden. Wir brauchen weiter Druck auf dem Kessel. Darum geht es, wenn ich vom Deutschlandtempo spreche.

Im vergangenen Jahr haben wir bereits die Planungs- und Genehmigungszeiten für Netze und Windräder erheblich reduziert. Offshore-Windparks können jetzt schneller genehmigt, gebaut und angeschlossen werden. An Land gelten für die Windkraft verbindliche Flächenziele. Der Ausbau der Erneuerbaren hat gesetzlichen Vorrang vor anderen Rechtsgütern.

Mit den jüngsten Beschlüssen der Bundesregierung nimmt unser Land jetzt noch mehr Fahrt auf. Für Windräder und Photovoltaik wird es zusätzliche Flächen geben. Ich bin, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, der sächsischen Landesregierung sehr dankbar dafür, dass Sie beim Ausbau der Windkraft Bremsklötze gelöst haben. Auch marode Brücken können nun schneller ersetzt und stauanfällige Autobahnen schneller ausgebaut werden. Wir beschleunigen den flächendeckenden Ausbau der Ladeinfrastruktur, damit wir bis 2030 auch wirklich 15 Millionen Elektroautos auf unsere Straßen bringen.

Und nochmals: Für all diese Vorhaben brauchen wir Halbleiter. Darum können auch Projekte wie dieses von Infineon keine Ewigkeiten warten. Auch hier in Dresden muss es im neuen Deutschlandtempo schnell vorangehen – und es geht schnell voran. Die für Infineon notwendigen Anreize im Rahmen des Chips Act haben wir ohne Zeitverlust geschaffen.

Lieber Herr Hanebeck, in Ihrer Einladung an die Bundesregierung für den heutigen Tag lobten Sie die „beachtliche Demonstration der Geschwindigkeit und Effizienz der deutschen Ministerialverwaltung“. Das ist ein Lob, das ich gern an alle Beteiligten weitergebe. Herzlichen Dank! Denn genau das ist unser Anspruch. Ob Infineon in Dresden, Tesla in Brandenburg oder Wolfspeed/ZF im Saarland, wir brauchen das neue Deutschlandtempo für unseren gemeinsamen Erfolg. Dieses Tempo entwickelt sich zu unserer Stärke.

Noch etwas will ich hervorheben: Dass wir den heutigen Spatenstich für ein so zukunftsweisendes Projekt hier in Dresden feiern, ist eine ganz besondere Erfolgsgeschichte. Vor knapp dreißig Jahren, 1994, wurde der damalige Siemens-Standort nicht zufällig hier in Dresden gegründet. Seinerzeit nahm man den Faden wieder auf, der 1990 mit dem Ende des „VEB Kombinat Robotron“ gerissen war. Das Werk wurde zu dem Nukleus, aus dem das innovative und forschungsintensive Cluster Silicon Saxony gewachsen ist und weiter wächst.

Es ist auffällig und erfreulich: Gerade in großen traditionellen Industrieregionen in unserem Land entstehen heute wieder moderne und wichtige Schlüsselindustrien, neue Arbeitsplätze und neue Wertschöpfung, neue Perspektiven und neue Zuversicht. Auch im Saarland und in Sachsen-Anhalt sollen schon bald Halbleiter gefertigt werden. Brandenburg baut Elektroautos. Aus Mecklenburg-Vorpommern kommen Geothermie und grüner Wasserstoff. An Standorten im ganzen Land entstehen Batteriefabriken. Auch in der Lausitz, in Kamenz, in Döbeln, in Leipzig gibt es solche Projekte.

Sachsen ist das Paradebeispiel für die Reindustrialisierung, die wir jetzt voranbringen. Schon jetzt ist Dresden die Nummer eins in der europäischen Chipproduktion. Jeder dritte in Europa produzierte Chip ist „Made in Saxony“. Es ist gut, dass der heutige Spatenstich hier in Dresden bei Infineon diese Entwicklung fortsetzt. Ich habe aus meinen Gesprächen mit anderen internationalen Investoren übrigens nicht den Eindruck, dass diese Großinvestition die letzte ist, die wir hier in Silicon Saxony erleben werden.

Zugleich wird die neue Smart Power Fab von Infineon ein entscheidender nächster Schritt auf dem Weg der Transformation, die wir uns in Deutschland vorgenommen haben. Dieser Aufbruch ist die große Chance für unser Land. Dieser Aufbruch ist der richtige Weg für Deutschland. Allen, die das noch immer nicht recht glauben, sollten wir heute gemeinsam zurufen: Schaut hierher nach Dresden! Hier entsteht Deutschlands Zukunft.

Schönen Dank.