Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Dr. Philipp Rösler,

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Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Die deutsche Wirtschaft ist robust. Unter Rot-Grün war das anders. Unter Rot-Grün gab es über fünf Millionen Arbeitslose. Heute, unter einer schwarz-gelben Regierung, gibt es weit unter drei Millionen Arbeitslose.

In Ihrer Regierungszeit ist über eine Million sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen verloren gegangen. In unserer Regierungszeit sind über 1,1 Millionen neue Arbeitsplätze aufgebaut worden.

Das Wachstum war in den letzten beiden Jahren stark. Auch jetzt, in schwieriger werdenden Zeiten, stehen wir an Europas Spitze.

Wir als Regierungskoalition stehen für Wachstum, für Wohlstand, für Beschäftigung, und ich sage Ihnen: Gerade jetzt kann man erkennen, dass die letzten drei Jahre der deutschen Wirtschaft und unserem Land insgesamt sehr gut getan haben. Wir werden diesen richtigen wirtschaftspolitischen Kurs als christlich-liberale Koalition, als Koalition aus CDU, CSU und FDP, beibehalten.

Wir werden genau diesen Kurs jetzt auch brauchen; denn wir alle sehen: Die wirtschaftliche Entwicklung wird schwieriger werden. Wir sehen eine abnehmende Dynamik in den Exportregionen in der Welt: in den Schwellenländern, aber auch in den Exportabsatzmärkten in den USA und natürlich auch innerhalb Europas. An einer Exportnation wie Deutschland kann eine solche Entwicklung natürlich nicht spurlos vorbeigehen. Deswegen erwarten wir auch für das nächste Jahr eine gedämpfte Konjunktur.

All diejenigen, die jetzt gleich wieder die konjunkturpolitischen Streichhölzer herausholen wollen, um vielleicht wirtschaftspolitische Strohfeuer zu zünden, sollten eines nicht vergessen: Es waren damals ungedeckte Ausgabenprogramme – wirtschaftspolitische Strohfeuer – und verschleppte Reformen, die diese Schwierigkeiten in ganz Europa überhaupt erst verursacht haben. Das zeigt eines sehr klar: Ihre wirtschaftspolitischen Konzepte mit immer mehr Schulden ohne wirtschaftliche Reformen haben sich überholt. Wir müssen sie dringend ändern, wenn wir in Deutschland und in Europa gemeinsam weiter auf einem Wachstumskurs voranschreiten wollen.

Statt sich auf die Tugenden der sozialen Marktwirtschaft zu besinnen, nämlich stabile Haushalte auf der einen Seite und Reformen und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit auf der anderen Seite, greifen Sie in die wirtschaftspolitische Mottenkiste der 70er Jahre. Ihre neue Beschlusslage sieht doch wieder nur Steuererhöhungen vor.

Das beste Beispiel dafür ist die Vermögensteuer. Sie fahren damit massiv einen Angriff auf den unternehmerischen Mittelstand in Deutschland. Damit gefährden Sie Arbeits- und Ausbildungsplätze. Es ist der absolut falsche Weg, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, den Mittelstand, so zu schädigen, wie Sie es vorhaben. Ein solcher Weg ist mit uns definitiv nicht zu machen.

Sie agieren nicht nur gegen den unternehmerischen Mittelstand, sondern auch gegen die gesellschaftliche Mitte in unserem Land. Sehenden Auges akzeptieren Sie, dass jede kleinste Gehaltserhöhung im Bereich der unteren und mittleren Ein-kommen gleich wieder durch die Inflation und durch die kalte Progression aufgefressen wird. Wir haben etwas dagegen getan und ein Gesetz verabschiedet, das Sie aus ideologischen Gründen im Bundesrat blockieren. Ich sage Ihnen: Wenn sich für die Empfänger unterer Einkommen und für die Mitte in unserer Gesellschaft die Leistung nicht mehr lohnt, dann wird das Wachstum auf Dauer nicht zu halten sein.

Ihre Blockade richtet sich gegen die gesellschaftliche Mitte in unserem Lande. Ich sage Ihnen: Ein Aufbrechen dieser Blockade wäre einmal ein echter Beitrag für mehr Gerechtigkeit, nämlich für Leistungsgerechtigkeit, in unserem Land.

Es muss auch Menschen geben – sie gibt es zum Glück –, die zunächst einmal an das Erwirtschaften und nicht, wie Sie, ständig nur an das Umverteilen denken. Deswegen müssen wir jetzt die Wachstumsbremsen lösen. Wir haben das gerade im letzten Jahr auch geschafft. Eine Hauptwachstumsbremse – gerade für den Mittelstand – war der Fachkräftemangel. Wir haben es erstmalig geschafft, ein System der gesteuerten Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte in den ersten Arbeitsmarkt auf den Weg zu bringen.

Ich sage Ihnen: Wir dürfen damit noch nicht Schluss machen. Im Gegenteil: Das, was für den Bereich der Hochqualifizierten gilt, kann man auch auf alle weiteren Fachkräftebereiche ausdehnen. Ich wäre sogar sehr dafür, dass wir auch für diejenigen, die keinen Hochschulabschluss haben, aber dringend von der deutschen Wirtschaft gebraucht werden, weitere Erleichterungen durchsetzen. Das wäre ein wesentlicher, ein echter Beitrag für mehr Willkommenskultur und zur Verstetigung unseres Wachstums in Deutschland.

Zum wichtigen Thema Rohstoffe. Unter Rot-Grün haben Sie den Bedarf an Rohstoffen einer großen Volkswirtschaft wie Deutschland immer verleugnet. Sie haben nichts dafür getan. Wir haben Rohstoffpartnerschaften abgeschlossen – ganz aktuell mit der Mongolei. Das große Thema „Seltene Erden“ wird hier auch zukünftig eine wichtige Rolle spielen. Die Industrie hat ihr Schicksal selbst in die Hand genommen und eine Rohstoffallianz gegründet, und die mittelständischen Unternehmen werden künftig durch die gerade gegründete Deutsche Rohstoffagentur beraten werden. Das ist gerade angesichts der steigenden Rohstoffpreise in der Welt wichtig.

Ihr einziger Beitrag war, eine Abwrackprämie für Fahrräder zu fordern. Das ist nicht nur romantisch, sondern schlichtweg naiv. Das ist in einer Industrienation wie Deutschland – zum Glück sind wir das noch – nicht angemessen.

Zur Entwicklung in der Industrie: Wir setzen eindeutig auf die Zukunftsmärkte. Wir brauchen auf der einen Seite weiterhin die klassische Industrie. Wir brauchen das produzierende Gewerbe. Zunehmend gibt es aber eine Verknüpfung mit Telekommunikation, mit modernen Kommunikationsformen. Wir nennen das die vierte industrielle Revolution. Deswegen ist das Thema „Industrie 4.0“ ein entscheidender Aspekt bei der Ausrichtung der Industrie- und Wirtschaftspolitik dieser Regierungskoalition.

Wir setzen hierbei auf neue Ideen, auf Innovationen, gerade im Mittelstand. Deswegen ist es gut, dass wir bei den Haushaltsberatungen dafür sorgen werden, dass das zentrale Innovationsprogramm für den Mittelstand nicht nur erhalten, sondern auch mit finanziellen Mitteln gut ausgestattet bleibt. Wir werden erstmals die hochinnovativen, die kreativen Unternehmensgründer im Bereich der IT-Wirtschaft stärken. Erstmalig wird es bei dem wichtigen Thema Wagniskapital Unterstützung geben. Das zeigt, dass wir auf die neuen Herausforderungen für die Industrie reagieren. Wir haben das klare Ziel, dafür zu sorgen, dass unsere Wirtschaft immer um das besser sein kann, was die anderen billiger sind. Das ist unsere Verantwortung. Wir werden dieser Verantwortung angesichts der neuen industriellen Herausforderungen definitiv gerecht werden, Frau Kollegin.

Neben der Industriepolitik und der Frage der Rohstoffversorgung wird natürlich auch die Energiepolitik eine große Rolle spielen. Ein mittleres deutsches Industrieunternehmen hat im letzten Jahr bis zu doppelt so hohe Industriestrompreise gezahlt wie unsere französischen Freunde und Nachbarn. Deswegen haben wir dafür gesorgt – das ist selbstverständlich –, dass es zu Strompreiskompensationen kommt, dass es zu einem Netzentgeltausgleich kommt. Eines will ich Ihnen aber auch sagen: Wir sind es langsam leid, dass man sich ständig dafür entschuldigen muss, dass man durch solche Maßnahmen die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Wirtschaft stärkt und für Arbeitsplätze kämpft und für Arbeitsplätze sorgt.

Ihre Politik ist gegen die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft gerichtet. Sie haben damals eine Preisreduzierung beim Strom aus Photovoltaik verhindert. Es gibt 100.000 Arbeitsplätze im Bereich der Solarwirtschaft, aber allein 875.000 im Bereich der energieintensiven Unternehmen, und denen fühlen wir uns genauso verpflichtet wie den Unternehmen in allen anderen Branchen.

Deswegen ist es richtig, dass wir an die Energiepreise herangehen. Wir alle wissen, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz ein richtiges Gesetz zur Förderung einer Nischenbranche war, aber, Herr Heil, jetzt ist der Stromproduktionsanteil bei 20 bis 25 Prozent angekommen. Das ist keine Nische mehr. 25 Prozent, das ist die Größenordnung der sozialdemokratischen Partei. Da kann man vielleicht von einer politischen Nische sprechen, aber nicht in Bezug auf die Strompreise. Deswegen ist es richtig, dass wir an das EEG herangehen.

Ihre Ideologie steht pragmatischen Lösungen immer entgegen. Bestes Beispiel ist die Diskussion über den Netzausbau. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die rund 4.000 Kilometer neue Netze, die im Netzentwicklungsplan beschrieben wurden, brauchen. Deswegen bin ich bereit, gemeinsam mit den europäischen Partnern darüber zu diskutieren, die Umweltstandards für einen bestimmten Bereich für einen bestimmten Zeitraum außer Kraft zu setzen, damit wir gemeinsam die Zeit haben, den Netzausbau voranzubringen; denn diese Netze sind ein wesentlicher Beitrag zur Verstetigung der Energieproduktion im Bereich der erneuerbaren Energien. Das ist eine zutiefst umweltpolitische Aufgabe. Dies ist eine Maßnahme nicht gegen, sondern für den Umweltschutz und für die Energieversorgung in Deutschland.

Erstens, Herr Kollege Krischer, finde ich es schade, dass Sie nicht darauf hingewiesen haben, dass die Ursprungsidee der Strompreiskompensation eine rot-grüne Idee gewesen ist. Es ist geradezu lächerlich, dass Sie ein solches Instrument erst auf den Weg bringen, aber jetzt gegen die praktische Anwendung einer solchen Strompreiskompensation sind. Mit Ehrlichkeit hat das definitiv nichts zu tun.

Zweitens werden nicht einzelne Branchen von uns begutachtet, sondern es richtet sich nach dem Stromverbrauch; das wissen Sie. Der Deutsche Wetterdienst ist zwar kein produzierendes Unternehmen, aber – ich weiß nicht, ob Sie das wissen – für die Voraussagen von Wetter brauchen Sie Rechnerleistungen, das machen Sie nicht alles mit Kopfrechnen. Wenn Sie Ahnung von Technologie hätten, wüssten Sie, dass gerade die IT-Industrie ein großer industrieller Stromverbraucher ist. Hier gibt es übrigens noch die Möglichkeit, auf Energieeffizienzreserven zurückzugreifen. Ich sage es Ihnen noch einmal: Es werden keine einzelnen Branchen beurteilt, sondern Stromverbrauch von energieintensiven Unternehmen insgesamt.

Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter. Es geht darum, nicht nur energieintensive Unternehmen zu entlasten, sondern die gesamte deutsche Wirtschaft. Deswegen ist es richtig, dass wir die erneuerbaren Energien, den Hauptkostentreiber in der heutigen Zeit, angehen; denn wir brauchen Bezahlbarkeit von Energie für 80 Millionen Menschen, 40 Millionen Haushalte und vier Millionen kleine und mittelständische Unternehmen. Das ist das Ziel dieser Regierungskoalition. Darauf können sich die Unternehmen in Deutschland verlassen.

Wir wollen die Menschen nicht nur in diesem Bereich entlasten – Stichwort: kalte Progression –; nehmen Sie das vorgesehene Absenken der Rentenversicherungsbeiträge als aktuelles Beispiel: Auch das ist ein wesentlicher Beitrag zur wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit. Ich wundere mich, dass gerade Rot und Grün gegen diese sinnvolle Absenkung der Rentenversicherungsbeiträge sind. Vergessen wir nicht: Diese Beitragssenkung ist nur durch mehr Wachstum möglich. Das haben sich die Menschen selber verdient und erarbeitet. Sie wollen Ihnen genau diese Beitragssenkung vorenthalten. Das ist das eigentlich Schäbige der Rentenpolitik von Rot und Grün.

Neben der eigenen Leistungsfähigkeit, der eigenen wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit brauchen wir eine stabile gemeinsame Währung. Deswegen sind wir alle über das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes gestern sehr froh gewesen. Aber ich wundere mich, dass sich auch ausgerechnet die SPD darüber gefreut hat; denn es ist keine Bestätigung Ihres politischen Kurses, sondern es ist eine Bestätigung des Kurses dieser Regierungskoalition.

Es gibt zwei wesentliche Säulen im Rahmen unserer Stabilitätsunion: keine neuen Schulden, sondern Schuldenabbau sowie Stärkung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit für mehr Wachstum. Dieser Kurs ist im ESM und im Fiskalpakt festgeschrieben. Dieser Kurs wurde durch das Urteil gestern mehr als bestätigt. Jetzt geht es darum, dass genau diese Position – Schuldenabbau durch solide Haushalte und wirtschaftliche Reformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit – von allen Mitgliedstaaten in Europa eingehalten wird.

Nur wenn dieser Kurs konsequent von allen eingehalten wird, kommen wir zu mehr Wachstum, zu mehr Vertrauen und zu mehr Glaubwürdigkeit auch im Bereich unserer eigenen Währung. Wenn das gelingt, dann – davon bin ich fest überzeugt – wird unsere gemeinsame Währung, der Euro, zu einer der stabilsten Währungen der Welt gehören. Dieses Grundprinzip, keine Schulden zu machen und mehr Wachstum zu generieren, gilt nicht nur für Deutschland und für Europa, sondern auch für alle anderen Teile der Welt, zum Beispiel für Nordamerika. Darauf sollten wir uns gemeinsam konzentrieren.

Das ist die Grundposition: Eine stabile Währung auch in Zukunft für weiteren Wohlstand in Europa, solide Haushalte, so wie sie in dieser Woche diskutiert und durch diese Regierungskoalition auf den Weg gebracht werden, Stärkung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit durch Stärkung des unternehmerischen Mittelstandes, Rohstoffversorgung, Fachkräftesicherung und Bezahlbarkeit von Energie.

Sigmar Gabriel hat im Zusammenhang mit der Europapolitik gefordert, dass es demnächst eine Volksabstimmung geben soll. Es gibt demnächst tatsächlich eine Volksabstimmung, so ziemlich genau in einem Jahr. Ich freue mich, dass wir dann unsere gemeinsamen Konzepte zum Austausch bringen können.

Wer auf Schulden setzt, wer auf Planwirtschaft setzt, der ist gut aufgehoben bei Sozialdemokraten, bei Grünen und Linken. Wer auf Solidität, auf stabile Haushalte sowie auf eine Stärkung der Wirtschaft und der Wettbewerbsfähigkeit setzt, der ist gut aufgehoben bei dieser Regierungskoalition. Auf diese Auseinandersetzung können wir uns freuen. Das wissen die Menschen.